Schulreform-Volksentscheid in Hamburg

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Sa 31. Jul 2010, 18:20 - Beitrag #21

Inzwischen wird das natürlich niemanden mehr interessieren. Trotzdem bereitet es mir eine enorme Befriedigung, meinem Werbe-Gratis-Käseblatt entnehmen zu können, daß der Bezirk Altona, zu dem der reiche Hamburger Westen gehört, und dessen vermeintliche Begeisterung für eine Initative von integrationsunwilligen Privilegienverteidigern sich in dieser angeblich ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung dort zeigte, tatsächlich Altona der einzige Bezirk ist, in dem der Vorschlag der Bürgerschaft zur Primarschule eine Mehrheit hatte!
Hamburg hat sieben Bezirke, in allen anderen war eine Mehrheit gegen die Primarschule und hat die Initiative deutlich bevorzugt. In Altona war es auch nur denkbar knapp - 39.528 für die Bürgerschaftsvorlage, 39.349 für die Position der Initiative. Trotzdem ist es angesichts der durch die Medien deutschlandweit verbreiteten Behauptungen der Grünen doch witzig, daß es offensichtlich eben gerade nicht die Blankeneser Eltern waren, die die Primarschule gekippt haben, sondern der weniger privilegierte Rest der Stadt. Bild

Frau Goetsch ist übrigens immer noch nicht zurückgetreten... vielleicht will sie ihre Pension retten.

Maglor
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So 1. Aug 2010, 22:47 - Beitrag #22

Ach wer weiß, ob das Hamburger Volk den Volksentscheid überhaupt verstanden hat.
Vielleicht wollten sie auch mit ihrem Nein auch einfach nur ein Zeichen gegen Schule setzen. :crazy:

Lykurg
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So 1. Aug 2010, 23:06 - Beitrag #23

Du hast natürlich insofern nicht ganz unrecht, als das Altonaer Ergebnis, genau betrachtet, ein Ja zu beiden Fragen beinhaltete - mit 51,6 bzw. 51,3% - was in Prozent der Stimmen zur jeweiligen Frage ein genau konträres Ergebnis bedeutet als in Absolutzahlen - tja, das ist schon ein bißchen komplizierter, offenbar nichts für Primarschüler. Und daß das Volk Nein zur Schule sagt, war ja auch gleich die Vermutung der Verantwortlichen. Bild

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So 1. Aug 2010, 23:26 - Beitrag #24

Richtig. Frau Roths Kommentar im Sommerinterview zur Klatsche in Hamburg war, dass man dem Wähler die Reform unzureichend erklärt und beigebracht hätte.

Man sollte den Volksentscheid also nicht als Klatsche der pol. Arbeit oder gar der Schulreform sehen, sondern als Signal für die Parteien, den Bürger besser zu überzeugen.

Ipsissimus
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Mo 2. Aug 2010, 09:51 - Beitrag #25

andererseits ist das eine der Standardausreden: wenn die Mehrheit der wählenden "mündigen Bürger" tatsächlich nicht so wollten, wie sie sollten, dann haben sie einfach nicht richtig verstanden^^ dass sie nicht wollten, weil sie verstanden - die Welt so zu sehen kann sich offenbar kein Politiker erlauben

Lykurg
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Mo 2. Aug 2010, 11:52 - Beitrag #26

Richtig, in den letzten Monaten hat es ja auch mehrere erfolgreiche Volksentscheide gegen große kommunale Bauprojekte gegeben (Konstanz, Heidelberg), gäbe es so etwas zu Stuttgart21, wäre das Ergebnis wohl auch abzusehen. Möglicherweise wollen die Bürger eben doch ihr Geld etwas sorgfältiger verwendet wissen als ihre dafür verantwortlichen Vertreter.

