Wie weit darf Macht sich schützen?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 10. Mai 2007, 23:09 - Beitrag #1

Wie weit darf Macht sich schützen?

Die Schutzmaßnahmen für den G8-Gipfel in Heiligendamm beschäftigen mich schon eine Weile, und ich frage mich, wie weit Schutz und Abschirmung von Macht eigentlich akzeptabel ist, angemessen, notwendig, ob überhaupt.

Natürlich könnte man sagen, daß dies Jammern auf hohem Niveau sei, wir haben eines der am weitesten ausgedehnten und von Gerichten gestützten Bürgerrechtssysteme der Welt und gute und erfolgversprechende Möglichkeiten für Jedermann, sich gegen empfundene staatliche Übergriffe rechtlich zur Wehr zu setzen.
Dennoch kommen mir erhebliche Zweifel, ob das, was im Namen der "Terrorabwehr" und speziell im Zuge des G8-Gipfels an Abschirmung der Bürger und Eingriffen in ihre Rechte geschieht, noch tragbar ist im Sinne des freiheitlichen Rechtsstaats und der offenen Bürgergesellschaft.

Seit jeher ist es die Geißel der Mächtigen, ihre Krankheit vielleicht, gewesen, einsam zu sein. Einsam in der Ausgeliefertheit den Entscheidungssituationen gegenüber, im Bewußtsein, keinem vertrauen zu können außer sich selbst, da ihre Macht Begehrlichkeiten weckte, jedes Vertrauen andern gegenüber damit den Keim des Umtsurzes in sich barg.
Einsamkeit auch darin, ihre Entscheidungen vertreten zu müssen, auch wenn diese offensichtlich mit Ungerechtigkeit, Not und Elend einhergingen oder diese auslösten.

Schon seit jeher ist Macht abgeschirmt gewesen, ob, weil genannte Einsamkeit ängstlich machte, ob, weil die Angst vor der Welt, vor dem Volk begründet war, ob, weil die Abschirmung in den Augen der Beherrschten Teil der Repräsentanz von Macht war - Macht ohne Abschirmung keine Macht - ob, weil die Abschirmung gar nicht prinzipiell von Macht selbst gewollt war, sondern von Subalternen, Wesiren, Haushofmeistern, Hausmeiern eingeführt zur Wahrung ihres Einflusses auf die Macht - Macht als Kokonsystem gewissermaßen - ist hier nicht zu entscheiden, ich denke, es wird von allem etwas zutreffen.

Nun sind diese Zeiten lange vorbei, theoretisch, da alle Staatsgewalt proklamiertermaßen vom Volke ausgeht, und mir drängt sich auf, daß damit Macht auch stärker als zuvor in den Zwang gestellt werden müsste, ihrem Tun ausgeliefert zu werden, sich den Folgen ihres Tuns stellen zu müssen, allein mit dem Schutz, der allen Bürgern zusteht.
Gewiss, dies mag überzogen erscheinen angesichts der Lage, wo im Laufe der Jahre doch einige Taten gegen Politiker geschehen sind, die nicht unbedingt als kritikmotiviert zu deuten sind - erinnert sei etwa an den Angriff auf Oskar Lafontaine.
Gleichwohl wird für mich in Heiligendamm eine Grenze deutlich überschritten, wenn Bürger geradezu wie potentielle Verbrecher behandelt werden und ein ganzer Ort geradezu von der Außenwelt abgeschottet wird.

Wenn dieses Land wirklich als freiheitliche Demokratie angesehen wird, in dem das Volk der Souverän ist, dann muss nach meinem Empfinden das G8-Treffen eben auch unter den Augen des Volkes stattfinden, jedes Bürgers, und nicht nur weniger akkreditierter Journalisten.

Alternativ böte sich sonst St Helena als Tagungsort an.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 11. Mai 2007, 00:18 - Beitrag #2

Einen Teilaspekt hast du schon angesprochen, nämlich die Gefahr, die von gewalttätigen Verrückten ausgeht und selbst über jede Kritik erhabene Persönlichkeiten wie Oskar Lafontaine treffen kann. Im Gegensatz zu Seiner Gleichgültigkeit ist aber der prominenteste Gast der G8-Tagung einer der meistgehaßten Männer der Welt, und das nicht (nur) aufgrund seines Verhaltens (bzw. der letztlich von ihm verantworteten Politik), sondern qua Amt.

