Libyen

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Fr 15. Apr 2011, 18:28 - Beitrag #61

Die Bezeichnung "bizarr" halte ich für eher bizarr eurozentrisch. Betrachtet man die ortsüblichen Charaktariska ist es unpassend, es sei den man betrachtet Libyen als ein bizarres Land, was allerdings durchaus berechtigt wäre.
Denn Vergleich mit Libyens Paria-Status in den 80ern und 90ern, den Luftangriffen, Embargos usw. halte ich für vielsagend. Gadaffi und die seinigen haben sich noch besonders darum geschert, ob sich der wesentliche Teil der Welt Krieg gegen sie verschworen hat.

Es fehlt Gadaffis Leuten genauso wenig an Todesmut und Kampfgeist wie den Rebellen. Eine Einigung zwischen den Parteien halte ich für ausgeschlossen. Es gibt keinen Kompromiss zwischen Gadaffi muss weg und Gadaffi bleibt an der Macht.
Weitere Luftangriffe dürften den finalen Schlag gegen die Rebellen nur hinauszögern und damit die Kämpfe in die Länge ziehen, sowie kollatarale Schäden anrichten. Luftangriffe, insbesondere auf Tripolis, dürften dortige Bevölkerungsteile nur um so stärker an Gadaffi binden und vor allem gegen den Westen stellen.
Eine Teilung wäre natürlich für die NATO eine Option, die müsste sich allerdings selbst mit Bodentruppen durchsetzen und notfalls gegen beide Parteien. Libyen hat nur 7 Millionen Einwohner. Leichtes Spiel für die mächtigsten Nationen der Welt.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 15. Apr 2011, 22:19 - Beitrag #62

Etwas bemerkenswert finde ich ihren Auftritt schon, wo noch vor etwa drei Wochen berichtet wurde, sie habe sich absetzen wollen, aber keine Landeerlaubnis in Sizilien erhalten.

Vielleicht bietet die Strategie, die humanitäre Situation zu verbessern, ein Standbein für eine schleichende Intervention der Nato am Boden...

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Sa 16. Apr 2011, 10:54 - Beitrag #63

ich empfinde die Auftritte des Gaddafi-Clans nicht bizarrer als die Auftritte der Nato-Granden. Im Krieg vereint, durch Propaganda getrennt ...

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 16. Apr 2011, 11:47 - Beitrag #64

Ok, so rum ja... wirkt es bei ihr vielleicht nur als over-acting, weil diese Sache mit ihrem mißglückten Abhauversuch im Hinterkopf schwebt?
Also nur eine Projektion, sie müsse vielleicht etwas dick auftragen, um ihr zierliches Köpfchen zu retten?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Sa 16. Apr 2011, 16:30 - Beitrag #65

wir wissen nicht, ob es ein missglückter Abhau-Versuch war. Wir haben dafür nur Zeitungsberichte als Informationsquelle, also Agitprop-Texte

Ganz witzig auch das^^ http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,757498,00.html

der Nato geht die Munition aus^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 16. Apr 2011, 21:48 - Beitrag #66

Sehr merkwürdig, daß usa und der Rest unkompatible Waffe verwenden...

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Sa 16. Apr 2011, 23:15 - Beitrag #67

Das hat schon etwas erstaunliches, fast schon humorig liesst sich
Der Direktor des Forschungsinstituts Globalsecurity.org, John Pike, findet deutliche Worte: "Libyen ist kein großer Krieg. Wenn den Europäern schon zu so einem frühen Zeitpunkt in so einer kleinen Mission die Munition ausgeht, fragt man sich, auf welche Art von Krieg sie sich vorbereitet haben", sagte er der "Washington Post". "Vielleicht wollten sie ihre Luftwaffen nur bei Flugshows einsetzen."
Wobei es laut Artikelt offenbar nur um lasergesteuerte Präzisionswaffen/-munition geht. Was mich als Laien fragen lässt, ob die Europäer stattdessen noch reichlich Vorräte an unpräzisen Waffen vorrätig hätten und - jetzt unabhängig von Libyen - was das ggf. über angenommene Einsatzszenarien und Eingriffstaktiken verrät.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
So 17. Apr 2011, 10:41 - Beitrag #68

mensch erkennt auf jeden Fall daran, für welche Art Krieg die Amerikaner vorbereitet sind. Ich denke, die Europäer pflegen noch die Illusion des Verteidigungskrieges, selbst wenn sie dafür erst zum Hindukusch fliegen müssen, um Situationen herbeizuführen, in denen sie sich verteidigen müssen. So ganz und gar überdeutlich möchten unsere Führer eben (noch) nicht darauf bezogen werden, dass sie überhaupt nicht damit rechnen, dass Europa ernsthaft militärisch angegriffen werden könnte, alle unsere militärischen Vorbereitungen also Vorbereitungen von Kriegen außerhalb Europas, mithin Angriffskriegen, oder, wie man heute sagt, von Erfüllungen eines UN-Mandats sind.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
So 17. Apr 2011, 11:40 - Beitrag #69

