janwModerator


Beiträge: 8488Registriert: 11.10.2003
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Lobbyismus, Wahlversprechen und Politikergehälter, da hätten wir die typischen Stammtischthemen beieinander.
Indes, die Lösungen erscheinen mir so einfach nicht zu gewinnen.
Lobbyismus:
Eines der obersten Privilegien demokratischer Parlamente seit der Französischen Revolution ist das Haushaltsprivileg: Kein Geld darf ausgegeben werden, wenn es nicht in eiem vom Parlament genehmigten Haushalt festgelegt ist.
Das hat Folgen. Zum Beispiel die, unliebsame, daß meinereiner Aufträge oft erst sehr spät bekommt, weil das Parlament den Haushalt erst sehr spät genehmigt und die Aufträge vergebende Behörde erst dann rechtswirksam Verträge schließen darf.
Zum Beispiel die, normativ wirkend faktische, daß, weil alles was Politik bewegt, Geld kostet, alle, die etwas vom Staat wollen, sei es eine neue Straße, einen Sportplatz, Rüstungsaufträge sich um die Politiker drängen, damit diese möglichst das Geld für "ihr" Projekt genehmigen. Und das umso mehr, wo Geld zum knappen Gut wird. Der einzelne Politiker muss sich dann entscheiden, je 10000 Euro für Sportplatz, Schulrenovierung, behindertengerechten Umbau der öffentlichen Gebäude, und einiges mehr, oder 300 000 Euro für die Planung einer Umgehungsstraße.
Der Lobbyismus an sich ist dabei nicht zu verwerfen, denn er bringt dem Politiker zu Bewußtsein, wo die Interessengruppen der Gesellschaft "der Schuh drückt", was SchülerElternLehrer, was Unternehmen, was Umweltverbände als aktuelles Problem ansehen und in welcher Wichtigkeit.
Als Mitglied eines Naturschutzverbandes bin ich auch Teil einer Lobby, so gesehen.
Das Problem in der Praxis ist, daß dieses System in der dargestellten Form eine ungefähr gleichwertige Ausstattung der Lobbys mit Geld, Personal, Expertenwissen, Rückhalt bei der Politik impliziert und voraussetzt.
Und da hakt es.
Wirtschaftsnahe Lobbys haben erheblich mehr finanzielle Mittel und Personal zur Verfügung als Naturschutzverbände oder erst Elternverbände. Sie können daher ganz anders bei der Politik auftreten, können Empfänge mit Kulturprogramm usw. ausrichten, bei denen das nötige gemütliche soziale Klima entsteht, um offene Ohren für die Interessen zu finden.
Außerdem "ist Geld gerne bei Geld", wie gesagt wird, anders, die Sprache des Geldes wird besser verstanden als die der Einzelprobleme der Schule xy, der Sportplatzsituation, die Probleme Behinderter im öffentlichen Raum oder der Lebensraumansprüche des seltenen Faltigen Gelbkopfspötters, dessen letzter Lebensraum nun endlich großräumig geschützt und gemanagt werden muß, wie die Naturschutzlobby findet.
Deshalb hat die Forderung nach der Umgehungsstraße gleich größeres Gewicht als der Schutz des Spötters, durch dessen Lebensraum die Trasse quer durchschneidet. Und sind die Schüler nicht schon 3 Jahre mit einer tropfenden Decke zurecht gekommen? Da können sie doch sicher noch ein Jahr...
Wenn dann der Abgeordnete noch gerne Tennis spielt mit dem Unternehmer, de durch die Umgehungsstraße besser angebunden würde, ist klar, wofür dieser sich entscheidet.
Wahlversprechen:
lykurg hat es schon gut dargestellt, mit der Ankündigung von Einschnitten ist keine Wahl zu gewinnen, gewählt wird, wer etwas positives verspricht.
Und so versucht denn der Politiker, es allen Wählern recht zu machen. Die Schule wird renoviert, dafür will er kämpfen. Der Verkehr ist unerträglich, und die Umgehungsstraße sichert den Bestand des größten Arbeitgebers, auch dafür also setzt er sich ein.
Dann aber kommt alles anders, die Steuereinnahmen brechen ein, die örtliche Bauindustrie kommt in die Krise, und ein Betriebsrat einer Autofirma hat eine Idee.
Also wird das Geld umgeschaufelt, in die versprochene Schulrenovierung und in etwas anderes, wovon die Baufirmen etwas haben - Sportplätze!
Das übrig gebleibene Geld wird dann verwendet, um das neue Bundesprogramm umzusetzen, wo Sozialhilfeempfänger nun Arbeitslosengeld bekommen.
Offenbar ein Bruch von Wahlversprechen, was die Straße betrifft, aber notwendig angesichts einer geänderten Lage.
Politikergehälter:
Die Diäten der Politiker sollen diese unabhängig machen, sie in die Lage versetzen, frei von anderen Interessen nur der öffentlichen Sache zu dienen.
Und sie sollen so hoch sein, daß sie Menschen ermuntern, in die Politik zu gehen, anstatt in die Wirtschaft. Wo sie das Doppelte verdienen könnten.
Soweit, so gut.
Die Probleme sind klar: Lobbyismus müßte auf das zurück geführt werden, was er sein soll, die legitime Vertretung von gesellschaftlichen Interessen vor der Politik.
Politiker werden bezahlt, damit sie unabhängig sein können. Unabhängigkeit, Freiheit von Partikularinteressen, das muss gefordert und umgesetzt werden.
Ganz konkret könnte das in meinen Augen so umgesetzt werden:
- Für bestimmte Politikfelder bietet der Staat Räume und eine Geldausstattung, die Lobbys für ihre Arbeit nutzen können.
Dafür ist dies der einzige Bereich, in dem sie tätig werden dürfen.
- Politiker müssen vollständig und öffentlich darlegen, in welchen Interessengruppen und Firmen sie tätig gewesen sind. Für die Dauer ihrer politischen Tätigkeit müssen sie alle diese Positionen ruhen lassen.
Dies muss mit empfindlichen Strafen für den Abgeordneten und seine Partei verbunden werden.
Was die Wahlversprechen betrifft...gegen die Änderung von Rahmenbedingungen während der Wahlperiode ist kein Kraut gewachsen.
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