Lykurg
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Do 12. Aug 2010, 11:50 - Beitrag #27

Und wieder spült die Tagespresse nette Kleinigkeiten hervor. 23 sog. Starterschulen hatten sich mit kräftigen finanziellen Anreizen dazu animieren lassen, das Primarschulmodell schon ab dem letzten Schuljahr, also vor dem eigentlich geplanten Start jetzt, einzuführen, und entsprechend der vierten Klasse einen Stoff vorgesetzt, der in der 5. so weiterlaufen sollte. Denen fehlt jetzt die Rechtsgrundlage, und, wie die Schulsenatorin meint, auch die Perspektive, wenn sie sich nicht als Versuchsschulen anmelden wollten. Daran bestehe aber offenbar auf deren Seite kein Interesse. Komisch aber auch... Die Möglichkeit der Koexistenz beider Formen, die von der Initiative "Wir wollen lernen" ursprünglich gefordert worden war, um einen Vergleich zu ermöglichen, hatte die Schulbehörde schon damals mit dem Hinweis, das sei zu aufwendig, abgelehnt (hatte nur jetzt erst einmal dabei bleiben wollen, 'um die Starterschulen nicht zu gefährden').
Den großflächigen Versuch Berlin, wo trotz (bzw. wegen?) sechsjähriger Grundschule laut Pisa 2009 deutschlandweit die schlechtesten Integrationsleistungen erbracht werden, nimmt offenbar keiner ernst. ;)

Dann las ich heute, daß die drei Hamburger 'Langformschulen', also Gesamtschulen, die Klassen vom ersten Schuljahr bis zum Abitur zusammen lassen, durch die Einführung der Primarschule abgeschafft werden sollten und hoffen, nun weiterbestehen zu können. Mögen sie die Freiheit nutzen.

Ipsissimus
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Do 12. Aug 2010, 13:13 - Beitrag #28

ach, PISA kann eigentlich argumentativ für und gegen alles benutzt werden^^

was mir wirklich fehlt, sind plausible Begründungen der Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit einer Schule vom Schulmodell. International scheint sich längst das Modell der Gesamtschule durchgesetzt zu haben, national nicht. Beides ist per se weder gut gut noch schlecht; was fehlt, sind ernstzunehmende, valide Bewertungskriterien. Und innerhalb dieser Kriterien eine saubere Trennung der Einflussgrößen. Von daher denke ich, dass da Politik per Ideologie gemacht wird, national wie international. Möglicherweise ist irgendeine Variante der Gesamtschule optimal zur Steigerung sowohl des durchschnittlichen als auch des Spitzen-Leistungsvermögens der Schüler geeignet, möglicherweise nicht. Jegliche entsprechende Feststellung entlarvt sich beim derzeitigen Stand des Wissens als doxa, reine Ideologie.

Maglor
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Do 12. Aug 2010, 18:28 - Beitrag #29

Klar ist nur, dass sich die Trends ständig ändern. In der DDR wurde z. B. die sechsjährige Grundschule favorisiert, eingliedriges Schulsystem, ebenso wie ein 12-jähriges Gymnasium.
Die meisten Errungenschaften des real existierenden Sozialismus wurden nach der "Wende" eingemottet um wenige Jahre später wieder aus dem Hut gezaubert zu werden.
Einige "neue" Bundesländer haben sich ein paar DDR-Altlasten in ihren Schulen erhalten. Das ganze, ja seit Jahrzehnten erpobte Schulsystem des anderen Deutschlands spielt in Debatten natürlich keine Rolle. Finnland liegt da schön deutlich näher am deutschen Gemüt und seinen altphilologischen Bedürfnissen.

Zu bemerken ist hier natürlich noch die größere Effienz der DDR Schulsystem zu reformieren und die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. :crazy:

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Fr 13. Aug 2010, 09:34 - Beitrag #30

den Kern des Problems scheint, bezogen auf Deutschland, durch die Beobachtung beschrieben zu sein, dass Schulen aus dem Bereich Ganztagsschulen - gleich, wie sie konkret umgesetzt sind - ein höheres Disziplin-Problem haben als die Gymnasien und damit eine geringere Zeiteffizienz. Ich frage mich, warum das so ist und ob das so sein muss, und vor allem natürlich, was bei den Gymnasien wirklich anders ist.

