Pfingstmontag 2010

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
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Mi 6. Jul 2005, 21:12 - Beitrag #1

Pfingstmontag 2010

WIRD ES WIRKLICH SO KOMMEN ?

Es ist Montag, der 3. Juni 2010, 5 Uhr morgens. Der Radiowecker reißt Günther S. (46) aus dem Schlaf.

Der Oldie-Sender spielt Modern Talking. Herr S. quält sich aus dem Bett.

Gestern ist es etwas später geworden. Bei der Arbeit. Dienst am Pfingstsonntag - mal wieder. Früher konnte er danach wenigstens ausschlafen.

"Ja, ja, der Pfingstmontag", murmelt Herr S., "ist das wirklich schon sechs Jahre her?" Es hat sich wirklich einiges getan seit damals. Nur nicht

in seinem Haus. Als 2005 die Eigenheimzulage plötzlich doch gestrichen wurde, mussten sie eben Abstriche machen.

Und inzwischen hat sich Familie S. daran gewöhnt. An die frei liegenden Leitungen und den Betonfußboden. Gut, denkt Herr S., dass damals die Garage noch nicht fertig war. Denn der Wagen ist längst verkauft - Zu teuer, seit es keine Kilometer-pauschale mehr gibt. Und mit Bus und Bahn dauert es in die City ja auch nur zwei Stunden. Und was man dabei für nette Leute trifft.

Zum Beispiel die Blondine, die Herrn S. immer so reizend anlächelt. Zurücklächeln mag er nicht. Wegen seiner Zähne. Aber was will man machen? 3000 Euro für zwei Kronen sind viel Geld.. Und schon die Brille musste er selbst bezahlen. Hat dabei aber 15 Euro gespart, weil er nicht gleich zum Augen-, sondern erst zum Hausarzt gegangen ist.. Wegen der Überweisung.

Trotzdem: Der Urlaub fällt flach. "Das könnte Ärger geben zu Hause", stöhnt Herr S vor sich hin. Traurig erinnert er sich an letzte Weihnachten. Als es nichts gab.

2009 wurde nämlich auch in der freien Wirtschaft das Weihnachtsgeld gestrichen. Im öffentlichen Dienst ist das ja schon länger her. "Und bis wann gab 's eigentlich Urlaubsgeld?", fragt sich Herr S., er kommt nicht drauf. Damals hatte man jedenfalls noch genügend Urlaub, um das Urlaubsgeld auszugeben. Heute sind's ja gerade mal 19 Tage im Jahr.

Pfingstmontag? 1. Mai? Geschichte. Das stand nicht auf der Agenda 2010 - so hieß sie doch oder? Aber man soll nicht meckern. Die da oben, weiß Herr S., müssen noch viel mehr ackern. Darum kann Günther S. mit der 45-Stunden-Woche auch ganz gut leben. Er hat auch keine Wahl. Seit der Kündigungsschutz auch in großen Betrieben gelockert wurde, mag man es sich mit den Bossen nicht mehr verscherzen. Wer will sich schon einreihen in das Heer von sieben Millionen Arbeitslosen?

Aber den Feiertagszuschlag für den Dienst an Pfingsten vermisst er schon. Was soll's, in 23 Jahren, dann wird er 70, hat Herr S. es hinter sich. So üppig wird die Rente zwar nicht ausfallen, wenn das mit den Nullrunden so weitergeht. Doch wer weiß: Vielleicht bringt ihn das Rauchen vorher um. Obwohl er weniger qualmt, seit die Schachtel neun Euro kostet. Aber heute, auf den letzten Metern zum Büro, steckt Günther S. sich trotzdem eine an.

e-noon
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Mi 6. Jul 2005, 21:26 - Beitrag #2

*Angst*
Ich sehe das nicht so pessimistisch, weil es mir im Moment recht gut geht und ich es mir einfach nicht vorstellen kann, dass sich die Wirtschaftslage so drastisch und schnell ändern wird. Zumindest das mit dem Kündigungsschutz und dem gestrichenen Pfingstmontag finde ich unrealistisch, aber trotzdem finde ich den Abwärtstrend beunruhigend... :-/

