(Selbst-)Verteidigungsminister Guttenberg ein Plagiator?

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Do 17. Feb 2011, 20:17 - Beitrag #21

Zitat von Maglor:Im August 2009 tauchte die Nachricht auf, dass er einen Gesetzetwurf zur Bankenaufsicht von der Großkanzlei Linklaters habe schreiben lassen. Die Kanzlei Linklaters berät auch Banken und so, hat also diverse Verflechtungen zu der Branche, die das Gesetz kontrollieren sollte. Guttenberg gab an, er habe sich lediglich von Linklaters beraten lassen (Die Beratung wird natürlich mit Haushaltsmittel finanziert.) und den Gesetzentwurf habe er sich später ganz allein ausgedacht. Private Beratungsfirma aus der Finanzbranche schreibt Gesetze zur Finanzmarktkontrolle, die sich der Wirtschaftsminister anschließend an den eigenen Hut stecken kann? Dieser Skandal blieb im wesentlichen ohne Folgen.


Vielleicht weil es mehr ein nicht unmittelbar (nur) an seine Person gebundener Skandal war. Denn Gesetzentwürfe müssend ie Minister gerade nicht wie wissenschaftliche Arbieten als rein eigenständige Leistung erstellen. Insofern war das kein Plagiat, aber in der Tat auf andere Art auch ein sehr törrichtes, wohl nicht zu Unrecht Mißtrauen erweckendes Vorgehen.

janw
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Do 17. Feb 2011, 21:07 - Beitrag #22

Zitat von Lykurg:Mit Universität haben die Juristen nur insofern etwas zu tun, als sie sich dort befinden, weil sie schon immer da waren. Praktisch ist das, was von der überwältigenden Mehrheit von ihnen später verlangt wird, keine wissenschaftliche Arbeit, also auch nicht das, was eine Universität zu vermitteln hat. Man kann den Fehler an verschiedenen Stellen sehen, denkbar und meines Erachtens ratsam wäre die Verlagerung an Fachhochschulen (da wäre dann auch der Abschluß mit den dahinführenden Paukveranstaltungen angemessener untergebracht), damit spart man sich auch die Peinlichkeit gehobener wissenschaftlicher Abschlüsse von Leuten, die diese offensichtlich nur zur Befriedigung ihrer persönlichen Eitelkeit anstreben, aber nicht für ihren praktischen Beruf brauchen und entsprechend auch nicht hinreichend darauf vorbereitet sind.

Dem stünde allerdings entgegen, daß das Jurastudium nach wie vor zwingende Voraussetzung ist für eine Tätigkeit als Richter oder Rechtsanwalt so wie in bestimmten Verwaltungsbereichen - und dort halte ich eine auch in den geistigen Grundlagen fundierte Ausbildung mit universalem Anspruch weiter für geboten - nicht zuletzt wird ja an Gerichten in gesetzgeberischen Graubereichen nach wie vor "Recht geschöpft", und das setzt IMHO die Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit der gesetzgeberischen Intention, überhaupt dem, was Rechtsstaat "will", voraus.
Ein FH-Jura müsste dementsprechend so angelegt sein, daß es von vornherein eine Tätigkeit in wirklich rechtsrelevanten Bereichen ausschließt.
Eher wäre vielleicht daran zu denken, Promotionen - und damit den für sie vorzusehenden administrativen Aufwand - für jene zu reservieren, die wirklich wissenschaftlich zu arbeiten gedenken.

Zitat von 009:Ist Jura denn wirklich so relativ unwissenschaftlich, dass es mehr an eine FH denn an eine Uni gehört? Kann die Frage des Verhältnisses von wissenschaftlich universitärem Arbeiten und späterer unmittelbarer Berufsrelevanz (bzw. bei wie wenigen/vielen die gegeben ist) da eine Rolle spielen?
Sicher mag es beispielsweise einfache Arbeits-/Mietrechtsfragen geben, wo auch learning by doing reicht (ich kenne den Fall eines gescheiterten Germanisten, der lange Zeit und sehr erfolgreich, sein Wissen und Fähigkeiten nur aus seinem Interesse und Beobachtung ähnlicher Prozesse schöpfte, sozusagen die Rechtsabteilung eines Mittelständlers war), aber die stets nötige Weiterentwicklung des Rechts an neue Sachfragen und gesellschaliche oder politische/europäische Entwicklungen halte ich schon für Aufgaben mit wissenschaftlichem Charakter.

