Beschneidungen aus religiösen Gründen sind strafbar

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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Mo 16. Jul 2012, 13:39 - Beitrag #41

Ana, du weißt, was Hitler und die Nazis wollten - die Juden in Deutschland und Europa vollständig ausrotten. Sie haben es nicht ganz geschafft. Wenn jetzt aufgrund der Verfügung eines deutschen Provinzgerichts dem Judentum die Ausübung ihrer Religion untersagt wird, blieb es dem heutigen, modernen Deutschland vorbehalten, Hitlers Mission vollenden. Ich bezweifele, dass zukünftige Generationen uns dafür zärtlich beurteilen werden.

Es gibt übrigens durchaus den juristischen Begriff des Gewohnheitsrechtes, der hier zum Tragen kommen könnte.

Für den Satz schäme ich mich nicht im Geringste. Ich polemisiere darin ein bisschen, wie Lykurg richtig erkannt hat, aber nur, weil ich die Ungeheuerlichkeit der Entscheidung des Gerichts deutlich machen will.

Anaeyon
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Mo 16. Jul 2012, 13:46 - Beitrag #42

@Lykurg: D'accord, aber es ging mir ums Prinzip. Ich finde es bedauerlich, dass wir uns sogar sinnvolle Dinge verkneifen müssen, nur weil manch einer nationalistisch genug denken würde, um eine Entscheidung der Gerichte als eine Entscheidung "der deutschen" zu empfinden, mit allem was dazugehört..Und dass es gerade die wären, die nicht nationalistisch denken sollten. (und mir ist dabei auch bewusst, dass ich dabei etwas selbstgerecht bin, als einer, der 60 Jahre nach dem Krieg auf die Welt kam und deshalb nicht mehr Verantwortung tragen kann, als jeder andere Mensch auf dieser Welt..)

Letztendlich akzeptiere ich, dass es praktisch betrachtet nicht sinnvoll wäre, etwas an der Gesetzeslage zu ändern. Fragt sich nur, wie lange wir dieses Denk- und Handlungsverbot noch akzeptieren müssen. Bild

Edit, weil Ipsis Post dazwischenkam: Ja, mir ist deine Polemisierung auch nicht entgangen, aber ich finde sie dennoch völlig abwegig. So zu tun als wäre die ganze jüdische Religion im Eimer nur weil nicht an Babys rumgeschnitten werden darf, ist lächerlich. Dann müssten sich auch die Juden mal der Frage stellen, ob ihre Traditionen eisern erhalten bleiben müssen, unverändert. Rotten wir etwa gezielt die Christen aus, indem wir zeitgemäßere Auslegungen ihrer Lehren erwarten? Bild

Moderne Heiden würden ohne zu zögern über ihre Traditionen sagen, dass diese niemals über den Gesetzen des Landes stehen, in dem sie leben. Warum schaffen das Monotheisten nicht ohne großes Drama? Warum zum Geier müssen wir immer so verdammt tolerant sein, so weit, dass wir sogar Körperverletzung (Judentum) und intolerantere Ansichten (Christentum, Islam) als schützenswertes Gut anzusehen scheinen? Wer Überspitzung findet, darf sie..

Ipsissimus
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Mo 16. Jul 2012, 14:00 - Beitrag #43

Nein, wir müssen es nicht, uns tolerant erweisen. Nur erweisen wir uns dann eben als das andere, als intolerant. Was werfen wir dann noch dem Judentum vor?

Es ist das "Vorrecht" der Aufklärung, ihren Feinden sehr viele Freiheiten zu lassen. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn ich mir als Teil allgemeiner Menschenrechte Religionsfreiheit auf die Agenda schreibe, ohne die Religionen andererseits auf diese Menschenrechte zu verpflichten, bekomme ich im Konfliktfall möglicherweise ein Argumentationsproblem. Und nach wie vor: was eine Religion ist, wie sie sich selbst auffasst, wird von ihren Mitgliedern entschieden, nicht von Außenstehenden.