Elbereth
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Mi 6. Jul 2005, 21:26 - Beitrag #3

Ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Deutschland geht es jetzt sehr gut im Vergleich zum Grossteil der Welt, und in 5 Jahren wird sich nicht so viel ändern, dass die Situation wirklich dramatisch werden könnte. In vielen Ländern gibt es gar kein Rentenalter, da arbeiten die Menschen so lange sie eben können, und ein Arztbesuch komt für sie gar nicht in Frage. Doch natürlich wollen die Deutschen ihren Wohlstand nicht mit diesen Ländern vergleichen, sondern damit wie es ihnen früher ging, dasd ist ja auch verständlich. Trotzdem verstehe ich diese Überdramatisierung nicht.

P.S.: Dass die Zigaretten teuerer werden und weniger geraucht wird ist meiner Meinung nach gar keine schlechte Entwicklung ;)

LadysSlave
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Do 7. Jul 2005, 00:44 - Beitrag #4

Ich glaube eher, dass das noch wesentlich zu optimistisch ist.
Der Spruch, dass es noch vielen schlechter geht, habe ich als kleines Kind auch öfter gehört, wir hatten damals manchmal 3 Tage nichts zu essen, weil wir 8 Kinder zuhause waren, mein Vater war Bauhelfer und Kindergeld gab es damals noch nicht. Was soll denen da oben dazwischenkommen, genau dort wieder hinzugehen, wo wir damals waren? Klar in anderen Ländern verhungern die Menschen reihenweise!
Aber wo wollen wir uns eigentlich einreihen?
Haben wir dafür unser Leben lang geackert? Und immer einen Grossen Teil unseres Lohnes abgegeben!
Um wieder auf dem Level zun sein,den wir damals so schrecklich fanden??
In anderen Ländern werden oder wurden Menschen am Platz des himmlichen Friedens erschossen, ist das auch etwas, wo wir uns einreihen sollen?
Wenn du keine Ziele mehr hast, muss dein Leben ja ziemlich düster sein!

herempix
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Do 7. Jul 2005, 13:32 - Beitrag #5

mag sein oder nicht

Zitat von Syntax Error:WIRD ES WIRKLICH SO KOMMEN ?

Es ist Montag, der 3. Juni 2010, 5 Uhr morgens. Der Radiowecker reißt Günther S. (46) aus dem Schlaf.

Der Oldie-Sender spielt Modern Talking. Herr S. quält sich aus dem Bett.

Gestern ist es etwas später geworden. Bei der Arbeit. Dienst am Pfingstsonntag - mal wieder. Früher konnte er danach wenigstens ausschlafen.

"Ja, ja, der Pfingstmontag", murmelt Herr S., "ist das wirklich schon sechs Jahre her?" Es hat sich wirklich einiges getan seit damals. Nur nicht

in seinem Haus. Als 2005 die Eigenheimzulage plötzlich doch gestrichen wurde, mussten sie eben Abstriche machen.

Und inzwischen hat sich Familie S. daran gewöhnt. An die frei liegenden Leitungen und den Betonfußboden. Gut, denkt Herr S., dass damals die Garage noch nicht fertig war. Denn der Wagen ist längst verkauft - Zu teuer, seit es keine Kilometer-pauschale mehr gibt. Und mit Bus und Bahn dauert es in die City ja auch nur zwei Stunden. Und was man dabei für nette Leute trifft.

Zum Beispiel die Blondine, die Herrn S. immer so reizend anlächelt. Zurücklächeln mag er nicht. Wegen seiner Zähne. Aber was will man machen? 3000 Euro für zwei Kronen sind viel Geld.. Und schon die Brille musste er selbst bezahlen. Hat dabei aber 15 Euro gespart, weil er nicht gleich zum Augen-, sondern erst zum Hausarzt gegangen ist.. Wegen der Überweisung.

Trotzdem: Der Urlaub fällt flach. "Das könnte Ärger geben zu Hause", stöhnt Herr S vor sich hin. Traurig erinnert er sich an letzte Weihnachten. Als es nichts gab.