Aber da meines Wissens nach auch an FHs (weniger?!? wissenschaftliche) Texte mit Plagiat-Verbot geschrieben werden, hätte das in dem Fall bzw. Guttenberg auch nichts genutzt.

Ich denke eben, daß Jura nach wie vor an die Unis gehört, aus genannten Gründen, aber die Ausbildung muss eben wieder an der Uni erbracht werden und nicht in irgendwelchen Repetitorien, dort dann möglichst noch durch Hiwis, die ihre Uni-Seminare dafür schleifen lassen.

Zitat von e-noon:Da das Urheberrecht auf Juristen nicht nur wie auf alle anderen zutrifft, sondern als Teil unseres Rechtssystems auch inhaltlich zu ihrem Studium gehört, ist es einem Juristen gleich doppelt anzukreiden, wenn er dagegen verstößt.

Ja, und vor allem sind ihm Kenntnisse der strafrechtlichen Folgen seines Tuns zu unterstellen. Falsche Eidesstattliche Versicherung...

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Do 17. Feb 2011, 21:12 - Beitrag #23

Zitat von janw:Ja, und vor allem sind ihm Kenntnisse der strafrechtlichen Folgen seines Tuns zu unterstellen. Falsche Eidesstattliche Versicherung...


Das wiederum evtl. gerade nicht, da nach meinem Wissen nur bestimmte, irgendwo in den Rechtsquellen abschließend aufgezählte Stellen berechtigt sind, eine Versicherung an Eides statt so entgegenzunehmen, dass dies, wenn sich die Aussage als unwahr herausstellt, den Straftatbestand der eidlichen Falschaussage erfüllt.
Unis und Prüfungsämter gehören m.E. nicht dazu und produzieren formaljurisisch mit der Abnahme eidesstattlicher Erklärungen insofern nur heiße Luft.

E: da war einiges an Scheinwissen dabei, genaueres erklärt Wikipedia . Immerhin denke ich nach Lektüre des §27 VwVfG nicht, dass eine in eine wissenschaftliche Arbeit eingebundene schriftliche einseitige Erklärung die formalen Vorschriften der im engen Sinne Versicherung an Eides statt erfüllt.

Lykurg
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Do 17. Feb 2011, 23:05 - Beitrag #24

Ich stimme dir zu, 009, daß nach dieser Vorschrift die Gültigkeit anzuzweifeln wäre. Trotzdem bleibt interessant, wie diese Form von Vertrauensbruch sanktioniert wird. GuttenPlag hat schon über 50 Stellen gefunden...

janw, daß weiterhin wissenschaftliche Juristen gebraucht werden, zweifle ich ja nicht an, aber die große Masse geht in andere Richtungen und braucht eher FH-artiges Trichterwissen für seine Examina.

Zur Ehrlichkeit aber: es heißt immer, in den Bibliotheken der Juristen und Theologen würden am häufigsten Bücher geklaut... Bild

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Do 17. Feb 2011, 23:47 - Beitrag #25

Wie u.a. der Spiegel berichtet, hat Googleberg offensichtlich ad hoc und ganz kurzfristig einen Wahlkampfauftritt am heutigen abend abgesagt, dessen Wahrnehmen den ganzen Tag über wohl nicht wirklich in Frage stand

Das wäre doch eigentlich eine prima Gelegenheit gewesen, sich in Frm ungestörter Rede zu den ganzen Vorwürfen und Geschehnissen äußern zu können.

janw
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Fr 18. Feb 2011, 17:47 - Beitrag #26

Zitat von Lykurg:janw, daß weiterhin wissenschaftliche Juristen gebraucht werden, zweifle ich ja nicht an, aber die große Masse geht in andere Richtungen und braucht eher FH-artiges Trichterwissen für seine Examina.

Aber weiß die große Masse a priori, daß sie ausschließlich in Bereichen arbeiten wird, in denen nur Trichterwissen gefordert ist? Wäre es nicht in gewisser Weise eine geistige Bankrotterklärung dieser Arbeitsbereiche, Kenntnisse der Grundlagen für obsolet zu erachten?