Nun, die Bildung spricht zumindest dafür, dass die NATO schon ein beträchtlichen Teil des zerstörbarens Teils Libyens zerstört hat. Die Raketen und Flugkörper sind ja nicht verschwunden, sondern verschossen.

Eine andere Meldung erklärt zumindest, wohin die unpräzisen Streubomben der NATO gelangt.
Focus: Strebvomben gegen libyisches Volk
Die Streubomben der Gaddafi-Armee stammen aus Spanien.
Laut Human Rights Watch stammt die tödliche Munition vom Typ MAT-120 vom spanischen Hersteller Instalaza SA. Seit 2010 ist diese Waffenart durch die Streubomben-Konvention international geächtet. Einige Länder, darunter Libyen, sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten. Spanien ratifizierte es 2009. Die in Misurata verwendete Streumunition stammt laut Human Rights Watch aus dem Jahr 2007.

Streumunition ist "international" geächtet, wurde aber in allen bisherigen Luftkriegen des Westens zum Einsatz, Kosovo, Afghanistan, Irak ...
Bis jetzt ist noch nichts über einen Einsatz von Streumunition der NATO in Libyen bekannt geworden, aber da die Präzisionswaffen verschossen sind. :rolleyes:

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
So 17. Apr 2011, 11:55 - Beitrag #70

Recht interessant und wie bei ihm aus eher alten Zeiten gewohnt deutlich kulumniert Joschka Fischer rund um dieses Thema in der Süddeutschen (ob es darin wohl auch eine Bewerbung um seinen Wiedereinstieg in die Bundespolitik sieht?):
Den eingetretenen Schaden für Deutschland kann man heute besichtigen. Die deutsche Politik hat in den Vereinten Nationen und im Nahen Osten ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt, der Anspruch der Bundesrepublik auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat wurde soeben endgültig in die Tonne getreten, und um Europa muss einem angst und bange werden.

Die Geschlossenheit der Vetomächte und der Mehrheit des Sicherheitsrates, die Unterstützung von Arabischer Liga und der Organisation Islamischer Staaten, die Beteiligung zweier arabischer Staaten an der humanitären Militärintervention - was wollte die Bundesregierung eigentlich noch mehr, um zuzustimmen?

[...]

Und man komme hier nicht mit der Enthaltung Russlands und Chinas. Deren Enthaltung war der Verzicht auf ihr Veto und damit de facto eine Zustimmung, die den Weg zur Intervention frei gemacht hat. Ganz anders dagegen wird Deutschlands Enthaltung gewertet: nämlich als faktisches Nein, weil es eben über kein Veto verfügt und zudem ein zentrales Mitglied von Nato und EU ist.

Ich weiß nicht, was sich der deutsche Außenminister dabei gedacht hat, als er sich zu Recht erst auf die Seite der arabischen Freiheitsrevolutionen stellte, sich später Beifall auf dem Tahrir-Platz in Kairo abholte, nachdem die Sache entschieden war, dann den Sturz Gaddafis und dessen Überstellung an den internationalen Strafgerichtshof forderte - nur um schließlich, als es im Sicherheitsrat zum Schwure kam, den Schwanz einzuziehen. Mit einer an Werte gebundenen Außenpolitik und mit deutschen und europäischen Interessen konnte das nicht viel zu tun gehabt haben.

[...]

Auch der außenpolitische Kollateralschaden für die EU ist beträchtlich. Ausgerechnet Deutschland, das man fast als den Erfinder der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik bezeichnen könnte, versetzt dieser mit seiner Verweigerung den bisher gefährlichsten Stoß.

