Bürgergeld

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Yanāpaw
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Di 27. Mär 2007, 16:59 - Beitrag #1

Bürgergeld

Als die FDP das Konzept vorschlug wurde sie belächelt, nun hat sich das HWWI damit beschäftigt und die Idee salonfähig gemacht, indem sie als finanzierbar deklariert wurde. Kurz skizziert: Bürgergeld bezeichnet den gegenleistungs- und bedingungslosen Bezug eines einheitlichen Betrags (im Gespräch sind 600 und 800 Euro) und im Gegenzug den Wegfall nahezu aller anderen Transferleistungen, wie Kindergeld, ALG I +II, Elterngeld, Altersruhegeld et cetera. Abgesehen vom offensichtlichen Bürokratieabbau, den das mit sich brächte, sollen lt. optimistischer Schätzungen 1 Million Arbeitsplätze entstehen, nach eher realistischen ca. 600.000. Unberücksichtigt sind dabei die überflüssigen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die gegenwärtig die Transferleistungswüste beackern. Das Projekt sei durch Steuereinnahmen voll finanzierbar und gedanklich (nicht zwingend notwendig) an eine simplifizierende Steuerreform gebunden, welche das gegenwärtige Steuer-Chaos ersetzen solle. Im Gespräch sind dabei Einheitssteuermodelle, sowie Stufenmodelle.

Das Bürgergeld - Modell 600 - kostet also max. 590 Mrd Euro jährlich (Bezugsberechtigte mal Bezugshöhe) im Vergleich zu den Ausgaben für soziale Sicherung des Jahres 2005 von 566 Mrd Euro also durchaus vertretbar. Das Modell 800 schlüge mit 790 Mrd. Euro zu Buche. Im Vergleich dazu, allein von der GRV wurden 2005 239 Mrd Euro bezahlt.
Das gesamte Haushaltsvolumen umfasste etwas weniger als 1 Billion Euro.
Krankenversicherung und Pflegeversicherung blieben wohl unberührt.

Zu Zeiten des Umbruchs stünde man vor der Wahl, entweder alle Rentbezieher mit 600 (800) Euro abzuspeisen, unabhängig vom jeweiligen Anspruch und Arbeitslose pauschal mit dem Bürgergeld zu versorgen, unabhängig vom letzten Netto, oder entsprechende Übergangsmodelle zu entwickeln. Wobei das verfassungsrechtlich noch kein Problem wäre, weil der Rentenanspruch der Höhe nach nicht gesetzlich restriiert ist und das SGB änderbar ist. ^^

Also grundsätzlich halte ich das für einen sehr guten Gedanken, der einiger Modifikationen bedarf aber das Konzept an sich finde ich gut.

Lykurg
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Di 27. Mär 2007, 17:58 - Beitrag #2

Das Konzept sagt mir sehr zu.

Die vorgeschlagene Rentenkürzung als Übergangslösung ist allerdings schmerzlich für diejenigen, deren Einzahlungen ja längst zwangsweise verbraten wurden (ohne daß sie - abgesehen vom Auswandern - eine Wahl gehabt hätten). Hier wäre mE ein weicher Übergang unbedingt erforderlich.

Der andere Problempunkt ist der wegfallende Ansporn... aber das ist, verglichen mit der gesellschaftlichen Totalblockadeeinrichtung Steuerrecht, kein relevantes Argument. Das Bürgergeld gäbe den Menschen auch Freiräume, ihr Leben nach eigenem Wunsch zu gestalten.

avenga
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Di 27. Mär 2007, 19:15 - Beitrag #3

Ich finde das Bürgergeld auch sehr interessant. Und für mich ist es ein Ansporn, demnächst wieder verstärkt nach Arbeit zu suchen. Auch, wenn ich immer wieder resigniere.

Lykurg
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Mo 16. Apr 2007, 17:34 - Beitrag #4

(Und ansonsten denkt niemand über die Frage nach? Das ähnelt der Reaktion der Regierungsparteien...^^)

Ipsissimus
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Di 17. Apr 2007, 11:26 - Beitrag #5

Das Bürgergeld wird seit 30 Jahren immer wieder mal kurzfristig in die Debatte eingeflochten, von daher also nichts neues, auch wenn ich es etwas verwunderlich finde, daß es sich jetzt ausgerechnet die FDP damit profilieren will^^ das passt eigentlich gar nicht in deren Parteiprofil.

In der Sache eine hervorragende Idee, wird jedoch daran scheitern, daß man die Ausgaben (560 bzzw 790 Mrd Euro) als einen großen Brocken empfinden wird, der sich kaum veschleiern lässt. Zumal das Modell flankiert werden müßte von Maßnahmen zu einer geeigneten Anpassung des allgemeinen Preisniveaus. Mit diesen 600 oder 800 Euro müßte auch ein moderater Luxus finanzierbar sein, nicht der Werbewelt-Luxus, aber doch eine moderate Sorgenfreiheit.