Zur Ehrlichkeit aber: es heißt immer, in den Bibliotheken der Juristen und Theologen würden am häufigsten Bücher geklaut... Bild

Für die Juristen ist es geistiger Mundraub, bei den Römern eine Sache von Rosenkränzen ;)

Makeda
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Fr 18. Feb 2011, 20:34 - Beitrag #27

Bei 50 fehlenden Zitaten ist es nicht geblieben. scheinen über 50 zu sein :D
Und sein, "Ach, bei 1000 Fussnoten kann man ja mal eine vergessen."
Also 1000/450 (Seiten) machen bei mir immer noch 2,2 (Periode).

Wenn ich also 2-3 Fussnoten pro Seite habe, passieren mir über Hundert nicht gefussnotete, geanführungstrichete Zitate? :boah:

Was mach ich da nur mit meinen Durchschnittlichen 8 Fussnoten pro Seite. Ach du schreck! :rolleyes:

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Fr 18. Feb 2011, 22:40 - Beitrag #28

Makeda, was genau willst Du uns sagen? Ich verstehe den Rechenansatz gerade nicht.

Die 2,2 Zitate/Seite verstehe ich noch, aber wo ist der Grund, die mathematisch mit der Anzahl bemängelter Seiten (muß nicht gleich der Zahl der fehlenden Zitate sein - wenn sich zitierter Text zb über einen Seitemumbruch zieht, bleibt es 1 Flaschzitat, aber macht 2 Seiten mit Fehlern (vor allem fehlende " oder bei indirektem agieren passende Formulierung)

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So 20. Feb 2011, 08:34 - Beitrag #29

Einen satten Tag später gibt es einiges m.E. erwähnens- wie bemerkenswert neues:

Sowohl nach Erhebung von infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend (Tagesschau-Blog dazu; Tagesschau-Seiten incl. Video) als auch laut emnid-Umfrage für den Focus sprach sich nur eine Minderheit der Deutschen für einen Rücktritt von Guttenberg aus. Eigentlich hätte ich das anders erwartet.

Von der Kanzlerin (und selber Doktorin der Physik) gabe es, wie bei der Tagesschau nachzulesen eine m.E. nur mittelstarke Rückendeckung:
"Wir müssen jetzt und sollten ganz in Ruhe abwarten, wie die Universität Bayreuth mit Karl-Theodor zu Guttenberg zusammenarbeitet." Er habe das Notwendige dazu gesagt. Und sie fügte hinzu: "Er hat mein Vertrauen für seine Arbeit und diese Arbeit ist wichtig. Er ist im Augenblick in der Arbeit an einer Bundeswehrreform, die es in diesem Ausmaß in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt noch nicht gegeben hat. Und dafür braucht er meine Unterstützung und dafür bekommt er sie auch", so die Kanzlerin im SWR-Interview.
Ich lese da ein "abwarten, wenn die Uni tadelnde Finger erhebt, werde ich es auch tun - Vertrauen hat er nur für den genannten Teil seiner Arbeit, nicht zB für die Aufklärung der Geschehnisse auf der Gorch Fock".


Wie bei Reuters nachzulesen, gab es inzwischen eine Anzeige wegen einer falschen eidesstattlichen Versicherung - mit m.E. erwartbarem Ausgang:
Die Einleitung von Ermittlungen werde aber abzulehnen sein, weil die Uni keine eidesstattliche Versicherung bei einer Promotion verlange, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky Reuters TV.


Guttenbergs m.E. seltsame, den gewollten Zweck wieder eher verfehlende, Erklärung gibt es als Video und Text im Wortlaut beim Verteidigungsministerium. Den mag+werde ich wenn später "zerlegen".


Einen weiteren m.E. hochproblematischen Aspekt bei des Ministers Doktorarbeit zeigt der Spiegel auf. Den nur für unmittelbare parlamentarische Aufgaben in Anspruch zu nehmenden Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages hat Guttenberg - insofern offenbar mißbräuchlich - eine Ausarbeitung erstellen lassen, die er nur mit allgemeiner Zitierung, nicht unter Nennung des konkreten bekannten Autors angegeben hat. Das riecht danach, als wäre das nicht so ganz passend zu diesen Regeln des Bundestages.

Auch weil das Plagiats-Detektions-Wiki inzwischen von Plagiaten auf rund 60% des eigentlichen Textes der Dissertation ausgeht, nehme ich mal an, dass sich das ganze noch eine Weile hin- und dann aber ein anderer Minister ins Verteidigungsministerium einziehen wird.

