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Ausländeranteil zu hoch? Pro & contra

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 01:47
von gerwerfer
Von Gerwerfer, aus These: Medien haben der NPD u.d. DVU Stimmen verschafft :

Meine Meinung nach, wohlgemerkt meine Meinung, ist der Ausländeranteil zu hoch, die Ausl.-Politik zu offen, die sozialen, finanziellen Spannungen zu hoch.


Antwort von Feuerkopf:

Gerwerfer,
Du sprichst den Ausländeranteil in der hiesigen Bevölkerung an.
Mich interessiert, was daran "zu viel" ist.
Deutschland ist immer ein Schmelztiegel gewesen, schau Dir beispielsweise das Ruhrgebiet an. Meine Großeltern stammten z. B. aus dem heutigen Polen.
Da es sowas wie eine homogene deutsche Bevölkerung nie gegeben hat, kann doch ein Zuzug von außen keine Bedrohung für eine wie auch immer geartete Kultur sein, sondern höchstens eine Bereicherung oder Modifizierung.

Was wäre, wenn wir Menschen mit nicht deutschen Pässen nach Hause schickten? Wie viele Firmen müssten schließen, weil sie ausländische Besitzer oder Investoren haben? Wie viele Firmen könnten zumachen, weil sie nicht genügend Personal hätten? Möchtest Du auf Pizzerien, Chinarestaurants und Griechentavernen verzichten? Ich schwöre auf meinen türkischen Friseur!

Wo siehst Du die Problematik mit Ausländern?

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 01:57
von gerwerfer
Bevor ich dir energisch widerspreche möchte ich doch weiter ausholen. Ich persönlich bin ein Träumer und hänge einer Utopie nach, einer Sehnsucht.

Meiner Utopie nach werden die Kulturen und Menschen der verschiedenen Nationen nach und nach verschmelzen. Eine neue Gattung, nämlich nicht Türke, Franzmann oder Deutscher, sondern: Mensch. Ein Planet der Menschen, die in sich die unterschiedlichsten positiven Merkmalen und Eigenschaften vereinen. Nicht, dass sämtliche Gene vermischt sein müssen, nicht, dass jede Kultur sich aufgibt und so verlischt.
Eher eine sich ergänzende Vielfalt aus der Summe unserer Völker. Wo eben die Liebe hinfällt z.B. Warum nicht die Weisheit der Indianer und Chinesen im Wirken unserer Kinder erkennen? Oder den Erfindungsgeist deutscher Herkunft im Alltag und zum Wohle aller beobachten? Das leckere Essen der Orientalen zum Erntedankfest? Irgendwie so, verstehst du? Vielleicht erobern wir so gestärkt sogar das Weltall, um durch andere Nationen da draußen in Verschmelzung zu wachsen und Gott sich in uns, aus uns zu offenbaren.

Sich miteinander zu vereinen heißt nicht sich selbst, seine Vergangenheit aufzugeben. Eine Kultur ergänzt die andere und erwächst daraus zu einer neuen. Es ist sogar eine Bedingung zur Verschmelzung, dass sich nichts und niemand aufgibt, etwa als Preis irgendwie Fortzubestehen, nach dem Motto: wenigstens in Fragmenten. Sondern der zu verschmelzende Teil muss als Einheit, souverän bereits erprobt sein, bestanden haben als Voraussetzung zur Bildung einer neuen, auch eigenständigen Einheit.

(Geduld Traitor, ich komme gleich zu Politik & Geschichte zurück).

Seelen einer Gemeinschaft, einer Abstammung mit ihrer Vergangenheit, Kultur und Identität verbinden sich zu einer für sich selbstbewussten Volksseele.
Diese Volksseele muss „gesund“, also frei von unbewältigten Fehlern, offenen Rechnungen sein. Angereichert mit Kreativität, Selbstbestimmung u.v.m. Sie darf wie gesagt Narben haben, aber in sich ein Ganzes sein als Voraussetzung für den Kopfsprung in den Schmelztiegel.
Natürlich braucht so ein Prozess viel Zeit, viel Kommunikation und Verständnis für sich und andere. Toleranz. (Daher ist auch Vergangenheitsbewusstsein, ein Schritt in das Zukunftsbewusstsein. Das Wort Vergangenheitsbewältigung ist so abgedroschen..)
Auf diesem beschwerlichen Weg muss die eine Volksseele vielleicht Verantwortung für eine andere übernehmen. Vielleicht muss die eine der anderen zu dieser Ganzheit verhelfen.

