TV-Duell

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.

Wer hat eurer Meinung nach das TV-Duell "gewonnen"?

Umfrage endete am So 18. Sep 2005, 18:55

Ganz klar Angela Merkel
2
8%
Eher Angela Merkel
7
29%
Weder ... noch ...
3
13%
Eher Gerhard Schröder
3
13%
Ganz klar Gerhard Schröder
9
38%
 
Abstimmungen insgesamt : 24

Lykurg
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So 4. Sep 2005, 18:52 - Beitrag #1

TV-Duell

Und nun etwas differenzierter:
Wer konnte sich als Persönlichkeit, als Redner, besser verkaufen?
Wer hat das Programm seiner Partei / seine Absichten nachvollziehbarer dargestellt?
Wer hat den Gegner geschickter angegriffen?

Ist das Duell als solches sinnvoll?
Wird das Duell deine Wahl beeinflussen?
Oder merkst du, daß deine politische Präferenz auch dein Urteil im Duell geprägt hat? ^^

Lykurg
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So 4. Sep 2005, 23:14 - Beitrag #2

Nun, kaum gesehen, amüsiere ich mich schon wieder über die Fragestellung - als ob irgendetwas anderes zu erwarten gewesen wäre...
Aber mit weiteren Fragen im Sinne von "Wer wirkte wann wie" als Umfrage wäre das Ding ziemlich kompliziert geworden. ;)

Besser verkauft hat sich - wie zu erwarten war - Schröder. Seine Art, in die Kamera zu lächeln und "Vertrauen" zu sagen, und falls die "lieben Zuschauerinnen und Zuschauer" es noch nicht gehört haben, im nächsten Satz "Vertrauen", übt eine doch recht deutliche Wirkung aus.

Die zweite Frage scheint mir schwieriger, schon weil ich fand, daß relativ wenig klare Programmdarstellung dabei war - das mag damit zusammenhängen, daß ich mich jetzt gründlich genug mit den jeweiligen Programmen beschäftigt habe, um diese hastige und situationsgebundene Wiedergabe durch Kanzler und Kandidatin als mindestens so hülsenhaft zu empfinden.

Geschickte Angriffe sah ich auf beiden Seiten. Allerdings kam Frau Merkel erst relativ spät dazu. Erstens war sie in meinen Augen deutlich unsicherer, und gewann im Verlauf des Duells etwas an Boden; zweitens wurden über lange Phasen des Gesprächs - etwa bis auf das letzte Drittel, würde ich schätzen - die Fragen grundsätzlich an sie gerichtet - mal mehr, mal weniger kritisch formuliert, jedenfalls mußte sie sich erst dagegen wehren, und dann nahm Schröder dazu Stellung, natürlich seinerseits offensiv. Wenn Frau Merkel sich dagegen zur Wehr setzen wollte, kam stattdessen sofort die nächste Frage auf sie zu. Erst relativ spät hat sie "gelernt", entweder noch einen "ganz kurzen Kommentar" davor einzuschieben, oder aber nach relativ kurzer Beantwortung der Frage noch einmal gegen Schröders vorige Position Stellung zu beziehen. Das führte aber dazu, daß ihre Aussagen etwas sprunghaft wirkten, der Zuhörer schwerer folgen konnte.

Ja, wenn und weil es die Wahlbeteiligung erhöht.
Nein, sicherlich nicht.
Ja, ich bin doch nicht blind :cool:

Monostratos
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So 4. Sep 2005, 23:17 - Beitrag #3

Gerd. Einfach nur Gerd. Hat sich Angie einfach überlegen gezeigt, die mit Statistiken und inexistenter Außenpolitik gern mal um sich geschmissen hat. Würde ich meine Wahl von diesem Duell mitbestimmen lassen, wäre das Kreuzchen klar.

Sinnvoll finde ich ein solches Duell nicht. Informationen über das Programm der Parteien hole ich mir lieber von unäbhängigen Quellen. Aber was müssen wir nicht alles von den Amis übernehmen...

Anaeyon
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So 4. Sep 2005, 23:29 - Beitrag #4

Auf jedenfall Gerd. Allein schon das Gesicht von Angie hat Bände gesprochen, während sie Schröders Argumenten zuhörte. Entweder ein gespieltes Lächeln oder noch tiefere Wundwinkel als sonst.

