Hussein zum Tode verurteilt

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Traitor
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Mo 6. Nov 2006, 20:44 - Beitrag #1

Hussein zum Tode verurteilt

...und zwar durch den Strang.

Dass es zu einem Todesurteil kommen würde, war klar, seit zu Beginn des Prozesses darüber berichtet wurde, dass die neue irakische Verfassung diese Strafe beinhaltet. Aber zumindest hatte ich gedacht, dass die USA für moderne "zivilisierte Hinrichtungsmethoden" gesorgt hätten. Vielleicht will man aber auch eine symbolische Verbindung zu den Nazi-Kriegsverbrecher-Urteilen herstellen.

Dass ich dieses Verfahren an sich und das Urteil im besonderen ablehne, brauche ich wohl eigentlich nicht zu erwähnen. Hussein gehörte (wie Bush...) eigentlich vor ein internationales Gericht.

Dass es nach der Urteilsverkündung nicht zu allzusehr aus dem üblichen irakischen Hintergrundarmageddon herausstechenden Unruhen kam, wie sie vorhergesagt worden waren, wundert mich wiederum nicht, denn von nennenswerten Aktivitäten von Hussein-Sympathisanten wurde schon lange nicht mehr berichtet.

janw
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Mo 6. Nov 2006, 21:40 - Beitrag #2

Natürlich...ein Fall von Siegerjustiz, und die Demonstration, daß Macht sich alles erlauben kann.
Fragt sich nur, wie weiter?
Was, wenn Hussein politisches Asyl beantragt, in Europa, weil ihm in seiner Heimat die Vollstreckung der Todesstrafe droht?

Yanāpaw
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Mo 6. Nov 2006, 22:10 - Beitrag #3

Traitor,

Dass ich dieses Verfahren an sich und das Urteil im besonderen ablehne, brauche ich wohl eigentlich nicht zu erwähnen. Hussein gehörte (wie Bush...) eigentlich vor ein internationales Gericht.


Das gesamte Verfahren ist eine Farce, ich glaube kaum, dass irgendwer an der Schuld von Herrn Hussein zweifelt. Da man es vorzog dieses Verfahren Irakischer Gerichtbarkeit zu überlassen, angeblich als Geste guten Willens, wobei die Frage gestattet sein muss, ob das prädestinierte Urteil möglicherweise auschlaggebend für diese Geste gewesen sein könnte, wirkt die multimedial vorgetragene Empörung nun etwas aufgesetzt. Ich persönlich finde die Strafe adequat, aber das ist wohl eher eine moral/ethisch-philosophische Frage und hier etwas unpassend. Ob der internationale Gerichtshof eine bessere Alternative gewesen wäre wage ich anzuzweifeln, wenn ich an Milosevic denke, mal ganz von der Zuständigkeit abgesehen.


janw,

Sollte er das tun wird man ihm dieses Asyl verweigern, da er weder wegen seiner politischen noch seiner religiösen Weltanschauung hingerichtet werden soll, sondern in einem Verfahren des Völkermordes für schuldig befunden wurde und folgerichtig zum Tod verurteilt wurde. Außerdem wären die Konsequenzen einer derartigen "Begnadigung" gelinde gesagt kontraproduktiv für die UN-Neugestaltung des Irak. Ganz zu schweigen von den Folgen für das europäisch-US-amerikanische Verhältnis.

Lykurg
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Mo 6. Nov 2006, 22:22 - Beitrag #4

(Ganz abgesehen davon, daß man ihn erstmal haben müßte, um ihm Asyl zu gewähren, ich glaube nicht, daß die Irakis ihn jetzt laufen lassen würden).

Tod durch Erhängen ist barbarisch, als solches eine besonders wirkungsvolle, international verstandene Geste. Ob man das will, sollte man sich gut überlegen. Ich meine, daß wenn irgendjemand, dann er es verdient hat, und zugleich, daß ein internationales Tribunal unter europäischer Beteiligung einer solchen Strafe nicht zustimmen würde; wenn, würde ein politisches Desaster daraus folgen. Die innerislamischen Konflikte würden weitgehend verschwinden in einem Aufschrei der Empörung über die Siegerjustiz des Westens.

Es mag eine schmutzige Lösung sein, einer von westlichen Truppen getragenen Regierung diese von vornherein feststehende 'Entscheidung' zu überlassen (aber mal ehrlich: hätte ein internationales Tribunal Chancen für einen Freispruch gesehen?) - doch dumm ist sie nicht.

Traitor
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Mo 6. Nov 2006, 22:43 - Beitrag #5

@Jan: Asyl kann, wie Lykurg sagt, schonmal nur beantragen, wer es auch in das Zielland schafft, und das kann er, während er vor Gericht steht, wohl kaum. Und wenn er in Deutschland auftauchte, dann sollte man ihm nicht Asyl gewähren, sondern ihn nach Den Haag weiterschicken.

@Yanāpaw: Welche Lehren ziehst du aus dem Milosevic-Prozess, die das internationale Tribunal disqualifizieren? Er war langsam, ja, aber das muss er auch sein, um ein der Tragweite des behandelten Falles angemessenes Urteil fällen zu können. Dass er zu langsam war, war ein tragisches Ergebnis; wäre es zur Urteilsverkündung und Inhaftierung Milosevics gekommen, würde der Prozess als Meilenstein gelten. Somit parallel auch an Lykurg: Das Problem eines Kriegsverbrecherprozesses ist in der Tat, dass die Schuld schon nahezu feststeht. Aber das ist auch bei vielen normalen Strafrechtsprozessen der Fall, und trotzdem können rechtsstaatliche Urteile gefällt werden. Und auch in Nürnberg scheint dies recht gut gelungen zu sein.

