Unierte Kirchen

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Traitor
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Di 12. Apr 2005, 13:15 - Beitrag #1

Unierte Kirchen

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Durch den Anblick dieses doch etwas unkatholisch anmutenden Herrn (Lubomyr Husar, Großerzbischof von Lviv) in einer Kardinalsliste kam ich dazu, mal etwas über die Unierten Kirchen des Katholizismus zu lesen (siehe Wikipedia).
Nun verwundert mich die Existenz derartiger Richtungen sehr. Wie vertragen sich ein scheinbar völlig anderer Messritus und Sachen wie etwa das eingeschränkte Zölibat mit den Ansprüchen der katholischen Kirche? Und zwar so gut, dass die Oberhäupter dieser Kirchen den Papst mitwählen dürfen und auch sonst voll integriert sind? Und weshalb erlauben die deutschen Bischöfe nicht die Schwangerenkonfliktberatung und rufen daraufhin eine Deutsch-unierte Kirche aus, wenn Rom scheinbar bereit ist, in diesem Fall Dinge zu tolerieren, die sie innerhalb des normalen Katholizismus niemals zulassen würden?

Ich habe den Thread mal in den Politik-und-Geschichtsbereich gestellt, da es mir scheint, als ob dieses Phänomen rein machtpolitische Gründe hat. Aber vielleicht weiß ja jemand etwas von irgendwelchen Details der katholischen Lehre, die dies auf philosophische Weise als verständlich erklären...

Maglor
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Di 12. Apr 2005, 14:57 - Beitrag #2

Die Existenz solcher unierten Kirchen liegt vor allem im Untergang von Byzanz zusammen. Das mittelalterliche Christentum war vor allem durch den Gegensatz von Ost und West geprägt. Sowohl der römische Papst als auch der byzanthinische Kaiser beanspruchten glichermaßen den Anspruch auf Alleinvertretung der Christentum.
Neben diesem personellen Gegensatz kommt der sprachliche zwischen griechischem und lateinischem Sprachraum. Es gibt allerdings auch echte theologische Gegensätze, wie etwa die Bedeutung der Ikonen etc. etc. Es gab und gibt also zwei Traditionen, die römische und die byzanthinische.

Nach dem Einfall der Türken in Konstantinnopel verlor die Ostkirche ihren Führer. Scheinbar führerlos geworden gründeten sich überall Nationalkirchen, wie etwa die Russische-Orthodoxe, die Griechischorthodoxe.

Einige der führerlosen Nationalkrichen schlossen sich aber der römischen an, unter Beibehaltung der byzanthinischen Tradition. Der Grund hierfür scheint rein machtpolitisch. Insbesondere gilt dies für die Ukraine. Die polnisch-litauische Doppelmonarchie beherrschte große Teile europäisch und sah sich gezwungen ihr Volk auch in einer Kirche zu einen, daher schlossen sich die orthodoxen in jenem Reich Rom an.

Freilich ist eine Unierung mit der katholischen Kirche für die deutschen Bistümer keine Option. Tatsächlich haben die deutsche Katholiken ein durch und durch römische Tradition. Allerdings könnte die Unierung, rein rechtlich, durchaus ein Option die deutschen Protestanten sein. Seit der Absetzung von Reichsbischof Müller ist auch die evangelische Kirche führerlos und die Bischofskonferenz ist ja keine echte Autorität. Prompt könnte sich die evangelische Kirche dem Kult um den verstorbenen Johannes Paul II. anschließen, beim nächsten konklave vielleicht sogar mitwählen...
... und alles so beibehalten wie bisher. Tatsächlich wäre de Anschluß an das Papstum als unierte Kirche durchaus ein Gewinn für die Protestanten.

MfG Maglor

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 12. Apr 2005, 16:01 - Beitrag #3

... Seit der Absetzung von Reichsbischof Müller ist auch die evangelische Kirche führerlos ...
... Tatsächlich wäre de Anschluß an das Papstum als unierte Kirche durchaus ein Gewinn für die Protestanten.


ein Führer für die Protestanten, klasse :boah:

und worin bestünde der Gewinn für die Protestanten, Maglor?

Trotzki_Rip
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Di 12. Apr 2005, 16:43 - Beitrag #4

Zitat:
... Seit der Absetzung von Reichsbischof Müller ist auch die evangelische Kirche führerlos ...
... Tatsächlich wäre de Anschluß an das Papstum als unierte Kirche durchaus ein Gewinn für die Protestanten.


ein Führer für die Protestanten, klasse

und worin bestünde der Gewinn für die Protestanten, Maglor?


allerdings,die einzigste Partei die daraus einen Vorteil ziehen würde,wäre der Vatikan,der schon seit Jahrhunderten an einer Wiedervereinigung bestrebt ist.
Wäre sie im Sinne es Protestantismus,dann wäre sie sicher schon lange vollzogen worden.

