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Braucht Europa die Türkei?

Verfasst:
So 11. Jan 2004, 23:47
von Syntax Error
Was meint Ihr?
Ist die Türkei reif für den Beitritt in die EU oder sollen sie erst gar nicht rein?
CDU und CSU wollen den möglichen EU-Beitritt der Türkei jedenfalls zu einem wichtigen Thema im Europawahlkampf machen.

Verfasst:
So 11. Jan 2004, 23:56
von Shockk
Hm ... wie in vielen Bereichen der Politik habe ich auch hier nicht wirklich das ausreichende Hintergrundwissen, um komplett mitreden zu können. Sollte ich also in irgendeinem Punkt falsch liegen, so möge man mich korrigieren

.
Ich sage nein. Ich finde, man sollte erst einmal die neuen Ost-Staaten richtig integrieren, damit es nicht irgendein Bund, sondern wirklich eine Union ist. Und was die Türkei angeht - die Gesetze dort sind streckenweise barbarisch, genau wie die Zustände. Und immerhin liegt nur ein Bruchteil des Landes in europäischem Gebiet. Zudem habe ich irgendwie den Eindruck, dass die Türken unbedingt in die EU wollen, um sich eine bessere Position zu verschaffen ...

Verfasst:
Mo 12. Jan 2004, 17:29
von Padreic
Ich weiß nicht, was die Türkei in der EU zu suchen hat. Obwohl Teile ihrer Nation auf euroäischem Territorium liegen, ist ihre Kultur und Mentalität dennoch kaum europäisch zu nennen. Dass dort Menschenrechte teilweise mit Füßen getreten werden, ist noch ein anderer Punkt, der die Aufnahme im Moment auf jeden Fall sicher verhindert, aber auch wenn das vorbei ist, ändert sich das prinzipielle Faktum, dass die Türkei nicht zu Europa gehört, nicht.
Und ich denke, der Versuch, die EU mehr als eine reine Wirtschafts- und vielleicht in Zukunft Militärzone zu etablieren, die keine gemeinsame kulturelle Basis hat, muss scheitern, denn mit unterschiedlicher Kultur sind dem Gemeinsamen im politischen Wollen Grenzen gesetzt.
Padreic

Verfasst:
Mo 12. Jan 2004, 19:30
von netspider
Gut die Gesetze mögen barbarisch sein und die Menschenrechte mit Füßen getreten aber das ist denke ich grade der Grund warum man sie in die EU lassen sollte dann kann man diese Probleme beheben.

Verfasst:
Mo 12. Jan 2004, 19:45
von Padreic
@netspider
Ich denke, mit diesem Argument könnten wir allerlei Länder in die EU aufnehmen, wie z. B. Saudi-Arabien oder den Iran. Das ein Teil der Türkei zum europäischem Kontinent ist nur ein rein formales Argument, solange die türkische Kultur keine europäische ist. Das ist auch nicht bloß in einigen "barbarischen" Gesetzen manifestiert, sondern auch tief in der Bevölkerung. Und das ist auch keine Sache von wenigen Jahren, die das ändern kann. Desweiteren bin ich mir auch gar nicht sicher, ob es so gut ist, wenn es geändert wird, praktisch von der Regierung über die Köpfe der Bevölkerung hinweg (falls so etwas überhaupt möglich wäre). Ich bin kein Feind der Kulturenvielfalt, nur bin ich der Meinung, dass ein Bund wie der der EU ein Ort weitgehender kultureller Einigkeit sein sollte.
Padreic

Verfasst:
Mo 12. Jan 2004, 19:45
von fanvarion
Obwohl Teile ihrer Nation auf euroäischem Territorium liegen, ist ihre Kultur und Mentalität dennoch kaum europäisch zu nennen.
@padreic: ich kann nur zu stimmen.
Wir haben schon genug Probleme mit unseren neuen Beitrittskandidaten, die mit wenig Bewohnern viele EU Stimmen im Parlament wollen!
Jetzt noch die Türkei im Südosten;
dann haben wir Polen und die Baltik-Staaten im Osten
dann haben wir viele Billiglohnarbeiter für Deutschland,
ade Arbeitsplätze

Verfasst:
Mo 12. Jan 2004, 20:34
von Traitor
Zu den von Shockk und Padreic genannten Punkten kann man kaum noch etwas hinzufügen.
Nur eine langfristige Perspektive: Die EU sollte immer eine Europäische Union bleiben, in der nur europäische Länder aufnahme finden. Länder wie die Türkei oder den Maghreb kann man wirtschaftlich assoziieren. Ganz langfristig kann man dann über eine Weltunion nachdenken - erst in dem Rahmen sollten sie mit Europa vereinigt werden.

