Das französische Nein

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
kmh
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Mo 30. Mai 2005, 01:32 - Beitrag #1

Das französische Nein

Hab gerade Nachrichten gehört, ist wohl nix geworden in Frankreich mit der Verfassung. Wollte nur mal hören, was ihr dazu meint. Wird die ganze Sache
jetzt abgeblasen? Oder dürfen die irgendwann nochmal abstimmen in
Frankreich und dann vielleicht doch endlich 'Oui' sagen?
Persönlich glaube ich nicht, dass eine EU Verfassung ohne Frankreich Sinn
macht, letztendlich ist das doch eines der beiden politisch entscheidensten
Länder in der Union zur Zeit. Und wie soll das jetzt weitergehen ohne
Verfassung, weiter nach den Verträgen von Nizza kann die EU doch auch
nicht mehr lange weiterregieren. Naja, schauen wir mal.

Achso: Sollte Deutschland auch ein Referendum bekommen? Finde es eigentlich
ziemlich unverschämt, dass wir darüber nicht selbst entscheiden können, hier
geht es ja nicht um irgendein Gesetz sondern um eine Verfassung, sollte das Volk
da nicht selbst abstimmen dürfen?!

Malte279
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Mo 30. Mai 2005, 09:35 - Beitrag #2

Hi!
Die Politiker wollen die ganze Prozedur in den anderen Ländern fortsetzen, aber wie sie sich ein Europa ohne eine in Frankreich geltende Verfassung vorstellen kann ich mir auch nicht vorstellen. Für die europäische Einigung war das auf jeden Fall ein Rückschlag.
Die Möglichkeit eines solchen Rückschlages war sicherlich einer der Hauptgründe warum hier (und in einigen anderen Ländern) nicht darüber abgestimmt wurde (oder wird). Sehr demokratisch ist das natürlich nicht.
Ich verstehe nicht so ganz die Probleme, die die Gegner der Verfassung mit ihr haben. Da steckt doch mehr dahinter als bloss "Nationalstolz" (ein sehr dummer Grund die Verfassung abzulehnen). Kann mir dazu jemand mehr sagen?

Ipsissimus
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Mo 30. Mai 2005, 12:32 - Beitrag #3

ja, es bestärkt mich in meiner Ansicht, daß die Deutschen in ihrer Obrigkeitshörigkeit einfach nicht richtig mit dem Staat umgehen können, Ausnahmen natürlich zugestanden.

Die Franzosen kann ich nur zu ihrer Entscheidung beglückwünschen und dann ein bißchen neidvoll nach dort schielen, weil es bei uns sicher keine Volksabstimmung geben wird. Auch ein Zeichen dafür, daß Deutsche der Demokratie nicht wirklich gewachsen sind ^^

übrigens:

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bedauerte ebenfalls den Ausgang des französischen Referendums. Dies sei ein "absoluter Rückschlag" auch für mehr Demokratie in Europa, sagte er in der Sendung.


Genau. Deswegen dürfen wir nicht per Volksabstimmung abstimmen. Weil die Ablehnung ein Rückschlag für die Demokratie ist ...

Noriko
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Mo 30. Mai 2005, 13:58 - Beitrag #4

Es war schon fast abzusehen, dass die Franzosen mit nein abstimmen, und ich fidne es schade.
Doch es bestärkt mich in meiner Auffsassung gegen Volksabstimmungen, der eifnache Bürger ist nicht ind er Lage derart komplexte Politische zusammenhänge zu durschauen und zu klären, als das er in der Lage währe darüber zu entscheiden, das sind ja nicht mal alle Politiker.

nils.ri
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Mo 30. Mai 2005, 14:12 - Beitrag #5

Vermutlich wird die Verfassung überarbeitet und dann nochmal abgestimmt (sowas wie Vermittlungsausschuss :crazy: ).

Die meisten Franzosen sind übrigens unzufrieden mit ihrer Regierung, deswegen dürften viele mit Nein gestimmt haben, um sozusagen Jacques Chirac "eins auszuwischen".