Ich glaube sogar an die natürliche Affinität unter den verschiedenen Völkern, an dieser Sehnsucht der echten Gemeinschaft. Beispiele findet man wenigstens genug in der Welt, sei es UNO, EU, etc.

So war es vielleicht damals bei deinen Großeltern, die wirtschaftliche Lage, das Streben nach eigenverantwortlichem Überleben, alles füllte wohl eine Lücke. Wie ein Puzzle-teil fügte sich das Schicksal der Zuwanderer/Auswanderer in die Existenz einer Nation ein, dem Gesamtbild einen weiteren Schritt zur Vollendung hinzugefügt.

So wie Wasserdampfpartikel sich zu einem Tropfen vereinen, diese Tropfen dann im Meer zu einer neuen Form wachsend, verschmelzen. Dennoch besteht dieses Meer aus den Individuen, den Völkern, wenngleich eine neue Form der Existenz daraus entstanden ist.
Volksseelen setzen sich zwar aus einzelnen Seelen, sprich Individuen zusammen, aber Individualismus ist dem Ziel der Volksseele als Ganzes zu existieren untergeordnet. So bleiben krass gesprochen, einige Einzelne zum Wohle der Gemeinschaft auf der Strecke. Das Fortbestehen der Volksseele mit ihrer Sehnsucht sich zur Globals-seele weiterzuentwickeln, besitzt die höhere Priorität.

Ich glaube nicht, ich weiß, dass dieser Prozess „meiner“ Utopie nicht störungsfrei, ungehindert ist, dass er keine Chance hat, sich zu äussern und zu entwickeln.
Zu viele Individuen, ja Gruppen funken aus Streben nach Individualismus dazwischen. Wenn ich das Internet durchforste, all die Informationen aus den verschieden motivierten Seelen, Gruppen oder Nationen lese, dann trifft nur ein Schluss zu: Das Bemühen der Menschen als Puzzle-teil zu existieren, oder schon als Puzzle-teil existierend sich mit einem anderen zu verknüpfen wird absichtlich, unter zu Hilfenahme aller Mittel, für ein anderes, egoistisches Ziel vergewaltigt, ermordet, infiltriert und schließlich verhindert.

Zu deiner ersten Frage woran ich dass denn festmache, dass zu viele Ausländer hier sind, kann ich nur subjektiv sagen, aus Beobachtung.
In der Klasse meiner Tochter sind 8 Nichtdeutsche, 12 Deutsche. Im Kindergarten meiner alten Wohnung betrug (und beträgt) der Ausländeranteil 60% (Gelsenkirchen, Munscheidtstr.), in Gelsenkirchen durch die Stadt zu laufen kommt einer Urlaubsreise gleich, in Essen etwas schwächer. Verstehe mich nicht falsch, ich beklage nicht ihre Existenz, sondern einfach die Menge. Natürlich ist dies auch ein regionales Problem, aber die selben Klagen hören ich auch von anderen, aus anderen Städten.

Unter dem Alibi unserer Sehnsucht uns zu vollenden, werden individualistische Ziele Einzelner durchgesetzt.
Ich finde, es geht einfach zu schnell, die einzelnen Parteien sind noch nicht erwachsen, um auf Teufel komm raus den Schmelztiegel zu beschleunigen. Rechte sind nicht gerecht verteilt, Verantwortliche nicht vertrauenswürdig. Weder Deutsche, noch Nichtdeutsche verkraften diese Hergang unter dem bedrückendem Umfeld von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Religion.

Gerwerfer

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 08:37
von Feuerkopf
Gerwerfer,

tut mir leid, aber mit der Idee einer wie auch immer gearteten "Volksseele" kann ich nichts anfangen, ich bezweifle auch, dass es sowas gibt.
Du wirst nicht mal Gleichklang innerhalb einer Familie finden, wie soll das übergeordnet klappen?

