Libyen

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
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So 3. Apr 2011, 01:52 - Beitrag #41

Eine Teilung würde nur IMHO funktionieren, wenn beide Teile gleichermaßen Ölvorkommen hätten.
Ich habe aber gerade den Eindruck, daß Gaddafi langsam Gefolgsleute abhanden kommen, vor ein paar Tagen er Außenminister, die Berichte über dipolomatische Kontakte zwischen Gaddafi und London könnten darauf hindeuten, daß er auf Zeit spielt und derweil an einer Möglichkeit strickt, sich aus der Affäre zu ziehen.


Ansonsten scheint mir eingetreten, was mehr oder weniger absehbar war, die Luftwaffe ist zerstört, was aber die Bodenstreitmacht Gaddafis nicht stört. Sie auszuschalten ist umso schwieriger, weil sich die Panzer in den Siedlungen platzieren können.
Unabhängig davon ist aber vielleicht in Bengasi durch die Luftangriffe ein Blutbad verhindert worden - das rechtfertigt für mich die Angriffe dann doch.
Nur stellt sich eben jetzt die Frage, wie weiter? Es wird doch wohl keiner anfangen, den Aufständischen Waffen zu liefern? :rolleyes:

Ipsissimus
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So 3. Apr 2011, 14:14 - Beitrag #42

na ja, Aufstände ohne Waffen sind irgendwie ... gegenstandslos. Den Rebellen keine Waffen zu liefern heißt, Gaddafi im Amt zu belassen.

janw
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So 3. Apr 2011, 14:40 - Beitrag #43

Dann würden wir also Libyen zum Einsatzort unserer Waffen gegen unsere Waffen machen, mit ungewissem Ausgang, wenn man von versionsbedingten Unterschieden absieht

Und wie sieht es dann mit der Bedienung aus? Geht das so einfach, einen Panzer zu fahren?

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So 3. Apr 2011, 15:04 - Beitrag #44

Sind Waffen in Rebellenhand aber mittelfristig gut? Wenn sie Gaddafi gestürzt haben, wird dann mit den Waffen&Waffenträgern alles gut oder ist eher eine Situation zu befürchten, wo zu viele mit verschiedenen Interessen und (aus europäischer Sicht ggf. nur) zu geringer Einsatzschwelle für Waffen genau darauf Zugriff haben?

Wäre es nicht die global gesehen ehrlichere, ethischere? Lösung, nach Ultimatum durch internationale Staatengemeinschaft die Beseitigung des vom Volk bei weitem nicht mehr akzeptierten Führers durch einen multinationalen Militäreinsatz umzusetzen?

Ipsissimus
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So 3. Apr 2011, 16:01 - Beitrag #45

ehrlicher müsste man wohl sagen "bei einem Teil des Volkes nicht mehr akzeptierten Führers". Weiß irgendjemand, wie groß dieser Teil in Prozent ist?

Aus meiner Sicht entpuppen sich die Aufständischen immer mehr als politische Naivlinge, die jetzt, nachdem die Euphorie sich nicht als tragfähig genug erwies, einen Krieg zu gewinnen, wünschen, ihren Krieg von anderen Kräften austragen zu lassen.

Jan, ich versuche nur, auf die Antinomie aufmerksam zu machen, die in Zentrum dieses Konflikts schlummert, Antinomie im strikten Sinne. Es gibt für diesen Konflikt keine "richtige" Lösung mehr. Wie beim Original bleibt auch hier m.E. nur, den Knoten irgendwie zu durchschlagen. Humanistisch befriedigende Lösungen verbauen die sich dort selbst.

janw
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So 3. Apr 2011, 17:39 - Beitrag #46

Die Antinomie sehe ich auch...aber es gibt meist mehrere Arten, einen Knoten zu durchschlagen.
Alexander hatte den Vorteil, das Land beherrschen zu wollen.

Waffenstillstand vermitteln mit Amnestie für die Aufständischen, vielleicht UN-Beobachter ins Land, und dann mal abwarten, wie lange Gaddafi noch macht.


Was ist eigentlich über die afrikanischen Söldner zu sagen? Wirklich Söldner, oder Flüchtlinge vor der Wahl kämpfen oder von Europas Gnaden in der Wüste verrecken?