Lykurg
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Fr 13. Aug 2010, 19:59 - Beitrag #31

Ein wesentlicher Teil der Antwort dürfte ganz banal der soziale Hintergrund sein. Wenn wir annehmen, daß eine eher bürgerliche Klientel ihre Kinder aufs Gymnasium schickt und sich außerhalb der Schulzeit stärker um Individualförderung der Kinder bemüht, da sie mehr Möglichkeiten dazu hat und mehr Wert darauf legt, ist ein in gewissem Maße sichtbares Resultat wenig überraschend.
Dazu kommt, daß meines Erachtens eine gesunde Mischung zwischen kollektiver und individueller Betreuung und zentral auch Abwechslung der Inhalte sinnvoll ist. Die Leistungsfähigkeit von Menschen jeglichen Alters ist nicht unbegrenzt, da ist ein klar gegliederter Tagesablauf mit Ruhephasen und einem Nachmittagsprogramm außerhalb der Schule möglicherweise tatsächlich produktiver als ein Abhängen bis in die 10. und 12. Stunde.

Ipsissimus
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Sa 14. Aug 2010, 09:33 - Beitrag #32

wenn dem so wäre, wäre das Gymnasium tatsächlich der soziale Filter / die soziale Weiche, als der/die sie teilweise angesehen wird, ein Mittel zur Privilegiensicherung mithin, und die Lösung dürfte "eigentlich" nicht sein, das Gymnasium immer mehr in dieser Funktion zu bestätigen und sozial abzuschotten, sondern andere Schulfomen an gymnasiale Standards heranzuführen, und sei es dadurch, dass gymnasiale Schüler auf andere Schulformen verteilt werden.

janw
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Mi 1. Dez 2010, 21:40 - Beitrag #33

Zitat von Lykurg:Ja! Ein Großteil der in der Initiative aktiven Eltern und der Sympathisanten wäre entsetzt darüber, wenn etwa ihre Kinder dazu gezwungen würden, auf eine Billbrooker Gesamtschule mit derzeit 98,7%igem Ausländeranteil zu gehen (siehe Karte oben). Dagegen würden sie sich ganz klar zur Wehr setzen, was man auch als Abschottung bezeichnen kann.

Nein, Lisa soll ums Verrecken nicht mit Ahmed spielen!! :rolleyes:

Ich halte es für ein Gebot schon der sozialen Vernunft, daß jegliche Entmischung sozialer oder herkunftsbedingter Milieus durch geeignete Maßnahmen vermindert wird, natürlich sollte hiermit im Kinderalter begonnen werden.

Ich habe mir die Schulreform nicht en detail durchgelesen, aber der Grundzug, Schüler bis zur 6. Klasse zusammen zu lassen und durch entsprechende Schulzuweisungen bestehende Milieukonzentrationen, vulgo Ghettostrukturen, aufzubrechen, damit bestehenden milieubedingten Chancenungleichheiten schon im Kindesalter zu begegnen, erscheint mir sinnvoll und notwendig.
Das Bürgerbegehren erscheint mir in dieser Hinsicht eine Sache von Besitzstandswahrern zu sein, denen jene auf den Leim gegangen sind, die schon immer anfällig waren - wer am Abgrund steht, geringfügig oder zeitarbeitsbeschäftigt, für den ist Veränderung, erst recht eine solche, die noch weiter unten Stehende möglicherweise auf sein Niveau heben könnte, nicht ungefährlich, und wenn dann die Zeitung noch schwarz malt und der heckige Sky du Mont auch gegen die Reform hetzt, ist klar, wofür gestimmt wird.

Daß diejenigen, für die die Reform Verbesserungen bringen sollte, überwiegend nicht mitgestimmt haben, weil sie zum guten Teil nicht mitstimmen durften, zum anderen kommunikationsbedingt nicht erreicht wurden, ist da fast nur eine Randnotiz.

e-noon
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Mi 1. Dez 2010, 21:59 - Beitrag #34

damit bestehenden milieubedingten Chancenungleichheiten schon im Kindesalter zu begegnen, erscheint mir sinnvoll und notwendig.