2009 wurde nämlich auch in der freien Wirtschaft das Weihnachtsgeld gestrichen. Im öffentlichen Dienst ist das ja schon länger her. "Und bis wann gab 's eigentlich Urlaubsgeld?", fragt sich Herr S., er kommt nicht drauf. Damals hatte man jedenfalls noch genügend Urlaub, um das Urlaubsgeld auszugeben. Heute sind's ja gerade mal 19 Tage im Jahr.

Pfingstmontag? 1. Mai? Geschichte. Das stand nicht auf der Agenda 2010 - so hieß sie doch oder? Aber man soll nicht meckern. Die da oben, weiß Herr S., müssen noch viel mehr ackern. Darum kann Günther S. mit der 45-Stunden-Woche auch ganz gut leben. Er hat auch keine Wahl. Seit der Kündigungsschutz auch in großen Betrieben gelockert wurde, mag man es sich mit den Bossen nicht mehr verscherzen. Wer will sich schon einreihen in das Heer von sieben Millionen Arbeitslosen?

Aber den Feiertagszuschlag für den Dienst an Pfingsten vermisst er schon. Was soll's, in 23 Jahren, dann wird er 70, hat Herr S. es hinter sich. So üppig wird die Rente zwar nicht ausfallen, wenn das mit den Nullrunden so weitergeht. Doch wer weiß: Vielleicht bringt ihn das Rauchen vorher um. Obwohl er weniger qualmt, seit die Schachtel neun Euro kostet. Aber heute, auf den letzten Metern zum Büro, steckt Günther S. sich trotzdem eine an.



Na gut, Syntax Error:

Das ist nur eine Version davon, wenn die "Agenda 2010" bei Worte genommen wird. Denn erstens: Wird es noch Radiowecker geben oder wird man vom Handy mit DVD-Laufwerk, "Navi", Videokamera, 5-Megapixel-Fotoapparat usw. geweckt? (Mal satirisch übertrieben)
Man sollte ruhig auch das berücksichtigen.
Ja, ModernTalking ist da schon ein Oldie. Schließlich gibt es diese Band seit fast 2 Jahren nicht mehr. Und den Pfingstmontag wie gesagt, ihn gibt es dann auch nicht mehr, genau so wie den Ostermontag oder den 2. Weihnachstfeiertag. Auch Regionalfeiertage wie "Fronleichnam" oder "Heilige Drei Könige" sind gestrichen worden. Aber das merkt man nicht, weil man sowieso 45 Stunden/Woche arbeitet.
Aber die Kilometerpauschale wird es schon noch geben, wenn auch nicht mehr ganz so hoch, was leider ein "Steuernachteil" ist.
Und mit der Arbeitslosenzahl hast du auch ein wenig übertrieben, Syntax. Ich glaube eher, die wird sich bei 5,5 Millionen einpendeln. Denn die Regierung hat vielleicht einen geeigneten Weg gefunden, die Arbeitslosenzahlen von über 6 Millionen (2008 erwartet) auf eben diese "Fünfeinhalb Millionen" runterzuschrauben.
Ja, und ob Herr S dann Rente bekommt, möchte ich hier ausnahmsweise auch bezweifeln, weil er im Jahr 2010 1,05 Rentner "durchfüttern" muss. Und wenn er 2035 Rente bekommt, müssen seine Kinder und die "Next Generation" sogar 1,55 Rentner versorgen.
Also, es ist nicht alles schlimm. Man muss nur abwarten und "Tee trinken".

herempix

:):):)

Maglor
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So 23. Mai 2010, 23:18 - Beitrag #6

Pfingstmonag 2010. Ein Alptraum wird doch nicht Wirklichkeit! :crazy:

Ipsissimus
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So 23. Mai 2010, 23:44 - Beitrag #7

noch nicht für die meisten

Traitor
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So 23. Mai 2010, 23:56 - Beitrag #8

Man könnte jetzt jede Voraussage im Detail analysieren, ob sie wahr geworden ist. Fangen wir doch mit der offensichtlichsten an: der Pfingsmontag ist wider Erwarten nicht am 03. Juni, sondern schon am 24. Mai eingetreten. Und das nicht nur durch eine Pfingstverschiebung, denn der 03. Juni ist dieses Jahr überhaupt kein Montag. Schon sehr befremdlich. :D Aber ob das nun wirklich Schröders Schuld war?