Was mich wundert, das man immer sagt: "in eurer Legislaturperiode habt ihr dies und das nicht umgesetzt", wobei es ja nicht so ist, als würde zu dieser Zeit eine Partei alleine sagen, was Sache ist. Immerhin gibt es Opposition, ich versteh einfach nicht, wie man das als gerechtfertigte Kritik anbringen will, wenn doch völlig klar ist, das es immer auch Leute gibt, die gegen z.b eine neue Reform stimmen - ausserhalb der eigenen Reien.

Lykurg
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So 4. Sep 2005, 23:58 - Beitrag #5

Was mich wundert, das man immer sagt: "in eurer Legislaturperiode habt ihr dies und das nicht umgesetzt", wobei es ja nicht so ist, als würde zu dieser Zeit eine Partei alleine sagen, was Sache ist.
Nein, das war doch eigentlich heute ganz deutlich anders, beide haben sich intensiv darum bemüht, ihre Kooperation bei notwendigen und "erfolgreichen" - das heißt: beim Wähler beliebten - Reformprojekten der anderen Seite vor und nach '98 zu demonstrieren. Der Sinn der Aussage ungefähr: "Glaubt bloß nicht, das könntet ihr euch auf die Fahnen schreiben!"
Konstruktive Oppositionsarbeit gilt inzwischen offenbar - und ich glaube, mehr als noch 2002 - als unbedingt notwendiges Signal zur Regierungsfähigkeit.

Anaeyon
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Mo 5. Sep 2005, 00:01 - Beitrag #6

Ja, heute war es nicht so, nur schau ich zur Zeit öfters Gespräche auf Phoenix, und da ist es mir öfters aufgefallen. Nuja, ega, ist off-topic Bild

Elbereth
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Mo 5. Sep 2005, 00:16 - Beitrag #7

Schröder hat sich viel überzeugender und selbstbewusster präsentiert als Merkel aber das war auch nicht anders zu erwarten... Sie wirkte teilweise unsicher, und ihre Weigerung etwas zu dem Thema USA/New Orleans zu sagen war etwas peinlich, aber sie war doch viel besser als ich erwartet habe. Trotzdem reicht sie nicht an Schröder heran. Sogar bei Fragen, wo ich mit der SPD nicht übereinstimme (z.B. Türkei), brachte er seine Argumente so knapp und überzeugend rüber, dass ich mittlerweile wirklich am zweifeln bin...

Ich finde solche TV-Duelle sinnvoll, weil sie eventuell das Interesse der Menschen an der Wahl wecken, es sollte nur mehr davon geben (bzw. sie soillten länger dauern) damit wirklich alle themen angerissen werden können.

Lykurg
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Mo 5. Sep 2005, 00:29 - Beitrag #8

Nun ja, Elbereth, ein massives Problem dabei ist ja dann der leicht entstehende Eindruck, daß es in der Politik vor allem auf Schlagfertigkeit ankommt - und andere Talkshowkompetenzen, Aussehen natürlich, Sprachverständlichkeit, Gestik, Ticks etc. Das wird vermutlich schon ziemlich bald die Kandidatenfrage beherrschen - und wesentlich mehr als die wohl kaum nur in meinen Augen weit wichtigere Frage, wie er/sie/es langfristige Entscheidungen trifft. Aber auch hiermit bewege ich mich eher am Rand der Fragestellung, fürchte ich...

janw
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Mo 5. Sep 2005, 00:38 - Beitrag #9

Gerd hat in meinen Augen überzeugt, es gab vielleicht eine Stelle, wo ich in der Sache Frau Merkel zugestimmt hätte - die Verwendung der Ökosteuer zu 100% für die Rentenversicherung zu verwenden war in der Tat ursprünglich erklärte Absicht, von der abgewichen wurde. Wobei der Punkt für mich nicht erheblich ist, solch eine Abweichung kann durch geänderte Rahmenbedingungen passieren.
Merkel hat sich eindeutig blamiert, als sie zu der Frage wegen des Hurricans überhaupt nichts zu sagen hatte. Weder etwas menschelndes, noch eine Solidaritätsadresse, noch etwas Wertung - nichts.

Was das Programm betrifft, fand ich schon, daß der "Geist" der Programme rüber gekommen ist - hier die gleichmäßige Verteilung der Lasten auch auf die starken Schultern, dort die Heilsuche in der mehr individuellen Verantwortung des Einzelnen und der gewollte Rückzug des Staates aus vielen Bereichen.
Daß letztlich einzelne Punkte nicht so klar abgehakt wurden, liegt IMHO in der Natur des Sendeformates.