Sollten die Nachbesserungen auch keinen Erfolg bringen, weiß ich auch nicht, wie's weitergeht, und ich glaube fast, dass dieser Fall eintritt.
Außerdem gibt es noch mehr Länder, die noch nicht abgestimmt haben, und da ist auch noch nichts sicher.

Malte279
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Mo 30. Mai 2005, 14:56 - Beitrag #6

Einmal von der Frage Volksabstimmung oder nicht Volksabstimmung abgesehen, was sind denn die Hauptkritikpunkte an der europäischen Verfassung die Dich zu einem Gegner dieser Verfassung machen Ipsissimus?

Ipsissimus
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Mo 30. Mai 2005, 15:16 - Beitrag #7

Malte, ich bin kein Gegner der europäischen Verfassung. Ich bin ein Gegner der Idee des politisch vereinten Europa, da die Verwirklichung dieser Idee nach meinem Dafürhalten einer kleinen elitären Gruppe von Machtsubjekten etwas bringt (nämlich noch mehr Macht und Privilegien), für die überwiegende Anzahl der Bürger aber fatale Folgen haben wird und schon hat.

Traitor
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Mo 30. Mai 2005, 15:51 - Beitrag #8

Die Volksabstimmungs-Debatte habe ich abgetrennt. Ich hoffe, niemand fühlt seine Postings über Gebühr zerrüttet ;)

Den Ausgang der Abstimmung in Frankreich hatte ich schon befürchtet. In meinen Augen sind vor allem zwei Effekte schuld daran:

*) Chirac hat die Abstimmung unnötig stark auf "Für Europa und mich, gegen Europa und gegen mich" zugespitzt und damit provoziert, dass die mit ihm unzufriedenen Bürger, die derzeit die eindeutige Mehrheit stellen, die letztere Option wählen, selbst, wenn sie eigentlich für Europa sind. Ironisch ist dies vor allem, da die Abstimmung eigentlich nach französischem Recht gar nicht notwendig gewesen wäre, Chirac hat sie nur angesetzt, um sich eine Bestätigung durch eine scheinbar sichere Volksabstimmung abzuholen. Eine derartige Selbsttäuschung sollte einem großen Staatsmann nicht unterlaufen.

*) Unabhängig davon, ob Volksabstimmungen an sich gut oder schlecht sind: Europa-Themen eignen sich dafür von allen am allerwenigsten. Denn gegen kaum ein Thema lässt sich so gut Propaganda betreiben wie gegen Europa. In den Europafragen lassen sich derart leicht Ressentiments, Ängste etc. pp wecken, dass es in meinen Augen nahezu unmöglich ist, eine Europa-Abstimmung zu gewinnen, wenn einige halbwegs einflussreiche Kreise es sich auch nur halbwegs in den Kopf gesetzt haben, dies zu sabotieren.

Zu den Folgen: Ich erwarte, dass Chirac es nocheinmal versucht oder stattdessen kurz vor Ende seiner Amtszeit, wenn/falls er keine Chance zur Wiederwahl mehr sieht, die Ratifizierung doch noch ohne Volk durchpeitscht.
Dass sich mit dieser Niederlage ein ohnehin sehr unzureichendes Vertragswerk noch weiter verzögert, schadet der EU und allen Mitgliedsstaaten aber massiv. Der derzeitige Zustand der Union ist desolat, die Verfassung würde sie noch nicht sanieren, aber zumindest einen Schritt vorwärts bedeuten, der den Weg für weitere, wirklich effektive Reformen freimacht.

Nicolas
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Mo 30. Mai 2005, 15:55 - Beitrag #9

Ich störe mich immer wieder daran, daß das Europäische Parlament in der Schule im Gemeinschaftskundeunterricht nicht behandelt wird. Das ist bei uns komischerweise Teil des Fremdsprachunterricht. Warum eigentlich? Warum kann man das nicht im Gemeinschaftskundeunterricht gescheit und ausführlich behandeln. Kein Mensch weiß doch eigentlich so richtig, was die dort überhaupt machen, wie das ganze funktioniert usw. Manchmal habe ich so richtig den Eindruck, daß da richtige Desinformationspolitik betrieben wird. Oder warum gibt es einen Europäischen Rat, einen Rat der Europäischen Union und einen Europarat. Da blickt doch kein normaler Mensch mehr durch.