Ansonsten - manches traf zu, manches nicht. Natürlich ist es nicht so schlimm gekommen, wie dargestellt. Aber die soziale Stimmung dahinter, die ist erschreckenderweise sehr ähnlich eingetreten.

Allerdings bin ich nachwievor der Ansicht, dass, von Detailauswüchsen abgesehen, ohne die Agenda-Reformen die Situation sehr viel schlimmer geworden wäre.

Ipsissimus
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Mo 24. Mai 2010, 10:08 - Beitrag #9

Zitat von Traitor:Allerdings bin ich nachwievor der Ansicht, dass, von Detailauswüchsen abgesehen, ohne die Agenda-Reformen die Situation sehr viel schlimmer geworden wäre.
da unterscheiden sich nach wie vor unser Perspektiven. "Schlimmer geht immer" impliziert aus meiner Sicht keinerlei Rechtfertigung für das tatsächliche Ausmaß an Bösartigkeit, dem diese "Reformen" - in Wirklichkeit neoliberale Restaurationen der frühen Moderne - den Weg gebahnt haben

Lykurg
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Mo 24. Mai 2010, 13:32 - Beitrag #10

Ipsissimus, das ist doch keine "schlimmer geht immer"-Argumentation, sondern die - auch aus meiner Sicht sehr naheliegende - Annahme, daß bei Nichtdurchführung der Agenda 2010 wesentlich stärkere soziale Veränderungen stattgefunden hätten, die allerdings sich dem Einfluß der Regierung möglicherweise weitgehend entzogen hätten.
Gemeint wären Massenentlassungen bzw. Pleiten und Abwanderung von Unternehmen aufgrund eines ungebremsten Lohnnebenkostenanstiegs, außerdem fortgesetzte Kapital- und Elitenflucht (was beides ohnehin in erheblichem Maße geschieht).
Meine größte Besorgnis gilt tatsächlich ebenfalls einer verbreiteten Neigung von Teilen der Bevölkerung, den gegenwärtigen Zustand als Elend und Not empfindet, statt zu sehen, daß wir immer noch über unsere Verhältnisse leben.

Ipsissimus
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Mo 24. Mai 2010, 14:31 - Beitrag #11

Meine größte Besorgnis gilt tatsächlich ebenfalls einer verbreiteten Neigung von Teilen der Bevölkerung, den gegenwärtigen Zustand als Elend und Not empfindet, statt zu sehen, daß wir immer noch über unsere Verhältnisse leben.


meine größte Besorgnis gilt hingegen einer verbreiteten Neigung von Teilen der politischen und wirtschaftlichen Führung, die Gier, die ihren Entscheidungen zugrunde liegt, sakrosankt zu setzen und es lieber zuzulassen, dass ganze Nationen verelenden, als auch nur auf einen Cent Dividende mehr zu verzichten als unvermeidbar ist, um den (Bürger)krieg zu verhindern.

Ich befürchte, solange wir die Diskussion über Ursachen und Zweck der Globalisierung nicht zu einem Konsens führen, werden wir in allen davon abgeleiteten Fragen ebenfalls im Dissens verharren^^ aber das macht ja nichts^^

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Mo 24. Mai 2010, 21:39 - Beitrag #12

Genau, Lykurg, so meinte ich es. Nicht als "eine andere Regierung hätte es noch schlimmer und asozialer machen können", sondern als "ohne gemäßigte Einschnitte hätte zwangsläufig irgendwann die Radikalkur kommen müssen".
Meine größte Besorgnis gilt tatsächlich ebenfalls einer verbreiteten Neigung von Teilen der Bevölkerung, den gegenwärtigen Zustand als Elend und Not empfindet, statt zu sehen, daß wir immer noch über unsere Verhältnisse leben.
Darin kann ich dir dann allerdings nicht mehr zustimmen. Einerseits sehe ich es rein materialistisch nicht so, dass der Lebensstandard eines deutschen Arbeitslosen "über den Verhältnissen" im Sinne von "mehr, als die Erde für 6-10 Milliarden Menschen auf diesem Standard leisten kann" liegt. Der eines Millionärs, sicher. Der von uns dreien, vermutlich auch, zumindest ohne einige technologische Fortschritte (auf die ich aber durchaus noch hoffe). Aber das, was in Deutschland als "Existenzminimum" gilt, sollte wohl für alle Menschen möglich sein.
Zum anderen stehe ich hier subjektiv ausnahmsweise mal eher auf Ipsissimus' Seite - die Haltung der Privilegierten, die Elend empfindenden Schichten würden sich doch nur unnötig aufregen, halte ich für deutlich besorgniserregender als jenes Empfinden selbst.