Lykurg
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So 20. Feb 2011, 09:40 - Beitrag #30

Nein, das habe ich nicht anders erwartet. Ich halte die Mehrheit der Deutschen für zu wissenschaftsfern, um sich klarzumachen, was sein Verhalten überhaupt bedeutet. Das zeigen auch etwa die (vielen) Leserbriefe in der Welt und im Abendblatt in den letzten Tagen - da wird fast durchweg um Verständnis geworben, so ein paar Stellen versehentlich ohne Fußnote, das könne ja mal passieren, und sowieso würde aus parteipolitischen Gründen auf ihn Jagd gemacht.

Aus den Leserbriefen spricht für mich
a) Unwissenheit über den tatsächlichen Umfang; ein Großteil der Leser/relevanten Wählerzahl guckt eben nicht ins Internet
b) Gleichgültigkeit gegenüber dem Vergehen (schwerwiegend 'nur' aus unserem wissenschaftsethischen Blickwinkel)
c) anhaltende Bewunderung/durch nichts zu erschütternde Fansympathie für Guttenberg als den populärsten Politiker seit mindestens einem Jahrzehnt (eher aber dreißig Jahren, würde ich denken)
d) kein Interesse, politisches Amt und Titel miteinander in Verbindung zu bringen. Ein möglicher Rücktritt wird nicht einmal diskutiert, die Leserbriefschreiber würden die Forderung wahrscheinlich entrüstet zurückweisen.

Die Spiegel-Entdeckung habe ich gestern in der Tagesschau mitbekommen - vielleicht wird das noch ein größeres Nachspiel haben, ansonsten kann ich mir aber gut vorstellen, daß er im Amt bleibt und es aussitzt. Für mich ist seine Glaubwürdigkeit massiv beschädigt, ich kann mir aber gut vorstellen, daß eine hinreichend große Bevölkerungsgruppe das nicht so sieht, um es für die Union (für deren Zukunft er von großer Bedeutung ist) zu ermöglichen, ihn dort zu lassen. Ich würde das dann übrigens ebenfalls für sinnvoll halten, vorausgesetzt, er entschuldigt sich noch einmal richtig und legt den Titel endgültig nieder* (Läuterungsanzeichen).

________
*bei entsprechender Entscheidung Bayreuths, die ich aber bei derzeitigem Informationsstand für unumgänglich halte

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So 20. Feb 2011, 11:28 - Beitrag #31

Ob Guttenberg wirklich so durchgehend beliebt ist, ist die Frage. Wohl zumindest das roundabout Drittel, das für Rücktritt plädiert, dürfte von ihm als Politiker wie Mensch schwer enttäuscht sein.

Wenn ich mal sehr lange zurückdenke, wage ich zu behaupten, Hans-Dietrich Genscher müßte in seiner Amtszeit ähnliche Sympathiewerte erreicht haben.

Wie mögliche (Straf-)Reaktionen der Bundestagsverwaltung oder des Bundestags als Parlament aussehen könnten, ist gewiss eine interessante Frage. Dort vermute ich parteiübergreifend schon eine Mehrheit, die es nicht sang- und klanglos hinnehmen will und wird, dass ein Abgeordneter den aus Steuermitteln finanzierten wissenschaftlichen Dienst für private Zwecke einspannt und sich so zu einem der letztlich den Ruf aller Abgeordneten beschmutzenden schwarzen Schaaf macht.

Mir scheint es letztlich fast denklogisch zwingend, dass die Uni Bayreuth die Dissertation mindesten auf gerade noch bestanden abwertet oder aber, eben auch um ihren Ruf als seriöse Jura-Uni zu wahren, den Doktorgrad aberkennt.

Gern wäre ich Mäuschen gewesen, wenn Merkel diese Sache mit ihrem Ehemann, der bekanntlich aktiver und renomierter Forscher ist, besprochen hat.

Maglor
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So 20. Feb 2011, 12:30 - Beitrag #32

Nach dem Sache mit dem Missbrauch des wissentschaftlichen Dienstes des Bundestages, herausgekommen ist, ist meiner Meinung nach der Stab über dem Doktor gebrochen. (Er hat ja nicht nur abgeschrieben, sondern gleich noch einen Ministerialbeamten mit Denkarbeit beauftragt.) Da er dabei gleichzeitig auch gegen die Bestimmungen des Bundestages verstoßen hat, stehen Amt und Würden niht mehr nur wegen eines privaten Fehltrittes infrage.