@Lykurg allein: Ein internationales Tribunal müsste in diesem Fall sicher deutlich internationaler besetzt sein als im Milosevic-Fall. Aber da Hussein ja nicht gerade beliebt im Nahen Osten war, denke ich, dass es durchaus möglich gewesen wäre, arabische und iranische Richter mit ins Boot zu holen, und dass ein Urteil unter Ausschluss der Todesstrafe dann keine allzu schlimme Resonanz gefunden hätte.

Yanāpaw
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Mo 6. Nov 2006, 23:04 - Beitrag #6

Traitor,

das grundlegende Problem ist , dass in Den Haag europäisches Recht gesprochen wird, es gibt aber viele verschieden Rechtsverständnisse weltweit, die teilweise erheblich divergieren. Irakisches Recht != europäischem Recht. Ein Prozess vorm internationalen Gerichtshof hätte also sofern er zu einer Haftsrafe geführt hätte- wovon ich ausgehe - sicher kein Recht nach irakischem Verständnis als Resultat erzielt. Vielmehr wäre Herr Hussein zum dauerhaften Verbleib in einer Haftanstalt, also einer 5m² Zelle mit einer warmen und 2 kalten Mahlzeiten täglich, verurteilt worden. Er wäre also nachdem er für die Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung Tausender für schuldig befunden wurde, besser untergebracht und umsorgt als viele der Angehörigen seiner Opfer. Das widerspricht nicht nur irakischem Rechtsverständnis sondern meinem auch.

Dass der Prozess von Herrn Milosevic so verlaufen ist, beweist mir, dass Den Haag getreu den zahlreichen europäischen Vorbildern nicht zu zügiger Rechtsprechung fähig ist. Verfahren ziehen sich über Jahre und werden ständig unterbrochen, weil die wegen Völkermordes Angeklagten unpässlich sind. Das ist keine Rechtsprechung, das ist die Verhöhnung der Opfer und deren Hinterbliebenen.

Ich greife einen Aspekt auf, den Sie an Lykurg richteten

Ein internationales Tribunal müsste in diesem Fall sicher deutlich internationaler besetzt sein als im Milosevic-Fall.


Wer stellt dieses Tribunal zusammen und mit welcher Legitimation?

Ich hoffe ich wirke nicht zu appodiktisch, das ist nicht meine Absicht, gütigerweise könnten Sie es als jugendlichen Eifer abtun. ^^

Traitor
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Mo 6. Nov 2006, 23:19 - Beitrag #7

Ich dachte, die Erwähnung wäre nach den beiden anderen nicht mehr nötig - aber auch ich lasse mich hier gerne duzen, und soviel ich weiß, kannst du das bei jedem, der hier in der Matrix schreibt, voraussetzen. :)

Dass Den Haag rein europäisches Recht spricht und es keine höhere Legitimation für das Tribunal gibt, da muss ich entschieden widersprechen. Die Haager Gerichtshöfe sind von der UNO eingesetzt und arbeiten gemäß internationalen Völkerrechts. UNO und Völkerrecht basieren natürlich entscheidend auf europäischen Einflüssen, aber meines Wissens sind derzeit alle als souverän geltende Staaten Mitglied der UNO und billigen somit prinzipiell (zumindest juristisch, wenn auch wohl kaum in allen Fällen ernsthaft) ihr Handeln, ihre Ansprüche und Normen. Ich musste zwar gerade überrascht feststellen, dass der Internationale Gerichtshof eine eigene Mitgliederliste hat, die bei weitem nicht so umfangreich wie die der UNO ist (dass die USA das System boykottieren, war mir bewusst, aber ansonsten hatte ich mit einer deutlich breiteren Unterstützung gerechnet). Aber immerhin Jordanien ist aus dem islamischen Raum Mitglied und ein Jordanier derzeit Vizepräsident, von reiner Westjustiz könnte also nicht geredet werden. Und wenn es um die Gelegenheit gegangen wäre, Hussein den Prozess zu machen, wären eventuell zu diesem Zweck weitere Länder beigetreten.

PS: Allerdings müsste zumindest der Irak selbst oder Kuweit beitreten, da der IGH nach derzeitigem Statut nur für Verbrechen auf dem Boden von Mitgliedsstaaten oder von deren Bürgern zuständig ist.

janw
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Mo 6. Nov 2006, 23:20 - Beitrag #8

Zitat von Yanapaw:Sollte er das tun wird man ihm dieses Asyl verweigern, da er weder wegen seiner politischen noch seiner religiösen Weltanschauung hingerichtet werden soll, sondern in einem Verfahren des Völkermordes für schuldig befunden wurde und folgerichtig zum Tod verurteilt wurde. Außerdem wären die Konsequenzen einer derartigen "Begnadigung" gelinde gesagt kontraproduktiv für die UN-Neugestaltung des Irak. Ganz zu schweigen von den Folgen für das europäisch-US-amerikanische Verhältnis.


Naja, die technische Seite wäre wohl weniger das Problem, es würde nämlich ausreichen, daß er in eine europäische Botschaft gelangt oder sein Anwalt dort für ihn Asyl beantragt.

Dann wäre die Sache schon ein kleines Problem...die Todesstrafe wird in Europa heute weitgehend abgelehnt, und somit wäre das Todesurteil, egal, wofür es verhängt wurde, schon ein Grund für eine Aufnahme. Zumal, wo das Gericht auch unter europäischer Mitwirkung (britische Truppen,...) agiert und somit ein Urteil gefällt worden ist, das europäischen Prinzipien widerspricht - in einem Prozess, der fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien zuwidergelaufen ist.
Seine Straftaten wären gleichwohl zu sühnen - so gesehen wäre er kein Kandidat für das Asylrecht, aber es wäre IMHO eigentlich nicht abwegig, ihn in Europa lebenslang einsitzen zu lassen.

