Bundesverfassungsgericht weist drauf hin: In Deutschland gilt das Grundgesetz

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LadysSlave
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Mo 18. Jul 2005, 23:25 - Beitrag #1

Bundesverfassungsgericht weist drauf hin: In Deutschland gilt das Grundgesetz

Jetzt haben unsere Politiker . wie sie da gebacken sind, eine schallende Orhfeige erhalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt!
Ihre Gesetze haben dem Grundgesetz zu entsprechen.
Jetzt haben unsere Politiker eine neue Aufgabe: Sie müssen das Grundgesetz lernen un mal zu sehen, was da so drinsteht!
Jedenfalls war der Europäische Haftbefehl nicht mit dem Grundgesetz vereinbar!
Was aber macht Frau Zypries? Statt festzustellenm dass sie einen Fehler gemacht hat, werden die Richter des Bundesverfassungsgerichtes angegriffen. Das wäre nicht absehbar gewesen.
Ach ja, Frau Zypries ist Justizministerin der Bundesrepublik Deutschland. Eine Justizministerin die das Grundgesetz nicht kennt.. bravo!
Statt die Richter anzugreifen, hätte sie ja die Verfassungsgebende Versammlung angreifen müssen. Sozusagen Grundgesetzschelte.
Was stört dieses Grundgesetz uns einfach, die Rechte der Bürger einzuschränken wie wir es wollen. ??
Liebe Politiker, ihr verdankt dem Grundgesetz eure Existenz!

Jetzt stellte dieses Gericht halt fest, dass das Grundgesetz weiter gilt. Weshalb es ja nicht schlecht wäre, den Politikern, die dem grundgesetzwidrigen Gesetz zugestimmt haben, einen Kurs "Grundgesetz für Anfänger" zu spendieren. Stattfinden könnte das in einer Grundschule!
PISABeweis im Bundestag muss schliesslich aufhören. Denn dieses Gesetz zum europäischen Haftbefehl wurde von den Politikern aller Parteien ausser der PDS verabschiedet! Sowohl im Bundestag, als auch im Bundesrat! Kennen demgemäß wirklich nur die Abgeordneten der PDS das Grundgesetz, oder wie soll man das verstehen!

Monostratos
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Mo 18. Jul 2005, 23:37 - Beitrag #2

Zum Konflikt EU-Haftbefehl - Dt. Grundgesetz kann ich mich nicht qualifiziert genug äussern, aber... Sollte denn nicht schon der erste, dezent philosophische Artikel des Grundgesetzes in seiner sicherlich mannigfaltigen Auslegbarkeit nicht schon die Lager unvereinbar spalten...? Das Lernen dessen ist die eine Sache, das Verständnis eine andere.

LadysSlave
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Mo 18. Jul 2005, 23:40 - Beitrag #3

Zitat von Monostratos:Zum Konflikt EU-Haftbefehl - Dt. Grundgesetz kann ich mich nicht qualifiziert genug äussern, aber... Sollte denn nicht schon der erste, dezent philosophische Artikel des Grundgesetzes in seiner sicherlich mannigfaltigen Auslegbarkeit nicht schon die Lager unvereinbar spalten...? Das Lernen dessen ist die eine Sache, das Verständnis eine andere.

Meinst du damit, dass unsere Politiker kein Verständnist für unser Grundgesetz haben? Nur die PDS hat verständnis für das Grundgesetz?
Da ist ja denn doch noch Hoffmung, wenn die WASG/Linkspartei die Regierung übernehmen sollte?:boah: :D :D

Monostratos
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Mo 18. Jul 2005, 23:45 - Beitrag #4

Nene so meinte ich das nicht ^^... Der Rest des Grundgesetzes ist, so wie eigentlich alle Gesetzestexte, ja unmissverständlich formuliert, nur... "Die Würde des Menschen ist unantastbar.[...]" Was ist denn "Würde"? Und wird man da einen Konsens finden? Das frage ich mich und wage es anzuzweifeln.

[Hier sollte ein Link zu einem Philo-Thread, der das behandelt, stehen. Bin aber zu müde, um da noch nach zu suchen.]

ThreeOfFour
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Mo 18. Jul 2005, 23:51 - Beitrag #5

Hey....wieso sollte die Zypries das grundgesetz kratzen?
Ihr Chef (Unser allseits gliebetr Bundeskanzler Gerhard Schröder) hat ja wegen seiner Neuwahl-Idee auch mal so nebenbei das Grundgesetz missbraucht/verdreht.