Ausserdem liegen die Gegensätze zwischne Evangelisch/Katholisch in viel Prinzipielleren Dingen.Sicher kann die Katholische Kirche ein Auge zudrücken wenn die ein oder andere Dioszöse das Zölibat nicht so achtet wie es der Katholiszismus vorschreibt,wenn sie nun aber Anfangen den Papst anzuzweif-
eln und ihn nicht als den Stellvertreter Gottes zu sehen wirds schon Kritisch.

Und eben das ist der unterschied,die Protestanten aktzeptieren das Amt des Papstes nicht,und darauf stützt sich der Gesamte Gegensatz,würden sie jetzt in die R-K wiedereingegliedert werden,käme das ideologischem Selbstmord gleich.Denn wenn sie sich schon der Macht wieder unterwerfen gegen die sie sich so lange gesträubt haben,wäre es den Katholiken ein leichtes sie auch in anderen Punkten des Abweicherltums nachzugeben.


Mfg

Maglor
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Mi 13. Apr 2005, 16:18 - Beitrag #5

Wenn die Protestanten einen "Führer", könnten die Protestanten mit einer Stimme sprechen. Naja, das wäre dann auch alles. Ebenso hat ja auch die ukrainisch-orthodoxe Kirche keinen anderen Gewinn durch die Unierung als eine populäre Gallionsfigur.

Der Unterschied zwischen deutschen Protestantismus und Katholizismus ist nicht nur das Dasein oder Nichtdasein eines Papstes. Der primäre Unterschied liegt im Gegensatz zwischen Vernunft und Mystik. Dieser Unerschied ist es auch, der Kern des Abendmahlssteites ist: Die Protestanten sehen hierin allein eine Erinnerung an das Abendmahl Jesu Christi, während im Katholizismus die wahre Anwesenheit Christi in Fleisch und Blut gedacht wird.

Mir ist auch folgendes Mirakel um das katholische Zölibat bekannt: Ein evangelischer Pfarrer, zwar glücklich verheiratet doch unglück mit der evangelischen Kirche, konvertierte zum Kaholizismus und behielt seinen Beruf. Die Kirche konnte ja nicht die Ehe scheiden lassen, um die Priesterweihe zu ermöglichen.
MfG Maglor :crazy:

janw
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Mi 13. Apr 2005, 17:07 - Beitrag #6

Ja, der Papst wäre wohl das geringste Hindernis für eine Wiedervereinigung der Lutheraner und der Katholiken. Luther selbst bekämpfte lediglich den Ablaßhandel, nicht den Papst und war wohl über das weitere Geschehen alles andere als glücklich.
Nein, die Probleme, wären tatsächlich der Abendmahlsstreit (Erinnerung vs Gegenwart Christi in Fleisch und Blut und damit verbunden die Frage, ob Laien selbst das Abendmahl konsumieren dürfen), Frauenordination, Zölibat und einige weitere Details.

EDIT:
Traitor, hab Deinen Beitrag erst hinterher gelesen, sollst aber auch eine Antwort bekommen :)
Du sagst, daß sich die Unierte Kirche von Lwiw in Fragen des Zölibats und des Meßrituals unterscheidet vom Katholizismus.
Scheinbar sind diese Kriterien für den Papst weniger tiefgreifend als die Frage des Schutzes des Ungeborenen Lebens, wahrscheinlich ist auch die Kardinalsposition historisch lange begründet.

Der Schutz des Ungeborenen Lebens ist wirklich einer der Punkte, den Johannes Paul II. sehr offensiv vertreten hat. Gründe hierfür sind eine Enzyklika des vorherigen Papstes, die er andernfalls hätte relativieren müssen, und, so denke ich, auch der historische Aspekt, daß seine Amtszeit genau in die Phase der extensiven Ausweitung der Möglichkeiten zum Eingriff in das Ungeborene Leben fiel, Stichwort Breitenverfügbarkeit der Pille auch in Entwicklungsländern, pränatale Diagnoseverfahren usw.

Trotzki_Rip
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Mi 13. Apr 2005, 21:46 - Beitrag #7

Meiner Meinung nach stellt das Amt des Papstes eben noch einen Unvereinbaren Gegensatz da,denn wie Maglor bereits sagte leigen die Differenzen im Mystik, Vernunft gegensatz,und was ist Vernunftswidriger,als ein Amt mit dem ange- blichem Stellvertreter Gottes zu besetzten,der noch dazu von Menschen gewählt wird(und von dem es zu einigen Zeiten 3+ gab).

Ausserdem zählt bei den Protestanten nur das was in der Bibel steht,bei den Katholiken auch das was der Papst sagt,sofern es sich einigermassen anhand der Bibel belegen lässt,und eben das ist auch so eine Sache,wenn die evanglische in die Katholische Kirche reintegriert wird,müssten sie sich eben wieder dem Wort des Papstes fügen,und seine Dogmen für Wahr ansehn,oder zumindest als Wahr vertreten,und das (also in Form der Ablässe) war doch letztlich der Grund für die Teilung.