Die Frage war von mir aber mehr so gemeint: "Was meint Ihr, wie in Europa entschieden würde, wie hier diskutiert würde, wenn er Asyl oder eine Haft in Europa beantragen könnte und würde?"
Was, wenn er in Den Haag gegen die unrechtsstaatliche Prozessführung klagt?

Lykurg
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Mo 6. Nov 2006, 23:48 - Beitrag #9

janw, all das kann er nicht. Ein Asylantrag seines Anwalts wäre im Zweifel völlig wirkungslos, selbst wenn er direkt an die britische Königin ginge. ;) Saddam Hussein befindet sich in irakischer Haft und wird die ohne die Zustimmung der irakischen Verantwortlichen hoffentlich nicht verlassen. Warum sollte die EU für Saddam Hussein intervenieren, nicht aber für den Durchschnittsmörder in China, Indonesien oder den USA? Was ist, wenn die Asylanträge einreichen? Eben.
Zitat von Traitor:PS: Allerdings müsste zumindest der Irak selbst oder Kuweit beitreten, da der IGH nach derzeitigem Statut nur für Verbrechen auf dem Boden von Mitgliedsstaaten oder von deren Bürgern zuständig ist.
Es geht, wenn ich das richtig sehe, um den IStGH. Der beachtet sowohl die von dir genannte Regelung als auch "nulla poena sine lege". Insofern wäre es wohl nicht möglich, nachträglich beizutreten, um seinen ehemaligen Staatschef für seine Verbrechen dranzukriegen. Und dementsprechend empfiehlt es sich für terrorfreudige Diktatoren, schnellstmöglich auszutreten...
Zitat von Yanā:Dass der Prozess von Herrn Milosevic so verlaufen ist, beweist mir, dass Den Haag getreu den zahlreichen europäischen Vorbildern nicht zu zügiger Rechtsprechung fähig ist. Verfahren ziehen sich über Jahre und werden ständig unterbrochen, weil die wegen Völkermordes Angeklagten unpässlich sind. Das ist keine Rechtsprechung, das ist die Verhöhnung der Opfer und deren Hinterbliebenen.
Wirklich schnell ist der Prozeß gegen Saddam Hussein auch nicht verlaufen - ein volles Jahr Prozeßdauer, begonnen immerhin zwei Jahre nach seiner Gefangennahme...
Ein Schnellverfahren wäre auch nicht in meinem Sinne. Die hier verhandelten Fälle sind zu schwerwiegend, sie ohne sorgfältige Prüfung abzuhandeln. Einen Fehler dabei zu machen, würde die ohnehin fragwürdige Legitimation, den bösen Vorwurf der Siegerjustiz, stark untermauern und derartige Verfahren untragbar machen. Damit gäbe man aber ein wesentliches Rechenschaftsinstrument aus der Hand.

Kriegsverbrecherprozesse haben zudem eine kathartische Funktion in der Außenwirkung; wenn parallel und in der Folgezeit die mittleren und kleinen Fische auch ihrer Schuld entsprechend verurteilt werden sollen, sollte ein öffentliches Bewußtsein entstehen, das das Verfahren unterstützt - und das geschieht eben nicht von heute auf morgen. In der Hinsicht ging dieser Prozeß immer noch eher zu schnell.

janw
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Di 7. Nov 2006, 00:29 - Beitrag #10

Lykurg, der Unterschied zum verurteilten Chinesen ist der, daß das Gericht in Irak unter tatkräftiger Mitwirkung der auch europäischen Besatzungstruppen zustandegekommen ist und gearbeitet hat, das Todesurteil hat somit auch eine europäische Handschrift. Noch dazu ist der Prozess alles anmdere als fair gewesen. Saddam nicht aufzunehmen, könnte man damit als Justizmord ansehen.

Yanāpaw
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Di 7. Nov 2006, 00:40 - Beitrag #11

Lykurg,

Ein Schnellverfahren wäre auch nicht in meinem Sinne. Die hier verhandelten Fälle sind zu schwerwiegend, sie ohne sorgfältige Prüfung abzuhandeln. Einen Fehler dabei zu machen, würde die ohnehin fragwürdige Legitimation, den bösen Vorwurf der Siegerjustiz, stark untermauern und derartige Verfahren untragbar machen. Damit gäbe man aber ein wesentliches Rechenschaftsinstrument aus der Hand.


Mir ging es nicht um ein Schnellverfahren, aber 1 Jahr Prozessdauer für einen Anklagepunkt, das steht in keinem Verhältnis zur Beweislast. Warum muss Herr Hussein zu jedem einzelenen Opfer gehört werden (überspitze Formulierung), wenn seine Schuld außerrechtlich bereits feststeht? Muss das gesamte Leben des Herrn Hussein analysiert werden um festzustellen, ob er hunderte Hinrichtungen angeordnet wenn die entsprechenden Dokumente handschriftlich unterzeichnet vorliegen? Müssen 5000 Augenzeugen befragt werden, wenn nach den ersten 50 bereits feststeht, dass die Kurden das Saringas nicht aus Atemmasken inhaliert haben? Es gibt Fälle in denen die Schuldfrage so eindeutig geklärt ist, weil tausende Indizien und noch mehr Zeugenaussagen gegen den Angeklagten sprechen, ist es da nötig 5 Jahre zu prozessieren? Jeder Mensch hat das Recht auf ein "gerechtes" Verfahren, aber von Siegerjustiz kann keine Rede sein, wenn man einen aufgrund von Hunderten von Beweisen anerkanntermaßen schuldigen Angeklagten in 6 Monaten (willkürliches Beispiel) für schuldig befindet. Die Frage der Siegerjustiz stellt sich viel eher bei der Zusammensetzung des Tribunals, als bei der Länge des Prozesses.