Feuerkopf
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Mo 18. Jul 2005, 23:56 - Beitrag #6

Stimmt so nicht ganz. Das Grundgesetz hat in dieser Hinsicht eine Lücke: Es sieht die Selbstauflösung des Bundestages nicht vor. Helmut Kohl stand schon mal vor demselben Problem und hat Schröder nur vorgemacht, wie man es löst.

Natürlich kennt die PDS das Grundgesetz besonders gut: Ihr wird doch ständig vorgehalten, nicht auf dessen Boden zu stehen. ;)

LadysSlave
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Mo 18. Jul 2005, 23:58 - Beitrag #7

Zitat von Monostratos:Nene so meinte ich das nicht ^^... Der Rest des Grundgesetzes ist, so wie eigentlich alle Gesetzestexte, ja unmissverständlich formuliert, nur... "Die Würde des Menschen ist unantastbar.[...]" Was ist denn "Würde"? Und wird man da einen Konsens finden? Das frage ich mich und wage es anzuzweifeln.


Dieser Bereich gehörte noch nicht zu den bemängelten Fehlern.
Das wird wohl erst zu dem Urteil zu Hatz4 die Hatz auf Arbeitslose kommen. wie auch die Familie, deren besonderer Schutz der deutsche Staat zu gewährleisten hat (er arbeitet in Saarbrücken Hat4 gür 1,-€/Stunde, der Rest der Familie wohnt auf Rügen) Auch hier wird es wohl wieder die Arbeit des Bundesverfassungsgerichtes sein, die Politiker zu erinnern, das in der Bundesrepublik das Grundgesetz gilt.
Hinzu käme dann noch die Farce vor dem Bundestag in der planmässig das Vertrauen entzogen wurde.
Bei der Häufung, der Verstösse gegen das Grundgesetz, sollte jeder Politiker doch mal eine Prüfung zur Grundgesetztreue ablegen. Die Abgeordneten der PDS haben die Grundgesetztreue ja schon bewiesen, und bestanden. Anschliessend sollte aufgelistet werden, wer wann Gesetzen zugestimmt hat, die dem Grundgesetz widersprochen haben. Schily könnte sofort vortreten, das Urteil zu seinen Gesetzen wird noch ein paar Jahre dauern, aber ebenso klar sein! Verfassungsbruch!

Monostratos
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Mo 18. Jul 2005, 23:58 - Beitrag #8

[ganz kurz] @Feuerkopf: Es war der andere Helmut, der Schmidt. ;) [/ganz kurz]

LadysSlave
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Di 19. Jul 2005, 00:05 - Beitrag #9

[quote="Feuerkopf"]Stimmt so nicht ganz. Das Grundgesetz hat in dieser Hinsicht eine Lücke: Es sieht die Selbstauflösung des Bundestages nicht vor. Helmut Kohl stand schon mal vor demselben Problem und hat Schröder nur vorgemacht, wie man es löst.

Natürlich kennt die PDS das Grundgesetz besonders gut: Ihr wird doch ständig vorgehalten, nicht auf dessen Boden zu stehen. ]
Selbstauflösung,wäre ja auch Arbeitsverweigerung. 4 Jahre ist Gesetz! Grundgesetz. Dafür hat das Grundgesetz aber den konstruktiven Misstrauensantrag eingeführt. Da kann die Opposition die Vertrauensfrage stellen und stattdessen den eigenen Kandidaten anbieten, bei der Mehrzahl der Stimmen, haben wir einen neuen Kanzler. Zurücktreten hätte Schröder auch können. Aber dann wäre er im Wahlkampf nicht mehr Kanzler gewesen! doch darauf kam es ihm doch an! Also offene Verfasungswidrigkeit. Lieber ein Showstück abziehen, als ehrlich zum Gesetz stehen!

janw
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Di 19. Jul 2005, 01:14 - Beitrag #10

Hm, nuja...