Ja.

Das Bürgerbegehren erscheint mir in dieser Hinsicht eine Sache von Besitzstandswahrern zu sein,
"Privilegienwahrer" passt wohl besser; und ich würde garantiert für mein Kind dieselben Privilegien wollen, die ich als Kind selbst genossen habe. Ich würde sogar sagen, dass ich über Eltern besorgt wäre, die die soziale Durchmischung ihres Stadtteils über das Wohl ihrer Kinder stellen.

Wer die soziale Durchmischung will, sollte zunächst dafür sorgen, dass ein höherer Mindeststandard in Verhalten und Fähigkeiten aller Kinder herrscht; sprich, sicherstellen, dass kein Kind verprügelt wird, kein Kind Mobbing erfährt, weil es versucht, im Unterricht mitzuarbeiten, kleine Klassen mit guten Lehrern und Sozialpädagogen bereitstehen, etc. Dann würde möglicherweise die Reaktion der Eltern anders ausfallen, aber auch nur möglicherweise. Bildungsverweigerer und Überflieger haufenweise in einen Raum zu sperren, kann einfach nicht gut gehen. Jedenfalls nicht für alle Beteiligten. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass ich mir damals gewünscht habe, dass manche Leute sitzenbleiben (5., 6. Klasse), die nicht mitgemacht haben und das auch nicht wollten, stattdessen lieber den Unterricht störten, dem ich so liebend gerne gefolgt wäre, gerne auch in mir angemessenem (schnellerem) Tempo. Stärkere Differenzierung in Fächern wie Mathe und Sprachen, mit stärkerer Durchmischung in Fächern wie Gemeinschaftskunde, Sport, Kunst, Musik etc. könnten eine Lösung sein, mit Förderkursen für die wenigen Sportasse/Künstler/Talentierten Musiker, die es auch hier geben wird. Pauschales Runterziehen der Guten für ein geringfügig besseres Abschneiden der Schlechten: Nein.

janw
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Mi 1. Dez 2010, 22:30 - Beitrag #35

Zitat von e-noon: "Privilegienwahrer" passt wohl besser]
Privilegien dürfen nicht Belang eines Staates sein, der sich als Sachwalter aller Bürger versteht.

Wer die soziale Durchmischung will, sollte zunächst dafür sorgen, dass ein höherer Mindeststandard in Verhalten und Fähigkeiten aller Kinder herrscht; sprich, sicherstellen, dass kein Kind verprügelt wird, kein Kind Mobbing erfährt, weil es versucht, im Unterricht mitzuarbeiten, kleine Klassen mit guten Lehrern und Sozialpädagogen bereitstehen, etc. Dann würde möglicherweise die Reaktion der Eltern anders ausfallen, aber auch nur möglicherweise. Bildungsverweigerer und Überflieger haufenweise in einen Raum zu sperren, kann einfach nicht gut gehen. Jedenfalls nicht für alle Beteiligten. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass ich mir damals gewünscht habe, dass manche Leute sitzenbleiben (5., 6. Klasse), die nicht mitgemacht haben und das auch nicht wollten, stattdessen lieber den Unterricht störten, dem ich so liebend gerne gefolgt wäre, gerne auch in mir angemessenem (schnellerem) Tempo. Stärkere Differenzierung in Fächern wie Mathe und Sprachen, mit stärkerer Durchmischung in Fächern wie Gemeinschaftskunde, Sport, Kunst, Musik etc. könnten eine Lösung sein, mit Förderkursen für die wenigen Sportasse/Künstler/Talentierten Musiker, die es auch hier geben wird. Pauschales Runterziehen der Guten für ein geringfügig besseres Abschneiden der Schlechten: Nein.

"Wer die soziale Durchmischung will, sollte zunächst dafür sorgen, dass ein höherer Mindeststandard in Verhalten und Fähigkeiten aller Kinder herrscht;" Verhalten wird erlernt durch soziale Interaktion, das Indiegesellschaftkommen jedes Menschen fängt im Kindesalter an.
Deshalb müssen die Grenzen im Kindesalter wegfallen. Im übrigen ist das frühe Miteinander auch von hoher Bedeutung für den Spracherwerb, insbesondere, wenn hier elternseits Probleme bestehen.