Über die Aufständischen wird eher diskriminierendes Verhalten den Afrikanern gegenüber berichtet.

Ipsissimus
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So 3. Apr 2011, 18:17 - Beitrag #47

ich frage mich, woher der Gedanke kommt, Gaddafis Position sei auch nur andeutungsweise geschwächt. Der braucht sich doch auf nichts einzulassen.

janw
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So 3. Apr 2011, 18:40 - Beitrag #48

Mensch hofft eben, daß er zu unrecht fürchtet^^

Naja, seine Konten sind eingefroren, Waffen wird er von uns keine mehr bekommen, sollte ihn das nicht auf Zeit schwächen?
Oder liefern dann die Chinesen Waffen?


Aber gut, was wäre zu tun? Anleiern einer Choreographie - Aufständische rufen in Bengasi die Republick Ostlibyen aus, daraufhin erkennen EU, UNO und Nato sie an und besetzen Brega als wirtschaftliches Zentrum für den Ölexport.
Ich vermute mal, es würde am Veto von Russland und China scheitern.

Maglor
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So 3. Apr 2011, 19:39 - Beitrag #49

Ipsissimus Einwand ist sicher richtig. Der größere Teil der Bevölkerung Libyens steht noch immer fest unter der Herrschaft Gadaffis. Der rebellische Osten ist dünn besiedelt. Allein die Hälfte Bevölkerung lebt in Tripolitanien.
Gadaffi ist nicht allein. Unzähliche andere Gadaffis sind führend im Staate und Militär. Die nicht zur Familie gehörenden Minister und Generäle mögen den Revolutionsführer früher oder später verlassen, sei es weil sie nicht bereit sind Krieg gegen das eigene Volk zu führen oder weil sie Haut und Pfründe retten möchten. Für die echten Gadaffis gibt es aber kein Ausstiegsszenario. Sie müssen schon anstandshalber mit dem Patriarchen untergehen oder siegen.

Wir sind mittendrin in einer Propaganda-Schlacht. Die Rollen sind klar verteilt. Natürlich ist Gadaffi der dunkle Lord Sith und die Aufständischen sind die edlen Jedi-Ritter. Der Westen weiß auf welcher Seite er steht, Deutschland auch.
Das Medienecho ist gefährlich unkritisch.

Die Rebellen halte ich für gefährliche Spinner mit Märtyrer-Komplex. Dass sie Jihadisten sind ist offenkundig. Ein Teil der Rebellen zieht offensichtlich im wesentlichen mit Gebetsteppichen in die Schlacht. Politische Parolen Fehlen, dafür selbst bebastelte Nationalflaggen in der Hand und Koran-Suren auf der Zunge. (Ein Vergleich mit der einst populären Verschwörungstheorie um gefährliche Muslimbrüder beim Mubarak-Sturz sei hier gestattet.) Ach ja, Waffen brauchen die Jungs wohl auch nicht. Wenn irgendwann keine Munition für das MG da ist, geht es sich mit Messern und Knüppeln weiter.
Kritische Stimmen hierzu fehlen. Neuster Focus-Bericht scheint ja Gadaffis Al-Kaida-Drogendealer-Theorie teilweise zu bestätigen.

Zu den Söldner:
All zu offensichtlich werden da rassistische angehauchte Propaganda-Fetzen der Rebellen. Die Söldner hat der Alte nicht speziell zur Niederschlagung der Rebellen aus dem tiefsten Kongo angeworben, sondern sie stehen größtenteils seit Jahren unter libyschem Kommando, Teile der ausländischen Kämpfer leben seit Jahrzehnten in Libyen. Sie sind Veteranen aus Gadaffis panafrikanischen Großmachtphantasterein und den damit verbundenden militärischen Abenteuern und sie können teilweise nicht mehr zurück in die Heimatländer, aus denen sie geflohen. Die Söldner aus dem Sudan, Tschad oder dem Niger dürften sich in der barbarischen Art der Kriegsführung kaum von den Libyern unterscheiden.
Irgendwann werden in Libyen sicher Massengräber gefunden werden. Wenn das westliche Ausland jetzt den Mob noch bewaffnet - es wäre unverzeihlich. (igentlich interessiert es ja keinen wenn ein paar 1000 Menschen verschwinden, solange nur die "Guten" gewinnen, eben wie in Afghanistan oder im Kosovo.)
Wir sollten uns vielleicht besser über europäische Södner wie diese in Libyen Gedanken machen - und zwar auf beiden Seiten. Vielleicht sind ja schon namenhafte Dienstleister im Lande und versuchen aus den rebellierenden Märtyrern echte Soldaten zu machen.