ich würde nicht soweit gehen, zu sagen, daß permanent Gesetze verabschiedet werden im vollen Wissen um ihre Verfassungswidrigkeit.
Das hier inkriminierte Gesetz soll, wenn ich es richtig sehe, eine EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. EU-weit sollen in anderen Ländern mit Haftbefehl Gesuchte leichter ausgetauscht werden können. Wogegen für mich prinzipiell nichts einzuwenden ist - schließlich kann damit aucn Wirtschaftskriminalität leichter verfolgt werden. Für mich ist es klar, daß wenn die Aktionsräume der Menschen und der Firmen wachsen, auch die staatlichen Zugriffsmöglichkeiten entsprechend wachsen müssen - um z.B. deutschen Anlegern zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn sich ein Finanzhai nach Mallorca verkrümelt hat.
Oder meinetwegen auch, um einen Bombenleger bestrafen zu können, der in Madrid zig Unschuldige Menschen getötet hat - bzw. bei dem der dringende Verdacht dazu besteht.

Das Justizministerium wird schon recht genau geguckt haben, daß sie möglichst die Klippen des Grundgesetzes umschiffen, wobei es diesmal offenbar nicht geglückt ist. In mehreren anderen Entscheidungen hatte der Bund recht, z.B. bei der Enteignung der Zwangskollektivierten im Osten (gut, das Gesetz stammt noch aus der Kohl-Ära).

Ob Hartz IV nach all den nachträglichen Anpassungen verfassungswidrig ist oder nicht, wird man sehen. Was ist menschenwürdig, was nicht? - diese Frage ist schon nicht eindeutig zu beantworten, da hat Mono recht.

Und was den Bundestag betrifft, ein Mißtrauensvotum mit Kanzlerwahl hätte kein Ergebnis gebracht, weil Angie keine Mehrheit bekommen hätte. Wären wir weiter bei Schröder in seiner derzeitigen blockierten Lage. Einer Lage, die gerade die Gesetze verhindert, mit denen nun auch die Unternehmer und die Großverdiener zu ihrem Beitrag für das Gemeinwesen gebracht werden könnten. Ja, wir haben eine soziale Schieflage bei den Reformen, aber die wird von der Opposition verursacht, die die Heranziehung der Unternehmen verhindert.
Jedenfalls, ich bin mir nicht sicher, ob das Verfassungericht die Neuwahlen ablehnt. Und irgendwie würde ich schon gerne als Bürger etwas dazu sagen dürfen, wer hier nun weiterregieren soll...

LadysSlave, es gäbe übrigens eine ganz elegante Masche, wie der Terz mit Karlsruhe hätte vermieden werden können: Wenn ich es richtig sehe, dann hätte der dem Gesetz entgegenstehende Artikel mit 2/3-Mehhrheit des Bundestages geändert werden können. Die Mehrheit wäre mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU denke ich erreichbar gewesen.

LadysSlave
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Di 19. Jul 2005, 09:07 - Beitrag #11

Stimmt Jan, sie hätten diesen § ändern können, aber beim Grundgesetz stehen alle Artikel im Kontex. Weshalb dann mehrere Artikel hätten geändert werden müssen. Das wiederum war nicht im Interesse der Parteien.
Übrigens kommt eine EU Richtlinie ja nicht aus einem dunklen Loch! Die Richtlinien werden auch nur einstimmig durch den zuständigen Rat beschlossen. Daraus müssen wir schliessen, dass die deutschen Vertreter unser Grundgesetz schon nicht kennen! Also ist die Schulung wirklich vonnöten! Ich weiss ja nicht, ob dadurch das Bundesverfassungsgericht die Ratifizierungn grundgesetwidriger Richtlinien für ungültig erklären muss. Aber darüber sollen sich andere einen Kopf machen!
Doch ist die Lage bei der Vertrauensfragefarce nicht dieselbe wie bei Kohl!
Kohl wurde durch Abweichler in der FDP zum Kanzler gemacht. Von FDP Leuten die mit dem Motto: Wer eine CDU Regierung verhindern will, muss FDP wählen (war damals wirklich Losungsspruch der FDP) somit waren das Verräter an (unter anderen auch meiner) Wahlstimme - ich war sicher nicht der einzige, der verraten wurde!!- Die meisten FDP Leute waren aber der Sozialliberalen Koalition verpflichtet, weshalb bei Kohl erstmal darauf bestand, dass bei seinem Partner die Frage geklärt wird , mit wem sie Koalieren. Damals gab es tatsächlich kein Vertrauen, weil der Großtel der FDP gegen Kohl war, die FDP führung aber mit Kohl koalierte. Bei den Vorbereitungen wurden innerhalb der FDP die Befürworter der Sozialliberalen Koalition aus Amt und Mandat gesprengt (man kann sowas auch als "Säuberung" bezeichnen) und dei FDP koalitionsreif für die CDU gemacht. Soviel zur Verlässlichkeit der gelben 5% Sekte.
Solch einen Zustand gibt es aber innerhelb der derzeitigen Koalition nicht. Ferner würde der Gewinn der Wahl für Schröder gar nichts verändern. Zumal es den Politkaspern nicht zusteht, zu entscheiden, ob ihnen die Stimmen der Bevölkerung noch passen. Die Wahl war verfasungsgemäss und die Wahl war für 4 Jahre. Besondere Umstände liegen nicht vor, die Wahl gilt also noch weiter! Das wird wohl auch das Bundesverfassungsgericht so sehen.

