Erdbeben in Japan; historischer Wert von 8,9

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
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Do 24. Mär 2011, 18:21 - Beitrag #81

Ist diese Aussage nicht offensichtlich widersprüchlich: Sie beschäftigen Arbeitslose in Atomkraftwerken.
Schon eine schlimme Geschichte, dass die japanischen Kraftwerksbetreiber so tief gesunken sind, dass sie sogar Arbeitslose anheuern. :rolleyes:

e-noon
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Do 24. Mär 2011, 18:55 - Beitrag #82

Er sagte, es sei Usus, in der Kernkraftwerksbranche Obdachlose oder Arbeitslose, Gastarbeiter oder sogar Minderjährige anzuheuern.
Nicht nur in der Katastrophe, sondern Usus? Und die Menschen erkranken als Folge davon? Erstens dachte ich, dass bei einer normalen Arbeit im Atomkraftwerk niemand zu schaden kommt, sondern höchstens bei Unfällen; zweitens ist ja bekannt, dass erhöhte Strahlenwerte besonders bei Kindern und Jugendlichen schädlich sind. Ich kann das nicht nachvollziehen. Dass (vormals) Arbeitslose beschäftigt werden, ist wohl zu wünschen, allerdings auch, dass sie die richtige Qualifikation aufweisen und zudem wissen, worauf sie sich einlassen.

In der SZ wird von den wirtschaftlichen Schäden berichtet:
Zum Vergleich: Die Summe entspricht etwa zwei Dritteln des deutschen Bundeshaushalts [...] Das Wachstum in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt könnte dadurch um 0,5 Prozent zurückgehen.


Als Laie verstehe ich nicht, wie das Wachstum um nur 0,5 Prozent zurückgehen kann, nach so einer Katastrophe und bei einem auch wirtschaftlich so hohen Schaden.

Lykurg
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Do 24. Mär 2011, 19:19 - Beitrag #83

Weil die volkswirtschaftliche Gesamtleistung und das Gesamtvermögen um ein so vielfaches höher sind. Die am schwersten betroffene Region ist für japanische Verhältnisse nicht sehr dicht besiedelt und nicht übermäßig industrialisiert; es ist zwar mit derzeit geschätzten 220 Mrd. Euro Schaden die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten, aber das läßt sich teilweise wieder abfedern durch die fälligen Wiederaufbaumaßnahmen und einfach dadurch, daß der größte Teil des Landes weniger betroffen ist. Die Vergleichsgröße Bundeshaushalt ist wenig hilfreich, weil die Kosten ja nicht direkt aus dem Staatshaushalt erstattet werden müssen. Das japanische Bruttoinlandsprodukt dagegen, auf das es sich schon eher auswirkt, liegt bei etwa fünf Billionen [nicht Mrd., wie ich versehentlich schrieb^^] Dollar (das deutsche bei gut drei).

Das größte Risiko für die Wirtschaft sind, wie im Artikel angesprochen, die Stromausfälle, die zu schwerwiegenden Produktionsausfällen führen. Sollten die anhalten, wie befürchtet wird, sind auch schwerere und längerfristige Auswirkungen anzunehmen.

janw
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Do 24. Mär 2011, 21:43 - Beitrag #84

Zitat von Maglor:Ist diese Aussage nicht offensichtlich widersprüchlich: Sie beschäftigen Arbeitslose in Atomkraftwerken.
Schon eine schlimme Geschichte, dass die japanischen Kraftwerksbetreiber so tief gesunken sind, dass sie sogar Arbeitslose anheuern. :rolleyes:

Nun ja, die Firma ist nicht eben als Inbegriff sauberer und transparenter Arbeit bekannt, es hat in der Verganhehit immer wieder kleinere Störfälle mit Austritt von Radioaktivität gegeben.
Hier dann zum aufräumen Menschen einzusetzen, die sich über die Probleme und Gefahren ihrer Arbeit nicht im Klaren sind, auch nicht über ihre Rechte, dazu nicht förmlich angestellt, sondern gewissermaßen als Tagelöhner, und die dann noch schlecht geschützt sind, ist mit "verantwortungslos" noch milde beschrieben.

Die Tatsache, daß einem der jetzigen Aufräumer radioaktives Wasser in die Schuhe gelaufen ist, spricht IMHO dafür, daß der Schutz weiterhin mangelhaft ist. Meines Wissens gibt es hierfür nahtlose Ganzkörper-Anzüge.