Ob solche Duelle sinnvoll sind...in meinen Augen betonen sie sehr stark die mediale Präsenz der Kandidaten in dem Moment, was nicht unbedingt auf ihre Regierungseignung hindeuten muß. Und sie verlagern den Focus sehr stark auf die jeweiligen Spitzenkadidaten der großen Parteien, wo doch eigentlich auch den kleinen Parteien eine erheblich Bedeutung zukommt. Insofern ein Format, das eher auf das amerikanische System zugeschnitten ist.

Meine Wahlentscheidung stand bereits fest und wurde eher bestärkt.
Ja, ich bin doch nicht blind.

Interessant fand ich noch die Bewegungsanalyse nach dem Duell, wonac Schröder die linke Hand immer an der Tasche gehabt haben soll - wenig emotionale Verbindung also zum Gesagten bei ihm?
Man könnte es auch anders deuten, Selbstbeherrschung, um nicht emotional den Faden zu verlieren, meine ich.
Ich halte ihn nicht für einen Eisklotz...

Traitor
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Mo 5. Sep 2005, 01:16 - Beitrag #10

Gerd. Einfach nur Gerd.
Dito.

Ich vermische meine persönliche Bewertung direkt mit der Antwort auf die Frage, ob solch ein Duell sinnvoll ist. Im Gegensatz zu 2002, wo die Duelle noch weit zerfahrener und aussageloser waren, beantworte ich letztere dieses Mal eindeutig mit ja. Denn die erste Hälfte des Duells zeigte, dass sich die großen Parteien in Sachen Steuer- und Wirtschaftspolitik letztendlich nicht so viel nehmen. Steuer A 0,2% höher, Steuer B 3% umschichten, etc. Die einen so, die anderen so. Allerdings wurde schon hier klar: Merkel hält dies wirklich für enorm wichtig und glaubt an ihre Statistiken, während Gerd all dies schon beinahe ironisch vortrug und klarmachen konnte, dass derartige Detailfragen höchstens Nebenschlachtfelder sind und sich in eine größere Strategie einreihen. Im weiteren Verlauf wurde dann endgültig klar, dass Schröder ein echter Staatsmann ist, während Merkel nur Prozente- und sonstigen Unfug von sich gab.
Und so kann man als ein Fazit aus dem Duell ziehen: selbst, wenn man die Wirtschaftspolitik der CDU minimal besser fände, sollte man hieraus gelernt haben, dass dies locker aufgewogen wird durch die innen- und insbesondere außenpolitische Kompetenz des Regierungsoberhauptes. Es gilt zwar als gebildet, über die Amerikanisierung und Personalisierung des Wahlkampfes zu schimpfen, aber letztendlich ist es eben doch auch wichtig, einen fähigen, souveränen und im Ausland Respekt erhaltenden Staatsmann an der Spitze zu haben statt einer inkompetenten Figur, die niemand ernst nehmen wird.

Zur vollkommenen rhetorischen, mimischen und gestischen Überlegenheit Schröders muss man kaum ein Wort verlieren. Besonders bemerkenswert fand ich noch Merkels Metaphern-Krankheit. Ich bin mal gespannt, was so alles passiert, wenn sie einen Schritt auf den Tisch legt, die Versorgung auf breite Füße und die Weichen nach oben stellt.
Und bemerkenswert war, wie Schröder sich seit 2002 weiterentwickelt hat: damals war er schon stark überlegen, aber doch Gast in der Sendung; heute beherrschte er sie völlig, konnte auch die Moderatoren nach Belieben lenken und wirkte vollkommen wie der Herr der Veranstaltung. Für 2009 beantrage ich "Das Gerd-Duell, mit Herausforderer XY als Sondergast".

Lykurg
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Mo 5. Sep 2005, 01:44 - Beitrag #11

Für 2009 beantrage ich "Das Gerd-Duell, mit Herausforderer XY als Sondergast".
Traitor, du scheinst zu vergessen, daß die Umfragewerte meilenweit von einer Rot-Grün-Neuauflage entfernt sind. Ich glaube nicht, daß das Duell da noch die Wende bringt... wir werden es im Lauf des Tages erfahren. Als Moderator würde sich Schröder vielleicht eignen, aber das wäre irgendwie nicht ganz neutral - dafür müßte sich die SPD vorher auflösen, und ich glaube, ganz so schlimm kommt es dann doch nicht. Und wenn wir schon beim Sprachlichen sind: Ich weiß nicht, warum Schröder im Schlußplädoyer unbedingt vom Tête-a-Tee reden mußte, aber jedenfalls hat Nowottny es ihm keine halbe Stunde später nachgemacht. :P
Ironie konnte ich nicht erkennen, sicher eine größere Gelöstheit, aber das kann auch damit zusammenhängen, daß es ihn weniger interessiert, er hat eben "die ruhige Hand" im Umgang mit Statistiken, was kümmern ihn da die 4,3 oder eben 5 Mio. ;)