Was öffentliche Meinungen über Guttenberg betrifft, so hat Lykurg sicher recht, dass die Mehrheit der Bevölkerung notwendige Vorkenntnisse zum Verstehen der Problematik hat, für Verständnis recht es offensichtlich.

Dass Guttenbergs Erklärungen im wesentlichen aus Worthüsen, Beschwichtungen, Schuldzuweisungen und Kompezenzausstrahlung bei völliger Ahnungslösigkeit besteht, ist nichts neues. Wenn Guttenberg laut Spiegel das "teilweise" Dr. Dr. Tammlers durch sein "zuweilen" ersetzte und den Satz aus der Schrift des wissenschasftlichen Dienstes übernahm, so entspricht dies doch nur Guttenberg gewohnter Arbeitsweise. Wirklich konsequent wäre Guttenberg natürlich, wenn er jetzt den Rücktritt Tammlers als Ministerialrat des wissenschaftlichen Dienstes fordern würde, aber solche Dreistigkeit traue ich ihm dann doch nicht zu.

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So 20. Feb 2011, 12:55 - Beitrag #33

Zitat von Maglor:Was öffentliche Meinungen über Guttenberg betrifft, so hat Lykurg sicher recht, dass die Mehrheit der Bevölkerung notwendige Vorkenntnisse zum Verstehen der Problematik hat, für Verständnis recht es offensichtlich.


Hmmh, entweder ich bin doch noch nicht ganz wach oder da fehlt ein nicht?

Mag noch ein wenig des Guttenbergs Erklärung kommentieren, Quelle wie oben Ministeriums-Homepage.

Für diese Stellungnahme bedurfte es keiner Aufforderung, und sie gab es auch nicht.
Klingt für mich wie schlechter Versuch, zu dementieren, was fühlbar eher Fakt ist. Mit einer "andersrum"-Formulierung ala "Habe mich entschlossen, zu den breit diskutierten Vorwürfen eine rein private Stellungnahme abzugeben, um mich danach wieder den akuten Problemem unserer Soldaten in der Ferne zu widmen" hätte das wohl überzeugender geklungen. Zumindest wenn ihm/Referent da eine klügere Formulierung eingefallen wäre als die meine.


Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht.
Klingt für mich nach Bedarf am Amtsenthebung wegen offenkundiger Unfähigkeit, das Amt zu führen. Wenn er in seiner Doktorarbeit "unbewusst" täuschte, wie agiert er dann erst - bewusst oder unbewusst - in seinem jetzigen Amt?


Die eingehende Prüfung und Gewichtung dieser Fehler obliegt jetzt der Universität Bayreuth und ich werde selbstverständlich aktiv mithelfen festzustellen, inwiefern darin ein wissenschaftliches – und ich betone: wissenschaftliches Fehlverhalten liegen könnte. Ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend – ich betone: vorübergehend auf das Führen des Titels verzichten, allerdings nur bis dahin. Anschließend würde ich ihn wieder führen.
Ich lese da zu meinem Erstaunen heraus, er will den Titel nur prophylaktisch rughen lassen und erwartet letztlich als Ergebnis der Prüfung maximal die Feststellung, es sei doch noicht summa cum laude, aber eine Arbeit, die den Doktorgrad rechtfertigt sei dies gewiss. Nicht nachvollziehbar für mich.

Ich frage mich letztlich, was wohl die größere Blamage wäre, gehe dabei aus, eine Version stimmt: Guttenberg hat die Arbeit selber so verzapft, kennt die Fehler in der Arbeit ganz genau und glaubt nur immer noch, das sei nicht nachzuweisen oder man werde ihm schon nix können/wollen/werden. Die andere, wohl unglaublichere Version wäre, das er nicht mit dem zitieren bewusst getäuscht hat sondern einen Ghostwriter hatte, bei dem ihm wohl immer noch nicht bewusst genug ist, was der für ihn verzapft und wo der ihn reingeritten hat. Rausreden würde er sich ggf. mit Sekretär mit erweiterten Fähigkeiten und Kompetenzen wegen seiner Eingespanntheit, in der er seelisch leider überfordert war, die Ansprüche an Kraft und Zeit, die ihm Familie, Partei, Politik herantrugen alle zu erfüllen - und auch nicht entscheiden konnte, wenn er zurückstellt, weswegen er ausnahmsweise in dieser Krisensituation auf wie er heute sieht unlautere Hilfe zurückgriff.