Jatrix
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Mo 30. Mai 2005, 16:17 - Beitrag #10

Also ich bin im Sozi-Leistungskurs und bei uns wird das Europaparlament eigentlich erst in der 12 behandelt, aber da die Gelegenheit grad so günstig ist, nehmen wir das Thema jetzt schon durch.

Da bei der Abstimmung ein ziemlich eindeutiges Ergebnis rausgekommen ist, wird in der nächsten Zeit erst mal mit keiner weiteren Volksabstimmung zu rechnen sein. Das wäre nur bei einem richtig knappen Ergebnis und dann auch erst wieder in ca. 2 Jahren gegangen. Und da bei dieser Verfassung alle 25 Mitgliedsstaaten zustimmen müssen wird das den Prozess sehr verlangsamen. Also wird in der zwischenzeit ersteinmal weiter der Vertrag von Nizza gültig sein.

Unterschiede zwischen «Nizza» und der Verfassung


Sollte die EU-Verfassung nicht in Kraft treten, so gilt in der Europäischen Union weiterhin der 2000 beschlossene Vertrag von Nizza. Seine Bestimmungen, vor allem was die Entscheidungen im wichtigen Ministerrat betreffen, sind erst seit 1. November 2004 geltendes EU-Recht.

Der Vertrag von Nizza war geschlossen worden, um die Erweiterung der EU zu ermöglichen. Tatsächlich wurde zwar die Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen ausgeweitet, doch schaffen die Bestimmungen des Nizza-Vertrages ein hohes «Blockadepotenzial». Eie qualifizierte Mehrheit wird erst bei 232 von 321 möglichen Stimmen im Ministerrat (wo die Mitgliedstaaten je nach Größe zwischen drei und 29 Stimmen haben) erreicht. Das ist eine Schwelle von 72,27 Prozent. Bei einem Beitritt Bulgariens und Rumäniens läge diese Schwelle sogar bei 73,91 Prozent.

Laut Nizza ist bei Mehrheitsentscheidungen nicht nur dieser Prozentsatz erforderlich, es muss auch eine Mehrheit der Mitgliedstaaten zustimmen. Und diese Mehrheit muss 62 Prozent der Unionsbevölkerung repräsentieren.

Träte die EU-Verfassung in Kraft, so wären Entscheidungen im Ministerrat im Normalfall möglich, wenn 55 Prozent der Staaten, die gleichzeitig 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, zustimmen. Diese so genannte «doppelte Mehrheit» erschwert Blockademinderheiten.

Die EU-Verfassung würde nicht nur die Entscheidungsfähigkeit des Ministerrates, dem Gremium der Regierungen stärken. Er könnte künftig in 90 statt bisher 44 Themenbereichen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden. Das Europäische Parlament könnte in 95 Bereichen mitentscheiden. Seine Befugnisse werden durch die Verfassung wesentlich ausgeweitet. Die Verfassung sieht vor, dass der Präsident der EU-Kommission vom Parlament gewählt wird und seine Benennung die im Parlament herrschenden Mehrheitsverhältnisse widerspiegelt. Die Bürger können durch Bürgerbegehren auf die Gesetzgebung einwirken.

Wesentliche Veränderungen durch die Verfassung bestehen auch in der Wahl eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rates, der Bestellung eines Außenministers und eines Ausbaus der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Für den Fall eines Scheiterns der Verfassung würde in der EU eine Diskussion über die Frage beginnen, ob einzelne Vorschriften durch gesonderte Verträge in geltendes Recht umgesetzt werden könnten. EU- Diplomaten weisen darauf hin, dass dies nicht einfach wäre. Bei der EU-Verfassung handelt es sich um ein vom Europäischen Konvent mühsam erarbeitetes Kompromisspapier. Es konnte nur als Gesamtpaket beschlossen werden, weil auf diese Weise eine Balance von Verzicht und Zugeständnissen erreicht werden konnte. Außerdem ist auch für Änderungen des Nizza-Vertrages die Zustimmung aller 25 Staaten nötig, die in einer Reihe von Ländern verbindlich mit einem Referendum verbunden ist.