Verfasst:
Mo 12. Jan 2004, 22:27
von teut
N E I N Niemals!!!!!!
Europa ist Europa Asien ist Asien!!!Wer kann nur auf so eine abstruse Idee kommen die Türkei in die EU afnehmen zuwollen.Handelsverträge o.k. sonst aber schon nichts.Es ist schon Polen schlimm genug.Die Diskussion über den Balkan ärgerlich.Wer braucht schon Serbien Rumänien etc.zum derzeitigen Zeitpunkt.Die EU wird an den nunmehrigen Eintrittsländern jahrelang zu kauen haben,wenn diese nicht sogar das Ende der EU herbeiführen.Solche Ideen ersinnt nur die gierige Industrie und die Finanzanbieter das Volk will das nicht.

Verfasst:
Mi 14. Jan 2004, 03:27
von Native
Wir sollten alle daran denken, dass die EU kein Wohlfahrts- Unternehmen ist, dass dei eigenen Interessen und Vorteil beiseite legt um der aremn Tuerkei zu helfen. Wo sind den die Vorteile, fuer die EU wenn die Tuerkei beitritt, es gibt keine!. Der einzige, der daraus Vorteils schorpft ist die Tuerkei. Und ich sehe keinen Grund fuer einen EU- Beitritt.

Verfasst:
Do 15. Jan 2004, 00:45
von Meuchelmoench
Mh, mir scheint das nicht wirklich ein Argument gegen die Türkei zu sein, dass nur ein Teil der Türkei in Europa liegt.
Zum einen sind sie ja auch schon Mitglied des Europarates, zum anderen sind in der OSZE neben der Türkei auch die USA und Kanada und auch einige der asiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken vertreten, und keiner regt sich auf.
Weiterhin ist die Türkei in der Region neben Israel als einzige wirkliche Demokratie das einzige Land, das ungefähr westlichen Standards entspricht und seit Atatürks Revolution in den 20ern auch explizit auf einem Westkurs, der erstaunlicherweise gerade von den gemäßigten Islamisten jetzt vorangebracht wird. Ich denke, dass es einerseits für die Türkei selbst sehr wichtig wäre, in die EU zu kommen, und dies nicht mal im wirtschaftlichen Sinne, sondern im Sinne der Menschen- und Bürgerrechte, die auf diese Weise sicher besser zu sichern wären und auch der Einfluss des Militärs würde so sicher zurückgehen. Wenngleich natürlich auch schon jetzt die Bestimmungen des Europarates und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Geltung in der Türkei verlangen.
Weiterhin wäre es auch für die Region ein Vorteil, wenn bekannt würde, dass ein Staat mit muslimischer Kultur einen demokratischen, säkularen Weg einschlägt und sich zum Westen bekennt, ohne auseinanderzubrechen.
Ausserdem sollte man sich vor Augen halten, dass die europäische Integration zwar von Anfang an auf einer ökonomischen Welle ritt, ums mal so zu sagen, aber dennoch die Integration das eigentliche Ziel war, also das Miteinander statt Gegeneinander, das man ja zuvor Jahrhunderte ertragen musste.

Verfasst:
Do 15. Jan 2004, 17:43
von Maglor
Ähnliche Probleme gab wohl einige Jahrzehnte zuvor, als die Europäische Geminschaft über Spanien und Portugal etc. herfiel.
Von Strukur her waren sie deutlich schwächer als die mitteleuropäer. Auch politisch war der Gerade-nicht-mehr-Franco-Staat nicht von Stabilität gezeichnet. Die Türkei sieht im Vergleich nahezu rosig aus.
P.S. Die EU ist ein Wohlfahrtsgebilde, dessen Ziel es ist unterentwikclete Regionen aufzupeppeln.
ZUr Geburtsstunde der Europäischen Gemeinschaft befanden sich übrigens noch Großteile mancher Mitglieder außerhalb des Kontinents. Also in Südamerika oder irgendwo in Afrika, so was soll es ja heute noch noch geben.
MfG Maglor