Fortan wird auch in der EU das Prinzip der "Koalition der Willigen" gelten, was Europa weiter schwächen wird. Zieht man das Verhalten der Bundesrepublik in der Frage Libyen zusammen mit ihrem Jammern, Zaudern und Zögern bei der Frage, welche Konsequenzen Europa aus der Finanzkrise ziehen sollte, dann muss man sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft unseres Kontinents und des transatlantischen Bündnisses machen.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 17. Apr 2011, 12:51 - Beitrag #71

Zitat von Ipsissimus:So ganz und gar überdeutlich möchten unsere Führer eben (noch) nicht darauf bezogen werden, dass sie überhaupt nicht damit rechnen, dass Europa ernsthaft militärisch angegriffen werden könnte, alle unsere militärischen Vorbereitungen also Vorbereitungen von Kriegen außerhalb Europas, mithin Angriffskriegen, oder, wie man heute sagt, von Erfüllungen eines UN-Mandats sind.

Das lässt dann auch die Vorgänge um Äußerungen einiger Politiker zu Einsätzen zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen in einem anderen Licht erscheinen; Horst Köhler hatte sich ja in einem Interview offen dafür ausgesprochen, wofür er viel Kritik erntete und was am Ende in seinen Rücktritt mündete.
War der Rücktritt vielleicht doch erzwungen - weil zu weit aus dem Fenster gelehnt, zu viel gesagt...?

Fischer hat sicher nicht unrecht, daß die Enthaltung Chinas und Russlands vor allem bedeutete, kein Veto einzulegen, damit eher eine klare Zustimmung ausdrückte. Allerdings steht dann immer noch die Frage im Raum, was denn den Konflikt in Libyen gegenüber dem in Darfur oder Iran oder der Diktatur in Burma qualifiziert, durch europäisches Eingreifen behandelt zu werden.
Oder um in der Nähe zu bleiben, warum nicht auch in Syrien die Aufständischen schützen?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
So 17. Apr 2011, 13:07 - Beitrag #72

Burma und Darfur sind in wirtschaftlicher Hinsicht nicht interessant genug; und ein Angriff gegen den Iran ist ein absolut unkalkulierbares Risiko - die könnten die Bombe schon haben, und damit wäre bei einem Angriff Israel fällig. Ich denke, der Angriff gegen Libyen wird teilweise zur Sicherung des Öls, teilweise zum Begleich alter Rechnungen und größtenteils zur Etablierung eines weiteren Brückenkopfs des Westens in der arabischen Welt geführt; die Rebellen werden als Alibi funktionalisiert. Und wenn ich mir England und Frankreich anschaue, rechne ich, ganz am Rande gesagt, noch mit einem anderen Motiv: die gute alte Kriegslüsternheit.

Und Köhler hat zuviel gesagt

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 18. Apr 2011, 10:36 - Beitrag #73

Eindrucksvoll, 009, ich hätte kaum gedacht, daß ich Fischer einmal so vollinhaltlich zustimmen würde... Wirklich interessant, wie er sich gemacht hat, ich denke aber nicht, daß er wirklich einen Wiedereinstieg plant, was sollte er noch höheres erreichen?

Ipsissimus, Libyen ist von großer strategischer Bedeutung, neben Öl insbesondere was die Flüchtlingsströme angeht. Das Land hätte das Potential, ganz Nordafrika einen massiven Aufschwung zu bringen und Europa mit Energie zu versorgen, wenn es als zuverlässiger Verbündeter eingebunden wäre. Gaddafi war das nur mit erheblichen Bauchschmerzen bzgl. Menschenrecht, hohen persönlichen Bestechungssummen und ständiger Gefahr von Launen; da seine Macht nun zu bröckeln begann, mußte der Westen Partei ergreifen, um sich auf die Post-Gaddafi-Zeit einzustellen. Zumindest die Länder im Westen, die außenpolitische Relevanz haben wollen, mußten es.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mo 18. Apr 2011, 10:48 - Beitrag #74

Zitat von Lykurg:Eindrucksvoll, 009, ich hätte kaum gedacht, daß ich Fischer einmal so vollinhaltlich zustimmen würde... Wirklich interessant, wie er sich gemacht hat, ich denke aber nicht, daß er wirklich einen Wiedereinstieg plant, was sollte er noch höheres erreichen?
Zumindest bei der aktuellen politischen Stimmungslage und Neuwahlen in absehbarer Zeit schiene es doch nicht ganz ausgeschlossen, dass er als Spitzenkandidat der Grünen zugleich auch als Kanzlerkandidat auftreten könnte...
Wie das bis zu den regulären nächsten Wahlen von der Stimmungslage und seinem Motiv/Bereitschaft, wieder einzusteigen, aussieht ist natürlich aktuell mindestens so fraglich wie der Fortgang der Entwicklungen in Libyen...