janw
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Di 19. Jul 2005, 11:13 - Beitrag #12

Die Totalblockade durch die Opposition ist keine besondere Situation? In meinen Augen schon ein wenig.

LadysSlave
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Di 19. Jul 2005, 12:09 - Beitrag #13

Zitat von janw:Die Totalblockade durch die Opposition ist keine besondere Situation? In meinen Augen schon ein wenig.

das hat die SPD Regierung 1972 auch gehabt.
Dann werden eben weniger schlechte Gesetze erlassen!:rolleyes:
Ausserdem würde sich durch eine Neuwahl nichts ändern, sofern Schröder gewänne.
Wir haben nunmal einen föderativen Rechtstaat. Auch laut Grundgesetz.
da gerade mal 30% aller Gesetze Zustimmungspflichtig sind, ist diese Totalblockade nicht so schlimm, wie immer behauptet wird.
:pro:
Doch sind das keine Umstände, die ein Vertrauensverlust nachweist. Denn der Bundeskanzler ist nicht Präsident des Bundesrates, sondern der Kanzler aus dem Bundestag. Was heisst, dass sich am Verhältnis im Bundesrat nichts ändert! deshalb ist es keine besondere Situation, die damit behoben werden kann!

janw
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Di 19. Jul 2005, 12:15 - Beitrag #14

Nun ja, genau die Gesetze, mit denen die Unternehmer zu ihrem Anteil an den Reformen gezwungen werden sollen, werden durch die Opposition verhindert.
Ich bin auch sehr gespannt, wie die Sache ausgehen wird. Kann ein heißer Herbst werden...

Traitor
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Di 19. Jul 2005, 14:44 - Beitrag #15

Das hier wird auf dieselbe Debatte hinauslaufen, die wir im Bundeswehr-Thread schonmal angerissen hatten, aber hier passt sie gemäß der Überschrift dann wirklich hin.

LadySlave, es hat keine absolut wahrhaftige Gottesentscheidung stattgefunden, dass das Gesetz direkt und unanzweifelbar dem Text und Geist des Grundgesetztes widerspricht. Ein auf sehr undurchsichtige Weise zustandegekommenes Gericht hat entschieden, dass das Gesetz seiner persönlichen Interpretation des Grundgesetzes widerspricht. Das ist für mich ein himmelweiter Unterschied.
Im Falle des europäischen Haftbefehles weiß ich nicht exakt, wie die Lage aussieht. Aber bei der Neuwahl ist der Fall für mich sehr eindeutig: nirgends im Grundgesetz steht ausdrücklich, dass es verboten sei, eine Vertrauensfrage auf diese Art zu manipulieren. Es wird lediglich nicht positiv gesagt, wie eine vorzeitige Neuwahl einzuleiten sei. Es werden aber ganz offensichtliche Möglichkeiten, unter die eben auch die fingierte Vertrauensfrage fällt, offengelassen. Und diese Möglichkeiten sind seit Jahrzehnten aus Theorie und Praxis bekannt und wurden nie geschlossen, sind also meinem Verständnis nach als legal anzusehen. Gegen sie spricht nur, dass es irgendwann schonmal eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes gab, die die Möglichkeit nur für extreme Ausnahmesituationen zulässt. Aber das ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes, kein Verfassungsinhalt.
Ich bin der Ansicht, dass die Juriskratie in Deutschland längst aus dem Ruder gelaufen ist. Eine Truppe irgendwann mal von Politikern ernannter Juristen hat absolute Entscheidungsgewalt über alle Belange im Lande. Ihre Entscheidungen haben de facto denselben Rang wie echte Verfassungsinhalte. Aber sie sind im Gegensatz zu Regierung, Parlament und selbst dem in meinen Augen schon fragwürdigen Bundesrat demokratisch weit schwächer legitimiert, und Juristen sind sicher auch nicht vertrauenswürdiger als Politiker. Woher also dieses unerschütterliche Vertrauen in diese Institution?

