@Kia:
Was meinst du damit, wenn du schreibst, der SSW wäre "nur" offfiziell Partei der dänischen Minderheit?
In einem der letzten Spiegel war ein Artikel, der die derzeitige Politik des SSW beschrieb und zum Fazit kam, dass er sich zu einer gewöhnlichen Partei gewandelt hat, die zwar besonderes Augenmerk auf die Interessen der Dänen legt, aber ansonsten einfach eine kleine Mitte-Links-Partei mit den üblichen Ansichten und Einsätzen ist. Die Selbstbeschreibung
Der SSW bezieht heute zu allen Fragen der Landespolitik Stellung und markiert sich im Landtag als starke dritte Kraft, die unabhängig von politischen Blöcken ist.
aus Ipsissimus' Link unterstützt diese Darstellung.
Und vor allem, wie würdest du definieren wollen, ob die Wähler des SSW dänen sind oder nicht?
Konkret definieren will ich das nicht, aber es lässt sich abschätzen - die dänische Minderheit scheint i.A. auf ca 50.000 Menschen beziffert zu werden, was 1,7% der Bevölkerung Schleswig-Holsteins entspricht. Davon ausgehend, dass der Anteil der Wahlberechtigten innerhalb dieser Gruppe nicht wesentlich vom Landesschnitt abweicht, legt das nahe, dass allermindestens die Hälfte ihrer Stimmen (3,6%) aus der sonstigen Bevölkerung kommt.
Was die dänische Minderheit auszeichnet? Bleib ich doch mal bei deinem Vergleich zu einer türkischen Minderheit. Da gibt es meiner Meinung nach gravierende geschichtliche Unterschiede, welche auch eine unterschiedliche "Behandlung" rechtfertigen. Bin mir nicht sicher, inwieweit die Hintergründe zum SSW und zur dänischen Minderheit im Allgemeinen in D (außerhalb südschleswigs) bekannt sind... aber kann auf nachfrage gerne mehr erzählen, will aber auch niemanden langweilen.
Mein Kenntnisstand, grob umrissen: die deutsch-dänische Grenze ist im letzten Jahrtausend regelmäßig hin und her gewandert, dadurch sind auf beiden Seiten der heutigen Grenze dem jeweils anderen Land zugehörige Minderheiten verblieben. Über spezielle Informationen, die über die Inhalte in Wikipedia hinausgehen, wäre ich aber sicher nicht gelangweilt.
Was an dieser Geschichte eine derartige Sonderregelung rechtfertigt, erschließt sich mir aber nicht. Es geht nicht darum, dass ich diese Regelung konkret den Dänen absprechen möchte, da ich etwas gegen diese hätte, sondern darum, dass ich mich frage, warum überhaupt irgendeine Minderheit diese Regelung genießen sollte. JanW führt an:
Letztlich hängen alle Fördermaßnahmen wie besonderer Sprachunterricht u.a. von der Geldverwendung der öffentlichen Hand ab, und so ist eine Mitwirkung dieser Minderheit an der politischen Willensbildung und Haushaltsverabschiedung in meinen Augen durchaus sinnvoll.
Mit demselben Argument müssten aber auch meine türkische Partei, die Grauen Panther als Rentnerpartei, eine Obdachlosenpartei oder eine [hier bitte beliebige Minderheit einsetzen]-Partei von der 5%-Klausel ausgenommen sein, denn auch die Fördermaßnahmen für Dinge, die im Interesse dieser Parteien liegen, sind von der Geldverwendung der öffentlichen Hand abhängig und nur so hätten diese Minderheiten die Möglichkeit, direkt über sie zu entscheiden.
Natürlich fordere ich nicht die Ausweitung der Regelung auf solche Parteien, und ich weiß auch, dass eine "alle oder keine"-Argumentation im allgemeinen zu kurz greift. Aber was ich damit durchaus zeigen kann: es ist nicht a priori selbstverständlich, warum ethnische-Minderheits-Parteien protegiert werden sollten. Dafür muss es starke Gründe geben, die ich in unserem durch Rechtsstaat und verhältnismäßig offene Politikkultur geprägten Land nicht sehen kann.
Ich find´s auf jeden fall interessant, daß der SSW auf einmal für solch einen Wirbel sorgen kann und sogar im tiefsten Süden des Landes Interesse weckt...
Ich halte den deutschen Föderalismus in seiner derzeitigen Form für reichlich kleinkariert und sehe deshalb keinen Grund, mich für Vorgänge in Schleswig-Holstein oder Bayern sonderlich weniger zu interessieren als in NRW. Wir sind alle Deutsche, oder besser: Europäer.
Nochmal @Jan direkt: Die Sorben überlegen übrigens derzeit, ob sie auch eine derartige Klausel fordern sollen. Interessant, dass selbst die das erst jetzt mitkriegen... Türken mit deutscher Nationalität gibt es übrigens genügend, sogar politikinteressierte, man denke z.B. an den Herrn Özdemir. (Bei dem ich es nachwievor bedauere, dass er per Affäre nahezu mundtot gemacht wurde. Aber langsam scheint er wieder aus der Versenkung aufzuerstehen.)
PS:
Ein Kommentar zum Thema bei Spiegel Online
Der Artikel macht in meinen Augen einen zentralen Fehler: Er betrachtet Grundsatzargumente als falsch. Es heißt, Wettern gegen den SSW wäre kurzsichtige Uneinsichtigkeit der CDU. Aber gerade wenn man jetzt, wo der SSW der SPD nutzt, als SPD-Anhänger gegen den SSW argumentiert, zeugt das doch von Integrität. Dann heißt es, gleichzeitig müsste man dann in Kauf nehmen, dass Deutsche in Polen Sonderrechte verlieren. Und? Dafür bin ich schließlich ebenfalls. Keine unbegründeten Vorteile für Dänen in Deutschland, keine für Deutsche in Polen, das ist nur recht und billig. Und dann ist da der Schlüsselsatz: "Denn das vereinigte Europa ist vor allem ein System kommunizierender Röhren, fragil, widersprüchlich, zusammengehalten von ein paar Ideen, vor allem aber immer noch von Verträgen und Agreements." Genau das ist es doch, wogegen angegangen werden muss! Ein politisches System, das nicht regelmäßig mit Grundsatzfragen durchgeschüttelt wird, erstarrt in einem immer komplizierter und irgendwann unauflösbar werdenden Konglomerat von nur historisch begründeten Sonderregelungen. Paradebeispiel ist die Föderalismusgroteske derzeit. Und in dieser Gefahr lebt auch die EU.