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Di 25. Mai 2010, 00:12 - Beitrag #13

Der Lebensstandard "des deutschen Arbeitslosen" ist schwer zu vereinheitlichen. Zweifellos ist die 'Leistungsfähigkeit' der Erde noch nicht ausgereizt, was Energiegewinnung und nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen, insbesondere Wasser, Ackerboden und Bodenschätze angeht; im Bereich von Recycling und Energieeffizienz kann noch unheimlich viel getan werden, um der Gesamtmenschheit vermutlich auch einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen als das derzeitige deutsche Existenzminimum. Allerdings zweifle ich daran, ob auch das als Grundbestandteil geschützte Auto wirklich dazugehört - hier würde ich stärker nach lokal verfügbarer öffentlicher Infrastruktur differenzieren wollen. Wenn die deutsche Alterspyramide weiter kippt und die Wirtschaft durch die derzeitigen Schwellenländer zunehmend marginalisiert wird, dürften sich die Verteilungskämpfe noch verschärften.

Die Besorgnis ist doppelseitig und -gesichtig, tatsächlich wäre es fatal für die Eliten, das Elendsempfinden der Nichtprivilegierten unberücksichtigt zu lassen; die daraus sich verschärfenden und möglicherweise sich unkontrolliert entladenden Spannungen könnten ähnlich verheerende Folgen zeitigen wie in Griechenland oder Frankreich. Ich fürchte, im nächsten Jahrzehnt wird weit mehr Rationalismus benötigt als große Teile des Volkes aufbringen können - womit ich einen beiderseitigen fortgesetzten Privilegienverzicht meine, der sich nur schwer wird vermitteln lassen. Der Aufschwung Deutschlands in der Adenauer-Ära beruhte auch (!) auf (aus heutiger Sicht) furchtbar niedrigen Sozialleistungen. Ich möchte keinesfalls dahin zurück, wir haben eine andere Ausgangslage, aus der wir nach Augenmaß handeln sollten. Aber der über Schulden finanzierte Status quo ist nicht haltbar, wir müssen eine gesunde Basis erreichen, und es kann nicht schaden, sich auch der Ursprünge dessen zu vergewissern und die Lebenssituation mit der in den 60ern zu vergleichen statt mit den 90ern.

Ipsissimus
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Di 25. Mai 2010, 00:55 - Beitrag #14

Der Aufschwung Deutschlands in der Adenauer-Ära beruhte auch (!) auf (aus heutiger Sicht) furchtbar niedrigen Sozialleistungen.
du betonst zwar das "auch", aber es verstellt trotzdem die Sicht. Der Aufschwung der Adenauer/Erhardt-Zeit war der Neuaufbau nach einem alles zerstört habenden Krieg. Es war eine Zeit, in der die Ware "Arbeit" zum einen im Überfluss vorhanden war und zum anderen in Relation zu den Lebenshaltungskosten einigermaßen angemessen bezahlt wurde, für fast alle.

Die Ware "Arbeit" wurde lokal durch die Globalisierung mittlerweile zu einem raren Gut und wird noch viel seltener werden. Und auf eine Angemessenheit der Bezahlung kann heute nur noch hoffen, wer über alte Privilegien im Rahmen der Besitzstandswahrung verfügt, oder aber, als Sohn oder Tochter, in diese Privilegien hineingeboren wird, ohne sie im eigentlichen Sinne verdient zu haben. Natürlich gibt es immer Ausreißer, aber es wäre illusorisch, zu verkennen, dass die Schichten sich zunehmend gegeneinander abschotten, und das betrifft auch die Berufsaussichten.


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