Was moderne Heiden über ihre Traditionen sagen würden, müsste wohl im Einzelfall überprüft werden.

Malte279
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Mo 16. Jul 2012, 16:02 - Beitrag #44

Auch christliche Eltern lassen ihre Babys taufen, ein zumindest nach Auffassung der katholischen Kirche irreversibler Vorgang. Diese im Christlichen implizite Irreversibilität wird im Jüdischen eben explizit vollzogen.
Ich sehe hier aber doch einen deutlichen Unterschied, da im einen Fall keine dauerhafte physische Veränderung vorgenommen wird im anderen Fall aber schon. Die Auffassung der katholischen Kirche über die Irreversibilität der Taufe könnte jemandem der sich im nachhinnein für eine andere Form des Glaubens, der Spiritualität oder auch dagegen entscheidet ziemlich egal sein. Wer allerdings beschnitten wurde, bei dem ist die Irreversibilität keine Meinung sondern ein Faktum.
Es gibt übrigens durchaus den juristischen Begriff des Gewohnheitsrechtes, der hier zum Tragen kommen könnte.
D'Accord und darauf wird es letztlich hinauslaufen, weil die Beschneidung nicht als eine "große Verstümmelung" (z.B. nicht vergleichbar mit der weiblichen Genitalverstümmelung) ist. Da Du aber den Wunsch nach einer Regelung, die es Menschen ermöglichen würde selber über die Beschneidung zu entscheiden, mit dem Ziel Hitlers auf eine Stufe stellst glaube ich, dass Du Dir im Umkehrschluss auch die ebenso unverhältnismäßige Frage gefallen lassen musst, ob man nicht zu früheren Zeiten mit dem Gewohnheitsrecht ein fortbestehendes Recht auf Hexenverbrennungen oder Blutrache hätte begründen können. Das etwas seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden auf die eine oder andere Weise gehandhabt wird heißt nicht, dass es ewig so weiter gehen muss oder sollte.
Leider sind fast alle Religionen sehr stark auf "Gewohnheitsrecht" begründet. Dass es durch die Trennung von Staat und Kirche möglich wurde viele der schädlichen Folgen des Festhaltens an nicht mehr zeitgemäßen Traditionen zu überwinden halte ich für einen großen gesellschaftlichen Fortschritt.
Da dieser Konflikt um eine permanente Veränderung des menschlichen Körpers an einem Menschen, der darüber noch nicht selbst entscheiden kann, sich auch auf viele andere Fälle übertragen ließe, tauchen hier schon eine Menge Grundsatzfragen auf. Diese Fragen muss man auch stellen dürfen ohne dafür an den Holocaustpranger gestellt zu werden.
Wenn eine hypotetische Gruppe eines Druidenkultes an Hand archäologischer Funde nachweisen könnte, dass es seit Jahrtausenden Tradition war einem Neugeborenen nach der Geburt rituelle Narben beizubringen, wäre dass dann ebenfalls gedeckt? Warum wäre es gegebenenfalls nicht gedeckt? Auf Grund der geringeren Anzahl von Gläubigen an einem solchen Kult? Wo würde mit welcher Begründung die Grenze des Rechtes auf körperliche Veränderungen am eigenen Nachwuchs auf Grund religiöser Überzeugungen gezogen?
Ich halte den Vorschlag von Lykurg zu einer Markierung, die die vorläufige Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe bis zur eigenen Entscheidungsfähigkeit des Menschen symbolisieren würde für eine Option über deren für und wieder man diskutieren können muss ohne dafür mit den abscheulichen Verbrechen des Naziregimes in einen Topf geworfen zu werden.
Du betonst sehr vehement das Recht auf freie Religionsausübung Ipsissimus und das ist Dein gutes Recht. Macht aber das Recht auf freie Religionsausübung einer Person das Recht einer anderen Person auf Selbstbestimmung und Unverletzlichkeit des Körpers ungültig? Solange eine Person noch nicht in der Lage ist überhaupt eigene Entscheidungen zu treffen müssen Eltern dies natürlich oft tun und bei den meisten Entscheidungen die in diesem Rahmen von den Eltern getroffen werden bleiben auch keine dauerhaften körperlichen Veränderungen zurück. Wo aber solche Veränderungen in einem Maße stattfinden, bei dem die negativen Aspekte den Menschen später belasten könnten, glaube ich schon dass man das Recht auf unverletzlichkeit des Körpers und Selbstbestimmung in einem säkularisierten Staat nicht einfach mit dem Recht einer anderen Person auf freie Religionsausübung für null und nichtig erklären darf.