Eine vernünftige Arbeit eines Bundesverfassungsgerichtes würde für mich darin bestehen, dass sie nur Gesetze "kassieren", die wirklich dem gedruckten Wort des Grundgesetzes explizit oder implizit widersprechen. In Fällen, in denen das Grundgesetz keine eindeutige Aussage macht, sollten sie der Legislative den Auftrag zu einer Grundgesetzänderung erteilen und, solange oder falls dies nicht geschieht, das Gesetz zurückhalten. Aber dass in Fällen "persönliche Meinung der Politiker gegen persönliche Meinung der Juristen" letztere siegen, halte ich für absurd.

LadysSlave
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Mi 20. Jul 2005, 03:41 - Beitrag #16

Hallo Triator.
Der von dir fragwürdig genannte Bundesrat ist ein sehr sehr wichtiges Organ der Bundesrepublik Deutschland und hat wohl auch einen höheren Rang als der Bundestag.
Wir sind nämlich ein föderativer Bundesstaat und ein Zentralstaat wurde ganz bewusst abgelehnt, weil dieser Zentralstaat auch als eine der Ursachen des Nationalismus gesehen wurde.
Das heisst, dass das einzelne Bundesland die verfassungsmässe Einheit ist. Deshalb hat auch jedes Bundesland eine eigene Verfassung, ein Verfassngsgericht und ein Landesamt für Verfassungsschutz, eigene Polizei, Finanzämter und Bildungseinrichtungen. Diese haben sich zur Bundesrepublik zusammengetan um einen Bund der Bundesländer zu bilden. Deshalb hat ja auch die Bundesrepublik keine Verfassung, sondern ein Grundgesetz unter dem die einzelnen Länder, die eine Verfassung haben, vereint wurden.
Ein weiteres Organ sind die einzelnen Verfassungsgerichte, die im jeweiligen Bundesland zuständig sind. Zusätzlich das Bundesverfassungsgericht, das für die Einhaltung des Grundgesetz zuständig ist. Dieses Bundesverfassungsgericht hat zumindest denselben Rang wie der Bundestag und die Aufgaben stehen genauso explizid im Grundgesetz, wie die Aufgaben der Bundestages. Ich meine auch, dass die Diätenverzehrer im Bundestag weit überbewertet werden. Denn Gesetze und Verordnungen können auch alle Parlamente der einzelnen Bundesländer erlassen (wozu sie durch die Landtags- und Kreiswahlen demokratisch legitimiert sind), was diese auch ausgiebig tun (ein Beispiel für ein Landesgesetz, die Verwaltungsverfahrensgesetze). Wenn dann aber von einem Bundesland, oder mehreren Bundesländern gewünscht wird, dass dass Gesetz bundesweit Gültigkeit hat, kann jedes Bundesland, der Bundesrat, oder der Bundestag dieses Gesetz zur Abstimmung in die Lesungen bringen.
Du scheinst mir doch eher ein Verfechter des Zentralstaates zu sein, einer Einrichtung des vergangenen Deutschlandes.;) Die Väter des Grundgesetzes waren es nicht!.
Dies schreibe ich nicht, um dich anzugreifen, sondern um die Unterschiedlichkeit der Sichtweisen zu dokumentieren. Ich bin ein Befürworter dieses Bundesprinzipes, weil ich davon ausgehe, dass wir Deutschen in Freiheit gemeinsam lebend eher für die Demokratie taugen, als ein Deutschland unter zentralstaatlicher Obrigkeit, nach dem Denkschema eines Herrn Schily!