Kriegsverbrecherprozesse haben zudem eine kathartische Funktion in der Außenwirkung; wenn parallel und in der Folgezeit die mittleren und kleinen Fische auch ihrer Schuld entsprechend verurteilt werden sollen, sollte ein öffentliches Bewußtsein entstehen, das das Verfahren unterstützt - und das geschieht eben nicht von heute auf morgen. In der Hinsicht ging dieser Prozeß immer noch eher zu schnell.


Die einzige Außenwirkung, die ich erkennen kann ist eine Farce, jedem Prozessbeobachter war klar, dass Herr Hussein bereits bei dem ersten Anklagepunkt zum Tode verurteilt werden würde, die anderen Anklagepunkte werden also gar nicht verhandelt, würde man das tun, zöge sich dieser Prozess bei der vorliegenden Verfahrensweise über Dekaden hin. Die Außenwirkung wäre dann mE die folgende:
->Herr Huessin ist des Völkermordes für schuldig befunden worden, jetzt wird seine Schuld im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Souveränität Kuweits erörtert. Dazu muss jeder Soldat der irkaischen Garde (war glaube ich die Bezeichnung) befragt werden.
--> Die dafür erforderliche Zeit verbringt Herr Hussein in einer Deluxe-Unterkunft und bringt seine Zeit damit zu, die Opfer und deren Hinterbliebene bei Gericht zu verhöhnen, sofern Herr Huessin nicht gerade unpässlich ist und seine Genesung bei kulinarisch exquisiter Verköstigung in feinstem Zwirn vorantreibt. Währenddessen muss der Prozess natürlich ausgesetzt werden, da Herr Huesseins Anwesenheit bei der Hörung sämtlicher Soldaten unabdingbar ist.

Das ist kein Prozess mit katarthischer Außenwirkung, das ist eine Farce.
Davon abgesehen kann ein Prozess gegen einen des Völkermordes für schuldig Befundenen wohl kaum Präzedenzfall für "gewöhnliche" strafrechtliche Verfahren sein.


janw,
Seine Straftaten wären gleichwohl zu sühnen - so gesehen wäre er kein Kandidat für das Asylrecht, aber es wäre IMHO eigentlich nicht abwegig, ihn in Europa lebenslang einsitzen zu lassen.



Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, bei den europäischen Haftbedingungen wäre das im Vergleich zum durchschnittlichen Domizil eines irakischen Kurden wie das Adlon, mit gesicherter Vollpension. Von einer angemessenen Strafe zu sprechen halte ich da für übertrieben.

//OT
die Todesstrafe wird in Europa heute weitgehend abgelehnt,


Wenn das in diesem Forum nicht schon bis zum Exzess durchdiskutiert wurde, würde mich eine philosophisch/moralisch/ethische Diskussion dieses Sachverhalts sehr reizen.


//BTT


Traitor,

[...] Die Haager Gerichtshöfe sind von der UNO eingesetzt und arbeiten gemäß internationalen Völkerrechts. UNO und Völkerrecht basieren natürlich entscheidend auf europäischen Einflüssen, aber meines Wissens sind derzeit alle als souverän geltende Staaten Mitglied der UNO und billigen somit prinzipiell (zumindest juristisch, wenn auch wohl kaum in allen Fällen ernsthaft) ihr Handeln, ihre Ansprüche und Normen.



Da habe ich mich falsch ausgedrückt, ich meinte europäisches Rechtsverständnis, das mit dem der UNO kongruent ist. Allerdings stimme ich dem von mir fett markierten Bereich zu und genau darin sehe ich das Problem. Es besteht eine eklatante Differenz zwischen dem juristischen Recht lt. Charta der UNO und dem Rechtsverständnis vieler Mitgliedsnationen. Ich vermute sogar, dass es mehr nicht-demokratische Mitgliedstaaten gibt, die apriori kein europäisches Rechtsverständnis haben, als wirklich demokratische. Zum besseren Verständnis, Länder wie China oder Nordkorea mögen vielleicht auf dem Papier demokratische Volksrepubliken sein, aber Papier ist bekanntermaßen geduldig. Und wie soll eine UNO juristisch legitimierte Tribunale einsetzen die juristisch anerkannte Rechtsgrundsätze einhalten, wenn die Mehrheit der Mitglieder diese Grundsätze nicht unterstützt und viele sie im eigenen Land mit Füßen treten? Das ist für mich ein status quo der die Glaubwürdigkeit der UNO unterminiert.

janw
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Di 7. Nov 2006, 01:22 - Beitrag #12

Yanapaw, Deinem Adlon-Vergleich stimme ich zu, natürlich könnte von einer Angemessenheit der Strafe für die Verbrechen nicht die Rede sein.
Allerdings bin ich ein Verfechter der Rechtsstaatlichkeit und ai-Sympathisant und habe aus verschiedenen Gründen eine tief empfundene Abneigung gegen die Todesstrafe, weshalb ich mir ein europäisches Gefängnis als Lösung vorstellen könnte.
Ich kenne übrigens von meiner Arbeit her etwas die Verhältnisse in einem deutschen Gefängnis. Das Paradies sieht anders aus, zumindest für mich.

Die Todesstrafen-Diskussion hatten wir mal vor 2 Jahren etwa, sie lief auf eine generelle Wert-Debatte hinaus, sehr spannend :)

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Di 7. Nov 2006, 12:02 - Beitrag #13

das, was mir am "Fall Hussein" bitter aufstößt, ist die Willkür des Auswahlverfahrens. Wofür Hussein angeklagt und verurteilt ist, dafür müßten analog einige Dutzend Politiker, Generäle und Wirtschaftsbosse weltweit vor Gericht stehen, einschließlich Leutchen wie Bush und Putin. Dieser Aspekt kann imo gar nicht überbetont werden.