Zitat von e-noon:Nicht nur in der Katastrophe, sondern Usus? Und die Menschen erkranken als Folge davon? Erstens dachte ich, dass bei einer normalen Arbeit im Atomkraftwerk niemand zu schaden kommt, sondern höchstens bei Unfällen]
Die Firma Tepco betreibt eine ganze Reihe KKWs, in denen es in der Vergangenheit immer mal zu kleineren bis schwerwiegenderen Vorfällen gekommen ist. Da wurden dann offenbar Arbeitslose und Zeitarbeiter zum aufräumen eingesetzt, ohne sie entsprechend einzuweisen, zu schützen und hinterher für Folgeschäden aufzukommen. (Wobei letzteres eh dadurch problematisch ist, daß durch Radioaktivität verursachte Krebserkrankungen meist erst längere Zeit nach der Strahlenexposition auftreten und dann leicht auf andere Risikofaktoren wie Rauchen und Alkoholgenuss abgelenkt werden kann. Ein Problem z.B. bei der Ermittlung der Strahlungsopfer in Tschernobyl).

In der SZ wird von den wirtschaftlichen Schäden berichtet:


Als Laie verstehe ich nicht, wie das Wachstum um nur 0,5 Prozent zurückgehen kann, nach so einer Katastrophe und bei einem auch wirtschaftlich so hohen Schaden.

[quote="Lykurg"]Weil die volkswirtschaftliche Gesamtleistung und das Gesamtvermögen um ein so vielfaches höher sind. Die am schwersten betroffene Region ist für japanische Verhältnisse nicht sehr dicht besiedelt und nicht übermäßig industrialisiert]
Wobei anzumerken wäre, daß Japan eine hohe Staatsverschuldung hat - wenn auch wohl mehr nach innen als nach außen - und wirtschaftlich offenbar auch nicht gerade in einer Boomlage ist.
Der Wiederaufbau kann zwar die betreffenden Wirtschaftsbereiche ankurbeln, aber er kostet Geld, das die Staatsverschuldung erhöhen wird, im privaten Falle vielleicht auch daran scheitern wird, daß vielen Überlebenden vielleicht das Geld fehlen wird.
Insofern bin ich gespannt, ob die ausgestrahlte Zuversicht wirklich eine entsprechende Zukunft nach sich ziehen wird.

Lykurg
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Do 24. Mär 2011, 22:56 - Beitrag #85

Wobei anzumerken wäre, daß Japan eine hohe Staatsverschuldung hat - wenn auch wohl mehr nach innen als nach außen - und wirtschaftlich offenbar auch nicht gerade in einer Boomlage ist.
Der Wiederaufbau kann zwar die betreffenden Wirtschaftsbereiche ankurbeln, aber er kostet Geld, das die Staatsverschuldung erhöhen wird, im privaten Falle vielleicht auch daran scheitern wird, daß vielen Überlebenden vielleicht das Geld fehlen wird.
Insofern bin ich gespannt, ob die ausgestrahlte Zuversicht wirklich eine entsprechende Zukunft nach sich ziehen wird.
Ja, natürlich, da ist einiges in der Schwebe, und für eine reine Staatswirtschaft wäre das ein schlechtes Zeichen. Allerdings ist Japan das Land mit dem (mit Abstand) höchsten Pro-Kopf-Vermögen weltweit (2006 waren es im Schnitt rd. 200.000€ gegenüber 90.000€ in Deutschland). Immerhin der private Wiederaufbau sollte insofern eine recht solide Grundlage haben.
Die Tatsache, daß einem der jetzigen Aufräumer radioaktives Wasser in die Schuhe gelaufen ist, spricht IMHO dafür, daß der Schutz weiterhin mangelhaft ist. Meines Wissens gibt es hierfür nahtlose Ganzkörper-Anzüge.
Wohl ungenügende Schutzmaßnahmen, ja. Allerdings verwunderte es mich schon wieder, in den Nachrichten zu hören, die Arbeiter seien radioaktiv kontaminiert worden und hätten dabei schwere Verbrennungen erlitten, und dann erst ein paar Sätze später, daß es kontaminiertes heißes Wasser war. Da ist die Verbrennung naheliegend; die Strahlenbelastung wird man genau untersuchen müssen, aber für einen Aufmacher mit vielen Atomen ist es schonmal gut.

janw
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Fr 25. Mär 2011, 02:08 - Beitrag #86

Zitat von Lykurg:Allerdings ist Japan das Land mit dem (mit Abstand) höchsten Pro-Kopf-Vermögen weltweit (2006 waren es im Schnitt rd. 200.000€ gegenüber 90.000€ in Deutschland). Immerhin der private Wiederaufbau sollte insofern eine recht solide Grundlage haben.