Traitor
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Mi 20. Jul 2005, 10:21 - Beitrag #17

Ja, ich bin ein Vertreter des Zentralstaates. Aber nicht als Symbol des vergangenen Deutschlands, sondern als Symbol der Moderne. Denn vor den zugegeben gescheiterten ersten beiden deutschen Zentralstaaten 1871-1945 (die aber auch noch eine gehörige Belastung durch alte Strukturen hatten, die ich für zumindest stark mitverantwortlich halte) war Deutschland schonmal tausend Jahre lang ein "föderativer Staat", grob gesprochen.
Aber wir sollten hier nicht über den Föderalismus sprechen, der Bundesrat war nur eine Randbemerkung von mir (nochmal eine Bemerkung zur Bemerkung: fragwürdig finde ich diesen vor allem, weil eigentlich (inzwischen leider kaum noch) eine Landesregierung vom Wahlvolk zur Regierung des Landes, nicht zur Mitregierung im Bund, gewählt wird).

Die Geschichte mit dem "Grundgesetz" statt einer Verfassung kenne ich übrigens so, dass damit betont werden sollte, dass es nur eine provisorische Einrichtung bis zur nach einer Vereinigung geplanten echten Verfassung sein sollte.

Die Aufgaben des Verfassungsgerichtes sind in der Verfassung festgeschrieben, das wage ich nicht zu bezweifeln. Aber ich glaube nicht, dass eine derart aktive Rolle in der Tagespolitik vorgesehen war, die es meines Wissens früher auch nicht hatte.

Und nochmal abschließend ebenfalls in leichter Polemik: mir wäre ein zentraler Obrigkeitsstaat unter dem Großen Schily immer noch lieber als 16 kleine Obrigkeitsstaaten unter dem Großen Stoiber etc. ;)

Es sollte in meinen Augen nicht darum gehen, Schreckgespenster der einen oder anderen Staatsform an die Wand zu malen. Weder würde eine Rückstufung des Föderalismus in einer neuen Nazidiktatur enden, noch würde eine Verstärkung zu einem neuen Dreißigjährigen Krieg führen. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, aber ich denke, dass die letzten Jahre einen starken Hinweis darauf geliefert haben, dass der starke Föderalismus fortschrittshemmend und damit die unpraktischere Variante ist.

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Mi 20. Jul 2005, 17:55 - Beitrag #18

Dann bist du ja, um es mal ein wenig mehr polemisch auszudrücken, eigentlich schon fast ein Verfassungsfeind:boah: . Denn im Grundgesetz steht der föderalistische Bundesstaat als Staatsform!
Nicht alles, was die Verwaltung leichter macht ist fortschrittlich. Fortschrittlich ist die Freiheit der Person. Das schliesst aber den gläsernen Bürger aus, also die einfache Verwaltung des Bürgers. Das wiederum impliziert, dass die "Reformen" Schily´s Rückschritte sind Rückschritte in der Freiheit des einzelnen, durch "Fortschritte" die in "Sicherheitspakete" gepackt sind. Doch das sind in Wirklichkeit Freiheitseinschränkungspakete! Sowas ist in meinen Augen verfassungsfeindlich. Zumal 1/3 der Schily- Gesetze schon einmal vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig gecancelt wurden. Bei der sogenannten Volkszählung sollten dieselben Überwachungs- und Einengungsmassnahmen eingeführt werden und wurden eingestampft. Das wird wohl auch mit den Schily Gesetzen passieren. Aber eben erst, wenn eine ganz andere Regierung an der Macht ist. In Deutschland gilt eben das Grundgesetz, trotz Schily oder Stoiber.
Es ist ja nicht so, das das Bundesverfassungsgericht in die Tagespolitik eingreift, sondern, dass die Tagespolitik verfassungswidrig ist.
Wir sollten doch die Fakten in der richtigen Reihenfolge sehen, zumal derzeit 3 von 5 Verfassungsrichtern SPD nahe sind.
Ich finde es nämlich dreist von unseren Politikern, sich über die Verfassungsrichter zu beschweren, weil sie ihrem verfassungswidrigem Treiben ein Ende gesetzt haben. Anständiger wäre, wenn der Politiker mal sagen würde,: Das habe ich so gar nicht erkannt, dass meine Vorgaben nicht mit der Verfassung vereinbar waren.Ich werde meine Fachleute darauf aufmerksam machen, dass dieser Aspekt deutlicher beachtet wird.
Ich bin froh über das Urteil, des Bundesverfassungsgericht und stolz darauf, dass es diese Institution gibt, die den Politikern entgegentritt, wenn diese sich zu sehr vom Grundgesetz entfernen. Das ist ein Bonus für unsere Demokratie.