Die Lügen müssen nur groß genug sein, damit sie geglaubt werden.
Geradezu pervers ist der US-Verteidigungs-Minister Robert Gates mit seiner Behauptung, es gäbe keine zivilen Opfer der amerikanischen Luftangriffe. Die zivilen Bombenopfer in Libyen seien von Gadaffi inszeniert, der in ausgebombete Gebäude Leichen von Zivilisten legen lasse, die er vorher ermorden ließ.
Naja, diese Lüge ist wohl kaum mehr tragbar, da zunehmend Fälle von friendly fire gemeldet werden, aber die US-Luftwaffe hat sich ja mittlerweile aus der Affäre gezogen.
Mit Flugzeugen und Raketen wird man in diesem Krieg nichts mehr erreichen. In gleicher oder fehlender Uniformierung stehen sich Regime-Gegner und Unterstützer gegenüber bei stets wechselndem und unklarem Frontverlauf. Die Stadt Ras Lanuf, aus der die von verlinkten Fotos stammen, ist innerhalb eines Monats mindestens dreimal erobert worden.

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So 3. Apr 2011, 21:07 - Beitrag #50

Zitat von Ipsissimus:ehrlicher müsste man wohl sagen "bei einem Teil des Volkes nicht mehr akzeptierten Führers". Weiß irgendjemand, wie groß dieser Teil in Prozent ist?

Aus meiner Sicht entpuppen sich die Aufständischen immer mehr als politische Naivlinge, die jetzt, nachdem die Euphorie sich nicht als tragfähig genug erwies, einen Krieg zu gewinnen, wünschen, ihren Krieg von anderen Kräften austragen zu lassen.


Die erstere Frage ist in einem gewissen Sinne wirklich absolut grundlegend: wenn man weiss, wie viele Libyer Gaddafi nicht mehr akzeptieren, ist das ggf. ein Prozentwert, der auch bei Führern und sogar mehr oder minder demokratischen Regierungen vorliegen kann, ohne dass da jemand an externe militärische Intervention denkt.
So dieses Ende der Akzeotanz daher herrührt, dass Gaddafi (danach sieht es m.E. aus) sein Land in einer Weise und mit Ergebnissen für mind. Teile seiner Bürger führt, die in krassem Widerspruch zu dem Kern an Menschenrechten und sonstigen gesellschaftlichen Werten der internationalen Staatengemeinschaft gehört, dann wäre dieses wohl in der Tat begründet gefordert, so rasch und wirksam (d.h. mit realistischem Konzeot...) wie möglich einzugreifen.

Sofern die Aufständischen so handeln, weil sie nun auch für sich grundlegende Menschenrechte in Anspruch nehmen wollen, wäre ihre gescheiterte, sich als unwirksam erwiesen habende Euphorie für mich kein Argument gegen einen Militäreingriff von außen (so mildere wirksame Hilfe nicht möglich ist - wonach es ja aussieht).

Wie mir u.a. aber Maglors Ausführungen zeigen, scheint das ein nicht triviales Problem zu sein, die Aufständischen als Gruppe bzw. ihre Motivlagen einzuschätzen. Mir selber fehlt Wissen (und etwas Motivation, vor allem Zeit es zu ändern) weswegen ich mich in diesem Thread eher nur so als herienrufer von der Seite sehe, gerade obwohl ich dieses Thema mehr als wichtig und spannend finde.

janw
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So 3. Apr 2011, 23:47 - Beitrag #51