Quelle: anwalt.tv

janw
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Mo 30. Mai 2005, 19:59 - Beitrag #11

Hm, nunja...
Ich bin ein wenig zwiegespalten, für beides kann ich Argumente finden und gutheißen.
Der Gedanke vom entscheidungsfähigen Bürger geht von dessen Entscheidungsfähigkeit auch in der Sache aus, und die ist bei nicht durchgängiger Kenntnis von Text und Bedeutung des Verfassungsinhaltes nicht gegeben, bei gleichzeitiger Kenntnis der Problemlage, auf die die Verfassung Antwort sein soll.
Die Verfassung hat klare Ziele, die auf eine Änderung des gegenwärtigen status quo abzielen, was z.B. die Einführung EU-einheitlicher Sozialstandards und Umweltstandards betrifft (auf welchem level auch immer, Standards), die Einführung einer eigenständigen EU-Außenpolitik mit einer Art Ministerium, die Einführung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes, um nur einige Dinge zu nennen.
Damit ist ganz klar die Abgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden.
Man kann dazu stehen wie man will, der Sache liegen aber ganz konkrete Probleme zugrunde, auf die schlicht eine Antwort gefunden werden muß:

- Der einheitliche Wirtschaftsraum ist für große Unternehmen längst Realität, und global gesehen stehen die kleinen europäischen Staaten großen Einheiten wie usa und bald China gegenüber, die größere Märkte bei gleichzeitig großflächig einheitlichen Rechtssystemen repräsentieren - Europa ist dagegen ein Flickenteppich.

- Wenn europäische Berufskarrieren normal werden, müssen auch die Sozialsysteme damit mitwachsen - wie versichert man sich in Spanien für 3 Jahre, ohne in Deutschland seinen Schutz zu verlieren, und was, wenn man danach für 2 Jahre in Frankreich landet?

- Wenn einzelne europäische Staaten in Konflikte hinein gezogen werden (s. Irakkrieg), geht dies auch alle anderen Staaten an, gewissermaßen ist es eine europäische Sache. Die aber benötigt eine eigenständige EU-Außenpolitik, will man nicht in die Zerreißproben geraten wie es den usa beinahe gelungen wäre. In Jugolawien wurde kostbare Zeit verloren, weil erst alle nationalen Minister in ihren jeweiligen Wahlkämpfen und Koalitionsverflechtungen sich auf die Erkenntnis der Notlage einigen mußten.

- Die neuen Beitrittskandidaten Rumänien und Bulgarien sind geographisch wie kulturell Teil von Europa, ihre Aufnahme in die EU ist deshalb notwendig und richtig, muß aber zeitlich und technisch geregelt werden.

Um nur einige der aktuellen Probleme zu nennen.

Ich will damit nicht sagen, daß die Verfassung in ihrer jetzigen Form optimal ist, sie ist sicher in manchem zu wirtschaftsfreundlich und setzt zu wenig solidarische Akzente.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht auch überschätzt wird. Sie ist letztlich nur Verfassung, und es ist Sache der sich in ihrem Rahmen bewegenden Gesetze bzw. Verordnungen, die Realität im Detail auszugestalten.