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Mi 20. Jul 2005, 20:18 - Beitrag #19

Ja, in gewisser Weise bin ich Verfassungsfeind. Aber eher Feind von Teilen der Verfassung, und das fällt nicht unter meine Definition des Begriffes. Denn eine Verfassung und erst recht ein Grundgesetz sind nicht auf Ewigkeiten sakrosankt, das sind nur die wirklichen Grundlagen wie die Menschenrechte. Rein verwaltungstechnische Dinge wie etwa die genaue Regelung des Bundestags-Bundesrats-Verhältnisses müssen jederzeit genauso einer kritischen Überprüfung unterzogen werden können wie normale Gesetze auch, nur eben mit aufwendigerem Änderungsverfahren.
Fortschrittlich ist, was fortschrittlich ist. Weniger tautologisch kann man es leider nicht formulieren. Größere Freiheit des Einzelnen ist eines der wichtigsten Ziele des Fortschritts, keine Frage, aber nicht das eine und einzige. Sicherheit und funktionierende Verwaltung haben auch einen gewissen Stellenwert, und manchmal müssen kleine Freiheitseinbußen für große Gewinne in diesen Punkten in Kauf genommen werden, genauso wie kleine Freiheitseinbußen hingenommen werden, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen.
Ich bin beileibe kein Anhänger einer "Law-and-Order"-Politik, eher freiheitlich-links gesinnt. Aber bis auf einige Punkte (Bundeswehreinsatz im Innern, manch doch zu sorgloser Umgang mit Datenerhebungen) halte ich den Großteil der Sicherheitsreformen für sinnvoll und wenig schädlich für Freiheit und Demokratie.
Und dass "die Tagespolitik verfassungswidrig ist", ist so eine Frage. Oft genug sind es nur Verfahrensfehler, die festgestellt werden, und in anderen Fällen ist es doch sehr die persönliche politische Meinung der Richter, die entscheidet, da das Grundgesetz eben eigentlich keinerlei Aussage zur Thematik macht, wie bereits erwähnt.
Was sagst du zu meinem Vorschlag von gestern, wie ich mir die Rolle des Verfassungsgerichtes vorstelle?

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Mi 20. Jul 2005, 20:42 - Beitrag #20

Von deinem Vorschlag halte ich gar nichts, weil es das fortbestehen verfassungsfeindlicher Gesetze nach sich ziehen könnte.

Da das Verfassungsgericht gezielt eingerichtet wurde um die Demokratie zu schützen, ist dessen Berechtigung für mcih ausser Frage.
Die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes sind in einem Kontex und es ist wirklich interessant, sie zu lesen. Sollten unsere Politiker auch mal versuchen, dann würden denen weniger verfassungswidige Gesetze einfallen.
Wie gesagt, nicht das Gericht macht es falsch, es sind die Politiker, die jegliches Maß verloren haben.
fortschrittlich kann auch Rückständig sein!
Kommt nur drauf an, für wen fortschrittlich.
Die Verwaltung zu vereinfachen ist kein Staatsziel. Wenn die Verwaltung freier Bürger mehr Aufwand fordert, dann ist dieser Aufwand gerechtfertigt!
Das hat überhaupt nichts mit der Solidarität im Volk duirch ehrliche Steuerzahlung zu tun. Denn Reiche benutzen vom Staatsapparat ja auch mehr. Dadurch wird ihr Eigentum, ihre Gesundheit und ihre Freiheit gewährt. Dafür ist es nur logisch, dass sie auch Steuern zahlen.
Wenn Krupp Waren Verkauft, brauchen sie Strassen im Land! Das berechtigt zur höheren Steuer.. deshalb ist die Heranziehung zu höherer Steuer auch keine beschränkung der Freiheit, sondern die Sicherung der Freiheit des Unternehmers. Die funktionierende Verwaltung ist eine Aufgabe, die keine Begrenzung der Freiheiten begründen kann, sondern eher einen höheren Personalaufwand. Freiheit kostet nunmal.
Übrigens, wenn ein Verfahrensfehler schuld an der Verfassungswidrigkeit ist, dann stecken andere Fehler dahinter, denn umsonst gibt es ja die Verfahren nicht. Doch es zeigt auch, wie schluderig die "Reformen" zustande kommen. Ich sage ja auch immer wieder: Wir haben keinen Reformstau, sondern eine Flut, schlechtgemachter Gesetze, die uns als Reformen untergejubelt werden.

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