Lykurg
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So 20. Feb 2011, 13:11 - Beitrag #34

Zitat von Maglor:Was öffentliche Meinungen über Guttenberg betrifft, so hat Lykurg sicher recht, dass die Mehrheit der Bevölkerung notwendige Vorkenntnisse zum Verstehen der Problematik hat, für Verständnis recht es offensichtlich.
Meinst du das so, oder hast du ein "nicht" vergessen? So meine ich das jedenfalls nicht. Bild

Zu diesem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes wäre genau zu überprüfen, wie die Vorschriften bei Inanspruchnahme lauten (und ob er auch da plagiiert hat, aber das in zweiter Linie). Wenn Abgeordnete das zu dienstlichen Zwecken bzw. zu ihrer Information in Auftrag geben können, liegt hier eventuell eine Vorteilsnahme vor, aber nicht unbedingt ein echter Mißbrauch - ich weiß es nicht und überlasse das lieber (real qualifizierten^^) Juristen.

009, die Aussage über die Wiederverwendung fand ich auch sehr dreist. Diese Vorwegnahme des 'selbstverständlich positiven' Ergebnisses der Untersuchung entspricht zwar seiner Art der Offensivverteidigung, ist hier aber unangemessen, insbesondere, weil sie weitere Zweifel an der Unabhängigkeit der beurteilenden Instanz aufwirft.

'zu keinem Zeitpunkt bewußt getäuscht' klingt für mich bei diesem Umfang von Plagiarismus nach eindeutiger Ghostwriterschaft. Bild Entsprechend seiner Entlastungsstrategie in früheren Affären wäre das ja auch ein gangbarer Weg, anderen die Schuld an den Plagiaten zu geben und selbst 'nur' als Auftraggeber einer als eigene Leistung ausgegebenen Teamarbeit zu sein.

Ohnehin wirkt seine Abwehrstrategie bisher so, als hätte er von GuttenPlag noch nie gehört und jedenfalls den 'Barcode' des Plagiatsanteils da noch nicht gesehen.^^

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So 20. Feb 2011, 13:27 - Beitrag #35

Zitat von Lykurg: Zu diesem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes wäre genau zu überprüfen, wie die Vorschriften bei Inanspruchnahme lauten (und ob er auch da plagiiert hat, aber das in zweiter Linie). Wenn Abgeordnete das zu dienstlichen Zwecken bzw. zu ihrer Information in Auftrag geben können, liegt hier eventuell eine Vorteilsnahme vor, aber nicht unbedingt ein echter Mißbrauch - ich weiß es nicht und überlasse das lieber (real qualifizierten^^) Juristen.

[...]

Ohnehin wirkt seine Abwehrstrategie bisher so, als hätte er von GuttenPlag noch nie gehört und jedenfalls den 'Barcode' des Plagiatsanteils da noch nicht gesehen.^^


Wenn ich die Fluss-Fotos dann doch mal reingestellt und eem vermissten Link zu NTE nachgespürt habe, steht ein bundestag.de auf Infos zum wissenschaftlichen Dienst auf meiner Agenda...

Eventuell kennt er GuttenPlag bzw. weis selber (inzwischen) schon, wie unhaltbar sein Arbeit ist - aber steht sozusagen psychisch derart neben sich, dass er beratungsresistent weiter in offener Messer läuft und sich dabei noch gut fühlt. Erinnert mich an Schröders, ob Merkel ernsthaft glaube, dass seine Partei sich an einer Regierung mit ihr als Kanzlerin beteiligen werde. Er meinte, m.E. psychisch auch daneben und wohl von niemanden zu stoppen gewesen nein - und nicht zuletzt deswegen hat seine Partei da dann eben mitgespielt.

Roban
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So 20. Feb 2011, 14:33 - Beitrag #36

Entschuldigung, aber ist das, was hier nun in der Öffentlichkeit breit getreten wird, was Besonderes? Handeln nicht sehr viele, die sich im Machtgefüge hochstrampeln mithilfe vieler anderer ähnlich? Vitamin B wo man hinblickt. Lug, Trug, Ressourcenmißbrauch ällheck, wie der Schwabe sagt.

Die Frage, über die man sich Gedanken machen sollte wäre, wie man verhindert, daß Leute nach oben kommen, die tatsächlich über Leben und Tod entscheiden können, wenn es z. B. um Kriegseinsätze geht.