Hinsichtlich des Personalbedarfs stimme ich Dir zu, aber die Probleme in der 6.Klasse ff beruhen zum großen Teil auf nichtgelungener Integration zwischen 4 und 7.

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Mi 1. Dez 2010, 22:33 - Beitrag #36

Deshalb müssen die Grenzen im Kindesalter wegfallen. Im übrigen ist das frühe Miteinander auch von hoher Bedeutung für den Spracherwerb, insbesondere, wenn hier elternseits Probleme bestehen.


Dann muss man entsprechend früher ansetzen mit Sprachkursen und Erweiterung des Kindergartenangebots. Was ich auch unbeschränkt befürworten würde! Den Staat haben die Belange aller zu interessieren, das ist richtig, aber andererseits wurde hier demokratisch abgestimmt, die Informationen waren da, und es liegt in der Natur der Sache, dass die Eltern, die sich besonders für das schulische Wohl ihrer Kinder interessieren, sich diesbezüglich informieren und entsprechend abstimmen. Man hätte auch einfach entscheiden können, dann wären die ärmeren Kinder bildungsfördernder Kinder mit den anderen vermischt worden, die reicheren weggezogen. Fördern kann man auch auf Grund- und Hauptschule, wenn man es denn will.

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Mi 1. Dez 2010, 22:52 - Beitrag #37

Zitat von e-noon:Dann muss man entsprechend früher ansetzen mit Sprachkursen und Erweiterung des Kindergartenangebots. Was ich auch unbeschränkt befürworten würde! Den Staat haben die Belange aller zu interessieren, das ist richtig, aber andererseits wurde hier demokratisch abgestimmt, die Informationen waren da, und es liegt in der Natur der Sache, dass die Eltern, die sich besonders für das schulische Wohl ihrer Kinder interessieren, sich diesbezüglich informieren und entsprechend abstimmen. Man hätte auch einfach entscheiden können, dann wären die ärmeren Kinder bildungsfördernder Kinder mit den anderen vermischt worden, die reicheren weggezogen. Fördern kann man auch auf Grund- und Hauptschule, wenn man es denn will.

Kindergarten ist immer noch eine freiwillige Sache, aber auf dem Schulniveau ist Steuerung möglich und IMHO sinnvoll.
Für mich ist die Frage, ob eine Abstimmung, die ganz wesentlich über Menschen entscheidet, die nicht mitstimmen können, legitim ist - im Grunde ebenso abscheulich wie die Ausschaffungsinitiative in der Schweiz.
Die Gesetze zum Schutz von Volk und Staat verkneif ich mir mal...

Im übrigen ist die Primarschule eine zeitlich - und natürlich später anspruchsmäßig - erweiterte Grundschule, eine grundlegende Schule für alle. Wobei glaube ich gewisse Förderungs- und Forderungeinstrumente inbegriffen waren, klar muss schwächeren Schülern spezifisch geholfen werden und stärkere sollten in ihren Stärken gefördert werden.
Wie kommst Du dann auf die Hauptschule? Ziel muss sein, Schüler so weit zu bringen, so weit sie aufgrund ihrer Gaben kommen - unbelastet von sozialer oder kultureller Herkunft.

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Mi 1. Dez 2010, 23:07 - Beitrag #38

Kindergarten ist immer noch eine freiwillige Sache, aber auf dem Schulniveau ist Steuerung möglich und IMHO sinnvoll.

Kindergarten ist auch in Frankreich freiwillig, wird dort aber in 99& der Fälle in Anspruch genommen, auch von Migranten. Man könnte sich überlegen, wie das in Deutschland zu bewerkstelligen ist, Kostensenkung und größere Bedarfsdeckung in Nähe des Elternhauses wäre ein Anfang.