Scipio
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Fr 20. Apr 2007, 13:24 - Beitrag #6

Ich peil das noch nicht so ganz.

590 Mrd € / 600€/ 12 ( Monate) sind grob 80.Millionen.
Die Idee ist also nicht, dass nur sozialschwache diese Leistungen empfangen, sondern jeder Staatsbürger jeden Alters?!? Habe ich das richtig verstanden?

Der Schwarzarbeit würde das einen riesigen Push verpassen, da man sich ja nun nicht mehr arbeitslos melden müsste und keine Zwangsarbeiten etc. machen müsste. Die FDP sieht lediglich eine Beschneidung von 30% bei Ablehnung angebotener Arbeit vor.

Das Kindergeld wird quasi verdrei-/vervierfacht und die Rente sowie Arbeitslosengeld erheblich beschnitten. Ist es denn so klug, Menschen zu ermöglich Kinder in die Welt zu setzen ohne finanzielle Grundlage?

Die These ist ja, dass 600.000 Arbeitsplätze entstehen, aber würde es im Gegenzug nicht auch zu einer riesigen Ineffizienz kommen, indem jetzt zum Beispiel jeder, auch dafür ungeeignete Menschen, ein Studium aufnimmt, da man es ja nun quasi bezahlt bekommt.

henryN
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Mo 23. Apr 2007, 17:45 - Beitrag #7

...nur mal so ganz kurz.... ich hätte ein äußerst effektives Studium haben können, wenn es mir jemand bezahlt hätte......

Lykurg
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Mo 23. Apr 2007, 18:47 - Beitrag #8

Scipio, so ist es gemeint. Zur Schwarzarbeit könnten böse Zungen behaupten, wo denn noch gewaltige Zuwächse möglich sein sollten... Welche unregelmäßig benötigte Dienstleistung kann man nicht schwarz bekommen?
Eine Verstärkung, so sie denn möglich wäre, hätte vielleicht auch einmal einen Bürokratieabbau an anderer Stelle zur Folge, so daß Unternehmensgründung und Einstellung von Mitarbeitern nicht schon am Formalitätenwust scheitern. Das scheint zumindest mir als ein wesentlicher Teilbereich eines solchen Konzepts - den man allerdings auch unabhängig davon angehen könnte und sollte.

Mit einer Leistungskürzung bei Arbeitsverweigerung holt sich der Veranstalter allerdings wieder einen Kontrollwust ins Land, der über Zumutbarkeitsklauseln und was weiß ich was noch wieder erhebliche Summen frißt... Außerdem hat man dann offensichtlich ein ganz anderes Ziel vor Augen.

janw
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Mo 23. Apr 2007, 22:40 - Beitrag #9

Ich möchte unbedingt nochmal grundlegend auf das Thema eingehen, schaffe es aber gerade nicht.
Deshalb nur eben dies zum Thema Förderung von Nichtstun und Schwarzarbeit:

Wir haben eine umfangreiche Förderung der Ehe, die wenn ich es richtig sehe, immer noch nicht in gleicher Weise für eingetragene Partnerschaften usw. gilt - mit dem Argument, die Ehe sei die Keimzelle der Familie und besonders wichtig für die Förderung von Geburten und Kindern. Keiner stört sich daran, daß nur ein Teil der Ehen für Nachwuchs sorgen, und die Ehen oft genug nur noch Lebensabschnittsgemeinschaften auf dem Papier sind. Auf das Arbeitsverhalten angewandt müsste das bedeuten, daß in gleicher Weise vertraut werden müsste, daß die Menschen aus eigenem Antrieb arbeiten werden oder anderweitig durch Übernahme von ehrenamtlichen Tätigkeiten, Kinderbetreuung, soziales Da-sein zur gesellschaftlichen Wertproduktion beitragen werden.
Ehrlich wäre mir der Ansatz des Bürgergeldes, das Vertrauen in die Menschen zu setzen und mit den paar Menschen zu leben, die eben warum auch immer nur für sich leben, lieber als das Mißtrauen, das im derzeitigen System kultiviert wird, das Menschen, wenn sie im falschen Alter länger als ein Jahr arbeitslos sind, wenn sie durch Behinderungen oder Krankheiten beschwert sind o.ä. automatisch zu Bittstellern macht.
Ich denke, daß diese permanente Keule, dieses permanente Mißtrauen in Mneschen, die für ihre Lage nichts können, Kosten verursacht, welche die Kosten für das Mitschleppen einiger weniger Unwilliger weit übersteigen.


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