Zitat von Lykurg:Immerhin handelt es sich um ein Land, in dem derzeit beklagenswerterweise zweistellige tägliche Terroropferzahlen für normal erachtet werden. Da einen Ex-Diktator und seine Folterknechte in Haft geschützt aufzubewahren, wäre schon fast eine besondere Gnade.
Darauf wollte ich hiermit rekurriert haben:
Zitat von janw:Nimmt man das Geschehene als Ausdruck der aktuellen Gewohnheit im Irak, so ist dort offenbar Rache in jeder Form der als gerecht empfundene Weg zur Konfliktlösung. Nicht, daß dies unbekannt wäre^^, aber ich fürchte, das Ende Saddams wird somit dieser Ära nicht zum Ende gereichen, sie eher verstetigen.
Das Ziel des Tages, die Etablierung einer neuen Ära mit einem neuen, regelstaatlichen gewohnheitsmäßigen Algorithmensatz, durch die geordnet und einigermaßen würdewahrende Durchführung der Hinrichtung als konstitutiver Akt, wäre damit verfehlt.
Wenn in Teilen der Bevölkerung, teils sogar nur durch externe Terrorgruppen in sie hinein getragen, ein System von Gewalt und Gegengewalt, vom Recht des Stärkeren und der Vernachlässigung aller schwächeren Teile der Gesellschaft um sich greift, dann muss ein Staat, der sich als souverän betrachtet und dem Land eine Zukunft zu bieten trachtet - und das scheint die Regierung Mottaki [so heißt er doch, oder irre ich mich?] anzustreben - selbst in seinem Handeln einen Kontrapunkt dazu setzen, indem er eben nicht vergangenes Unrecht durch neues perpetuiert.
Es steht ihm sicher frei, zu sagen, daß die Taten Saddams und anderer auf dem jetzigen Niveau der geistig-politischen Reife der durchschnittlichen Araber nur mit dem Tod gesühnt werden können, und konsequent zu handeln.
Wobei eine solche Begründung qua werturteilanalogem Reifebefund ziemlich haarig ist. Dennoch würden viele einem solchen Befund zustimmen.
Es stünde ihm gleichfalls frei, zu sagen, daß dazu erst der ganze Umfang seiner Taten in ihrer politisch-systematischen Einbettung juristisch erkannt werden müsste - ein schwerwiegender rechtlicher Einwand, weil er auch die Aufdeckung möglicher mildernder Umstände einschließen würde, (u.a. wäre durchaus zu würdigen, daß usa Saddam geradezu aufgebaut hat) - und nicht ein vergleichsweise kleines Einzelereignis - so schauderhaft dies auch ist - als Begründung des Urteils dienen kann.
Es stünde ihm ebenso frei, zu sagen, daß diese Aufarbeitung der irakischen Geschichte unter Saddam im Vordergrund stehen müsste, als kathartischer Akt und als Mittel zur Versöhnung der jetzt unvereinbar sich gegenüber stehenden Gruppen des Landes, statt der jetzigen Fixierung auf einen bis wenige Täter, deren Hinrichtung das Volk aber weiter in seiner Zerrissenheit und Agonie zurück lässt.
Vielleicht endete dies mit einem großen Schuldigen unter vielen, was vielleicht für sich die Strafpraxis relativieren würde, hin zu unterschiedlichen Graden langer Gefangenschaft.
Letzterer Weg wäre aus meiner Sicht der Dienlichere gewesen, wegen seiner zukunftsweisenden Potenz.
In jedem Falle muss und müsste dieses Handeln des Staates für sich den Eindruck einer Regeltreue erzeugen, indem prozessuale Abläufe vorfestgelegt und eingehalten werden, Urteile ordentlich ausgefertigt werden - letzteres war bei Saddam offenbar nicht der Fall -, die Vollstreckung von Urteilen unter Einhaltung von Regeln erfolgt.
So aber macht sich der Staat das gängige System von Rache und Vergeltung mit dem Leben zu eigen, sanktioniert es dadurch geradezu, und demonstriert, daß er dabei sogar seine eigenen grundlegenden Regeln bricht bzw. nicht durchsetzt - mithin die Grundmauer seiner eigenen Existenzrechtfertigung, eben regelwahrend zu sein, einreißend.
Mag sein, daß diese Erwägungen obsolet sind, weil das Handeln des Staates de facto ferngesteuert wird...