Wir sind eine Zwangs- und Zweckgemeinschaft. Ich bin zufällig hier geboren, habe es mir nicht ausgesucht. Ich habe meine familiären Bindungen hier, die sind auch nicht wirklich freiwillig.
Wenn ich arbeite, so bilde ich mit den Kollegen eine Zweckgemeinschaft, ebenso im Sportverein. Wenn meine Kinder in eine Grundschulklasse kommen, so ist das sogar eine Art Zwangsgemeinschaft.
Wenn man Glück hat, dann funktionieren solche Gemeinschaften, wenn man Pech hat, dann gibts Ärger.
Menschen sind Einzelwesen, die gern gesellig leben, aber vordringlich am eigenen Wohlergehen interessiert sind.
Schon deshalb ist z. B. "Solidarität" ein fragiles intellektuelles Konstrukt, das gern und schnell ausgehebelt werden kann.

Der Ausländeranteil in den Klassen meiner Kinder ist auch hoch, ich wohne in Dortmund.
Die Problematik, die daraus entstehen kann, hat aber nichts mit dem Ausländer-Sein der Kinder zu tun, sondern mit deren häufig mangelhafter Förderung.
Es kann doch nicht angehen, dass Menschen hier ihren Lebensmittelpunkt haben, die nicht die Landessprache wenigstens einigermaßen beherrschen. In den Niederlanden sind Sprachkurse für Ausländer übrigens obligatorisch!
Über Sprache vermittelt sich viel mehr als nur die reine Information.
Sie dient der Integration, nicht unbedingt der Assimilation.

Es ist Sparen am absolut falschen Platz, wenn ausländische Mitbürger nicht entsprechend gefördert werden, denn wir verzichten auf ihre geistigen Ressourcen, die sie - mangels Sprachkenntnis - nicht entsprechend einbringen können.
Außerdem bleibt für sie - wenn sie sich nicht angemessen verständigen können - das permanente Gefühl des Ausgegrenztseins und das unterstützt interessierte Gruppen, die keine Integration wollen, aus welchen dubiosen Gründen auch immer.

Ich empfinde es aus demselben einfachen Grund als unangenehm, wenn ich mich zwischen zu vielen Ausländern bewege: Ich verstehe sie nicht! Würden sie alle in meiner Sprache sprechen, entfiele das Misstrauen. Dann könnte ich auf selber Augenhöhe mit ihnen diskutieren und hätte nicht das unangenehme Gefühl, mit konspirativen Gruppierungen umzugehen.

Wie gesagt: Das ist für mich der wichtigste Grund.

Ich persönlich erwarte von hier lebenden Ausländern, dass sie sich an unser Grundgesetz halten und habe z. B. kein Verständnis für radikales Gedankengut, ganz egal aus welcher Ecke. Ich erwarte auch Toleranz von ihnen gegenüber unseren gesellschaftlichen Besonderheiten. Sie müssen es ja nicht nachmachen, aber sie dürfen sich auch nicht als Richter darüber erheben.

Wir sind eine Ansammlung von Individuen ganz unterschiedlicher Herkunft, mit einer gewissen Schnittmenge gleicher Interessen.
Wir sind weder von gleicher ethnischer Herkunft, noch gleicher Religionszugehörigkeit, noch politischer Heimat.
Eine "Volksseele" würde einen immens großen Fundus an Gleichheit voraussetzen, den es nicht gibt.