Verfasst:
Do 15. Jan 2004, 17:54
von Traitor
Zum geographischen Argument: Die OSZE ist trotz ihres Namens auch keine europäische, sondern eine allgemein-internationale Organisation, was sich auch mit ihren sehr allgemein gefassten Zielen deckt. Sogar Brasilien ist Mitglied, wenn ich mich nicht irre. Die Europäische Union dagegen hat viel weitgehendere Ziele und ist von vornherein darauf angelegt, in Europa eine gemeinsame Struktur zu schaffen. Und dies ist in dieser Tiefe eben nicht mit allen anderen Kulturen vereinbar.
Zu den Menschenrechten muss gesagt werden, dass diese eine Vorbedingung, kein Ziel der Integration sein müssen. Bei der Wirtschaft kann man noch sagen, die wird nach der Aufnahme schon anziehen. Aber Demokratie und Menschenrechte müssen vor der Aufnahme absolut gesichert sein, ansonstne würden die EU-Gremien ihre Legitimation verlieren, wenn ein Mitgliedsstaat kein vollwertiger Rechtsstaat ist. Und eine solche Aufnahme würde die EU eben auf eine Wirtschaftsunion zurückstufen, da politische Gemeinsamkeiten anscheinend nur noch sekundäres Ziel wären.

Verfasst:
Do 15. Jan 2004, 19:56
von Meuchelmoench
@ Maglor
Die Parallelen mit Spanien und Portugal, aber auch mit Griechenland oder Italien sind in der Tat groß, und wenn man sieht, wie es diesen Ländern heute allgemein geht, spricht das ja auch eher für einen Beitritt der Türkei.
Aber was meinst du mit:
"ZUr Geburtsstunde der Europäischen Gemeinschaft befanden sich übrigens noch Großteile mancher Mitglieder außerhalb des Kontinents. Also in Südamerika oder irgendwo in Afrika, so was soll es ja heute noch noch geben."
Kriegsexilanten?
@ Traitor
Brasilien ist mein ich nicht in der OSZE, könnte ich mir jedenfalls nicht erklären.
Was ich zeigen wollte, war, dass die Türkei kulturell und ökonomisch näher an Europa ist, als viele wahrhaben wollen. Abgesehen davon finde ich es etwas willkürlich zu sagen, dass die Trennung entlang der vermeintlichen Kontinentgrenze gemacht werden sollte - denn Europa ist ja doch eigentlich eher nur ein Anhängsel Asiens als ein "eigener" Kontinent, ausserdem bedeutet die Zugehörigkeit zu verschiedenen Kontinenten nicht, dass die Menschen in den betreffenden Ländern auch verschieden und unvereinbar sein müssen.
Und zum Thema Menschenrechte und Demokratie: hier ist es ja auch nicht so, dass in keinem der EU-Staaten die Menschenrechte Tag und Nacht gesichert sind, allerdings besteht zumindest große Einigkeit darin, wie es aussehen *sollte*. Und zum Thema Demokratie kann man je nach Auffassung auch der Meinung sein, die BRD sei nicht besonders demokratisch (Stichwort Volksabstimmung - allerdings sehe ich das nicht als Demokratiedefizit). Allerdings sollte es tatsächlich gewisse Mindeststandards geben - wenn diese denn auch mal klar definiert werden würden!
Damit will ich nicht sagen, dass ein Beitritt der Türkei nicht unproblematisch ist: Stichworte Übergewicht des kemalistischen Militärs und die instabile Situation in vielen Nachbarstaaten der Türkei und auch die Behandlung von nationalen (nicht unbedingt religiösen) Minderheiten.

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 00:13
von Mr.Hanky
Also zum jetzigen Zeitpunkt sage ich NEIN.
Zuerst sollte die Türkei ihre Probleme mit Zypern lösen und auch die wirtschaftliche Situation könnte verbessert werden.
Natürlich sollten auch einige Gesetze geändert werden, bevor man überhaupt eine Zustimmung zum Beitritt in Erwägung zieht( siehe Benes-Dekrete).
Natürlich sollte auch in der EU zuerst Klarheit geschafft werden(EU-Verfassung, Transitvertrag mit Österreich und vor allem die Stimmenverteilung unter den Beitrittsländern usw.)