Wenn die Protestanten einen "Führer", könnten die Protestanten mit einer Stimme sprechen. Naja, das wäre dann auch alles. Ebenso hat ja auch die ukrainisch-orthodoxe Kirche keinen anderen Gewinn durch die Unierung als eine populäre Gallionsfigur.


Nur das der Papst eben nicht die Stimme der Protestanten darstellt,das wäre wie wenn Schröder für die CDU spräche.

Ausserdem finde ich nicht das Religion und Konfession einen Popularitätswett-
bewerb darstellen sollte.
Es vielmehr eine Frage des Glaubens,welcher Lehre man sich anschliesst,und nicht welche den sympathischsten Vertreter hat,der sich dazu am besten in Szene setzten kann.Es sollte eine Überzeugungssache sein,und wer nicht glaubt,oder zumindets sich keiner Lehre verpflichtet fühlt,der osll doch bitte austreten.

mfg

Maglor
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Do 14. Apr 2005, 12:27 - Beitrag #8

Neben dem Gegensatz von Mystik- und Vernunftreligion steht noch weiter zwischen Katholiken und Lutheranern, nämlich der zwischen Kirchentradition und Luthers Credo "allein die Schrift".
In diesem Debakel ist auch die lutheranische Papstkritik begründet. Der Papst gilt als Nachfolger des Simon Petrus und hat daher eine rein organisatorische Tradition, in der Bibel steht ja nicht als 11. Gebot, dass der Papst unfehlbar ist. :P
Der Katholizismus hingegen ist traditionsbewußt. So ist es eigentlich schon das gewichtigste Argument für das Zölibat, dass das schon lange Tradition ist, gleiches gilt für das rein männliche Priestertum. Das Festhalten an nicht biblischen Gesetzen, Traditionen etc. ist dem Protestantismus hingegen eher fremd, wenn man von der konfirmation und ähnlichen Ausnahmen absieht. Vielleicht leigt auch die innere Autonomie der ukrainischen Kirche in diesem Traditionsbewußtsein verwurzelt, stünde doch die Abschaffung der traditionellen ukrainischen Sonderrechte im Widerspruch zum allgemeinen Credo.

Zitat von Trotzki_Rip:Nur das der Papst eben nicht die Stimme der Protestanten darstellt,das wäre wie wenn Schröder für die CDU spräche.

Naja, offensichtlich ist ja der papst die Stimme der ukrainisch-othdoxen Kirche, was nicht weniger absurd ist.

MfG Maglor

Trotzki_Rip
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Fr 15. Apr 2005, 13:59 - Beitrag #9

Zitat von Trotzki_Rip
Nur das der Papst eben nicht die Stimme der Protestanten darstellt,das wäre wie wenn Schröder für die CDU spräche.

Naja, offensichtlich ist ja der papst die Stimme der ukrainisch-othdoxen Kirche, was nicht weniger absurd ist.


Nicht unbedingt,auch wenn sie in einigen Praktiken der Glaubensausübung vom Katholizismus abweicht,muss das ja nicht heissen das sie den Papst ablehnen, oder ihm klar widersprächen.
Wenn sie ein Problem mit ihm hätten wäre ja die Option der Spaltung jederzeit greifbar.

Luthers Credo "allein die Schrift".


Jo das meinte ich mit meinen verwirrenden Umschreibungen :P

in der Bibel steht ja nicht als 11. Gebot, dass der Papst unfehlbar ist.


Das sag ja auch weder ich,noch die katholishce Kirche,aber innerhalb der K-Kirche gilt nunmal,das das Wort des Papstes Gesetzt ist und das widerspicht nunmal dem oben Zitiertem Credo Luthers,und deshlab ist eine Union nicht möglich.

Traitor
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Mi 20. Apr 2005, 11:59 - Beitrag #10

Jetzt habe ich sogar eine unierte Kirche gefunden, die sich zuvor nicht nur aktiv abschismiert hatte, sondern tatsächlich als Ketzer exkommuniziert wurden und exakt die Lehre, aufgrund derer dies geschah, noch immer vertreten...: Die Maroniten.

Der Vergleich mit den heutigen deutschen Katholiken oder den Protestanten war von meiner Seite eher scherzhaft gemeint. Heutzutage scheint sich in den Kirchen die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass die Inhalte wohl doch etwas bedeutsamer sind als die Politik, wenn auch vermutlich nur, weil man zu letzterer nicht mehr mächtig genug ist. Und die bereits im Mittelalter unierten Kirchen sind einfach schon so in der "heiligen" Tradition eingebaut, dass sich niemand mehr wagt, daran etwas zu ändern.


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