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 12:26
von Traitor
Das Problem deiner Volksseelentheorie ist, dass sie eine klare Trennung von "unser Volk" und "andere Völker" voraussetzt. Diese Trennung existiert aber nicht. Denn der Volksbegriff ist kaum zu definieren. Im Vergleich zu Ländern wie Indien ist es in Deutschland noch verhältnismäßig leicht, aber auch nicht eindeutig. Zwischen einem fast ausschließlich Platt sprechenden Norddeutschen und einem fast ausschließlich Bayrisch sprechenden Bayern kann es genauso große Sprachbarrieren geben wie zwischen einem Hochdeutschen und einem Ausländer. In manchen Verhaltensweisen mag der Rheinländer näher am Franzosen sein als am Sachsen.
Ich will den Volksbegriff nicht völlig dekonstruieren, das wäre absurd, da obiges lediglich Extrembeispiele sind - insgesamt lässt sich zwar doch soetwas wie ein deutsches Volk sehr zuverlässig ausmachen, aber der entscheidende Punkt ist: dies geschieht nicht über Identität, sondern über den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Und auf diesen Nenner können auch Ausländer, die sich gut integrieren wollen und denen gute Integrationsmöglichkeiten gegeben werden, durchaus in angemessener Zeit kommen. Und genug von ihnen tun dies auch.
Wie Feuerkopf korrekt darstellt, ist das Problem nicht die Anzahl der Ausländer an sich, sondern die mangelhafte Integrationsmethodik. Diese wäre sicher leichter zu verbessern, wenn es weniger Ausländer gäbe, aber es gibt keinen prinzipiellen Grund, warum sie bei dieser Zahl nicht auch funktionieren sollte.
Zuwanderung ist eine Herausforderung und eine Chance, an der Politik und Gesellschaft wachsen müssen, keine Gefahr von sich aus.

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 15:21
von Padreic
@Feuerkopf
Würden sie alle in meiner Sprache sprechen, entfiele das Misstrauen.

Misstrauen kann in viel mehr gegründet sein als nur in unterschiedlichen Sprachen. Dem Fremden gegenüber entsteht Misstrauen fast automatisch, denn es bewegt sich außerhalb unseres normalen Erfahrungsschatzes, wir können es nicht wirklich einschätzen. Bei dem, was wir nicht einschätzen können, fühlen wir uns leicht hilflos; und die Urangst vor Gefahr kommt hinzu, denn wir können nicht einschätzen, ob oder wann das Fremde gefährlich ist. Erst wenn wir das Fremde hinreichend kennengelernt haben oder das Fremde sich zumindest oberflächlich in unsere Verhaltensschemata eingepasst hat, verlieren wir unser Misstrauen.
Wenn wir kaum Kenntnis vom Fremden haben, treten an die Stelle realistischer Einschätzung grobe Bilder, die wir aus Medien oder Bekanntenkreis haben. Auch wenn wir uns bewusst sein mögen, dass das vielleicht Sonderfälle oder grobe Verallgemeinerungen sind, prägen sie uns unbewusst trotzdem und Misstrauen kommt vor allem aus dem Unbewussten.

@Traitor
Wie Feuerkopf korrekt darstellt, ist das Problem nicht die Anzahl der Ausländer an sich, sondern die mangelhafte Integrationsmethodik. Diese wäre sicher leichter zu verbessern, wenn es weniger Ausländer gäbe, aber es gibt keinen prinzipiellen Grund, warum sie bei dieser Zahl nicht auch funktionieren sollte.

Die Integrationsproblematik verschärft sich allerdings wesentlich, wenn Menschen gar nicht integriert werden wollen oder vielmehr, wenn sie schon in eine Subkultur integriert sind. In einer Gegend, wo es sehr viel Türken gibt, kommt ein Türke auch sehr gut ohne große Integration in deutsche Kultur klar. Es gibt türkische Läden, türkische Fahrschulen, türkische Friseure etc. pp. Dieses Problem der "Ghetto"-Bildung tritt erst bei größeren Zahlen von Ausländern gleichen Kultur- und Sprachkreises auf.
Natürlich kann eine Integration in die deutsche Gesellschaft trotzdem funktionieren. Ich wollte nur darstellen, dass es deutlich schwieriger ist, eine große Zahl von Ausländern zu integrieren als eine kleine.

Padreic

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 15:50
von Traitor
In dem von dir angesprochenen Punkt liegt auch IMHO das zentrale Versagen der Integrationspolitik. Eines derer zentralen Prinzipien sollte sein, dass sich niemand der Integration entziehen kann. Verpflichtende Sprachkurse sind da ein entscheidendes Element, sinnvolle Betreuung in Schule und Kindergarten ein weiteres.
Alle Probleme und Schwierigkeiten lassen sich damit nicht lösen, viel muss sich im Zusammenleben der Gesellschaft ergeben, aber man kann damit schonmal einen großen Effekt erzielen.

