Zitat von Lykurg:Ich habe an anderer Stelle ebenfalls gelesen, daß sich die männliche Vorhaut wiederherstellen läßt, einschließlich (zumindest eines Teils) der Nerven.
Wie gesagt, es geht nicht um die Nerven, sondern um die Tastsinnesorgane in der Haut. Die wachsen nicht nach.
Auch wird wohl ohne die schützende Vorhaut die Haut der Eichel härter und weniger sensibel.
Von daher handelt es sich in meinen Augen klar um eine Form körperlicher Gewalt.
Die Frage ist nur, ob die an sich verbotene Gewalt durch ihre religiöse Bedeutung erlaubt ist.
Das Gericht macht sich diesen Teil der Entscheidung zu leicht.
Zitat von Lykurg:Dieser "Die Frage wozu"-Eintrag ist sehr gut. Er zeigt die Bösartigkeit des Urteils ebenso wie seine Folgen - und der Wozu-Absatz trifft genau mein Empfinden.
Naja, lies nochmal genauer:
Zitat von Verfassungsblog:Meiner Meinung nach liegt die Antwort auf der Hand: Hier geht es darum, zu verhindern, dass Leute als Muslime oder Juden geboren werden. Hier geht es darum, Religionen, oder jedenfalls: diese beiden Religionen zu Vereinen downzugraden, denen man, sobald man die dazu nötige Mündigkeit besitzt, beitreten kann, wenn man unbedingt will.
Mit anderen Worten: Das LG Köln macht das Strafrecht zu einem Mittel eines antireligiösen Kulturkampfs. Wer das für liberal und aufgeklärt hält, sollte noch mal nachdenken.
Niemand wird als Jude oder Moslem geboren...
Die Bewertung des Autors hinsichtlich des aus seiner Sicht nicht gegebenen "Mißhandlungswertes" der Beschneidung teile ich nicht.
Das Gericht macht den Fehler, daß es den dem Kind zugefügten Schaden ausschließlich darin sieht, daß es später in der freien Wahl der religiösen Zugehörigkeit behindert wird.
Hiermit fällt es hinter den zuerst festgestellten Tatbestand der Körperverletzung zurück und macht sich den Glaubensinhalt zu eigen, daß die Beschneidung konstitutiv für die Religionszugehörigkeit sei, aus dem Menschen einen Angehörigen der jüdischen oder islamischen Glaubensgemeinschaft mache.
Ein Problem dabei ist IMHO, daß diese doxa in den Religionsgemeinschaften gar nicht als allgemein verbindlich gesehen wird: Die Beschneidung ist im Islam nicht vorgeschrieben und wird darauf zurückgeführt, daß Mohammed beschnitten gewesen sei.
Im Judentum wird die Praxis wohl auch in Teilen flexibel gehandhabt, so ließ Theodor Herzl seinen Sohn nicht beschneiden.
Das Gericht ist einem solchen Pfad nicht gefolgt, aufgrund der Unwägbarkeiten des weltanschaulichen Terrains sicher verständlich, aber es leistet damit unwillkürlich den Strenggläubigen Vorschub.
Schlimmer ist, daß es keine Abwägung der konkurrierenden Grundrechtsgüter vorgenommen hat.
Zitat von Maglor:Entscheidend für das Landgericht Köln war, dass es sich bei der Beschneidung um Gewalt. Das ist die Bösartigkeit des Urteils.
Was siehst Du daran als bösartig an?