Hier kann nur ein demokratischeres Fundament helfen in einem System, dessen Systemkomponenten sich gegenseitig kontrollieren. Solange kaum jemand weiß, was das System steuert und wie jeder Einzelne seinen Einfluß geltend machen kann, werden Medien noch lange kleiner und größere Shocknews liefern statt sich ihrer Verantwortung zu besinnen.

Medien sollen die nichtjuristen Kontrollinstanzen unserer Gesellschaft sein. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, wurden sie im Pressegesetz mit besonderen Recherchebefugnissen ausgestattet. Leider sparen sie ein sehr einflußreiches Machtrefugium völlig aus: die Judikative, die über kollegiale Verbindungen ja auch kräftig mit der Legislativen und der Exekutiven kooperiert und damit die so gerne demokratisch hochgehaltene Gewaltenteilung ad absurdum führt.

Damit möchte ich jetzt aber nicht verhindern, den Vorzeigepolitiker gründlich zu demaskieren. Auch das ist wichtig, damit dem Volk bewußter wird, daß es grundsätzlich viel mißtrauischer werden muß gegenüber Schönschwätzern.

Vorsicht, ich kann auch schön schwätzen ... :D

Maglor
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So 20. Feb 2011, 14:57 - Beitrag #37

Oh, ja das ist mir ein "nicht" abhanden gekommen. Dass ich den Text selbst formuliert habe, ist all zu offensichtlich. :P

Ich weiß nicht, ob der Fall Guttenberg etwas so besonderes ist. Ich habe nur schon seit langem das Gefühl, dass dieser Vorzeigepolitiker Guttenberg Prototyp eines neuen Berufspolitikertums in Deutschland sein könnte, ein Art personifizierte Vitamin B, personifiziert Hochglanz-Jurist ...

Vielleicht ebenfalls prototypisch und neuartig, ist die Skandalisierung, die den althergebrachten Medien vielleicht schon entglitten ist. GuttenPlag ist eben aus einem parteipolitisch linkem Sumpf, sondern wie der Unstern aus dem Nichts emporgestiegen.

e-noon
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So 20. Feb 2011, 15:04 - Beitrag #38

Wieder ein "nicht" vergessen? ^^

Der Hochglanzpolitiker nach amerikanischem Vorbild zeigt eben, dass die wenigsten sich inhaltlich für Politik interessieren. Und selbst die wenigen, die sich inhaltlich mit Politik auseinandersetzen, und die vielleicht schon größere Anzahl an Personen, die das unter anderen Umständen gerne tun würde, stoßen schnell an Grenzen, aufgrund der mangelnden Transparenz und Übersichtlichkeit.

Roban
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So 20. Feb 2011, 15:48 - Beitrag #39

Ich habe vor einigen Jahren mal Hörfunknachrichtenredakteuren, die relativ viel Meinung machen, weil viele mit dem Wichtigsten auf dem Laufenden sein wollen, mal die Frage gestellt, welche Macht im Lande den meisten Einfluß hat. Herauskam folgende Wertung mit sehr hoher Übereinstimmung:

1. Wirtschaft, 2. Politik, 3. Medien und 4. ein bißchen das Volk.

Erstaunlicherweise hat keiner an Juristen gedacht, die mit ihrem Recht auf Gewalt und dem letzten Wort in alle Konfliktherde eingreifen und das Verhalten aller so beeinflussen wie sonst niemand. Selbst Affekt-Taten sind Folge gesellschaftlicher Fehlleistungen, die Juristen mit einer der besten Rechtsordnungen im Rücken verhindern könnten!

Welche Wertung würdet ihr vornehmen? Wieviel % Macht haben diese fünf Machthaber (ungefähr)? Gibt es noch eine Macht mit viel Einfluß? Religion, Dummheit ... wobei die ja überall drin stecken kann.

Ich tippe: 1. Volk, 2. Juristen, 3. Wirtschaft, 4. Medien, 5. Politik

Feuerkopf
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So 20. Feb 2011, 17:52 - Beitrag #40

Ich halte den kompletten Herrn für ein Fake.
Da aber bisher jeder, der von der Presse derartig hochgejazzt wurde, früher oder später entweder auf Grund seiner eigenen Substanzlosigkeit und/oder Selbstüberschätzung auf den berühmten Boden der Tatsachen zurückfiel, lehne ich mich zurück, wundere mich über gar nichts und warte ab.
Außerdem möchte ich an diesere Stelle auf das Peter-Prinzip hinweisen. :cool:

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