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 17:54
von Fritz
Wenn man deine Vision mal zu Grunde liegt, stellt sich die Frage, in welchem Teil des Prozesses wir uns momentan befinden.
Sind die momentanen Staaten die Staubpartikel, an denen die verschiedensten Wasserdampfanteile kondensieren sollen, oder bleibt die UNO die Wolke, wo die Tropfen sich in ihrer ursprünglichen Form versammeln, wo sie nach endlosen Diskussionen dann alle der Meinung sind, das es jetzt so regnen soll, das sie alle ins Meer fallen? Woraus besteht dann eigentlich das Meer? Und wenn nun bestimmt Tropfen nur in bestimmten Wolken landen, was passiert, wenn nun die Warmwettergebiete auf die Kaltwettergebiete treffen, und beispielsweise die USA als Kaltfront für solche Reibungen sorgen, das der Regen ausbricht, während sich die Wolken noch über Land sind, und es so nach dem Regen wieder lange dauert bis sich die Tropfen wieder in einer Wolke sammeln?
Tut mir Leid, deine Symbolik geht mir zu weit!

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 21:16
von gerwerfer
@Fritz

Deine Antwort war köstlich und ich kann gut nachvollziehen, dass du den Kopf schüttelst. Ich wollte meine Utopie natürlich nicht als meteorologische Voraussage verstanden wissen. Ich dachte etwas in Worte zu kleiden, was (eventuell) viele schon gedanklich durchphantasiert haben.
In welchem Stadium wir uns derzeit befinden, vermag ich nicht zu entscheiden, auf jeden Fall im Anfangsstadium. Durch die Störung verschiedener Quellen, mit gegenteiligen Absichten, ist es wohl auch ein Mischmasch von diversen Stadien. So ist die Konsequenz zur Gemeinschaft schon in der UNO ausgedrückt, es hapert aber links und rechts.
Dies offenbart auch schon deine kurze Umschreibung mit den mannigfaltigen gedanklichen Möglichkeiten, bzw. Variationen der Auslegung.

Sagen wir einfach und relativ kurz, ich wollte den Wunsch der Menschheit als Gemeinschaft ohne Grenzen zu existieren, ohne ihre hierfür förderlichen Eigenarten auszulöschen, ausdrücken. Damit das Phänomen "Gemeinsam an einem Strang ziehen" sich realisiert. Eine neue globale Kultur.

Gerry

BeitragVerfasst: Mi 29. Sep 2004, 21:23
von gerwerfer
Feuerkopf,
vielleicht bin ich zu umständlich, Volksseele war nicht an den Theorien von Rudolf Steiner angelehnt oder so, ich meinte einfach das Gefühl der Verbundenheit, mit gemeinsamen Zielen und deren Erlangung, im Rückblick oder bewusst sein des Erreichten. Im Kleinen kann man das etwa an den Schalker Fans festmachen, oder den Bayern-Fans (obwohl ich deren Begeisterung auch nicht so gut nachvollziehen kann, wie du mein Volksseelengebrabbel).
Sie muss nicht an der ethnischen Wurzel allein festgemacht werden. So wie man den Italienern das Temperament, oder die Romantik nachsagt, dem Deutschen seine Strebsamkeit usw. kristallisiert. Es kann und wird sogar in Patriotismus münden, jedoch steht Patriotismus nicht im Widerspruch zur Erschließung der Menschheitsseele. Ein Patriot der Menschheit zu sein, ist die Steigerung des Landespatriotismussees.