Für mich ist die Frage, ob eine Abstimmung, die ganz wesentlich über Menschen entscheidet, die nicht mitstimmen können, legitim ist - im Grunde ebenso abscheulich wie die Ausschaffungsinitiative in der Schweiz.

Wieso denn nicht mitstimmen können? Andererseits ist das bei sämtlichen Abstimmungen über Rechte von Kindern so...
Ausschaffungsinitiative in der Schweiz.

Worauf beziehst du dich da genau?
Ziel muss sein, Schüler so weit zu bringen, so weit sie aufgrund ihrer Gaben kommen - unbelastet von sozialer oder kultureller Herkunft.

Ja, aber woran willst du das festmachen? Wann sollen die Kinder denn dann getrennt werden? Spätestens wenn der eine Atomphysiker wird und der andere eine Lehre bei Aldi anfängt, gehen sie vermutlich ohnehin getrennte Wege. Willst du wirklich während dieser ganzen Zeit starke und schwache Schüler dazu bringen, den gleichen Stoff in annähernd der gleichen Zeit zu lernen? Wie soll das gehen?

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Mi 1. Dez 2010, 23:49 - Beitrag #39

Zitat von e-noon:Kindergarten ist auch in Frankreich freiwillig, wird dort aber in 99& der Fälle in Anspruch genommen, auch von Migranten. Man könnte sich überlegen, wie das in Deutschland zu bewerkstelligen ist, Kostensenkung und größere Bedarfsdeckung in Nähe des Elternhauses wäre ein Anfang.

Das Problem ist, daß es im Zuge der Milieubildung und Nichtintegration zu etwas gekommen ist, das man als Parallelgesellschaft bezeichnen kann, in der Kindergartenbesuch nicht als so wichtig erachtet wird, wie er erachtet werden sollte.
Desweiteren ist die Wohnortnähe gerade dann das Problem - weil dann eben wieder die Kinder aus demselben Milieu im gleichen Kindergarten sind, die Nichtintegration somit fortlebt.

Wieso denn nicht mitstimmen können? Andererseits ist das bei sämtlichen Abstimmungen über Rechte von Kindern so...

Weil nur Wahlberechtigte (=deutsche Staatsbürger) an der Abstimmung teilnehmen durften und die bestehende Sprachgrenze plus "wir werden sonst nie gefragt, also was solls?" ihr Übriges getan hat, daß die, die sich hätten angesprochen fühlen müssen, nicht abgestimmt haben, selbst wenn sie gedurft hätten.
Abgestimmt haben die Privilegienverteidiger und jene, die sich von der bekannten Zeitung sagen lassen, was gut für sie ist.

Worauf beziehst du dich da genau?

In der Schweiz gab es gerade eine von einer rechtslastigen Partei initiierte Volksabstimmung, ob Ausländer automatisch abgeschoben (schweizerisch "ausgeschafft") werden sollen, wenn sie schwer starffällig geworden sind.
IMHO eben so ein Fall von Entscheidung über Wehrlose zu deren Ungunsten.

Ja, aber woran willst du das festmachen? Wann sollen die Kinder denn dann getrennt werden? Spätestens wenn der eine Atomphysiker wird und der andere eine Lehre bei Aldi anfängt, gehen sie vermutlich ohnehin getrennte Wege. Willst du wirklich während dieser ganzen Zeit starke und schwache Schüler dazu bringen, den gleichen Stoff in annähernd der gleichen Zeit zu lernen? Wie soll das gehen?

Da hatte ich noch einen Punkt vergessen, der ganz entscheidend ist - alle bildungsmäßig erfolgreichen Länder lassen ihre Kinder länger als 4 Jahre zusammen, üblicherweise 6 Jahre.
In dem Alter macht eine Trennung Sinn, weil die Stärken und Schwächen nicht mehr Lotto des Lehrers sind - 70% der ausländischen Schüler in Bayern landen nach der 4. Klasse auf der Hauptschule, in Niedersachsen nur 15% - sondern das sind, was IST, worauf mit der Systemdifferenzierung in reproduktives Lernen (Haupt- und Realschule) bzw. Lernen in Kontexten mit Transferleistungen (Gymnasium) reagiert werden kann.