Die Frage des Respekts im Ausland - nun, immerhin hat Angie inzwischen ein für eine Oppositionsführerin beeindruckendes diplomatisches Pensum absolviert - inklusive Gespräch mit Bush, der ja für Fischer bekanntlich keine Zeit hatte. Natürlich haben die Amerikaner ein Interesse an einer CDU-Regierung in Deutschland, genau wie Putin neulich in Berlin für Schröder lächelte - aber das ist jetzt völlig oT. Aber noch eine Beobachtung aus dem Duell, eine seiner Äußerungen zur Außenpolitik. Er zählte die Problemherde im nahen Osten auf - Irak, Iran, Kaukasus und Kurdenfrage, und meinte dann, die Vollmitgliedschaft der Türkei wäre ein Sicherheitszuwachs für die EU. Ich finde das eine gewagte These. Klar, die Türkei muß ein enger Verbündeter sein, schon um zu gewährleisten, daß sie nicht abdriftet. Aber die massiven nachbarlichen und sogar inneren (Kurden-Unterdrückung) Probleme, die damit auf die EU zukämen... nein, von mehr Sicherheit würde ich da sicherlich nicht sprechen.

Elbereth
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Mo 5. Sep 2005, 10:58 - Beitrag #12

@lykurg



Türkei muß ein enger Verbündeter sein, schon um zu gewährleisten, daß sie nicht abdriftet. Aber die massiven nachbarlichen und sogar inneren (Kurden-Unterdrückung) Probleme, die damit auf die EU zukämen... nein, von mehr Sicherheit würde ich da sicherlich nicht sprechen.


Nunja, da die Mitgliedschaft der Türkei eh erst in mehren Jahren in Frage kommt, geht Schröder wohl davon aus, dass sie bis dahin ihre internen Probleme geregelt haben, ich glaube auch nicht dass sie sich dann noch groß auf die EU auswirken würden... Mit dem Sicherheitszuwachs meinte Schröder wohl eher die Sicherheit vor dem Terrorismus und die Beruhigung der Lage in den islamischen Staaten. Denn mit der Türkei wäre die EU nicht mehr nur etwas rein "westliches" und jeder Angriff (Anschläge etc) auf ein EU-Land würde auch der Türkei schaden, und da werden sich die islamischen Terroristen wohl 2 mal überlegen ob so ein Angriff sinnvoll (für sie) ist. Ausserdem wäre die Türkei dann ein Beispiel, wie ein Land Islam, Demokratie unbd westliche Werte unter e@inen Hut bringen kann (im Idealfall).


Und zu Beschränkung auf die Persönlichkeiten: Natürlich reicht es nicht, sympatisch rüberzukommen, wenn man kein gutes Programm hat, doch es ist trotzdem enorm wichtig, ob der Kanzler überzeugend und logisch argumentieren kann, und das konnte meiner Meinung Schröder besser. Ausserdem fand ihn teilweise auch ziemlich ironisch, und sehr schlagfertig, und in der Aussenpolitik kann auch die Persönlichkeit einiges bewirken...

LadysSlave
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Mo 5. Sep 2005, 11:55 - Beitrag #13

Ich habe mir die platten Sprüche nicht angesehen, wollt den Abend mit Niveau verbringen

Lykurg
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Mo 5. Sep 2005, 11:55 - Beitrag #14

@Elbereth: Wir bewegen uns immer weiter vom Thema, aber das kann ich jetzt nicht so stehen lassen:
Denn mit der Türkei wäre die EU nicht mehr nur etwas rein "westliches" und jeder Angriff (Anschläge etc) auf ein EU-Land würde auch der Türkei schaden, und da werden sich die islamischen Terroristen wohl 2 mal überlegen ob so ein Angriff sinnvoll (für sie) ist.
Damit verkennst du den islamistischen Terrorismus der Gegenwart total. Denn einerseits ist die derzeitige Staatsform, Entwicklung und Bündnisorientierung der Türkei den Islamisten sowieso ein Dorn im Auge. Ein laizistischer Staat mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung und relativ freier Presse - du hast absolut recht, daß das eine Beispielfunktion für andere Nahoststaaten haben kann. Eben deswegen ist die Türkei einer erheblichen Gefährdung durch Terroristen ausgesetzt.