Ich meine mich zu erinnern, daß allerdings die Spreizung in Japan größer ist, als bei uns. Natürlich wäre noch über Versicherungen u.ä. zu spekulieren, ich denke aber insgesamt, daß für sehr viele der schlicht Übriggebliebenen - überlebt habende Männer, Frauen, Kinder - der Neuanfang verdammt schwer werden wird. Angefangen bei den Dokumenten...

[quote]Wohl ungenügende Schutzmaßnahmen, ja. Allerdings verwunderte es mich schon wieder, in den Nachrichten zu hören, die Arbeiter seien radioaktiv kontaminiert worden und hätten dabei schwere Verbrennungen erlitten, und dann erst ein paar Sätze später, daß es kontaminiertes heißes Wasser war. Da ist die Verbrennung naheliegend]
Radioaktive Strahlung ab einer gewissen Intensität führt von sich aus zu Verbrennungen, von sonnenbrandartigen Formen bis schlimmer. Ich denke, daß man sich über die Belastung des Wassers in den beschädigten Bereichen keine Illusionen machen muss, die wird gesundheitsschädlich sein.
Merkwürdig finde ich da eben, daß - wenn ich nicht irre - jeder Katastrophenschutz-Zug hierzulande Schutzkleidung besitzt, die nahtlos in Stiefel übergeht, eben damit keine Flüssigkeiten da hinein gelangen können. Temperaturen bis an 100 Grad sollten vom Material ausgehalten werden.
Damit würde nach meinem Verständnis das Problem vor allem hinsichtlich der Gammastrahlung bestehen, da alpha- und beta-Strahlung relativ leicht abgeschirmt werden können.

Ipsissimus
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Fr 25. Mär 2011, 13:28 - Beitrag #87

und drei hochverstrahlte Arbeiter tragen Mitschuld an ihrer Verstrahlung ... die Bösen aber auch

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753058,00.html

abscheulich

Lykurg
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Fr 25. Mär 2011, 15:40 - Beitrag #88

Da fällt es einem natürlich leicht, sich Zustände vorzustellen, unter denen die Arbeiter die Warnungen der Dosimeter ignorierten - etwa, weil sie da drin ständig anschlagen. Der Druck, unter dem die Arbeiter dort stehen, dürfte ungeheuerlich sein, insofern ist die Erklärung natürlich problematisch, andererseits angesichts der Situation des Unternehmens nachvollziehbar. Nein, ich wollte nicht leugnen, daß die Arbeiter wahrscheinlich schwer kontaminiert wurden und möglicherweise auch permanente gesundheitliche Schäden davontragen oder daran sterben können; und wie ich inzwischen las, hat Tepco tatsächlich Betastrahlung als Ursache der Verbrennungen genannt.

Einen sehr interessanten vergleichenden Überblick über Strahlenwerte fand ich an etwas überraschender Stelle hier.

009
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Fr 8. Apr 2011, 10:40 - Beitrag #89

Wie u.a. im Spiegel nachzulsesen gab es in der Nacht zu heute ein mit 7,4 besonders starkes Nachbeben, das neben Toten und Verletzten auch zu weiteren Problemen bzw. Erschwernissen bei den AKW führte. Nach aktuellen Berichten gibt es jedoch immerhin keine gravierende neue Schäden an den AKW, aber richtig gut liesst sich das alles m.E. nicht.