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 01:17
von Meuchelmoench
Welche Gesetze, die mit den Benes-Dekreten vergleichbar wären, meinst du?
Und dass die EU auch Klarheit schaffen sollte stimmt: so sollte sie weniger schwammig formulieren, was die Türkei (und andere Länder) für einen Beitritt machen sollten. Oder, wenn das wirklich eine Mehrheit hat, sollte klipp und klar gesagt werden, dass die Türkei nicht zur EU gehören wird. Aber dieser ewige Kandidatenstatus hat etwas recht unbefriedigendes, für beide Seiten.

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 10:48
von Mr.Hanky
Eine Bedingung für den Beitritt Tschechiens war ja, dass die Benes-Dekrete entschärft werden und das wurde gemacht soweit ich weiß. Das sollte nun auch die Türkei mit ihren teilweise barbarischen Gesetzen machen.

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 12:13
von Meuchelmoench
Das war eben keine Voraussetzung. Die FPÖ in Ösiland und die CSU aus duweisstschon wollten das zur Voraussetzung machen und haben damit gedroht, die Aufnahme zu verhindern.
Rot-Grün dagegen möchte zwar auch die Rücknahme, verbindet damit aber keine Drohungen.
Letztendlich sind die Dekrete (immerhin ja auch von einer demokratisch legitimierten Regierung erlassen), so weit ich weiss, nicht zurückgenommen worden, und in ein paar Monaten ist Tschechien in der EU.
Wär ja auch noch schöner....
Und welche Gesetze in der Türkei sind nun barbarisch?

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 14:50
von Mr.Hanky
Original geschrieben von Meuchelmoench
Das war eben keine Voraussetzung. Die FPÖ in Ösiland und die CSU aus duweisstschon wollten das zur Voraussetzung machen und haben damit gedroht, die Aufnahme zu verhindern.
Rot-Grün dagegen möchte zwar auch die Rücknahme, verbindet damit aber keine Drohungen.
Letztendlich sind die Dekrete (immerhin ja auch von einer demokratisch legitimierten Regierung erlassen), so weit ich weiss, nicht zurückgenommen worden, und in ein paar Monaten ist Tschechien in der EU.
Wär ja auch noch schöner....
Und welche Gesetze in der Türkei sind nun barbarisch?
Ok, dann hab ich mich mit den Dekreten vertan, geb ich gern zu.
Barbarische Gesetze? Todesstrafe zum Beispiel

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 16:11
von Traitor
@Meuchelmoench: Ich glaube, Maglor spielte mit der Übersee auf Kolonien an.
Die große Nähe der Türkei zu Europa sehe ich eben nicht. Trotz aller Bemühen der Reformer seit Atatürk ist der Islam immer noch sehr, sehr stark im Land verwurzelt. An der Westküste mag die Türkei fast europäisch wirken, aber im Hinterland ist die Kultur noch so wie vor hundert Jahren. Das sieht man allein schon an dem Verhältnis Mann-Frau, wie es bei vielen hier eingewanderten Türken zu beobachten ist. Insgesamt ist die ganze Kultur einfach viel weiter von uns entfernt als die spanische oder auch noch die russische.
Und historisch verläuft diese Trenngrenze der Kulturen eben am Bosporus bzw einige Kilometer westlich davon, da sich Völker, Reiche und Kulturen in alter Zeit eben an geographischen Gegebenheiten orientierten.
Zwischen gelegentlichen, meist minderschweren Verstößen gegen die Menschenrechte in Rechtsstaaten und einem Staat, der offiziell einige von ihnen nicht anerkennt, ist es auch ein meilenweiter Unterschied.

Verfasst:
Di 20. Jan 2004, 17:53
von Meuchelmoench
@ Mr.Hanky
Die Todesstrafe ist in der Türkei durch die Unterzeichnung eines Protokolles des Europarates in Friedens- und Kriegszeiten abgeschafft, welches in diesen Tagen vom türkischen Parlament ratifiziert werden soll. Die Türkei hält weiterhin seit zwanzig Jahren ein Moratorium betreffs der Todesstrafe ein.
@Traitor
Ist es denn sinnvoll, die Religion als Grund einer Trennung anzuführen? Dann werden in vielen Jahren, wenn die meisten Nachfolgestaaten Jugoslawiens in der EU sein werden, Albanien und Bosnien und vielleicht auch Kosovo Polje einsame Inseln inmitten der EU sein. Klingt nicht gut....
Und was die Kultur angeht: da stimmt es sicher, dass es innerhalb der Türkei noch größere Unterschiede gibt als z.B. in der EU, aber das wird sich langfristig sicher auch ändern.