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 18. Apr 2011, 16:51 - Beitrag #75

tja, was die Flüchtlingsströme angeht ... wenn man liest, dass das gerade mal einigermaßen demokratisch gewordene kleine Tunesien derzeit trotz erheblicher eigener Probleme um die 150k Flüchtlinge versorgt, dann muss man schon sagen, Hut ab vor den Europäern mit ihrem vielleicht 15k Personen Flüchtlings-Tsunami, der das System vor unüberwindliche Hindernisse und Ressourcenüberforderung stellt.

und der Fehler der Fischerschen Argumentation liegt darin, dass er formal statt sachlich argumentiert. Ein Krieg ist noch lange nicht gerechtfertigt, nur weil die ganze Welt ihm zustimmt. Kriegspartei "Grüne", sie haben sich etabliert.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Mo 18. Apr 2011, 19:27 - Beitrag #76

Fischers Abhandlung klingt für mich irgendwie nach Bismarck' scher Bündnispolitik. Im Grunde geht es nicht um humanitäre Fragen, sondern um Deutschland Rolle in NATO und UNO, seine Einschätzung, dass die derzeitige Regierung da offensichtlich Schaden an Deutschlands gutem Ruf als Blitzkriegs-Nation angerichtet hat, teile ich.

Was die strategische Bedeutung Libyens betrifft: In der öffentlichen Debatte wurde Libyens Rolle als afrikanische Großmacht kaum betrachtet.
Sieg oder Untergang Gaddafis wird eine Breitenwirkung auf dem Kontinent haben. Tschad, Niger, Sudan, Elfenbeinküste, Kongo, Zentralafrikanische Republik ... all dies ist Gaddafis erweiterter Machtbereich. Libyen hat in den Ländern die Rolle der alten Kolonialmächte oder auch der Ost-West-Konflikt-Parteien übernommen.
(Auch so eine fehlende Information: Die Afrikanische Union wurde zu 15 % von Libyen finanziert. Und Libyen leistete etlichen afrikanische Staaten Entwicklungshilfe.)

Er hat mehr als einmal bewiesen, dass dortige Rebellen und Warlords durchaus direkt von ihm Befehle empfangen und ausführen. Das Abbrechen finanzieller und militärischer Unterstützung für die Warlords und Rebellen Afrikas nach einem möglichen Ende Gadaffis dürfte für weite Teile des Kontinents eine Zäsur bedeuten.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 18. Apr 2011, 19:58 - Beitrag #77

Zitat von Ipsissimus:Burma und Darfur sind in wirtschaftlicher Hinsicht nicht interessant genug]
Die Frage war mehr rhetorischer Art, ich sehe das ganz genauso wie Du. Nur bei England und Frankreich bin ich mit reiner Kriegslüsternheit unsicher, die könnten gut eine Ablenkung von inneren Problemen gebrauchen, äußere Siege waren dafür immer schon gut.

Zitat von Maglor:Er hat mehr als einmal bewiesen, dass dortige Rebellen und Warlords durchaus direkt von ihm Befehle empfangen und ausführen. Das Abbrechen finanzieller und militärischer Unterstützung für die Warlords und Rebellen Afrikas nach einem möglichen Ende Gadaffis dürfte für weite Teile des Kontinents eine Zäsur bedeuten.

Dann wäre Libyen also ein exzellentes Einfallstor für eine europäische Interessenausweitung in das noch nicht von China einverleibte Afrika. Aber warum dann so zögerlich, warum nicht eine eche Charmeoffensive für die eingeschlossene Stadt in Form von Rosinenbombern, ein paar Fallschirm-Truppen und ein unbekömmliches Mittagessen für den Genossen Bruder Führer?
Wäre der Apfel zu groß für den Moment?

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 18. Apr 2011, 21:46 - Beitrag #78

Immerhin wurden aus Libyen zunächst mehrere zehntausend chinesische Gastarbeiter evakuiert, ganz unbeteiligt waren sie an der Entwicklung des Landes offenbar auch nicht. - Und für Bodentruppen ist der Apfel in der Tat wohl zu groß, wenn a) das UN-Mandat das nicht hergibt, b) die USA nicht mitziehen, weil sie nach Somalia, Afghanistan und Irak genug davon haben, insbesondere wenn es so direkt Europas Hinterhof ist.