Und meinst du wirklich, daß es mögliche Attentäter in Deutschland, Großbritannien oder einem anderen EU-Mitgliedsland in ihrer Entscheidung im Mindesten beeinflußt, daß ihr geplanter Anschlag die wirtschaftliche Entwicklung der EU und damit auch der Türkei stören könnte? Oder daß er auch Moslems treffen kann? Für die muslimischen Opfer der Terroranschläge in Istanbul 2003 zum Beispiel hatte Al Qaida kein Mitleid - sie werden als "Kafir", Ungläubige, bezeichnet, wenn sie irgendwie mit dem Westen in Berührung kommen. Islamische Organisationen erkennen, daß für sie ein gemäßigter Islam eine viel größere "Gefahr" ist als ein wie auch immer geartetes Verhalten der 'Ungläubigen' im Westen.

Weitere Beispiele dafür, daß den Terroristen die Religionszugehörigkeit ihrer Opfer reichlich egal ist, finden sich Tag für Tag in den Konfliktregionen des Irak. Die Masse der Opfer sind Schiiten. --- Ich habe eben einen Thread in einem sehr spannenden Deutsch-Afghanischen Forum gelesen, den ich nur empfehlen kann. Die Analysen des Islamismus sind sehr viel tiefergehend, als es mir als Außenstehendem möglich wäre... Dort heißt es unter anderem:
Die Leute, die solche Anschläge verüben, denken in genausolchen pauschalen, verallgemeinernden Art und Weise. Für sie sind also alle nicht streng muslimisch lebenden Menschen, Personen, die sich selber erniedrigen, verkaufen, entwerten. Folglich ist ihnen das Leben solcher Menschen nichts, aber auch gar nichts Wert!
Dem möchte ich in dieser Frage nichts mehr hinzufügen - es gehört ja wirklich nicht hierher. Aber die Problematik, auf die wir uns da einlassen, nicht zu sehen, halte ich für eine massive Schwäche des "fähigen, souveränen und im Ausland Respekt erhaltenden Staatsmann[es]" (Traitor), als der Schröder so gerne auftritt - womit er auch gestern offensichtlich wieder punkten konnte.

Bowu
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Mo 5. Sep 2005, 13:11 - Beitrag #15

Wenn man die Institution Fernseh Duell bewertet sollte man wohl auch nicht immer nur von sich ausgehen. Wir, die wir politisch wohl durch oder überdurchschnittlich interessiert sind, holen uns sicher sachlichere Informationen aus anderen Quellen. Allerdings sind diese Rededuelle deutlich besser als nur Revolverblättern die Wahlwerbung zu überlassen.

Für mich war es einfach nur unterhaltsam, wie Schröder die werte Dame immer wieder auflaufen lies.

Beste Stelle: Schröder hatte gerade auf dem CDU Programm rumgehackt (glaub war bei der Frage zur EU), Merkel wollte etwas sagen, hob Stimme und Hand - und verstummte als die nächste Frage kam. Da tat mir Frau Merkel einfach nur leid. :)

Negativ fand ich, dass die Fragen an Frau Merkel deutlich kritischer gestellt waren als die an Herrn Schröder... . Schröder bekommt eine Steilvorlage für seine Familie, und Merkel wird zu Kirchhoff befragt... . Das war nicht nett, auch nicht ganz fair, aber irgendwie doch unterhaltsam.

Lykurg
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Mo 5. Sep 2005, 14:08 - Beitrag #16

Merkel wollte etwas sagen, hob Stimme und Hand - und verstummte als die nächste Frage kam. Da tat mir Frau Merkel einfach nur leid. :)

Negativ fand ich, dass die Fragen an Frau Merkel deutlich kritischer gestellt waren als die an Herrn Schröder... . Schröder bekommt eine Steilvorlage für seine Familie, und Merkel wird zu Kirchhoff befragt... . Das war nicht nett, auch nicht ganz fair, aber irgendwie doch unterhaltsam.
Eben das meinte ich auch (mit meiner Kritik am Ablauf der Veranstaltung). Dadurch, daß Merkel mehr und schärfere Fragen gestellt bekam, mußte Schröder mehrfach nur noch auf sie reagieren, hatte viel mehr Zeit zum Nachdenken und konnte dabei punkten. Sie dagegen bekam kaum Gelegenheit, gegen Schröders Ausführungen zu kontern, weil gleich die nächste Frage an sie kam.