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Do 2. Dez 2010, 13:06 - Beitrag #40

Zitat von janw:Privilegien dürfen nicht Belang eines Staates sein, der sich als Sachwalter aller Bürger versteht.
Nein, aber wenn der Staat sich Abschaffung von Privilegien auf seine Fahnen schreibt und das so weitgehend zum alleinigen Ziel seiner Politik macht, daß er dabei massive Qualitätseinbußen zuläßt, führt dies zu seinem Verderben und bewirkt das Gegenteil des Angestrebten. Integration kann nicht um jeden Preis laufen, und wie bereits mehrfach angesprochen: Wenn staatliche Schulen zu schlecht werden, ziehen diejenigen, die es sich leisten können, weg bzw. schicken ihre Kinder auf Privatschulen, und übrig bleiben diejenigen, die es sich nicht leisten können. Daß wir in den letzten Jahren hier einen nicht enden wollenden Boom von konfessionellen Schulen haben, ist angesichts der Schulpolitik nicht weiter verwunderlich.
Zitat von janw:"Wer die soziale Durchmischung will, sollte zunächst dafür sorgen, dass ein höherer Mindeststandard in Verhalten und Fähigkeiten aller Kinder herrscht]Hinsichtlich der zu erbringenden Voraussetzungen stimme ich völlig mit e-noon überein. Darüber hinaus: Natürlich ist soziale Interaktion eine wichtige Kompetenz, aber nur eine von vielen, und für dieses Ziel dürfen nicht Lehrinhalte aufgegeben werden. Genau das passiert aber, wenn im Sinne der stärkeren Durchmischung eine Nivellierung nach unten vorgenommen wird.
Das Problem ist, daß es im Zuge der Milieubildung und Nichtintegration zu etwas gekommen ist, das man als Parallelgesellschaft bezeichnen kann, in der Kindergartenbesuch nicht als so wichtig erachtet wird, wie er erachtet werden sollte.
Dem versucht man ja mit verbindlichen Regelungen (Sprachtest, Kurse etc.) entgegenzutreten. Wenn alle Parteien dazu bereit wären und darin nicht bloß eine Bevormundung sähen, wären wir ein Stück weiter.

Desweiteren ist die Wohnortnähe gerade dann das Problem - weil dann eben wieder die Kinder aus demselben Milieu im gleichen Kindergarten sind, die Nichtintegration somit fortlebt.
Das ist richtig - läßt sich aber sicherlich nicht beheben, indem man die Kinder entfernt gelegenen Kindergärten zuweist, denn das ist für alle Eltern (und Kinder!) eine unzumutbare Härte.

Das Thema Schulsysteme anderer Länder (insbesondere Finnland) ist so rege besprochen worden, daß es mir ziemlich zum Hals raushängt. Hier hatten wir uns darauf geeinigt, die Systemfrage weitgehend außen vor zu lassen. Ich halte es für offensichtlich, daß beide Systeme erfolgreich sein können und andere Faktoren, etwa die Ausstattung mit Lehrkräften, die Lehrpläne und die Klassengrößen, sehr viel wichtigere Einflußgrößen sind als die Schulform. Wie Padreic dankenswerterweise deutlich machte, gibt es auch deutlich schlechter funktionierende Bildungssysteme mit längerem gemeinsamen Lernen (Beispiel Italien). Das ist in großen Teilen eine ideologische Debatte.

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In der Schweiz gab es gerade eine von einer rechtslastigen Partei initiierte Volksabstimmung, ob Ausländer automatisch abgeschoben (schweizerisch "ausgeschafft") werden sollen, wenn sie schwer starffällig geworden sind.
IMHO eben so ein Fall von Entscheidung über Wehrlose zu deren Ungunsten.
Es fällt mir nicht leicht, schwer straffällig gewordene Menschen als "wehrlos" (!) zu sehen, aber meinetwegen, bürgern wir sie nach verbüßter Haft doch ein, dann hat sich das Problem erledigt. Bild

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