janw
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Mo 16. Jul 2012, 16:59 - Beitrag #45

Ipsi, das Problem ist weniger der körperliche Eingriff an sich, sondern daß er an Menschen ausgeführt wird, die dem hilflos ausgeliefert sind. Kinder sind Schutzbefohlene ihrer Eltern und stehen unter besonderem Schutz des Staates, und der Eingriff ist irreversibel.

Ich verstehe sehr gut Deine Vorbehalte gegenüber Eingriffen in die jüdische Religionspraxis und teile sie.
Die Frage ist nur, wie sähe die Sache aus, wenn es tatsächlich, wie im Ausgangsfall, nur um die islamische Religionspraxis ginge, weil die islamische Gemeinschaft etwa die einzige Gemeinschaft mit solch einer Praxis wäre oder wenn unter anderen historischen Vorbedingungen keine historischen Vorbehalte bestehen würden?


Letztlich kann aber in meinen Augen eine Änderung schon aus strukturellen Gründen nur aus der Religionsgemeinschaft heraus erfolgen und dabei nicht medial provoziert werden.

Lykurg
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Mo 16. Jul 2012, 17:51 - Beitrag #46

Anaeyon, ich finde ebenfalls sehr bedauerlich, daß es so ist, aber daran wird sich insbesondere bei Umsetzung einer so problematischen Entscheidung nicht so schnell was ändern. Es finden schon erhebliche Normalisierungen statt, was das Selbstgefühl angeht, wenn auch etwa die Griechenland-Geschichte mitsamt internationalen Reaktionen zeigt, wie dünn das Eis noch ist. Im allersensibelsten Bereich aber dermaßen vorzupreschen, ist einfach leichtsinnig, und da wäre nur verdient, wenn man sich eine blutige Nase holt (was bisher wohl vor allem deshalb nicht geschah, weil es 'nur' ein Landgerichtsurteil ist). Es ist kein Denk- und Handelsverbot, sondern ein zusätzlicher Grund, sein Handeln genau zu überdenken.

Malte, ich habe gerade nochmal über meinen Vorschlag nachgedacht, wie man ihn konkret umsetzen könnte - etwa durch eine kleine Tätowierung, die dann nach Mündigkeit ersetzt werden könnte. Ich fürchte, es wird ganz schwierig, nicht an den Holocaust zu erinnern, wenn ein deutsches Gesetz Juden das Tragen einer Tätowierung aufzwingt. So gesehen ist der Vorschlag wohl leider nicht einmal als Kompromiß brauchbar.

janws Frage, wie das in Hinsicht auf den Islam für sich genommen aussähe, habe ich mir auch gestellt. Wie ich anfangs anmerkte, halte ich die Begründung der Beschneidung im Islam für sehr viel weniger verbindlich als im Judentum. Trotzdem müßten die Angehörigen der Gemeinschaft das wohl unter sich ausmachen.

Ipsissimus
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Mo 16. Jul 2012, 17:55 - Beitrag #47

Da Du aber den Wunsch nach einer Regelung, die es Menschen ermöglichen würde selber über die Beschneidung zu entscheiden, mit dem Ziel Hitlers auf eine Stufe stellst ...


nur dass dieser Wunsch in diesem Fall von Menschen ausgeht, die mit der Sache, der jüdischen Religion und dem Judentum, überhaupt nichts zu tun haben. Juden und Muslims können die Beschneidung einfach unterlassen, wenn sie es mit ihrem religiösen Selbstverständnis vereinbaren können. Hier aber soll diesen Religionen ein geändertes Verständnis von außen aufgezwungen werden.