Außerdem - das fiel mir erst gegen Ende auf - wurden die Fragen an Schröder vor allem von Sabine Christiansen gestellt. Die habe ich schon längst total gefressen, das wäre eigentlich noch einen eigenen Thread wert. Jedenfalls konnte er ihre soft-verwirrte Art zu fragen mehrfach ausnutzen, um vom Thema abzukommen, und Christiansen hatte überhaupt keine Chance, ihm das Wort abzuschneiden (was sie ja immer gern versucht), weil er sich einfach stimmlich durchsetzte.

Von Thomas Kausch war ich auch überhaupt nicht angetan, seine Fragen klangen zum Teil ziemlich unprofessionell - schon eine seiner ersten Steuerfragen ging an der Sache vorbei. Und die Steilvorlage für Schröder war einfach total daneben. Was hat es mit der Wahl zu tun, wie sehr der Bundeskanzler seine Frau liebt? (Hätte Merkel sowenig Stil wie ich, hätte sie erwähnt, daß Doris immerhin seine vierte ist ;) .)

Also: Da waren mir eindeutig zu viele und die falschen Köche am Werk. Und daraus werden jetzt die an dieser Stelle traditionell zu beschimpfenden Bild-Leser ihre Wahlentscheidung formen... es graust mir dabei. ^^

janw
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Mo 5. Sep 2005, 15:09 - Beitrag #17

Zitat von lykurg:Dadurch, daß Merkel mehr und schärfere Fragen gestellt bekam, mußte Schröder mehrfach nur noch auf sie reagieren, hatte viel mehr Zeit zum Nachdenken und konnte dabei punkten. Sie dagegen bekam kaum Gelegenheit, gegen Schröders Ausführungen zu kontern, weil gleich die nächste Frage an sie kam.

Nun ja, es bestätigt sich wohl doch, daß von Frauen bei gleichem Lohn immer doppelt soviel Leistung gefordert wird als von Männern... :rolleyes:

Wurde Schröder wirklich nur von Christiansen befragt? Daß er öfter übers Thema hinausging, war mir wohl aufgefallen, aber das andere war mir entgangen.
Aber das hätte sie auch stärker tun können, als sie es dann getan hat - statt sich mit einem Ausdruck der Verzweiflung im Gesicht abzuwenden, wenn Schröder ihr mißfiel.

Was die familiäre Steilvorlage betrifft, nun sie wurde eingeleitet mit dem Zitat deutlicher Kritik, mit der Frau Schröder in der Bild zitiert worden war.
Ein Punkt, der durchaus rechtmäßig aufgegriffen wurde, wie ich finde, und der auch psychologisch interessant ist: Wie wird er reagieren, wenn er auf menschlicher Ebene in die Enge getrieben wird?
Daß er letztlich ihre Engagiertheit betont und gelobt hat, diese als einen Grund für seine Zuneigung hingestellt hat - ist doch nicht der Lösungen schlechteste. Daß sie seine 4. ist, ist das seine Schuld?

Für mich hat Merkel sich selbst ein Problem geschaffen, in dem sie zugelassen hat, daß sich zwei konkurrierende Steuerreformmodelle als potentielle CDU-Handlungen in den Köpfen festsetzen.
Es fehlt eindeutig das "basta" von ihr, wonach das Kirchhof-Modell eben eindeutig nicht zur Debatte steht. Und dieses basta hätte vor ein paar Tagen kommen müssen.
So aber konnte sie den Eindruck nicht zerstreuen, daß zuerst die CDU-Programmatik kommt, in zwei Jahren dann aber Modell Kirchhof.

Und abseits dieser Frage und ihrer in meinen Augen wenig überzeugenden Äußerung wegen der Türkei kamen von ihr überwiegend slogans wie "Vorfahrt für Arbeit". Was ist mit jenen, die definitiv keine Arbeit mehr finden werden? Was ist mit unserer gesellschaftlichen Verfasstheit? Mir hat sich da nichts von ihr festgesetzt, wo doch hier das sonst immer betonte C das etwas verfremdete S übertönen könnte.
Gut, es wurde auch nicht gerade danach gefragt...aber dazu trotzdem etwas zu sagen, das hätte sie für mich sympathisch gemacht.

Und sprachlich gewandter war für mich der Kanzler, die merkelschen Metaphern qualifizieren sie nicht gerade in meinen Augen.

Zitat von lykurg:was kümmern ihn da die 4,3 oder eben 5 Mio.

Nun, die Zahl ist durchaus eine Betrachtung wert. Wenn ich es richtig sehe, sind nämlich seit dem Abgang des Dicken nicht wirklich viele Menschen dazu gekommen, die wirklich Arbeit suchen. Es ist wohl eher so, daß die Zunahme durch eine ehrlichere statistische Behandlung zustande gekommen ist.
Die Probleme hat uns also der Dicke eingebrockt.

Zitat von lykurg:nun, immerhin hat Angie inzwischen ein für eine Oppositionsführerin beeindruckendes diplomatisches Pensum absolviert - inklusive Gespräch mit Bush, der ja für Fischer bekanntlich keine Zeit hatte.

Man muß aber wohl konzedieren, daß die als relevanteste außenpolitische Macht eingestufte usa personell eher irrelevant vertreten wird. Für wen Bush Zeit hat...
Für wen Bush keine Zeit hat, das sind offenbar seine armen Landsleute, die ausgerechnet dann absaufen, wenn er im Urlaub ist.
Für ihn, nichtmal meine linke Hand!

Was die Türkei betrifft, das ist sicher ein diskussionswürdiges Thema. Hatten wir da nicht mal einen thread zu?

aleanjre
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Di 6. Sep 2005, 00:24 - Beitrag #18

Ausländische Presse

Hamburg (dpa) - Für eine Reihe europäischer Zeitungen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag das TV-Duell mit Unionskandidatin Angela Merkel wie erwartet gewonnen. Diese habe sich aber besser als erwartet geschlagen. Einige Kommentatoren sind aber auch vom Merkel-Auftritt enttäuscht:

«LA REPUBBLICA» (Italien): «Er war besser, aber damit hatten auch alle gerechnet. Sie hat es verstanden, sich schneidender, präziser, kämpferischer als erwartet zu zeigen.»

«BERNER ZEITUNG» (Schweiz): «Merkel hat insgesamt besser abgeschnitten als erwartet, aber Schröder hat ebenfalls gepunktet. Die deutsche Bundestagswahl wurde wohl doch nicht in einem Fernsehstudio entschieden.»

«BASLER ZEITUNG» (Schweiz): «Sie werde das Medium Fernsehen nutzen, um ihre Argumente und Vorstellungen darzulegen, hatte Merkel vor dem Duell gesagt. Das tat sie - mit einem Selbstbewusstsein, das wohl nicht jeder erwartet hatte.»

«LE SOIR» (Belgien): «Gegenüber der nervösen und manchmal eingeschüchterten konservativen Kandidatin, die sich in den Zahlen verhedderte, trat der Kanzler auf wie jemand, der eine Lektion erteilt... Locker gegenüber einer wenig überzeugenden Angela Merkel hat Schröder auf deren Attacken nicht reagiert.»

«LIBÉRATION» (Paris): «Anfangs mit bleichem Gesicht und verkrampften Zügen, hat Angela Merkel von der zweiten Frage an begonnen, sich zu entspannen. Der Kanzler hat es vermieden, den Macho zu spielen, doch er konnte sich einige gezwungene Lacher und herablassende Bemerkungen nicht verkneifen.»

«NEUE ZÜRCHER ZEITUNG» (Schweiz): « Am Sonntag vermochte... keiner der Kontrahenten einen eindeutigen Vorteil verbuchen.»

«IL MESSAGGERO» (Italien): «Das Streitgespräch war sehr zivil, fast freundschaftlich und... sogar etwas langweilig.»

«SALZBURGER NACHRICHTEN» (Österreich): «Vor die Wahl gestellt zwischen einer erfolglosen Regierung und einer Opposition, der nicht viel zuzutrauen ist, müssen einem die Deutschen Leid tun.»

LadysSlave
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Di 6. Sep 2005, 09:25 - Beitrag #19

Nachdem ich von einem befreundeten Jounalisten, der beim ZDF arbeitet, gehört habe, wie normalerweise Gespräche mit Schröder ablaufen, hatte ich eh kein Interesse an der Politshow. Schröder verlangt, dass sämtliche Fragen vorher eingereicht werden, damit seine Crew die Antworten zusammenstrickt und er damit telegen wirkt. Die Fragen müssen deshalb so früh eingereicht werden, damit er seine Antworten noch auswendig lernen kann. Das wirkt halt souveräner. Und deshalb denke ich mir, wird die FDJ Sekretärin ihre Fragen ebenfalls früh genug bekommen haben, wollt aber nicht so souverän wirken um bei den Macho´s den Beschützeristinkt zu wecken und damit dann die restlichen Wahlstimmen zu aktivieren. Denn Frau Merkel ist keine Dumme und weiss genau, wie sie wirkt. Sie ist nicht umsonst Kohls Nachfolgerin geworden.

Jedenfalls hab ich mir dann gedacht, dass ich die Zeit mit einem guten Science Fiction Roman von Isaak Asimov besser verbringe. hab ich zwar vor zig Jahren schon mal gelesen, aber - das ist das merkwürdige - bewirken dieselben Ideen heutzutage ganz andere Schlussfolgerungen und gedachte Auswirkungen, als damals. Aber das wäre dann wieder ein Fall für das .."was hast du gelesen" Thema

Lykurg
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Di 6. Sep 2005, 10:33 - Beitrag #20

Schröder verlangt, dass sämtliche Fragen vorher eingereicht werden, damit seine Crew die Antworten zusammenstrickt und er damit telegen wirkt. Die Fragen müssen deshalb so früh eingereicht werden, damit er seine Antworten noch auswendig lernen kann. Das wirkt halt souveräner. Und deshalb denke ich mir, wird die FDJ Sekretärin ihre Fragen ebenfalls früh genug bekommen haben, wollt aber nicht so souverän wirken um bei den Macho´s den Beschützeristinkt zu wecken und damit dann die restlichen Wahlstimmen zu aktivieren. Denn Frau Merkel ist keine Dumme und weiss genau, wie sie wirkt. Sie ist nicht umsonst Kohls Nachfolgerin geworden.
Nun, dann wäre ihre Strategie wohl ziemlich danebengegangen, wie insbesondere die Ergebnisse bei den "Unentschlossenen" zeigen (laut Forschungsgruppe Wahlen fanden von denen nach der Sendung 58% Schröder und nur 16% Merkel überzeugender). Und da ich sie ebenfalls nicht für ganz dämlich halte, gehe ich dann doch eher davon aus, daß ihr diese spezielle Vorbereitung fehlte. Was die ganze Geschichte (=ein solches Duell als Entscheidungshilfe) noch viel fragwürdiger macht.

Daß bei diesen Duellen ganze Verhandlungsteams die genauen Bedingungen festlegen, ist bei ihrer Wirkung verständlich. Bei den letzten US-Duellen zum Beispiel mußten die Duellanten hinter ihren Pulten bleiben, damit Kerry seine beeindruckendere Körpergröße nicht so zur Geltung bringen konnte :) Und Mitterand legte bei einem Duell mit Chirac die genauen Maße des Tisches fest: Er entsprach damit genau dem Tisch, an dem ihm der damalige Ministerpräsident Chirac zum wöchentlichen Rapport erschien. Das Ergebnis war, daß Chirac, der ihn während des Duells betont "Monsieur Mitterand" nannte, irgendwann versehentlich "Monsieur le President" sagte - zur Belustigung der ganzen Nation. :D

Aber andererseits - sich durch fehlende Vorbereitung so die Butter vom Brot nehmen zu lassen, paßt auch schlecht. Hmm... ob Schröder vielleicht irgendwelche guten Kontakte in die Redaktionen hat? Davon ist wohl auszugehen, auch durch die indirekten Medienbeteiligungen der SPD.

Ich muß mich übrigens korrigieren: Die Frage nach Doris stellte nicht Kausch, sondern Kloeppel. Und ihre Beantwortung durch Schröder wurde von einigen Kommentatoren auch als "schwimmend" bezeichnet - aber das sehe ich nicht so.

Ein Musterbeispiel für die meilenweit differierenden Interpretationsmöglichkeiten der Sieger-Frage, die sich laut unserer Umfrage ja kaum stellt, ist der stellvertretende Stern-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges. Er gab von sich, Merkel hätte Schröder "brilliant entzaubert" als einen "kraftlosen Mann von gestern." :crazy: Sogar die WELT meint dazu, er bewerbe sich wohl um einen Pressesprecherposten, Wolfgang Clement sagte ungefähr, wenn ich mich richtig erinnere: Das solle ein neutraler Journalist gewesen sein? "Da hätte man ja genausogut mich fragen können." :D

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