Ipsissimus
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Mi 13. Apr 2011, 17:02 - Beitrag #90

Unterdessen müssen die Bewohner aus der Umgebung des havarierten Atomkraftwerks für eine Aufnahme in den Notunterkünften für Tsunami-Opfer neuerdings nachweisen, dass sie nicht radioaktiv verstrahlt sind. Können sie die amtliche Bescheinigung nicht vorlegen, werden sie abgewiesen.
http://www.stern.de/panorama/laut-japans-ministerpraesident-kan-fukushima-zone-fuer-20-jahre-unbewohnbar-1674426.html


ach so, nebenbei hat die japanische Regierung auch noch zugegeben, dass die Gegend um Fukusima für "20 Jahre" unbewohnbar sein wird^^

Padreic
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Mi 13. Apr 2011, 21:19 - Beitrag #91

Gesagt hat er das vielleicht - 'zugegeben' ist eine Deutung, die insbesondere impliziert, dass es stimmt und der japanischen Regierung bekannt ist. Das würde ich jedoch erstmal bezweifeln.... darüberhinaus dementiert die Regierung auch eine solche Aussage.

Ipsissimus
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Mi 13. Apr 2011, 21:48 - Beitrag #92

den Einwand verstehe ich nicht. Warum sollte er es sagen, wenn es überhaupt nicht stimmt? Es ist schließlich eher peinlich für die Regierung.

janw
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Do 14. Apr 2011, 00:50 - Beitrag #93

Naja, ich sehe da schon eine Zwickmühle: Die volle und ganze tagesaktuelle Wahrheit hätte aus Sicht der Regierung zu unkontrollierten Reaktionen der in der Materie nicht bewanderten, dafür leicht emotionalisierbaren Bevölkerung führen können, Massenflucht und Ansturm auf überfüllte Notunterkünfte,...? in einer Phase, wo vielleicht wirklich nicht klar war, wie es ausgehen würde - es hat ja etwas von einer Katastrophe auf Raten.
Das Ganze in der Situation, wo eh schon eine Katastrophe zu managen war.
Zugleich das Problem, daß dann mit Tepco vielleicht schon eher das passiert wäre, was unter dem nun entstehenden Druck von Entschädigungsforderungen unausweichlich erscheint, nämlich pleite zu gehen und vom Staat gerettet zu werden. Vielleicht wollte man diesen Moment bis dahin hinauszögern, bis in Fukushima einigermaßen sichere Zustände herrschen würden.
Wären das Argumente? Sind Wahrheit und Offenheit unter solchen Umständen möglich?

Gut, das Dementi bezüglich der längerfristigen Unbewohnbarkeit führt dies schon wieder ad absurdum. Vielleicht doch alles ein Problem der Verkommenheit auch der japanischen Politik?

Ipsissimus
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Do 14. Apr 2011, 10:03 - Beitrag #94

1) der Vorfall wird auf Stufe 7 hochgestuft
2) das Eingeständnis 20jähriger Unbewohnbarkeit der Gegend
wird dementiert

sieht mensch da irgendwelche Widersprüche? Stufe 7 = Tschernobyl. Tschernobyl = Jahrtausende lange Unbewohnbarkeit der Gegend. Fukushima = 20 Jahre Unbewohnbarkeit? Welche anbetungswürdigen Verfahren der Entstrahlung mögen da zum Einsatz kommen? Dementi = Reduzierung der 20 Jahre auf vielleicht 5 Jahre.

--> passt alles nicht zusammen

Padreic
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Do 14. Apr 2011, 10:58 - Beitrag #95

@Ipsissimus: Ich denke, dass niemand in dieser Situation so zuverlässige Daten hat, dass man sagen, wie lange irgendein Bereich unbewohnbar sein wird. Da genügt es nicht, mit einem Geigerzähler rumzulaufen, da muss man in einem großen Bereich genau Analysen über Isotopenverteilung machen. Es gibt aber sicherlich Schätzungen, die mit Kans Aussage übereinstimmen, Greenpeace geht sogar noch deutlich weiter. Wenn wir die Formulierung insoweit ändern, dass er zugegeben hat, dass er davon ausgeht, dass ein solcher Radius für ein oder zwei Jahrzehnte unbewohnbar bleibt, kann ich dir sicherlich zustimmen.
Hinzuzufügen ist natürlich, dass bzgl. Unbewohnbarkeit verschiedene Leute sehr unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Greenpeace spricht z. B. von 40km, auf der Basis dessen, dass sie in ungefähr diesem Abstand eine Belastung von 4 Mikrosievert pro Stunde, also grob 35 Millisievert pro Jahr annehmen; das ist ein Vielfaches von der natürlichen Strahlenexposition. Andererseits liegen in Deutschland die Grenzwerte für eine langfristige Umsiedlung bei 100 Millisievert pro Jahr. Es ist hier sicherlich auch nötig nach Lebensalter der Betroffenen zu unterscheiden. Bei einem 60Jährigen ist ein wohlmöglich leicht erhöhtes Krebsrisiko im Vergleich zum Verlust seiner Heimstatt vielleicht nicht so hoch zu bewerten; bei Kinder und jungen Menschen, bei denen zudem noch die Fortpflanzung betroffen sein mag, liegt die Lage natürlich schon anders. Eine Unbewohnbarkeit ließe sich wohlmöglich so in mehrere Radien unterteilen: einer der komplett geräumt werden müsste, einer, indem sich keine Schwangeren und Leute mit Kindern aufhalten sollen, und einer, wo bloß noch Pilze, Wild und Ähnliches gemieden werden müssten (dieser könnte da natürlich sehr groß sein, wenn man bedenkt, dass das heute dank Tschernobyl noch in Teilen von Bayern gilt).