Letztlich frage ich mich etwas, ob die Verfassung überhaupt für eine Bürgerabstimmung geeignet ist.
Bei einer normalen Wahl stehen gleichrangige Alternativen in Form mehr oder weniger unterschiedlicher Wahlprogramme und diese vertretender Personen zur Auswahl, hier nur die Annahme oder die Ablehnung, also keine gleichrangige Alternative.
Aufgrund der (wohl auch zutreffenden) Annahme der mangelnder Kenntnis der Sache beim Wahlvolk werden die Gründe für Annahme oder Ablehnung dem Wahlvolk parteipolitisch präsentiert, dabei kleine notwendige Dinge wie eben die Abgabe nationaler Souveränitätsbereiche zugunsten eines größeren Ganzen zur Nationalen Frage hochstilisiert - die zugrundeliegende akute Problemlage aber gezielt ausgeblendet.
Notfalls wird mit der Frage, wie man mit den neuen Beitrittskandidaten verfahren soll, von wahlkämpfenden Bayern die Angst vor dem schwarzen Mann beschworen.
Kurz: Der Bürger bekommt den Eindruck, die Änderungen geschähen ohne Not und in unverhältnismäßiger Weise.

Damit wird am Ende eine Situation provoziert, die im doppelten Sinne wirklich keiner wollen kann:
Aus der Sicht der problemlösenden Verfassungsautoren kann der Bürger nur annehmen, weil sonst ein erheblicher Problemberg weiter bestehen bleibt - wirkliche Entscheidungsfreiheit besteht also aus Problemdrucksicht nicht.
Die zur Ablehnung motivierte Bürgerschaft evtl. nur eines Landes lehnt dann die Verfassung ab, zum Schaden aller.
Wie jetzt zu sehen - die Ablehnung der Franzosen war schlicht nicht vorgesehen.

Wenn man wirklich eine europäische Bürgerbeteiligung haben möchte, dann muß diese in meinen Augen so laufen, daß die Wahlberechtigten als Europäer entscheiden und die Stimmanteile auf europäischer Ebene gewertet werden. Für nationale Befindlichkeiten und Egoismen ist hier kein Platz.

EDIT: Da ist ja mittlerweile einiges hinzugekommen während ich den Beitrag schrieb...kann diese aber jetzt nicht einarbeiten

Kacktus
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Mo 30. Mai 2005, 20:45 - Beitrag #12

@Ipsi:
ich bin kein Gegner der europäischen Verfassung. Ich bin ein Gegner der Idee des politisch vereinten Europa, da die Verwirklichung dieser Idee nach meinem Dafürhalten einer kleinen elitären Gruppe von Machtsubjekten etwas bringt (nämlich noch mehr Macht und Privilegien), für die überwiegende Anzahl der Bürger aber fatale Folgen haben wird und schon hat.


Für mich klingt das (hier und auch an manch anderer Stelle) so, als ob du irgendwelche Insider-Informationen hättest. >_< Dafür bräucht es mal einen eigenen Thread wo du mal so richtig breit ausführen könntest, wie du zu dieser Ansicht kommst. Fänd ich nämlich interessant zu erfahren. :)

@Topic: Ich bin auch eher ein Befürworter der Europäischen Union, da sie mir als notwendiges Mittel dazu erscheint der wirtschaftlichen und politischen Marginalisierung der europäischen Mächte (und auf dem Boden einer davon bin ich zuhause) entgegenzuwirken. Darum bin ich auch enttäuscht über das - gleichwohl nicht unerwartete - Nein aus Frankreich. Das ist sicher auch als ein generelles Versagen der Informationspolitik zu werten, denn - mir scheint - in gebildeten Kreisen fände die Verfassung breite Zustimmung (oder liege ich da falsch?). Überhaupt denke ich, könnte das Einrichten einer unabhängigen, per Gesetzt durch den Staat oder über Gebühren finanzierten, Informationsagentur, die übermäßige Propaganda in Wahlen erheblich einschränken. Diese Agentur könnte dann über alle Medien möglichst objektive Informationen zu aktuellen Themen verbreiten. Was haltet ihr davon?
Die Verfassung jetzt noch durchzubringen ist in meinen Augen Wunschdenken. Naja, Pessimismus hilft auch nicht weiter. Vielleicht lernt ja jemand daraus... :rolleyes:

kmh
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Di 31. Mai 2005, 00:10 - Beitrag #13

Überhaupt denke ich, könnte das Einrichten einer unabhängigen, per Gesetzt durch den Staat oder über Gebühren finanzierten, Informationsagentur, die übermäßige Propaganda in Wahlen erheblich einschränken. Diese Agentur könnte dann über alle Medien möglichst objektive Informationen zu aktuellen Themen verbreiten. Was haltet ihr davon?


