Eine Fraktion, x Parteien?

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janw
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Do 22. Sep 2005, 12:13 - Beitrag #1

Eine Fraktion, x Parteien?

Schon länger gärt bei mir ein gewisses Unbehagen über die Verhältnisse zwischen der CDU und der CSU. Zwei Parteien, die im Bundestag eine Fraktion bilden.

Und diese Konstruktion dient nun zur Rechtfertigung von Machtansprüchen, andererseits wird die Rechtmäßigkeit der Konstruktion angezweifelt.

Wie seht Ihr das?

Wie ich es finde, genau?
Nun, ich bin für Klarheit und Transparenz, eine Fraktion sollte für mich eine Partei repräsentieren. So denke ich aufs erste Hinsehen.
Allerdings liegen die Dinge nicht so einfach, weil die beiden Parteien nicht bundesweit auftreten - die CDU nicht in Bayern, die CSU nur in Bayern.
Es ähnelt also dem, was zum Vergleich im Europäischen Parlament normal ist, die verschiedenen konservativen Parteien der Mitgliedsstaaten bilden dort die Fraktion der Europäischen Volkspartei, die sozialdemokratischen Parteien finden sich zu einer entsprechenden Fraktion zusammen.
Ebenso die Liberalen, ebenso die Grünen.

Im Grunde, könnte man sagen, ist dies Ausdruck dessen, daß sich im Parlament Fraktionen bilden von gleich gesinnten Parlamentariern, wie ja von der Theorie her nur die Gesinnung, das individuelle Gewissen des einzelnen Parlamentariers entscheidend ist. Was eben nicht unbedingt bedeuten muß, ja, sollte, daß dieser in allem und jedem seiner Partei folgt.

Nun ja, ich würde mir wünschen, daß die CDU-CSU-Fraktion nicht die größte wäre derzeit. Sie zu spalten, was wäre da verlockender?
Die Geschäftsordnung zu ändern, das wäre sicher ein Weg dahin.
Allerdings gibt es einen Rechtsgrundsatz, der besagt, daß eine Handlung nur dann bestraft werden darf, wenn sie zur Zeit der Tat strafbar gewesen ist.
Hierauf angewandt, könnte man sagen, daß die Geschäftsordnung in ihrer jetzigen Form die derzeitige Fraktionskonstellation zuläßt und dadurch mit Grundlage ist für die jetzige Bildung einer neuen Regierungskoalition.
Erst für den nächsten "Fall", die nächste Wahl also könnte demnach die Änderung der Geschäftsordnung wirksam werden.

Könnte ich mir denken zumindest.

Wenn ich heute in meiner Zeitung lese, daß Herr Lafontaine Sympathien zum jetzigen Wahlprogramm der SPD bekundet, das nun näher sei an dem, was er immer gefordert habe, frage ich mich, ob es nicht besser wäre, etwas anderes zu tun:
Wie wäre es denn, wenn SPD und Linke eine Fraktion bildeten?

Maglor
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Do 22. Sep 2005, 13:03 - Beitrag #2

Nun, ich denke das Verhältnis von CDU und CSU hat sich nach der Kanzlerkanidatur Edmund Stoibers gewandelt. Ich glaube früher hat man sie einfach in einen Topf geworfen, man hat meist mit einer Stimme gesprochen und sich nie als Paar sondern immer als ganzes präsentiert.
Die CDU/CSU zeigt sich heute gern als CDU und CSU, quasi als gleichberechtigte Partner. Dies mag vielleicht an der Stärke Stoibers und dem noch maßlosen Führungsrolle Merkels liegen. Ich glaube, in der Ära Kohl, war es undenkbar, dass neben dem CDU-Vorsitzenden noch der CSU-Chef auf gleicher Stufe sitzt.
Interessant ist vielleicht auch wie die Union ihr Zwei-Parteiensystem nutzt, um mehrere Meinungen gleichzeitig zu repäsentieren. Gekonnt erhält da die CSU immer wieder den Schein einer sozial-lonservativen Partei, im Gegensatz zur schlicht neoliberalen CDU.

Zitat von janw:Wie wäre es denn, wenn SPD und Linke eine Fraktion bildeten?

Diese Möglichkeit schließe nicht keineswegs aus, alles wäre eine Spaltung der Linken Fraktion dafür sicherlich erforderlich.
Interessant ist vielleicht auch, dass die Fraktion "Die Linke." ebenfalls aus Mitgliedern zweier Parteien besteht. Neben Angehörigen der Linken (PDS), sitzen dort auch Anhegörige der WASG, und die teilen zumindest jetzt noch nicht das Parteibuch mit Gregor Gysi.
Auch hier zeigt sich die Doppelspitze Lafontaine und Gysi, quasi parallel zu Stoiber und Merkel.

MfG Maglor

Ipsissimus
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Do 22. Sep 2005, 13:20 - Beitrag #3

na ja, aber "die Linke" tritt zumindest nach außen als eine Partei auf

Politik ist die Kunst des Machbaren, machbar war ja vor ein paar Wochen und ein paar Jahren auch schon die Auflösung des Bundestages mit einer höchst fraglichen Begründung. Von daher wäre es nur ein Schachzug im Spiel um die Macht, wenn es gelänge, den gemeinsamen Fraktionsstatus der CDU/CSU aufzuheben.

Andererseits wäre es ein besonders durchsichtiger Schachzug, bei dem schon im Ansatz erkennbar ist, daß es dafür keine innere Notwendigkeit gibt, sondern daß er um des Machterhaltes willen durchgeführt würde.
Das Gefühl der Ohnmacht, daß "die da oben" machen können, was und wie es ihnen gerade beliebt, würde dadurch sicher nicht gerade gemildert werden; die psychologischen Folgen auf die Wahlbeteiligung halte ich für gravierend ... insofern sollen sie, die Politiker, nur machen^^ sie werden immer mehr Wähler von der Wahl abhalten^^

Lykurg
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Do 22. Sep 2005, 13:53 - Beitrag #4

Nun, ich denke das Verhältnis von CDU und CSU hat sich nach der Kanzlerkanidatur Edmund Stoibers gewandelt. Ich glaube früher hat man sie einfach in einen Topf geworfen, man hat meist mit einer Stimme gesprochen und sich nie als Paar sondern immer als ganzes präsentiert.
Maglor, das war zur Zeit von Stoibers "Übervater" Strauß aber anders... Auch der hat auf der Klaviatur der Macht virtuos gespielt und die Eigenständigkeit der CSU betont - aber das war vor unserer Zeit. Hierzu wäre vielleicht ein Beitrag eines der älteren Hasen erhellend.

@janw
Wie wäre es denn, wenn SPD und Linke eine Fraktion bildeten?
Dann würden ja auch die PDS-Mitglieder bei / in der SPD landen... Ich glaube, das würde auf beiden Seiten wenig Gegenliebe finden. Außerdem haben sich ja auch die WASGler bewußt von der SPD abgespalten - weil ihre Ansichten mit denen der SPD nicht vereinbar waren, und um ein Zeichen gegen die Sozialreformen zu setzen. Diesen Schritt jetzt wieder rückgängig zu machen, weil das neue SPD-Programm 'näher an dem ist, was Lafontaine sich vorstellte', könnte ich nicht verstehen. Einerseits sehe ich keine so deutlichen Veränderungen in der SPD-Position, andererseits hätten die WASGler, wenn die Unterschiede tatsächlich so gering gewesen wären, doch nicht austreten müssen, sondern durch deutliche parteiinterne Stellungnahme ihren Zielen deutlich näherkommen können - statt auf Protest zu setzen und damit wenig (und noch weniger Positives) zu erreichen.

@Ipsissimus, dir ein weitestgehendes Ja, allerdings nehme ich bezüglich der Wahlbeteiligung an, daß die Vergeßlichkeit vieler Wähler dafür Sorge trägt, daß der Wortbruch nicht allzu gravierend bestraft wird. Wenn du möchtest, gehe ich sogar so weit, den Medien eine deutliche Mitverantwortung zu übertragen, da sie den Wähler vor der Wahl nicht in genügender Weise an gebrochene Wahlversprechen erinnern. -
Ein ordentliches Wahlkampfspektakel zieht dann doch wieder an die Urnen, und was vor zwei bis vier Jahren geschehen ist, danach kräht doch kein Hahn mehr.

Ipsissimus
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Do 22. Sep 2005, 15:47 - Beitrag #5

dem ist wohl leider so, Lykurg

wie wäre es damit, daß jeder einzelne Politiker, der sich zu einer Wahl stellt, vorher eine Liste seiner Wahlkampfversprechen schriftlich und verbindlich niederzulegen hat, und hinterher im Falle der Regierungsbeteiligung seiner Partei für jedes nicht vollinhaltlich eingehaltene Versprechen ein Jahr in den Knast muss - ohne Bewährung?

Lykurg
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Do 22. Sep 2005, 15:57 - Beitrag #6

Das ist unrealistisch, weil einerseits die Regierungsbeteiligung in den meisten Fällen ja bedeutet, daß Kompromisse eingegangen werden müssen, also keine vollinhaltliche Erfüllung möglich ist; dann, weil niemand genau genug wahrsagen kann, um die wirtschaftlichen und sonstigen innen- und außenpolitischen Entwicklungen der nächsten vier Jahre vorherzusehen.

Die Einrichtung eines solchen Systems würde zudem daran scheitern, daß diejenigen, die es beschlössen, ja selbst am stärksten von seinen Folgen betroffen wären. Und wer würde es riskieren wollen, unter solchen Umständen einen Regierungsposten zu übernehmen? Dann sind eventuell nur noch diejenigen dazu bereit, denen die Sorge davor, ins Gefängnis zu kommen, vergangen ist... oder diejenigen, die Macht so sehr erstreben, daß ihnen das Risiko egal ist... auch nicht viel besser.

Maglor
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Do 22. Sep 2005, 16:08 - Beitrag #7

Nun, damals in der Stalinzeit hat das durchaus funktioniert...

Ipsissimus
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Do 22. Sep 2005, 16:12 - Beitrag #8

och, das könnte doch spielend umgangen werden ... mit wahrheitsgemäßen Aussagen^^

Traitor
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Sa 24. Sep 2005, 20:42 - Beitrag #9

Ich hielt es zwar schon immer für albern, dass Bayern seine eigene Partei (genaugenommen sogar deren zwei, aber die eine hat sich ja marginalisiert) hat, aber es sind nunmal Bayern und somit ist es so.
Es ist in meinen Augen dann auch völlig in Ordnung, dass CSU und CDU auf Bundesebene eine gemeinsame Fraktion bilden - so groß ist trotz allem der Unterschied zwischen der CSU und einem sehr starken Landesverband einer Partei nicht. Wenn dann grade ein starker CSUler vorhanden ist (Strauß, Stoiber) und idealerweise noch ein schwacher CDU-Chef, dann kann sich die CSU nahezu den Rang eines gleichberechtigten Partners erringen, ansonsten fällt sie wieder auf das Niveau des stärksten Landesverbandes zurück.

Eine Vereinigung von Linken und SPD halte ich für ausgeschlossen - dafür müsste sich schon herausstellen, dass die ganze Linke nur eine Verschwörung des Großilluminaten Schröder war. Höchstens einige Abspaltungen und Zurück-in-die-Partei-Bewegungen einzelner Abgeordneter wären im Laufe der Jahre denkbar, wobei ich mir nicht sicher bin, wie genau hier das Wahlrecht aussieht - ein direkt gewählter Abgeordneter behält sein Mandat beim Parteiwechsel sicher, aber wie mag es mit Listenkandidaten aussehen?

Ein launiger WDR2-Kommentator hat gestern abend übrigens vorgeschlagen, bei der geplanten Geschäftsordnungsänderung auch gleich dafür zu sorgen, dass auch die jetzigen 52 Kommunisten genauso wie die 2 anno 2002 kein Recht auf einen Tisch bekommen.

AJ
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Mi 28. Sep 2005, 22:58 - Beitrag #10

Ich finde es nicht richtig, dass die CDU und die CSU getrennte Mittel beim Wahlkampf, TV-Auftritte usw. bekommt und dann im Parlament als eine Fraktion gilt. Sie legen das Gesetz immer so aus, wie sie es gerne hätten. Mal wollen Sie eine Fraktion sein und dann wieder 2 eigenständige Parteien.


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