Natürlich kann man so argumentieren, daß man schon mal mit einem anfangen sollte, selbst wenn man nicht alle erwischt. Das mag richtig sein im Falle von Bandenkriminalität, organisiertem Verbrechen u.ä. Hier im politischen Feld geht es aber im wesentlichen um Augenwischerei, d.h. mit dem Urteil gegen den einen soll u.a. vertuscht werden, daß in vielen gleichartigen Fällen die politische und/oder wirtschaftliche Interessenlage bewirkt, daß gar nicht erst versucht wird, "Gerechtigkeit" durchzusetzen, daß die Scheisskerle vielmehr sogar explizit geschützt und gestützt werden.

Gerechtigkeit würde es daher gebieten, die offene Wunde weiter bluten zu lassen, d.h. Hussein zwar ohne jegliche Macht, aber auch ohne Strafe davonkommen zu lassen, bis der Druck der Menge weltweit groß genug ist, daß alle, oder wenigstens die 100 ärgsten Fälle bösartiger Politik abgeurteilt und bestraft werden. So wird die Ermordung Husseins nur ein Pflästerchen über wohlfeiler Scheinheiligkeit sein. Dass an Hussein im wesentlichen nichts anderes als Rache vollzogen wird, ist da nur noch ein Tüpfelchen auf dem i.

Ich behaupte mal, das wesentliche "Verbrechen" von Hussein besteht darin, den USA eine Zeitlang und teilweise die Suppe liberalen (Öl-)Geschäftsgebarens versalzen zu haben. Dafür wird er hingerichtet, egal, womit es begründet wird (daran ändert es auch nichts, daß ich persönlich ihn sehr wohl für ein Mistvieh halte, das im Wesentlichen aller dieser Vorwürfe schuldig ist, auf Grund derer er formal hingerichtet werden wird).


Über Milosevic gibt es hier schon einen Thread. Ich behaupte nach wie vor, daß nicht erwiesen ist, ob er der Verbrechen schuldig ist, die ihm vorgehalten werden. Daß er dafür politisch verantwortlich ist, steht außer Frage, ob er sie bewirkt hat steht sehr wohl zur Debatte.

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Di 7. Nov 2006, 12:25 - Beitrag #14

Zitat von Yanā:Warum muss Herr Hussein zu jedem einzelenen Opfer gehört werden (überspitze Formulierung), wenn seine Schuld außerrechtlich bereits feststeht?
Das ist eine etwas gefährliche Argumentation insofern, als das "außerrechtliche Feststehen der Schuld" ein Gericht nichts angehen sollte. Was nicht bewiesen werden kann, hat auch nicht in ein Urteil einzufließen. Sicherlich ist es bei einem solchen Massaker ermüdend und unheimlich kompliziert, jeden einzelnen Fall zu untersuchen - ich bezweifle auch, daß das gemacht wird (weiß leider zu wenig über die genauen Abläufe dort...) Wenn doch, dann haben die Irakis noch ein monströses Programm vor sich, schließlich handelte es sich hierbei nur um den ersten von sieben Anklagepunkten...
Zitat von Trial Watch:Die vorläufige Anklage gegen Saddam Hussein umfasste sieben Punkte:

- Die Invasion von 1990 in Kuweit] (Quelle)
Die einzige Außenwirkung, die ich erkennen kann ist eine Farce, jedem Prozessbeobachter war klar, dass Herr Hussein bereits bei dem ersten Anklagepunkt zum Tode verurteilt werden würde, die anderen Anklagepunkte werden also gar nicht verhandelt, würde man das tun, zöge sich dieser Prozess bei der vorliegenden Verfahrensweise über Dekaden hin.
Der zweite Prozeß läuft bereits... und nein, mE zeigt sich hier auch eine gewisse Akribie im Umgang mit Fakten. Daß das Urteil (zumindest in den Augen der Betrachter) bereits zu Beginn feststand, delegitimiert den Versuch nicht, genügend Beweise zusammenzutragen, um dieses Urteil nachträglich zu begründen. Und es gefällt mir weit besser, das vor seiner (möglichen) Hinrichtung zu tun.

Wie die Haftbedingungen in irakischen Gefängnissen (außer dem, was man von Abu Ghraib hörte) sind, weiß ich nicht - bezweifle aber, daß der Aufenthalt dort allzu angenehm ist. Außerdem dürfte mit einem Todesurteil in der Tasche ein Gefängnisaufenthalt noch erheblich unangenehmer sein - es gibt wohl kaum schlimmere Gefängnisse als Todestrakte.
Davon abgesehen kann ein Prozess gegen einen des Völkermordes für schuldig Befundenen wohl kaum Präzedenzfall für "gewöhnliche" strafrechtliche Verfahren sein.
Kein Präzedenzfall, aber die klärende Grundlage für Folgeprozesse. Wenn man, wie von Ipsissimus vorgeschlagen, die Wunde offen und den Hauptverantwortlichen laufenließe, wäre es völlig unmöglich, seine Untergebenen vor Gericht zu stellen und damit die Grundlagen für eine andere Gesellschaft zu schaffen. Hätte man ihn dagegen nach seiner Festnahme standrechtlich erschossen oder im Gefängnis zu Tode gefoltert, wäre das nicht gerade eine Grundlage für eine Gesellschaft der Art, wie der Westen sie derzeit für wünschenswert hält.

(Leider muß ich los, heute nachmittag kommt vielleicht nochmal etwas mehr dazu.)

janw
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Di 7. Nov 2006, 12:29 - Beitrag #15

Natürlich...er wurde nicht angeklagt und verurteilt, weil er einer der ultimativen Tyrannen gewesen ist, sondern weil er anderen Interessen im Wege war.