@kacktus: halte den Vorschlag für sehr gewagt, wenn nicht gefährlich. wie soll so etwas denn funktionieren, dass eine staatliche (die Unabhängigkeit geht verloren, wenn der Staat die Agentur finanzieren soll) Organisation unabhängig informieren soll?? So etwas würde doch unter Garantie zu einer Propagandamaschine für denjenigen verkommen, der gerade an der Macht ist. Finde es ja auch schade, dass es in Frankreich nicht geklappt hat, aber deswegen Parteien und Interessensgruppen verbieten Propaganda zu machen, ist auch keine Lösung.

Inzwischen bin ich eigentlich auch schon wieder optimistischer, könnte mir gut vorstellen, dass Frankreich in einem zweiten Referendum Ende 2006 doch noch ja sagt, wenn ein paar Sachen geklärt sind (Raffarin weg, vielleicht auch Chirac bis dahin?, Nein zur Türkei-Mitgliedschaft (ist in Frankreich nicht populär), Britenscheck weg (natürlich auch eine Sache, die die EU ein bisschen blöd aussehen lässt)). Naja, und persönlich fände ich es sogar fast gut, wenn die EU diesen Schock jetzt nutzt um ein bisschen innezuhalten und zu reflektieren. Der ganze "Expansionswahn" der letzten Jahre war meine Meinung nach ein bisschen zu viel, besonders bevor! wir eine Verfassung hatten (.. bzw. jetzt ohne Verfassung in Aussicht). Nizza ist für 25 Länder einfach zu kompliziert und falsch organisiert.

Bin inzwischen eigentlich ein Unterstützer des Europas der zwei Geschwindigkeiten geworden, ohne Frankreich jetzt natürlich ein bisschen kompliziert, aber im Prinzip finde ich, soll sich der Kern von Europa erst einmal stärker zusammenfügen und organisieren und dann expandieren, anstatt sich so wichtige Sachen wie eine Verfassung durch ewige Kompromisse zersägen zu lassen. Bleibt abzuwarten, ob das jetzt noch funktioniert ..

Ipsissimus
Dämmerung
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Di 31. Mai 2005, 10:18 - Beitrag #14

Kacktus, ich verfüge über keine großartigen Insider-Informationen; mein Chef verfügt gelegentlich über solche, aber der geht nicht eben hausieren damit :-) vielleicht habe ich gelegentlich das ein oder andere aufgeschnappt, aber nichts Systematisches.

Ursprünglich stand ich der Idee der politischen Vereinigung Europas und evtl. der gesamten Menschheit sehr positiv gegenüber. Möglicherweise stünde ich das heute noch, wenn sich mir nicht mehr und mehr der Eindruck aufgedrängt hätte, daß die Europäische Vereinigung nur eine Unterfacette des allgemeinen Trends zur Globalisierung ist. Globalisierungseffekte werden aber nicht durchgesetzt, damit es möglichst vielen Menschen möglichst viel besser geht, sondern sie dienen dazu, Global Players von nationalen Regelungen unabhängig und die Nationalstaaten somit erpreßbar zu machen, und menschenrechtliche Errungenschaften aushebeln zu können.

Dabei ist der Tenor immer derselbe. Es wird eine Krise beschworen, die angeblich nur dadurch gemeistert werden kann, daß "einengende" Regelungen aufgegeben werden, welcher Notwendigkeit gegebenenfalls mit vorauseilender Erfüllung Unterstützung durch internationale Filialen gegeben wird. Daß die Krise meist überhaupt erst entsteht, WEIL nationale Gesetze ausgehebelt werden, ist eine Einsicht, die unter Volkswirten zwar als trivial, unter Betriebswirten aber als ignorierbar gilt.