Auch stelle ich das nicht mit dem Ziel Hitlers auf eine Stufe, ich frage mich einfach, zu welchem Ende das im schlimmsten Fall führen würde. Und komme zu dem Ergebnis, dass damit im schlimmsten Fall vollendet würde, was Hitler nur unvollständig durchgeführt hat: kein jüdisches und muslimisches Leben mehr in Deutschland - wenn es um sich greift vielleicht sogar in Europa. Hinterher hat es dann wieder niemand gewollt, geschweige denn vorher sehen können, Jahwe und Allah bewahre. Sollen wir Anlass zu der Vermutung liefern, dass tatsächlich aber hinterher alle froh sein werden, die Juden und Muslims so elegant los geworden zu sein?

Übrigens bin ich eher Atheist als alles andere, Malte. Meine Darlegungen haben nichts mit einer etwaigen Sympathie für die religiöse Perspektive als solcher zu tun.

Maglor
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Mo 16. Jul 2012, 22:32 - Beitrag #48

Unbelehr, ja unbeschnitten an Herz und Ohren bin ich.
Die Grenze ist bei Gewalt an Kinder überschritten.
Die Prügelstrafe hat in manchen Koranschulen auch ihre Tradition. Exorzismus ist auch nur eine alternative Heilmethode, die äußerst selten tödlich endet. Der Wachturm weist seine Zeugen auch an die Kinder nach Erzväter-Sitte zu schlagen. Im Rahmen der Religionsfreiheit wäre diese Art Gewalt als religiöse Erziehung durchaus zu erlauben. Seelische Verletzungen als Mittel ebensolcher lasse ich mal ganz unerwähnt.

Für den Großteil der Muslime würde es praktisch nichts bedeuten, die Söhne erst im religionsmündigen Alter zu beschneiden, da es in der Türkei und Nordafrika ohnehin so gehandhabt wird.

Ich halte aber die Forderung 8 Tage alten Säuglingen weiterhin ohne Betäubung die Vorhaut abschneiden zu dürfen für absolut nicht diskussionswürdig. Was rein oder unrein, kann ich nicht entscheiden. Weitere antisemitische Entgleisungen erspare ich euch.

janw
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Di 17. Jul 2012, 00:42 - Beitrag #49

Zitat von Ipsissimus:kein jüdisches und muslimisches Leben mehr in Deutschland - wenn es um sich greift vielleicht sogar in Europa.

[adv.diab.]Gäbe es noch katholisches Leben, wenn man die KK wegen Frauendiskriminierung sanktionieren würde?[/adv.diab.]

Ipsissimus
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Di 17. Jul 2012, 11:35 - Beitrag #50

Jan, worauf ich hinaus will, ist doch nur eine einzige Sache: wenn wir das Menschenrecht der Religionsfreiheit in der Weise, wie es in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinigten Nationen, die auch Deutschland unterschrieben hat, als fundamentales Menschenrecht begreifen, haben wir keinen legalen Angriffspunkt gegen die Riten einer Religion.

In Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) finden wir:

(1) Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden.

(2) Niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde.

(3) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind.

(4) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.

Besonders Absatz 2 und 4 halte ich im Kontext für beachtenswert.

Deswegen trete ich schon seit langem für eine Abschaffung eines eigenen Rechts auf Religionsfreiheit zugunsten der Eingliederung in eine allgemeine Meinungsfreiheit ein, innerhalb derer Religionsfreiheit alle Freiheiten und Grenzen jeglicher Meinungsfreiheit teilen würde. Auf dieser Grundlage könnten invasive Initiationsriten problemlos hinterfragt und nötigenfalls verboten werden - was dann allerdings wiederum dazu führen würde, dass betroffene Religionen sich aller Wahrscheinlichkeit nach radikalisieren würden.