Zitat von Maglor:Ipsissimus Einwand ist sicher richtig. Der größere Teil der Bevölkerung Libyens steht noch immer fest unter der Herrschaft Gadaffis. Der rebellische Osten ist dünn besiedelt. Allein die Hälfte Bevölkerung lebt in Tripolitanien.
Gadaffi ist nicht allein. Unzähliche andere Gadaffis sind führend im Staate und Militär. Die nicht zur Familie gehörenden Minister und Generäle mögen den Revolutionsführer früher oder später verlassen, sei es weil sie nicht bereit sind Krieg gegen das eigene Volk zu führen oder weil sie Haut und Pfründe retten möchten. Für die echten Gadaffis gibt es aber kein Ausstiegsszenario. Sie müssen schon anstandshalber mit dem Patriarchen untergehen oder siegen.

Sicher, man hat es mit einem Clan zu tun, was auch eine spätere "Aussöhnung" nach einem eventuellen Machtwechsel nicht leichter machen dürfte.
Und sicher dürfte das auch die finanziellen Infrastrukturprobleme relativieren.

Wir sind mittendrin in einer Propaganda-Schlacht. Die Rollen sind klar verteilt. Natürlich ist Gadaffi der dunkle Lord Sith und die Aufständischen sind die edlen Jedi-Ritter. Der Westen weiß auf welcher Seite er steht, Deutschland auch.
Das Medienecho ist gefährlich unkritisch.

Vielleicht kommt die ganze Situation zudem einigen im Westen nicht ungelegen, Gaddhafi hatte ja nicht nur Freunde im Westen.
Das Medienecho ist wie gewohnt, das Volk bekommt die Medien, die es verdient^^ ähh, die der Komplexität seiner durchschnittlichen Denkstrukturen angemessen sind.

Die Rebellen halte ich für gefährliche Spinner mit Märtyrer-Komplex. Dass sie Jihadisten sind ist offenkundig. Ein Teil der Rebellen zieht offensichtlich im wesentlichen mit Gebetsteppichen in die Schlacht. Politische Parolen Fehlen, dafür selbst bebastelte Nationalflaggen in der Hand und Koran-Suren auf der Zunge. (Ein Vergleich mit der einst populären Verschwörungstheorie um gefährliche Muslimbrüder beim Mubarak-Sturz sei hier gestattet.) Ach ja, Waffen brauchen die Jungs wohl auch nicht. Wenn irgendwann keine Munition für das MG da ist, geht es sich mit Messern und Knüppeln weiter.
Kritische Stimmen hierzu fehlen. Neuster Focus-Bericht scheint ja Gadaffis Al-Kaida-Drogendealer-Theorie teilweise zu bestätigen.

Da wäre ich allerdings vorsichtig. Die im 1. Weltkrieg in die Schlacht strömenden Geradeerwachsenen hatten teils auch immer eine Bibel dabei, und wohl umso mehr, je mehr sich eingegraben wurde.
Das dürfte IMHO bei sehr vielen schlicht ein Mittel gegen die Angst sein, verstärkt durch das Wissen um die miserable Ausrüstung.
Ich denke, es ist eine Nebenwirkung der westlichen Indifferenz allen expliziten Haltungen gegenüber, daß explizit ausgedrückte Haltungen sogleich als Ausdruck von -ismen wahrgenommen werden.

Andere singen nationale Lieder auf den von Gaddhafi gestürzten König Idrissi oder rauchen hierzulande verbotene Substanzen.

Zitat von 009:Die erstere Frage ist in einem gewissen Sinne wirklich absolut grundlegend: wenn man weiss, wie viele Libyer Gaddafi nicht mehr akzeptieren, ist das ggf. ein Prozentwert, der auch bei Führern und sogar mehr oder minder demokratischen Regierungen vorliegen kann, ohne dass da jemand an externe militärische Intervention denkt.
So dieses Ende der Akzeotanz daher herrührt, dass Gaddafi (danach sieht es m.E. aus) sein Land in einer Weise und mit Ergebnissen für mind. Teile seiner Bürger führt, die in krassem Widerspruch zu dem Kern an Menschenrechten und sonstigen gesellschaftlichen Werten der internationalen Staatengemeinschaft gehört, dann wäre dieses wohl in der Tat begründet gefordert, so rasch und wirksam (d.h. mit realistischem Konzeot...) wie möglich einzugreifen.