Hinzu kommt, daß die Globalisierung im Wesentlichen darauf hinausläuft, daß die westlichen Zivilisationen die Verwertungsrechte an weltweiten Ressourcen sich sichern. Wir werden uns mit einem Limes von Militärbasen um die Homeländer absichern und der Rest der Menschheit kann verrecken. Für unser emotionales Wohlbefinden gibt es dann noch die Medien-PR, die unsere Almosenprojekte zur Heiligkeit hochstilisiert und Ruhe ist.

Auch bei dieser ganzen Geschichte interessieren mich nicht die proklamierten goldenen Zeiten und möglichen Segnungen, die dadurch angeblich auf die gesamte Menschheit zukommen, sondern die häßliche Realität. Deswegen lehne ich die politische EU ab, von allen Maßnahmen zu weiteren Globalisierung ganz zu schweigen.

Malte279
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Di 31. Mai 2005, 15:38 - Beitrag #15

Hinzu kommt, daß die Globalisierung im Wesentlichen darauf hinausläuft, daß die westlichen Zivilisationen die Verwertungsrechte an weltweiten Ressourcen sich sichern. Wir werden uns mit einem Limes von Militärbasen um die Homeländer absichern und der Rest der Menschheit kann verrecken.
Aber wenn dem wirklich so wäre, wozu wären denn dann all die Anstrengungen Länder in die EU aufzunehmen, die wirtschaftlich weit unter dem europäischen Durchschnitt liegen, was ja auch einer der Kritikpunkte vieler Gegner eines vereinigten Europas ist. Glaubst Du diese Länder werden nur wegen der billigen Arbeitskräfte aufgenommen?
Nein zur Türkei-Mitgliedschaft (ist in Frankreich nicht populär)
Ich glaube da ist vielen Leuten echt nicht klar gewesen, dass europäische Verfassung und Beitrittsverhandlungen der Türkei zwei verschiedene Dinge sind, so dass viele glaubten mit ihrem "Non" ihr Votum (auch) gegen den Türkeibeitritt zu geben.
Naja, vielleicht sollten wir jetzt Frankreich aus der EU ausschließen und ihnen eine "priviligierte Partnerschaft" anbieten. :P

Ipsissimus
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Di 31. Mai 2005, 16:16 - Beitrag #16

es ist wahrscheinlich so, daß ein politisch geeintes Gesamt-Europa politisch stabiler ist und mit größerem Einfluss operieren kann als ein Teil-Europa. Daher wird mitgenommen, was an europäischen Ländern mitgenommen werden will und das wars dann; evtl. kommen noch Türkei und Israel dazu.

Malte279
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Di 31. Mai 2005, 17:15 - Beitrag #17

Bringen den wirklich die Balkanstaaten so eine große politische Stabilität mit sich, oder solch einen politischen Einfluss, dass ihr Beitritt Deine These stützen würde Ipsissimus?
Ich habe meine Zweifel.

Vielleicht aber wird der Beitritt zur EU dort für eine Stabilisierung der für den Beitritt vorrausgesetzten Verhältnisse sorgen. Wäre dass schlecht?
Ich glaube wir kommen ein bisschen vom Thema ab.
Jedenfalls sehe ich nichts so kritikwürdiges an der Verfassung, dass ich sie abgelehnt hätte wenn es in Deutschland zu einer Volksabstimmung gekommen wäre.

kmh
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Mi 1. Jun 2005, 00:50 - Beitrag #18

Zitat von Malte279:Bringen den wirklich die Balkanstaaten so eine große politische Stabilität mit sich, oder solch einen politischen Einfluss, dass ihr Beitritt Deine These stützen würde Ipsissimus?


Die wirkliche Frage ist doch, wieviel Stabilität sind wir bereit zu opfern für eine Option auf eine größere Stabilität und mehr Einfluss in der Zukunft. Da muss man aufpassen, dass die Balance gehalten wird. Meine Idee von Balance ist da Balkan ja, Türkei erst mal nein, bis die 'jetzt neuen' Mitglieder aufgeholt haben auf ""EU-Stabilitäts-Standards"" :) (blödes Wort).


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