Du hast natürlich recht, was die Zweckgemeinschaft angeht, sie ist Basis der Motivation (gemeinsamen Überlebens) als solches. Dennoch ergeben sich mit der Zeit emotionale Verbindungen, Geschichten und Anekdoten, die sich zu einer Charakteristika kristallisiert.
In deiner Erklärung bilde ich mir ein, Bedauern darüber, dass dem nicht so ist, herauszulesen. Das wäre schade. Mir erging es jedenfalls so, dass ich mir in Deutschland verloren vor kam, da ich im Ausland (Iran) aufgewachsen bin und im Alter von 10 J. wieder nach Deutschland kam. Es hat lange gedauert, dass ich 1. mich als Deutscher identifiziere, und 2. seine Geschichte etc. annahm.

Menschen sind Einzelwesen, die gern gesellig leben, aber vordringlich am eigenen Wohlergehen interessiert sind.
Schon deshalb ist z. B. "Solidarität" ein fragiles intellektuelles Konstrukt, das gern und schnell ausgehebelt werden kann.



Das dem so ist, kann ich nur bestätigen, zustimmen. Und es quält mich. Dies ist aber ein Phänomen der Identifikation mit der scheinbaren Allgemeinheit. Wenn die Menschen immer weiter und konsequenter ihre eigenen Wege gehen, liegt das vor allem an der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung.

Gerry:
Volksseelen setzen sich zwar aus einzelnen Seelen, sprich Individuen zusammen, aber Individualismus ist dem Ziel der Volksseele als Ganzes zu existieren untergeordnet.

Ich glaube sogar an die natürliche Affinität unter den verschiedenen Völkern, an dieser Sehnsucht der echten Gemeinschaft. Beispiele findet man wenigstens genug in der Welt, sei es UNO, EU, etc.

Ich glaube daran, dass man den Drang als Individuum, als Beziehung mit jemand, als Gruppe und auch als Menschheit inne hat zu Überleben. Ein natürlicher Drang, oder Sehnsucht, aus der evolutionären Geschichte entstanden. Die Gruppe zählte in der Regel mehr als der Einzelne, um das Fortbestehen sicher zu stellen. Dies kann man auch in der Geschichte und Natur beobachten.
Und eben diese Entwicklung wird beeinflusst durch wirtschaftliche Entwicklung, Mode, Medien und Politik.
Ich werfe denen, die einfach die Möglichkeit haben, eine Gesellschaft zu beeinflussen, vor, auch den Einzelnen zum Individualismus zu ermuntern, statt die Gemeinschaft voranzutreiben und zu proklamieren. Stattdessen wird dem entgegen gearbeitet und bewusst ausgehebelt.

Also müssen wir umdenken, uns dafür sensibilisieren. Da ich glaube, es ist unser Naturell, als Gemeinschaft möglichst gut und gerecht zu überleben.

Die Tatsache, dass Kommunikationsunfähigkeit weitreichende Probleme bei der Integration liefert, war ich mir eigentlich nicht so bewusst.
Auch da muss ich dir/euch zustimmen.
Im Anbetracht unserer wirtschaftlichen Lage, halte ich persönlich es für unangebracht, die Anzahl der Zuwanderer noch zu erhöhen, sprich mehr Probleme der Finanzierung von Integrationsmaßnahmen unserem Geldbeutel und Toleranzvermögen anzulasten. Ich fände es sinnvoller die bereits bestehenden Probleme zu lokalisieren und in die Förderung der erkannten Misstände zu investieren. Nicht noch neue dazu zu projizieren. Wir, auch die Politik, sollten zuerst die existierenden Notwendigkeiten erkennen und eingestehen, somit lösen.

Ich finde Padreic, du hast recht mit deinen Ausführungen, es ist nicht die Boshaftigkeit der Menschen, die das angeborene Mistrauen belebt. Andererseits sollte man die Belastung solch eines Problems nicht provozieren:

Padreic:
Die Integrationsproblematik verschärft sich allerdings wesentlich, wenn Menschen gar nicht integriert werden wollen oder vielmehr, wenn sie schon in eine Subkultur integriert sind. In einer Gegend, wo es sehr viel Türken gibt, kommt ein Türke auch sehr gut ohne große Integration in deutsche Kultur klar. Es gibt türkische Läden, türkische Fahrschulen, türkische Friseure etc. pp. Dieses Problem der "Ghetto"-Bildung tritt erst bei größeren Zahlen von Ausländern gleichen Kultur- und Sprachkreises auf.


