Milosevic' Ende

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Traitor
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Do 16. Mär 2006, 01:23 - Beitrag #1

Milosevic' Ende

Und wieder eine historische Figur weniger auf dem Antlitz der Erde. Was bleibt? Was hätte noch geschehen müssen? Welche Folgen hat sein Ableben? Und glaubt jemand an Verschwörungstheorien?

Ich denke, dass sein Tod ein Geschenk für seine Anhänger ist, denn der Gefängnistod vor Prozessende ermöglicht sowohl ein unbeflecktes Andenken als auch darüber hinaus sogar die Bildung von Märtyrerlegenden. Ähnlich wie bei jenen der Nazi-Kriegsverbrecher, die sich "rechtzeitig" selbst töteten, hat sein Tod (ob reiner Zufall oder nicht) die Welt um zwei große Gelegenheiten gebracht - die Chance der Aufarbeitung sowie die symbolische Wirkung eines sorgfältig begründeten Urteils.

Andererseits wäre es auch möglich gewesen, dass gewalttätige Reaktionen seiner Anhänger auf das Urteil Serbien stark destabilisiert hätten, aber letztlich vermute ich, dass die positiven Effekte überwogen hätten.

Maglor
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Do 16. Mär 2006, 11:44 - Beitrag #2

Sein meirkwürdigen Todesumstände werden seine Anhänger natürlich zum Anlass für Verschwörungstheorien nehmen. Das Gerücht um Mord und Selbstmord ist nun gestreut und wird sich halten. Jene die an einen Mord glauben, werden daran glauben.
Der Effekt des Ganzen ist, dass diverse andere serbische und nichtserbische Kriegsverbrecher nun Anlass haben an der Sicherheit der Gefängnisse und der Ordnung des Gerichtshofes zu zweifeln. Dann wird eben Karacic noch weitere 10 Jahre sein Versteckspiel und niemand wird es wagen ihnen auszuliefern.... naja wie bisher eben...
MfG Maglor

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 16. Mär 2006, 13:29 - Beitrag #3

wie haltet ihr´s mit der juristischen Gepflogenheit der Unschuldsvermutung? Was alle wissen, muss noch lange nicht stimmen.

Ich will Milosevic nicht verteidigen. Aber ob es wirklich so einfach gewesen wäre, ihm nachzuweisen, daß er

- das Massaker von Srebrenica angeordnet hat oder
- zumindest rechtzeitig davon gewußt und es nicht verhindert hat, obwohl
- er es hätte verhindern können

ist für mich zumindest fraglich. Das Problem dieses Krieges war, daß da mehrere Nationen kriegs- und nationalgeil waren, und in Zuständen solcher Geilheit passieren Sachen.

Daß er - mit anderen - politische Verantwortung dafür übernehmen muß, ist anhand seiner Position klar. Daß er in einem inhaltlich-sachlichen Sinne Schuld an dem Massaker hat, ist für mich nicht so offensichtlich, daß ich diese absolute Vorverurteilung, der er unterliegt, wirklich übernehmen würde.

Seine Generäle sind da schon ein ganz anderes Thema.

janw
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Do 16. Mär 2006, 13:51 - Beitrag #4

Ipsi, das scheint mir ein grundlegendes Problem des Tribunals zu sein, das eben für ein a priori als so und so abgelaufen konstatiertes Geschehen die Schuldigen finden und verurteilen will - wo die a priori-Feststellung gar nicht so sicher richtig ist.
Ich halte Milosevic nach dem Eindruck, den er bei mir hinterlassen hat in den Berichten durchaus für schuldig an einem erheblichen Teil des Geschehens.
Sei es durch Anordnung, sei es durch Dulden und unterlassenes Eingreifen in das Handeln untergeordneter Einheiten.

Daß das genaue Ausmaß der Urheberschaft nicht mehr feststellbar sein wird jetzt, ist für mich fast schlimmer als die nicht mehr erfolgte Verurteilung Milosevic` für seine tatsächlichen Verfehlungen.
Damit bleibt nämlich Raum für alle beteiligten Seiten, ihren Anteil am Geschehen beliebig zu dimensionieren und zu delegieren.

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 16. Mär 2006, 13:57 - Beitrag #5

jan, daß Milosevic schuld sein könnte an dem Massaker, will ich gar nicht ausschließen. Es ist nur ein großer Unterschied zwischen "den - zudem medial vermittelten - Eindruck haben" und "es war so".

Vielleicht würde er ja noch leben, wenn der Druck der Vorverurteilung nicht so stark gewesen wäre?

janw
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Do 16. Mär 2006, 16:09 - Beitrag #6

Ipsi, d´accord.
Natürlich erhebt meine Sicht keinen Anspruch auf Objektivität. Man kann es für genauso schlimm halten, daß die etwaige Unschuld nun nicht vor aller Welt erwiesen werden kann, Milo als ewiger Bösewicht in unseren Köpfen geistert. Geht mir gerade so damit.

In meinen Augen ist die Konzeption des Tribunals als reine Schuldigenermittlungs- und Verurteilungsinstitution der Sache nicht ganz angemessen.
Neben diesen sehr wichtigen und berechtigten Belangen muss IMHO auch eine Basis für die Zukunft geschaffen werden, und dafür wäre eine Wahrheitskommission das geeignetere Mittel.