Deine Überlegungen zur gesellschaftlichen Zustimmungsrate sind für eine freie Bürgergesellschaft sicher angemessen, sie greifen IMHO in Libyen aber nicht so gut.
In gewissem Maße wird dort noch das orientalische Modell gelten, nach dem sich Gefolgschaft nach der Vorgabe der Clanführung richtet und diese wiederum Ausdruck der wahrgenommenen Herrschermacht des Staatschefs und der von ihm gewährten Gunstbezeigungen ist.
Ein Bewässerungsprojekt mehr oder weniger kann die Stimmungen drehen.

Wobei in Libyen noch hinzu kommt, wie auch in dem Focus-Artikel dargestellt, daß es aufgrund der faktisch alleinigen Entscheidungsgewalt bei Gaddhafi und seinem Umfeld so gut wie keine wirklich funktionierenden politischen Strukturen gibt.

Wieviele gegen ihn sind, ist also das eine, wie leicht sie für ihn zu gewinnen wären, aber die aussagekräftigere Größe.

Ipsissimus
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Mo 4. Apr 2011, 13:18 - Beitrag #52

Mal schauen, ob der Vorschlag der Gaddafi-Söhne Indiz für die Clan-interne Machtübergabe oder ernst gemeintes Angebot an die Aufständischen ist. Und auch mal schauen, wie hoch das Ross ist, auf dem letztere sitzen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,754795,00.html

der Position bei spon nach zu urteilen handelt es sich eher um einen Aprilscherz^^

janw
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Mo 4. Apr 2011, 20:47 - Beitrag #53

Hm, mit als erstes Griechenland als Gesprächspartner...kommt bald ein Angebot an die EU, das diese nicht ablehnen kann?^^

Maglor
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Di 5. Apr 2011, 16:27 - Beitrag #54

Reform-Angebote und Versprechungen unter grundsätzlicher Beibehaltung der Person des Diktators gaben auch Mubarak, Ben Ali, Assad usw. zum Besten. Teilweise ließen sie auch Taten folgen. Der Klassiker war z. B. der "Präsident" entlässt seine Regierung. Keine einzige arabische Revolutionsbewegung ließ sich aber bisher auch solche Kompromisse, Bedingungen oder Zeitpläne ein. Sie alle forderten den bedingungslosen, vollständigen und sofortige Regimewechsel.

Erfolgsaussichten sehe ich da keine. Dass Gadaffi erst jetzt - im offenen Bürgerkrieg - mit solchen Vergleichs-Versuchen kommt, spricht für seine Hartnäckigkeit. Vielleicht spielt er ja nur auf Zeit oder versucht das Ausland zu beruhigen, um in einem finalen Schlag die Rebellion zu vermalmen.

Eine Teilung des Landes ist durchaus vorstellbar, aber ich glaube sie ist nur durchsetzbar, wenn die Provinzen der Rebellen von ausländischen Bodentruppen besetzt würden. Allein werden die Rebellen die Städte kaum halten können und ein andauernder Bombenkrieg gegen Gaddafis Infanterie endet zwangsläufig in einer Katastrophe.

Zitat von ":Da wäre ich allerdings vorsichtig. Die im 1. Weltkrieg in die Schlacht strömenden Geradeerwachsenen hatten teils auch immer eine Bibel dabei, und wohl umso mehr, je mehr sich eingegraben wurde. Das dürfte IMHO bei sehr vielen schlicht ein Mittel gegen die Angst sein, verstärkt durch das Wissen um die miserable Ausrüstung. Ich denke, es ist eine Nebenwirkung der westlichen Indifferenz allen expliziten Haltungen gegenüber, daß explizit ausgedrückte Haltungen sogleich als Ausdruck von -ismen wahrgenommen werden.

Ein Teil davon ist sicher nur die übliche Folklore, aber eigentlich will ich die Rebellen an ihren Taten messen. Zu den Fakten gehört eben, dass die Rebellen wie Lemminge in den Tod rennen. Ob im Namen Allahs, König Idrisi oder des Proletariats, völlig gleichgültig. Inwieweit die Funken und Flammen des tunesischen Gemüsehändlers die Rolle eines Prototypen spielen ist mir leider unbekannt.
Neben dem zwar sinnerfüllten, aber militärisch wirkungslosem Opfer des eigenes Lebens steht dann noch Völkermord an Schwarzafrikanern auf der Liste der Verdienste.

Maglor
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So 10. Apr 2011, 17:59 - Beitrag #55

Das Geheimnis um die Herkunft der afrikanischen Söldner ist quasi gelöst.
Migranten, Asylanten, Flüchtlinge usw. ursprünglich aus der Sahel-Zone und Zentral-Afrika usw. werden in Libyen gezielt für die Gadaffi-Armee zwangsrekrutiert. Die dunkle Bedrohung wird also mitten in Libyen rekrutiert, die erst-besten Flüchtlinge werden aufgegriffen und für Gadaffi verpflichtet.

Libyen: UNHCR warnt vor massiven Vertreibungen
Die Familie eine äthiopischen Mannes berichtete, dass er nur knapp der Zwangsrekrutierung durch Regierungstruppen entkommen konnte, als diese einen verlassenen Flugzeughangar in Tripolis stürmten, in den er und etwa 1.500 weitere Menschen, darunter viele aus Sudan und Tschad, sich geflüchtet hatten. Viele Flüchtlinge befinden sich in einer Zwickmühle. So berichteten eritreische Flüchtlinge, sie seien aus ihrem Land vor Verfolgung geflohen und könnten jetzt nicht ihre Botschaft um Hilfe bitten.

Ein Flüchtlinge beschrieb die Flucht zur Grenze als ein ‘kalkulierbares Risiko’, aber meinte “es sei besser auf der Flucht zu sterben als im Versteck in Libyen.” Noch immer verstecken sich hunderte Flüchtlinge in Libyen. Viele haben nicht mehr viele Lebensmittel und leben in ständiger Angst.



Die sich in Libyen aufhaltenden Schwarzafrikaner können sich also aussuchen, vor wem sie fliehen: Vor dem Gadaffi-Regime, das sie im Bürgerkrieg verheizen will, oder vor dem oppositiobellem Lynchmob.
UNO-Flüchtlingshilfe:Somalische Familie flieht vor Diskriminierung und Gewalt

Um so bizarrer wirkt dieser Artikel aus der FR, allerdings schon vom 28.02., über die Flucht von tunesischen und ägyptischen Gastarbeitern vor den Übergriffen afrikanischer "Söldnern".
Am Samstag packte ihn die Angst. Da tauchten plötzlich Männer auf und machten Jagd auf Tunesier und Ägypter. „Es waren Schwarze, aus dem Tschad und aus Niger, angeheuert von Gaddafi“, berichtet der Flüchtling, „ich habe sieben Tote gesehen, alle mit Schusswunden.“ Von den 5000 Ägyptern in seiner Stadt, vermutet er, sei höchstens ein Drittel geblieben.


Gadaffi selbst leugnete den Einsatz von Söldnern und behauptet bei den schwarzen Soldaten handele es sich um Toubou, Angehörige einer ethnischen Minderheit in Libyen. Tatsächlich geht das Gadaffi-Regime seit Jahren gegen die Toubou vor, entzieht ihnen die Bürgerechte, zerstört ihre Dörfer und vertreibt die Bewohner in den Tschad etc.

Laut Al Dschasira haben die Rebellen jetzt auch am Boden ausländischer Helfer aus den USA und Ägypten gefunden, die den Möchtegern-Märtyrer beibringen sollen, wie man wirklich Krieg führt. Entsprechende Waffenversorgung durch Ägypten soll wohl auch schon funktionieren.

Lykurg
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Di 12. Apr 2011, 12:25 - Beitrag #56

Inzwischen ist die Vermittlungsmission der Afrikanischen Union gescheitert - die Rebellen haben Zuma und andere Staatspräsidenten, teilweise wohl persönliche Freunde Gaddafis, nicht gerade als neutrale Vermittler angesehen und das Angebot, das einen Waffenstillstand wohl ohne Sicherheitsgarantien für die Rebellen sowie den Machterhalt Gaddafis vorsah, nicht akzeptiert. Währenddessen erzielen die Gaddafi-Truppen trotz Luftangriffen Geländegewinne...

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Mi 13. Apr 2011, 16:58 - Beitrag #57

man kann eigentlich beliebig viele Rechnungen ohne den Wirt machen - die Rechnung, die bezahlt wird, ist letztlich doch die des Wirtes

Lykurg
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Do 14. Apr 2011, 11:00 - Beitrag #58

Man ist sich nur noch immer nicht recht einig, wer Wirt wird. Und die Rechnung des Wirts soll er gefälligst auch selbst zahlen, vorausgesetzt, die Gäste zahlen die ihrige.

Dafür ist insbesondere Deutschlands Weigerung, sich an der Sicherung des Waffenembargos gegen Libyen zu beteiligen, außerhalb Venezuelas und Kubas auf Unverständnis gestoßen. Davon dürfte wohl einiges zurückbleiben, egal wie heuchlerisch nun Westerwelle die Rolle rückwärts zu betreiben sucht und meint, an einem "humanitären Einsatz" im Land (also sogar mit nichtkämpfenden Bodentruppen?!), um die "Not der Menschen zu lindern" würde man sich beteiligen.
Der SPD-Politiker Mützenich bewertete die Libyen-Politik der Bundesregierung als “widersprüchlich und fragwürdig”, der deutsche Außenminister hätte das Land “bei den wichtigsten Partnern isoliert und blamiert.”
Quelle

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Do 14. Apr 2011, 11:13 - Beitrag #59

Man ist sich nur noch immer nicht recht einig, wer Wirt wird. Und die Rechnung des Wirts soll er gefälligst auch selbst zahlen, vorausgesetzt, die Gäste zahlen die ihrige.
es ist ziemlich offensichtlich, wer der Wirt ist, und auch, dass er weder daran denkt, den Rebellen die Rechnung zu ersparen noch deren Gegenrechnung zu zahlen. Der Rest wird über Macht- und Gewaltabgleich entschieden, und da sehe ich noch nicht, dass das, was er "gefälligst soll", auch nur von marginaler Relevanz wäre.

Es ist auch wirklich ein wunderbares Schauspiel, wie da am runden Tisch verfügt wird, was Gaddafi sollte, ohne die reale Situation im geringsten mitzubedenken. Moral war zu Kriegszeiten schon immer gut, um in den Medien das Bild der eigenen moralischen Überlegenheit zu vermitteln; zu sonst nichts. Kein Wunder, dass sich die Söhne Gaddafis in aller Öffentlichkeit kaputt lachen können.

Meine Prognose lautet immer noch Teilung des Landes, aber das nur, wenn es schnell geht. Je länger es dauert, desto verzweifelter wird die Lage der Rebellen, nicht die Lage des Gaddafi-Clans.

/edit kann noch beliebig witzig werden: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,756945,00.html

Die fünf führenden Schwellenländer setzen die Nato unter Druck: Bei ihrem gemeinsamen Gipfel haben sich China, Indien, Brasilien, Russland und Südafrika gegen den Militäreinsatz in Libyen gewandt - und eine diplomatische Lösung verlangt. Wichtige Nato-Staaten dagegen drängen auf eine Ausweitung der Angriffe.

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Fr 15. Apr 2011, 15:51 - Beitrag #60

In der letzten Nacht gab es laut arabischer Medien eine kämpferische Rede von Gaddafis Tochter Aischa al-Gaddafi vor Anhängern auf Stützpunkt Bab al-Asisi in Tripolis. Darin hat sie
ihre Landsleute zum Widerstand gegen die Aufständischen und ihre Verbündeten aufgefordert. „Wer Gaddafi nicht will, der verdient nicht zu leben“ [...] Ihr Vater halte sich nicht einfach nur in Libyen auf, „sondern er ist in den Herzen aller Libyer“.

Quelle: KStA mit m.E. passender Überschrift "Bizarrer Auftritt der Gaddafi-Tochter"

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