Die ganze Fragwürdigkeit internationaler Gerichtsbarkeit zeigt sich schon darin, daß die hinreichend Mächtigen sich aus der Affäre ziehen, indem sie sich für nicht belangbar erklären - siehe usa. Daß auch ein Putin schleunigst aus dem Verkehr gezogen gehörte, wird ebenso folgenlos bleiben.
Ein "lupenreiner Demokrat" hat da ja seine Möglichkeiten...

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Di 7. Nov 2006, 14:05 - Beitrag #16

Lykurg,


Nun das außerrechtliche feststehen der Schuld basiert ebenso auf Beweisen, wie die Urteilsfindung im Idealfall. Ich schlage hier auch keine Pauschalverurteilung oder ein Schnellverfahren nach dem Vorbild der Exekution von Desertierten in der UDSSR vor. Ich bin absolut für die Einhaltung der Prinzipien der Rechtstaatlichkeit, was den modus operandi während des Verfahrens angeht, aber ich denke es gibt genug Fakten, die eine monatelange Beweisaufnahme im konkreten Prozess ad absurdum führen:

->Die "Regierung" der Baath-Partei war hierarchisch klar strukturiert und totalitär von Herrn Hussein geführt, ergo wurde die Entscheidung der Invasion Kuweits sowie die Entscheidung der Ermordung von Kurden mittels Saringas von IHM persönlich getroffen. Dafür geibt es genug Beweise in Form von handschriftlichen Beweisen.
-> Es gab einen Irakischen Angriff auf souveränes Territorium und massive Schädigung der Infrastruktur sowie zahllose Tote bei den Kampfhandlungen.
->Es gibt zahlreiche Bilder und Videos auf denen Herr Hussein einer von ihm angeordenteten Hinrichtung beiwohnt.

Die Schuldfrage steht also außergerichtlich fest, dass das Tribunal sich davon lösen muss, da jedem Menschen das Recht auf ein ausgangsoffenes gerechtes und unvoreingenommenes Verfahren steht das nach den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit auch Herrn Hussein zu. Allerdings steht dem Gericht die gleiche Beweislast zur Verfügung, wie der Öffentlichkeit. Was also sollte 2 Jahre lang dauern?


Der zweite Prozeß läuft bereits... und nein, mE zeigt sich hier auch eine gewisse Akribie im Umgang mit Fakten. Daß das Urteil (zumindest in den Augen der Betrachter) bereits zu Beginn feststand, delegitimiert den Versuch nicht, genügend Beweise zusammenzutragen, um dieses Urteil nachträglich zu begründen. Und es gefällt mir weit besser, das vor seiner (möglichen) Hinrichtung zu tun.


Da stimme ich absolut zu, aber die Beweise werden vor dem Prozess zusammengetragen erklären also nicht die lange Dauer des Prozesses selbst, sondern nur die Verzögerung zwischen Inhaftierung und Prozessbeginn.
Und was akribische Untersuchungsmethodik angeht, da bin ich absolut deiner Meinung, aber ernsthaft, ist es für das Strafmaß wesentlich, ob 1988 157 oder 158 Kurden ermordet wurden? Ich möchte explizit darauf hinweisen, dass ich die Ermordung nicht gut finde und das jeder Verlust eines Menschenlebens schwer wiegt, um Missverständnissen vorzubeugen.


Außerdem dürfte mit einem Todesurteil in der Tasche ein Gefängnisaufenthalt noch erheblich unangenehmer sein - es gibt wohl kaum schlimmere Gefängnisse als Todestrakte.


Im Gegensatz zum US-amerikanischen Justizsystem, wo es durchaus Usus ist, dass zum Tode Verurteilte Dekaden auf ihre Hinrichtung warten, ist es mW im Irak so, dass der Tod durch den Strang, spätestens 30 Tage nach Rechtskräftigkeit des Urteils vollzogen werden muss, der Verbleib im Todestrakt ist also relativ kurz, da Herr Hussein vorher unter anderen Haftbedingungen einsaß, da seine Schuld rechtsstaatlich nicht erwiesen war.


ein Präzedenzfall, aber die klärende Grundlage für Folgeprozesse. Wenn man, wie von Ipsissimus vorgeschlagen, die Wunde offen und den Hauptverantwortlichen laufenließe, wäre es völlig unmöglich, seine Untergebenen vor Gericht zu stellen und damit die Grundlagen für eine andere Gesellschaft zu schaffen.


Die Hauptverantwortlichen sind ebenfalls in diesem Prozess Mitangeklagte, sofern sie aufgegriffen wurden, ein Vorbildprozess ist also nicht gegeben.
Dass die Prinzipen der Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden müssen, bestreite ich nicht, aber die Konsequenz für die Weiterentwicklung des irakischen Staates, die sich ohnehin diffizil gestalten wird und deren demokratische Tendenzen sehr fragil und fragwürdig sind müsste gesondert diskutiert werden, darf aber keinen Einfluss auf Prozesslänge und Procedere haben, wie die Rechtsstaatlichkeit diktiert.


janw,

Ich wage zu bezweifeln, dass der Prozess gegen Herrn Hussein einen Einfluss auf das Ausbleiben oder Stattfinden einer Anklage gegen Herrn Bush oder Herrn Putin hat. Auch der Prozess an sich dürfte wohl kaum Einfluss auf das jeweilige nationale Ansehen von Herrn Putin oder Herrn Bush haben, das wenn man die jüngsten Senatszwischenwahlen in den USA in Betracht zieht ohnehin ins Bodenlose stürzt, wobei ich mir dessen bewusst bin, dass das Outing eines vermeintlich homophoben Kreationisten, der eigentlich homophil ist, auch einen Beitrag zum Stimmenverlust des Herrn Bush beitrug. Immer diese Kreationisten mit ihren ominösen Eingebungen ^^

P.S. Ich werde einen entsprechenden Thread im Philosophie-Bereich öffnen um die Todesstrafe zu diskutieren, möglicherweise findet sich ja etwas Beteiligung, oder sollte ein anderer Bereich des Forums gewählt werden? Ich denke dass die Rechtsstaatlichkeitsdiskussion in eine Werte und Moraldiskussion umschlagen wird, sofern eine Diskussion entsteht, daher dachte ich an das Philosophie Sub-Forum.