Trotzdem wäre selbst in diesem Fall das problematische Verhältnis Deutschland - Judentum nicht vom Tisch. Ich empfinde es nach wie vor als anmaßend, wenn Deutsche Angehörigen der jüdischen Religion vorschreiben wollen, wie die ihre Religion auszuleben haben. Das Problem ist deswegen deutlich anders gelagert als das Problem Frauen und katholische Kirche, weil eben das Judentum nicht nur Religionszugehörigkeit sondern auch Volkszugehörigkeit ist.

Ansonsten läufst du bei mir bzgl der katholischen Kirche und Frauen offene Türen ein. Auch das wäre mit der genannten Integration zu lösen.

Maglor
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Di 17. Jul 2012, 19:22 - Beitrag #51

Zitat von Ipsissimus:Besonders Absatz 2 und 4 halte ich im Kontext für beachtenswert.

Besonders der Widerspruch zwischen dem Recht zur freien Wahl der Religionszugehörigkeit und dem Recht der Eltern dem Wahlrecht der Kinder zuvorzukommen ist bedenkenswert. ;)

Malte279
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Di 17. Jul 2012, 19:56 - Beitrag #52

Religionszugehörigkeit ist dabei vielleicht noch gar nicht einmal das Hauptproblem, da das Konvertieren zu einer anderen Religion oder der Austritt aus einer Religion beschnitten oder unbeschnitten möglich ist wenn ein Mensch das Alter erreicht in dem er diese Entscheidung treffen kann. Die Beschneidung selbst aber ist nicht mehr wieder rückgängig zu machen. Daher sehe ich eher dass Recht auf Selbstbestimmung in Bezug auf die Unverletzlichkeit des eigenen Körpers als dass auf Wahl der Religion als dasjenige Recht, dass durch die Beschneidung einer Person verletzt wird, die sich selber noch nicht zu dieser Entscheidung äußern kann.

Lykurg
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Di 17. Jul 2012, 20:35 - Beitrag #53

Die gesetzliche Regelung betrifft die Angehörigen des Kindes und die religiöse Gemeinschaft, der sie angehören. Ipsissimus führte an, daß die Erziehung in Übereinstimmung mit den religiösen Vorstellungen laut Menschenrechtserklärung gewährleistet sein muß. Natürlich kann man sich darüber hinwegsetzen, kann dann aber nicht mehr von sich behaupten, Religionsfreiheit zu achten.

Und wie ich bereits mehrfach anmerkte, sehe ich keinen Grund, warum dieser Schritt in Deutschland zuerst getätigt werden sollte, und massive Gründe dagegen, dies zu tun.

Nebenbei bemerkt, wie ist das eigentlich mit Wegkonversionen - die Taufe ist unauslöschlich, Zugehörigkeit zum Islam auch. Wieviele religiöse Identitäten kann man wohl sammeln, wenn man es drauf anlegt? Bild

Ipsissimus
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Fr 20. Jul 2012, 14:23 - Beitrag #54

ganz interessante Stellungnahmen in der europäischen Presse, durchaus auf Grundlage unterschiedlicher Auffassungen

http://www.spiegel.de/politik/ausland/europas-presse-diskutiert-ueber-beschneidungen-a-845466.html

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Mo 23. Jul 2012, 10:20 - Beitrag #55

Heute morgen, nette Randbemerkung in einem Beitrag im DLF zum aktuellen Verlauf der Aids-Epidemie in Südafrika. Laut Weltgesundheitsorganisation habe sich die Überlebensrate in Südafrika in den letzten zwei Jahren dramatisch verbessert, was unter anderem auch an der dort mittlerweile propagierten Politik der Beschneidung liege. Beschneidung reduziere die Gefahr der Ansteckung mit HIV um bis zu 75% ^^

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Mo 23. Jul 2012, 12:25 - Beitrag #56

Wobei ich mich dann schon frage, weshalb. Wenn z.B. Beschnittene sexuell weniger aktiv sind, wäre der Effekt leicht zu erklären; wenn sie infolge des Eingriffs bewußter mit Sexualität umgehen und deshalb Kondome tragen, auch. Eine direkte medizinische Begründung wäre dafür ja noch nicht erforderlich.