Dieses, was du beschreibst, Pedreic, halte ich auch für eine nicht zu unterschätzendes Problem.

Ich denke, es geht dabei auch um Identifikation und Zielsetzung der hier lebenden Ausländer, (die früher Gastarbeiter hießen, wesentlich bessere Bezeichnung).
Wir haben die Gastarbeiter, die sich anpassen, arbeiten, um später ihr Erreichtes zuhause wohlverdient geniessen möchten.
Wir haben Zuwanderer, die sich hier eine Existenz aufbauen möchten.
Wir haben Flüchtlinge, die auch zu Zuwanderern werden, oder sich zurücksehnen.
Natürlich haben wir auch Wirtschaftsflüchtlinge.

Wer aber identifiziert sich mit der deutschen Kultur? Wer sollte oder muss das?
Ich denke der sich als Einwanderer versteht und die deutsche Staatsbürgerschaft anstrebt sollte sich schon derart integrieren. Sprache ist das A und O, ja, aber auch das Bieten von Möglichkeiten hierzu. Dabei dürfen die Interessen der Einwohner des jeweiligen Landes (in dem Fall wir) aber nicht zurückgeschraubt werden oder unterdrückt. Insbesondere, wenn wir schon genug eigene Probleme haben, wie zum Beispiel der seit Jahrzehnten von allen beklagte Rückgang der Geburten deutscher Einwohner.

gerwerfer

BeitragVerfasst: Do 30. Sep 2004, 11:43
von Feuerkopf
Das ist immer eine Gratwanderung.
Einerseits halte ich es für erstrebenswert, dass hier lebende Menschen auch dieselbe Sprache sprechen.
Anderseits wäre es sehr schade, wenn die ganz speziellen Feinheiten der anderen Kulturen verloren gingen. Deshalb ist gegen die Möglichkeit, mit seinem Friseur türkisch zu sprechen grundsätzlich nichts einzuwenden.
Deshalb soll ein Friese auch ruhig seine Mundart sprechen und der Aachener Selfkant und der Kölner Kölsch und der Sorbe sorbisch.(etc. pp.)
Deshalb ist es schön, mit den Türken das Zuckerfest zu feiern und mit den Düsseldorfern Karneval und mit den Thüringern Walpurgisnacht am Brocken.
Wieso können wir nicht einfach alle richtig neugierig sein auf kulturelle Unterschiede?


Padreic,
ich kann Deinem Beitrag über Fremdenangst nur bedingt folgen.
Natürlich finde ich eine fremde Kultur für mich bedrohlich. Wenn ich aber in der Lage bin, mit den Menschen dieser Kultur zu kommunizieren, dann lerne ich auch, die Kultur zu verstehen und verliere (hoffentlich) die Furcht.
Das Verstehen ist der einzige Weg, Vorurteile abzubauen.

BeitragVerfasst: Do 30. Sep 2004, 18:19
von Padreic
@Feuerkopf
So ist es. Aber zum Verstehen reicht es nicht, sich ein und derselben Sprache zu bedienen, da steckt weit mehr hinter, die Kultur eines anderen Volkes zu verstehen, fällt nicht leicht, insbesondere wenn noch eine andere Religion dahintersteckt. Ich muss mich mit ihrer Tradition auseinandersetzen, um ihr Verhalten zu verstehen. Sonst mag es einem "aufgeklärten" Deutschen schwer fallen, zu begreifen, aus welchen Gründen ein Mitglied eines anderen Kulturkreises beispielsweise einen Menschen umbringen kann.

Ich fände es übrigens auch schade, wenn ein Immigrant seine Kultur aufgeben müsste. Wenn ich einmal emmigrieren sollte, würde ich das auch nicht gern tun, würde auch gern die deutsche Sprache weiterpflegen. Wir können auch von anderen Kulturen viel lernen. Gefährlich wird es nur, wenn sich der Immigrant nicht auch an deutsche Gepflogenheiten in seinem öffentlichen Leben anpasst, denn das ist für ein gesittetes Zusammenleben notwendig.

Padreic