Letztlich ist gar nicht sicher, ob eine etwaige Schuld nachgewiesen worden wäre. Ob aus Beweisen oder aus Mangel derselben, Schuld oder Unschuld wären in jedem Falle ein Faktum gewesen, das jenseits der Gerichtssubjekte gewirkt hätte, ohne daß jenseits die Wirkungen adäquat behandelt worden wären.

veritas
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Di 25. Apr 2006, 12:35 - Beitrag #7

Warum konnte man denn nicht nach ganzen 4 Jahren und 300 einen Schuldspruch aussprechen? Ich seh das nur so, entweder war Milosevic den Anklägern intelligenzmässig überlegen oder er war unschuldig!

Eine Woche vor seinem Tod bat er dringend um medizinische Hilfe, was von Carla del Ponte abgelehnt wurde, sie meint:" Milosevic geht es sehr, sehr gut". Statt ihn freizusprechen liess man ihn einfach in der Zelle verrecken.

janw
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Di 25. Apr 2006, 12:46 - Beitrag #8

Tja, das ist eine gute Frage, welche Hilfe er gebraucht und warum bekommen /nicht bekommen hat.
Carla des Ponte wird selbst nicht unkritisch gesehen, in der Schweiz wird gegen sie wegen Mordes ermittelt, wurde zumindest und ich weiß nichts von einem Ende dessen.

veritas
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Di 25. Apr 2006, 13:01 - Beitrag #9

Nebst meinem Studium befasse mich schon seit langer Zeit mit dem Balkankrieg. Weil die Medien das ganze bild verzogen haben Ich mach mir mein eigenes. Echte Kreigsverbrecher laufen noch frei auf der Strasse rum, Behrim Bajrami ehem. UCK Führer (albanische Terrorgruppe) übte im Kosvo Krieg Massenmorde an serbischen Zivilisten aus, wird nicht mal "gesucht"! Man munkelt sogar das Del Ponte Kontakt mit ihm hatte. Eins kann ich sagen, die echten Verbrecher sitzen in den Hauptstädten Europas.

Die Maschine
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Fr 28. Apr 2006, 11:14 - Beitrag #10

Ich sehe da ein ähnliches Problem: Die Medienberichterstattung erfolgt immer subjektiv, speziell in diesem Fall, wenn das Land, in dem das Medium ansässig ist, im Konflikt dabei ist.
NIE hören wir den Standpunkt der anderen.
Das ist zum Beispiel auch beim Afghanistan-Krieg gewesen. Wir haben Schröders Meinung gehört, der Bundestag hat einem Einsatz in A. zugestimmt und von da an MUSSTEN die Medien doch aus der Sicht der Deutschen reden. Ein ganz besonderer Grund ist, dass sich das Medium dann unbeliebt macht, wenn es nicht so spricht.
Das ist da sog. Infotainment (private Sendeanstalten. Die öffentlichen berichten meist objektiv aus den Fakten heraus) und meiner Meinung nach eine Art von Manipulation.
Immer wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit sich zu besinnen!

veritas
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Fr 28. Apr 2006, 12:05 - Beitrag #11

Über Manipulationen in Zeiten des Balkankrieges könnte ich ein ganzes Buch schreiben wenn ich dieses Talent dazu hätte. Ich möchte nur paar Beispiele rauspicken: Dokumentarfilme aus den Bürgerkriegen des zerfallenden Jugoslawien werden von westlichen Politikern und Medien gerne skandalisiert - aber nur, wenn man darauf Serben bei irgendwelchen Missetaten sieht. Als Milosevic dem Haager Tribunal ein Video vorgelegt hatte wo man Paddy Ashdown (internationale Hochkommissar für Bosnien-Herzegowina) sieht wie er mit einem Mann in UCK Uniform die Waffen inspiziert ertappte man Ashdown aber in flagranti - und damit wird Leugnen unmöglich. Was bleibt, ist das Totschweigen!

Unmittelbar nach der Aufdeckung des "Racak Massakers" trat der NATO-Rat eiligst zu einer Sondersitzung zusammen, um die Kriegsvorbereitungen zu intensivieren. Als die High-Tech-Waffen einsatzbereit waren, diente Racak als Zünder. Am 17. März 1999 legte die Leiterin eines Teams finnischer Gerichtsmediziner, Helena Ranta, die nach späterem eigenen Eingeständnis ihre Instruktionen vom deutschen Außenministerium erhalten hatte, einen vorläufigen Kurzbericht vor, nach dem es "keine Hinweise" gegeben habe, "daß es sich bei den Betroffenen nicht um unbewaffnete Personen handelte". Ein Woche danach überfiel die NATO Jugoslawien!

...ich könnte noch hunderte solche Beispiele aufführen, nur frag ich mich, wer würde mir schon zuhören.

Die Maschine
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Fr 28. Apr 2006, 16:56 - Beitrag #12

Hmm... ich glaube, ich würde dir, wenn ich Zeit habe, zuhören.

Das ganze erinnert mich irgendwie ein bisschen an Michael Moore, und den mag ich.

Ich glaube den schmalen Grad zwischen Wahrheit und Täuschung gibt es überall auf der Erde... leider ist er nicht zu bekämpfen.

veritas
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Fr 28. Apr 2006, 23:18 - Beitrag #13

Ja leider....Ich hab mal ne kurze Arbeit darüber geschrieben werd mal versuchen sie raufzuladen, ich schreib dann noch die URL hin.


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