Mit Rosinenbombern ist es nicht getan und auch der Bevölkerung nicht geholfen, wenn die zentralen Plätze in Misrata von Heckenschützen beschossen werden. Das läßt sich nunmal nur über Bodentruppen und/oder den Zusammenbruch des Regimes stoppen.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Fr 22. Apr 2011, 19:11 - Beitrag #79

Link zur 4-minutigen arte-Reportage
Tiefenschärfe - Libyen: Mit Sandalen und Kanonen ARTE Reportage zeigt einmal im Monat unter der Rubrik "Tiefenschärfe" die Werke eines ausgesuchten Fotografen. Philip Poupin, 1982 im Westfrankreich geboren, hat sich das Fotografieren selber beigebracht. Als ihm das "Institut de géopolitique" im Jahr 2004 vorschlägt, er solle für sie eine Reportage über den Krieg in Darfur fotografieren, da hält er die Verantwortlichen im ersten Moment für verrückt.

Bewegende Bilder: März in Raz Lanuf, Rebellen suchen ihr Martyrium.
Selbige Reportage umter halbstarke Rebellen, die in den Krieg ziehen, erwähnte ich schon einmal hier.

Noch eine kurze arte-reportage: "Gotteskrieger gegen Gaddafi"
Jihad gegen Gaddafi mit Afghanistan-Connection.

Sicher das Beispiel kann kaum für alle Rebellen gelten. Deutlich ist nur eins: Sie kennen keine Skrupel und machen keine Kompromisse. Sie kämpfen bis zum Tode und fordern das westliche Ausland dazu auf, das Bombardement fortzusetzen.

Währenddessen rief der Al-Kaida-Funktionär El Sawahiri dazu auf, den Jihad sowohl gegen Gaddafi als auch gegen die Amerikaner usw. in Libyen zu führen:
„Sollten die Amerikaner und die Nato-Truppen in Libyen einmarschieren, dann sollten sich ihre Nachbarn in Ägypten und Tunesien und Algerien und dem Rest der muslimischen Länder erheben und sowohl die Söldner Gaddafis als auch die Nato bekämpfen.“
Focus
Die Argumentation setzt den Akzent klar auf die Vertreibung der Fremden. Gaddafis Truppe wird erneut als ausländische Söldnerbande in aller Schwärze ausgemalt.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Mi 11. Mai 2011, 20:26 - Beitrag #80

Zu den seltsamsten Phänomen des Libyen-Krieges gehört die Versöhnung von arabischen Afghanistan-Kämpfern (volkstümlich: Al-Kaida-Söldner) und amerikanischen Drohnen.
In Libyen kämpfen sie Seite an Seite.
Das [URL=http://www.tageblatt.lu/nachrichten/welt/story/10957064[/URL] berichtete am 5. April über ehemalige Guantano-Häftlinge, die zurzeit Truppenteile der Rebellen in Libyen anführen.

Die dort benannten Libyer wurde 2001 in Afghanistan verhaftet. Das ihr damaliger Aufenthalt im Umfeld bin Ladens irgendeinen jihadistischen Hintergrund hatte, steht außer Frage, ein konkreter Vorwurf konnte nicht festgemacht werden und da Gaddafi die weitere Folter in heimischen Kerkern versicherte, wurde die Guantanamo-Häftlinge nach Libyen ausgeliefert, wo sie aber 2008 ihm Rahmen einer Massenbegnadigung freikamen.
Schon herzzerreißend wie endlich der große Krieg zusammenführt was zusammengehört:
Abdel Hakim al-Hasidi, der mehrere Jahre in einem Trainings-Camp in Afghanistan verbracht hatte, sagte gegenüber einer Zeitung, er unterstütze keinen taliban-ähnlichen Staat. Auch die Einstellung gegenüber den USA habe sich verändert. Seit die Vereinigten Staaten den Rebellen zu Hilfe geeilt seien, sei der Hass auf Amerikaner gesunken. Hasidi wirft Gaddafi vor, dass er mit dem Vorwurf des Extremismus versuche, die Nation zu spalten: "Er profitiert davon, dass ich ein ehemaliger politischer Gefangener bin."

Wenn der Mann nun sagt, er wolle kein paschtunisches Emirat in Libyen errichten, ist das natürlich nicht überraschend. Die arabischen Mujaheddin in Afghanistan blieben immer Fremde, denen auch die Politik der Taliban im Grunde fremd blieb.

VorherigeNächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron