Mit großformatigen Anzeigen wirbt der Gründer der Drogeriemarktkette dm Werner für ein garantiertes Grundeinkommen. Das Geld dafür soll eine Steuerreform einbringen, gegen die die Pläne von Paul Kirchhof zaghaft erscheinen. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklären er und der Steuerexperte Benediktus Hardorp, wie das Ganze funktionieren soll.
SPIEGEL ONLINE: Herr Werner, Herr Hardorp, Sie fordern ein Bürgergeld, das jedem zustehen soll, egal ob er arbeitet oder nicht, ob er arm ist oder reich. Wie soll das funktionieren?
Dm-Gründer Werner: "Den Menschen Faulheit zu unterstellen ist unfair, und es wird auch der Wirklichkeit nicht gerecht"
Götz Werner: Nach unserem Modell hätte jeder einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betrag in Höhe von durchschnittlich 1200 Euro pro Monat. Der Unterschied zur heute geübten Praxis würde darin bestehen, dass der Betreffende nicht erst Bedingungen erfüllen muss, um Geld vom Staat zu erhalten.
SPIEGEL ONLINE: Sie wollen also auch denjenigen Geld geben, die es eigentlich gar nicht nötig hätten?
Werner: Jeder könnte darüber verfügen, ohne als Bittsteller dazustehen. Auf der Basis einer solchermaßen gesicherten Existenz hätte er den Freiraum, den er braucht, um seine Fähigkeiten in die Gemeinschaft einzubringen.
SPIEGEL ONLINE: Heute haben diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten können, auch ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Unterstützung. Sie weiten den Kreis der Empfänger nur drastisch aus.
Werner: Heute muss jeder nachweisen, dass er nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Ein Beleg für sein Unvermögen sozusagen. Das macht die Menschen zu Almosenempfängern, und das belastet ungeheuer. Die einen kapseln sich ab, werden phlegmatisch, die anderen suchen sich ihre Bestätigung möglicherweise durch Imponiergehabe oder im Extremfall sogar in Gewalt, wie das in den vergangenen Wochen in Frankreich zu beobachten war.
Benediktus Hardorp: Aber nicht nur für die Bedürftigen würde sich viel ändern: Niemand würde mehr arbeiten, um seine Existenz zu sichern, sondern weil er in der Arbeit seine Erfüllung findet. Er hätte die Freiheit, sich den Platz in der Gemeinschaft zu suchen, wo er den sinnvollsten Beitrag leisten kann. Wenn zum Beispiel Bergarbeiter heute auf die Straße gehen, weil unter Tage Arbeitsplätze abgebaut werden, die laut, anstrengend und gefährlich sind, dann nicht, weil sie dort so gerne arbeiten, sondern weil sie um ihr Einkommen fürchten.
SPIEGEL ONLINE: Wer aber macht so unattraktive Arbeit wie diese Bergarbeiter, wenn sie nicht mehr darauf angewiesen sind?
Werner: Dafür gibt es prinzipiell vier Möglichkeiten. Man macht es selbst, man zahlt entsprechend gute Löhne. Man automatisiert. Oder es geschieht, wie heute schon bei der Spargel- und Erdbeerernte.
SPIEGEL ONLINE: Derweil ruhen sich die Deutschen in der sozialen Hängematte aus.
Werner: Den Menschen Faulheit zu unterstellen ist unfair, und es wird auch der Wirklichkeit nicht gerecht. Die Allermeisten wollen arbeiten, das zeigt mir meine Erfahrung als Unternehmer - das gilt für die Filialleiter ebenso wie für die Lagerarbeiter oder die Menschen an der Kasse. Denn Arbeit vermittelt den Menschen das Gefühl und Bewusstsein, gebraucht zu werden, anerkannt zu sein im sozialen Netzwerk.
SPIEGEL ONLINE: Entspricht diese Sichtweise nicht eher der Wunschvorstellung von einer schönen neuen Welt?
Werner: Sie wird noch viel schöner, wenn man sich die gesellschaftlichen Veränderungen vor Augen führt, die das Grundeinkommen zur Folge hätte. Studenten könnten sich ihr Studienfach nach ihren Interessen und Talenten aussuchen und nicht im Hinblick auf die späteren Karrierechancen. Und stellen Sie sich den gemeinnützigen Bereich vor: Mit einem Grundeinkommen könnten es sich die Menschen endlich leisten, dort zu arbeiten und anderen zu helfen.
zitiert nach http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,386396,00.html
Utopie, Illusion, Hirngespinst, reale Möglichkeit?







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