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Mo 23. Jul 2012, 12:36 - Beitrag #57

dass der Beschnitt etwas an der Libido ändert oder zur Reduktion sexueller Betätigung führt, darf getrost als urban legend gelten. Ich habe dazu auch schon entsprechende explizite Äußerungen gelesen, finde aber die Links bei Haaretz nicht mehr.

Warum der Beschnitt zu einem bewussteren Umgang mit Sexualität führen sollte, ist mir nicht wirklich klar. Wird bei Erwachsenen beschnitten, wird das Verlangen natürlich eine gewisse Zeit lang mit Schmerzresten zu kämpfen haben, aber irgendwann ist das vorbei, warum sollte dann irgendetwas bewusster sein? Doch eher umgekehrt, nach dem Motto "jetzt ist doch alles gut und sicher".

Ich weiß nicht, was von dieser Verfügung der WHO sachlich zu halten ist. Es geht in Südafrika auch um jede Menge Politik und Einfluss. Im Kontext dieser Auseinandersetzungen werden derartige Aussagen schon ihre Rolle im Rahmen der Maßnahmen zur Umsetzung gewünschter Ziele spielen.

Lykurg
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Mo 23. Jul 2012, 12:44 - Beitrag #58

Immerhin besser als Jungfrauenschändung als alternatives "Heilmittel". Wer hatte noch Zitronen propagiert, Mandela?

Und ja, allem, was ich las, widersprach das ja auch. Wird also schon Interessenten geben, es zu verbreiten.

Malte279
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Mo 23. Jul 2012, 14:37 - Beitrag #59

Das die Beschneidung medizinische Vorteile haben kann würde ich nicht bestreiten. Allerdings ist wahrscheinlich auch die Rate der Aids Infektionen bei Kindern und Säuglingen eher gering. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Recht selber zu entscheiden ob man beschnitten werden möchte oder ob die Entscheidung des nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriffs von den Eltern für einen noch nicht entscheidungsfähigen Säugling getroffen werden sollte ist die Frage nach späterem Aids Infektionsrisiko nicht unbedingt im direkten Zusammenhang.
Es geht ja wie nicht oft genug wiederholt werden kann nicht um ein generelles Verbot der Beschneidung sondern darum dass diese Beschneidung ohne Berücksichtigung der möglichen Entscheidung des Kindes vorgenommen wird.

In dieser Debatte werden vielerorts sehr viele Stammtischparolen gebraucht. Die Gleichsetzung mit der weiblichen Genitalverstümmelung einerseits und der Taufe andererseits halte ich aus den zuvor genannten Gründen für sehr fragwürdig. Für den Kernpunkt halte ich hier aber nicht hauptsächlich den möglichen Nutzen oder die möglichen Risiken der Beschneidung sondern eben die Frage ob diese Entscheidung für jemand anderen getroffen werden darf. Dieser Punkt wird von den befürwortern des Status quo oft eher übergangen.

Ipsissimus
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Mo 23. Jul 2012, 15:27 - Beitrag #60

Für den Kernpunkt halte ich hier aber nicht hauptsächlich den möglichen Nutzen oder die möglichen Risiken der Beschneidung sondern eben die Frage ob diese Entscheidung für jemand anderen getroffen werden darf.


Das Verfügungsrecht der Eltern ist nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Das Verfügungsrecht des Staates aber noch viel weniger.

Und nach wie vor, Deutschland und Judentum, das ist zu heikel für die Klärung dieser Frage.

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