Zu Tschernobyl und der Stufe 7: es ist mit Stufe 7 so ähnlich wie mit Stufe 12 bei Wind. Da es die höchste Stufe ist, ist sie äußerst weit. Bisher wurde in Fukushima wohl "nur" etwa ein Zehntel der Radioaktivität freigesetzt wie in Tschernobyl. Das mag sich aber natürlich noch ändern. Zudem kommt es natürlich sehr darauf an, in welcher Form die Radioaktivität freigesetzt wurde - da kenne ich jedoch keine Vergleichswerte.

janw
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Do 14. Apr 2011, 12:42 - Beitrag #96

Ipsi, den Widerspruch sehe ich schon, wobei der Unterschied zu Tschernobyl wohl sein soll, daß dort praktisch ein Querschnitt durch das Nuklidinventar ausgeworfen wurde, während in Fukushima vorwiegend Iod, Cäsium und Strontium nach draußen gelangten, die vergleichsweise kurze Halbwertszeiten haben. Allerdings war vor einigen Tagen auch die Rede von Uran- und Plutoniumnachweisen, wenn ich das richtig erinnere...
Tja, vielleicht hat man wirklich angst, die Wahrheit, die "nie mehr, in menschlichen Kategorien" heißen müsste, auszusprechen. Feigheit? Berücksichtigung des zu erwartenden Volkszorns, gerade auch im Zusammenhang mit der anderen Katastrophe?

Traitor
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Do 14. Apr 2011, 22:44 - Beitrag #97

Der Verstrahltheitsfreiheitsnachweis in Notunterkünften ist doch eine uralte Nachricht, die gab es schon wenige Tage nach dem Erdbeben. Damals, als noch sehr wenig aus den AKWs nach draußen kam, war das irgendwie hysterisch, zwischendrin dürfte es gerechtfertigt gewesen sein (wenn auch hoffentlich mit "abweisen"="ins Krankenhaus schicken/bringen", aber im Chaos weiß man nie), inzwischen dürfte es sich erledigt haben, da wohl kaum noch jemand aus AKW-Nähe herausgeirrt und erstmals in ein Lager kommt.

Zu Stufe 7 siehe Padreic, diese Skala ist wie so viele ziemlich untauglich. Auch die "GAU"- und "Super-GAU"-Kategorisierungen helfen einem äußerst wenig, das ist alles zu unscharf und viel zu früh sättigend.

Die tatsächliche Unbewohnbarkeit hängt nicht nur massiv von der Nuklidzusammensetzung ab, sondern auch von Wetter, Geographie, Untergrund... Ich denke, es wäre am seriösesten, erstmal nur von Räumung bis auf Weiteres zu sprechen und alle Prognosen bis zur endgültigen Eindämmung und Beginn einer regulären Belastungsanalyse aufzuschieben. Aber das kann man sich in der Medienpolitik natürlich nicht leisten.

009
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Fr 11. Jan 2013, 20:55 - Beitrag #98

Eine recht ausführliche Darstellung der Situation knapp 2 Jahre nach der Havarie in Fukushima bietet die Tagesschau. Demnach bestehen durchaus weitere Risikopotentiale für weitere Eskalationen - anders als lt. Tagesschau Tepco darzustellen versucht ist wohl weder alles derzeit in Ordnung noch man für weitere Erdbeben gewappnet.

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