Lykurg
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Mi 8. Nov 2006, 05:50 - Beitrag #17

Dann sind wir weitestgehend einer Meinung, Yanāpaw, ein Verfahren sollte nicht länger als nötig dauern. Allerdings sollten mE die wesentlichen Anklagepunkte thematisiert werden. Es ist für das Land und seine Bewohner wesentlich wichtiger, daß alle sieben Kategorien zur Sprache kommen, damit die betroffenen Bevölkerungsgruppen und Gegner ihre Genugtuung erhalten, als daß aus den jeweiligen Gruppen Vertreter aller Opfer zu Wort kommen. Nur als Beispiele gebe ich ein paar alternative Sichtweisen an:
->Die "Regierung" der Baath-Partei war hierarchisch klar strukturiert und totalitär von Herrn Hussein geführt, ergo wurde die Entscheidung der Invasion Kuweits sowie die Entscheidung der Ermordung von Kurden mittels Saringas von IHM persönlich getroffen. Dafür geibt es genug Beweise in Form von handschriftlichen Beweisen.
Ob dieser "ergo"-Schluß zulässig ist? Wenn es diese Befehle gibt, müssen sie als Beweise vorliegen, allerdings nehme ich auch an, daß die Angriffe nicht gegen seinen Willen oder ohne sein Wissen erfolgt wären.
-> Es gab einen Irakischen Angriff auf souveränes Territorium und massive Schädigung der Infrastruktur sowie zahllose Tote bei den Kampfhandlungen.
Jedenfalls vor dem Internationalen Strafgerichtshof kann Durchführung eines Angriffskriegs mangels Definition noch nicht verhandelt werden.
->Es gibt zahlreiche Bilder und Videos auf denen Herr Hussein einer von ihm angeordenteten Hinrichtung beiwohnt.
Das allein besagt ja nicht unbedingt etwas, solange die Opfer ein faires Verfahren hatten - was allerdings nicht unbedingt anzunehmen ist. Todesurteile müssen in manchen Ländern vom Staatsoberhaupt bestätigt werden, so auch im Irak (auch das über Saddam Hussein).
Die Hauptverantwortlichen sind ebenfalls in diesem Prozess Mitangeklagte, sofern sie aufgegriffen wurden, ein Vorbildprozess ist also nicht gegeben.
Dass die Prinzipen der Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden müssen, bestreite ich nicht, aber die Konsequenz für die Weiterentwicklung des irakischen Staates, die sich ohnehin diffizil gestalten wird und deren demokratische Tendenzen sehr fragil und fragwürdig sind müsste gesondert diskutiert werden, darf aber keinen Einfluss auf Prozesslänge und Procedere haben, wie die Rechtsstaatlichkeit diktiert.
Tatsächlich meinte ich genaugenommen weniger "Untergebene", sondern eher 'kleine Gefolgsleute', 'Untertanen', also die für das Funktionieren einer Diktatur nötigen vielen willigen Vollstrecker. Ohne ein sauberes Verfahren gegen ihren Befehlsgeber haben die Verfahren gegen sie keine Basis. Wenn man sagt, er sei pauschal schuld, und ihn ohne exakte Beweisaufnahme hinrichtet, läßt sich nachher nicht mehr auseinanderfiltern, inwieweit einzelne Gewalttaten und Morde auf das Konto regionaler Statthalter oder Milizenkommandanten gehen.

Das logische Komplementär zu einem Schnellverfahren wäre eine Generalamnestie für alle Baathisten (vielleicht abgesehen von einem kleinen Führungszirkel). Und das würde möglicherweise lauter kleine Mörder in Amt und Würden belassen.

Ipsissimus
Dämmerung
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Mi 8. Nov 2006, 10:30 - Beitrag #18

diese Darstellung ignoriert konsequent, daß die beschriebenen Umstände eingebettet sind in einen größeren Kontext. Auch Hussein wurde großgemacht von den USA, die ihn als Dolch gegen den Iran gebrauchen wollten. Politischer Mord, Tyrannei, alles Teil der politischen Kultur im Vorderen Orient, nicht nur im Irak. Wo bleibt die Anklage gegen die Emire und das saudische Könighaus, die genauso rigide und bösartige Innenpolitik betreiben? Ach so, die sind treue Vasallen der USA ... Die Leute, die im Irak gegen Hussein schreien, haben selbst zuhauf Dreck am Stecken - erschossen werden und erschießen lassen als Volkssport auf allen Seiten - Dreck am Stecken, der fröhlich totgeschwiegen wird, weil sie sich als Erfüllungsgehilfen der USA gerieren. Nicht nur doppelte, sondern multiple Moral, und hinter allem Geschäftsleute, die sich des geifernden Mobs bedienen, um Rache dafür zu nehmen, daß sie in ihren Geschäften gestört wurden.

Hussein ist ein Mistvieh. Aber die größeren Mistviecher sitzen woanders und lachen sich ins Fäustchen.

Yanāpaw
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Mi 8. Nov 2006, 12:23 - Beitrag #19

Lykurg,


Ich stimme dir bei fast allen Punkten absolut zu, wobei ich mir bei diesem nicht sicher bin:

Jedenfalls vor dem Internationalen Strafgerichtshof kann Durchführung eines Angriffskriegs mangels Definition noch nicht verhandelt werden.


Gibt es keinen anwendbaren Rechtsgrundsatz der UNO, der einen Angriffkrieg gegen einen soueränen Staat regelt? Ich dachte das wäre die Grundlage für Herrn Bushs phrasendreschende und biblisch-wortgewaltige Darstellung seiner Agenda von Präventiv- und Präemptivschlägen gegen die "axis of evil" , um eben diesen Rechtsgrundsatz zu umgehen. Oder war das nur der Versuch einer Legitimation illegitimer Akte der Agression? Ich muss offen gestehen, dass ich auf diesem Gebiet Wissenslücken habe, weil ich mit den Rechtsgrundsätzen der UNO und des internationalen GH nur rudimentär vertraut bin.

Artikel 2 der UNO-Charta
3. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.

Quelle

Ist das zwar Bestandteil der Charta, aber kein Anklagegrund vor dem IGH? Oder divergieren Rechtsgrundsätze der UNO und des IGH?


Ipsissismus,

Ich stimme dir absolut zu, allerdings stelle ich mir die Frage, wie du den in vielen Demokratien verbreiteten oligarchisch-timokratischen Tendenzen begegnen möchtest.
Außerdem sehe ich in einem Prozess gegen Altehrwürdige und einer Suche nach der umfassenden Gerechtigkeit mehrere Probleme. Zunächst gbt es so feste Machtstrukturen, nehmen wir die USA als Beispiel, es gibt verschieden einflussreiche und mächtige Lobbys, die sowohl Justiz als auch Politik maßgeblich beeinflussen, als Beispiel nenne ich die Öl-Lobby und die Lobby der Rüstungsindustrie, oder die Pharma-Lobby. Diese nehmen teils durch Wahlkampfspenden, oder Zuwendungen an Senats oder Kongressmitglieder erheblichen Einfluss auf die Legislative, oder sie üben durch "Arbeitsmarkt-drohungen" direkten Einfluss auf die Fiskal- und Wirtschaftspolitik.

Davon abgesehen ist vor allem in den USA eine Doppelmoral ohnegleichen vorherrschend, als Beispiel nenne ich nur die von Kreationisten - die nebenbei in beängstigender Weise Zulauf erhalten - demonstrierte Empörung ob der Abbildung stillender Frauen auf Frauenzeitschriften, obschon die lautstärksten Herren und Damen des öfteren von impertinenten Zeitgenossen mit dem übergebührlichen Konsum von exotischen Filmen einer gewissen Frau Jameson in Verbindung gebracht werden.

Es gibt meiner Ansicht nach keinen einheitlichen Moral-Standard, Kreationisten meinen man sollte nur Genisis an der Schule lehren (und das wohlgemerkt im Biologieunterricht), andere meinen es sollte eine dialektische Beschäftigung mit Genesis und darwinischer Evolutionstheorie gelehrt werden, wieder Andere meinen, dass Genisis nichts im Biologieunterricht verloren habe. Fakt ist, dass immer mehr Einfluss auf die Politik durch religiös motivierte Gruppierungen ausgeübt wird und das im gleichen Atemzug, in dem man muslimisch geprägten Ländern, selbiges vorwirft.

Außerdem ist die Justiz nicht so unabhängig von der Politik wie sie es sein sollte, da die obersten Bundesrichter fixe Parteizugehörigkeiten haben, was bei Verfassungsfragen keine Neutralität vermuten lässt. Und vom Grundsatz, das Recht stehe über allem, muss ich wohl nicht erst anfangen.

Was ich mit all diesen Ausführungen zu erklären versuche ist, dass ich es für unmöglich halte diese festgefahrenen Strukturen und Machtverteilungen demokratisch umzugestalten ohne eine Hetz- und Denunziationskampagne à la Mc Carthy zu veranstalten und das darf sich auf keinen Fall wiederholen.

Ich hoffe ich vermittle nicht den Eindruck, meine Meinung sei der Weisheit letzter Schluss, ich versuche anhand einiger mir bekannter Zusammenhänge darzulegen, dass ich mir deine Kritik praktisch nicht vorstellen kann, so sehr ich ihr auch theoretisch beipflichte. Ich bin gespannt auf deine Vorschläge und Hinweise ^^

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Mi 8. Nov 2006, 18:54 - Beitrag #20

Ipsissimus, deinem letzten Beitrag kann ich Punkt für Punkt nur zustimmen, abgesehen von dem gezogenen Fazit, denn ich finde es schwierig, 'offenen Mord' und 'verdeckten Mord' (wenn ich mich auf deine Argumentation einlasse, wie ich sie verstehe) gegeneinander zu werten. Auch das offensichtliche Mistviehverhalten führt zu Normenverlust.


Yanāpaw, sie divergieren tatsächlich; der Internationale Strafgerichtshof basiert auf dem Rom-Statut, für das man sich noch nicht auf eine Definition des "crime of aggression" einigen konnte. Diese Ergänzung soll 2009 folgen.
Zitat von Rom-Statut, § 5:2. The Court shall exercise jurisdiction over the crime of aggression once a provision is adopted in accordance with articles 121 and 123 defining the crime and setting out the conditions under which the Court shall exercise jurisdiction with respect to this crime. Such a provision shall be consistent with the relevant provisions of the Charter of the United Nations.
Eine Presseerklärung des IStGH erwähnt, daß 38 Mitgliedsstaaten den Irak-Krieg als Aggression bewerten, infolge dieser Definitionslücke aber darüber nicht verhandelt werden kann.

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