Deutschland ist eines der Länder, in denen Antiamerikanismus seit Jahrzehnten fröhliche Urständ feiert, zum guten Ton gehört - wenn ich nichts besseres zu tun hätte, könnte ich mal auf meinem Campus die Flugblätter, Aufkleber und Schmierereien zählen, die "G8 stoppen - Gegen den ewigen Krieg", "Smash G8", "Stoppt Bush" etc. skandieren - und wenn mit einem Bild versehen, dann immer mit der wohlbekannten Visage - mal durchgestrichen, auch mal mit einer auf ihn zeigenden Waffe - am Kreativität und Begeisterung mangelt es da nicht.

Und daß die üblichen Ausschreitungen hier im Schanzenviertel völlig ungefährlich bzw. nur eine Reaktion auf 'staatliche Repression' sind, die Gewalttäter aber sicherlich nicht auf die Idee kämen, den G8 mit entsprechenden Mitteln zu stören zu suchen, wage ich zu bezweifeln.

Wäre es wirklich besser, wenn entsprechende Konferenzen nur an wirklich abgelegenen Orten stattfänden? Ich glaube nicht, daß jemand, der die hiesigen Absperrungen als volksfern kritisiert, die Vorstellung viel reizvoller fände.^^


Übrigens sind alle Menschen potentielle Verbrecher. Sie schätzen es nur nicht sonderlich, daran erinnert zu werden.^^

Ankh
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 152
Registriert: 27.04.2007
Fr 11. Mai 2007, 02:03 - Beitrag #3

Anarchie?

Wohin?

Ankh

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 11. Mai 2007, 03:03 - Beitrag #4

Du hast natürlich recht, auch im sich als kritisch definierenden Lager gibt es Leute, die einige Lektionen in Umgangsformen vertragen könnten.
Und ich überlege gerade, war nicht auch Schäuble mal Opfer eines eher wenig politisch-sachlich motivierten Anschlags? Ich mag den Mann nicht, aber so etwas ist selbstverständlich furchtbar und tragisch.

Wenn Du auf Bush kommst, kommst Du meinem tieferen Punkt sehr nahe: Dem Treiben dieses ruchlosen Unholds ist die Welt, jeder von uns, in irgend einer Weise ausgeliefert, ob wir wollen oder nicht.
Was gibt also irgendwelchen Sicherheitsfuzzis das Recht, diesen Kerl vor dem berechtigten Zorn der Menschen zu schützen, die alles Recht hätten, ihn persönlich, jeder für sich und wie es ihm beliebt, für seine Taten verantwortlich zu machen? Gleiches für Putin.
Ich bin mir übrigens sicher, daß die drei amerikanischen Urväter bereits mächtig rotieren in ihren Gräbern, nach an die 20 Jahren Perversion dessen, was sie der Welt als Gutes zu geben gedachten.

Zum Ort immerhin noch dies: Es handelt sich in gewisser Weise um Geiselnahme: Wer wirklich einen Angriff planen sollte, der wird damit unweigerlich auch die örtliche Bevölkerung treffen.

Nein, ich will für die Staatsterroristen dieser Welt keine sicheren Orte, nirgends, sie sollen von mir aus Getriebene sein, Vogelfreie, denn nicht anders gehen sie mit den Menschen um, die ihen anvertraut sind und nicht anders zerstören sie das Recht, an das sie eigentlich gebunden wären.

Dein letzter Satz stimmt so weit, als Straftatbestände beliebig weit gefasst werden können, wenn Macht nur will.

Guru Guru
Member
Member

 
Beiträge: 106
Registriert: 07.05.2007
Fr 11. Mai 2007, 08:42 - Beitrag #5

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus ... .wo geht sie denn nur hin? :cool:

Außer, daß wir alle 4 Jahre ein Kreuzchen an eine beliebige Stelle eines beliebigen Zettels machen dürfen (oder auch es lassen, wie in meinem Fall), sehe ich nicht, welche Macht das Volk hat. Ich kann entweder akzeptieren, was in meinem Namen beschlossen wird, oder es lassen - es ist gleichgültig, denn es ändert nichts. Aber das führt von der Diskussion weg.

Die Staatsgewalt legt es - ob in Genua oder in Heiligendamm - offenbar darauf an, ihre verschärften Sicherheitsmaßnahmen zu rechtfertigen, ist es doch ein erprobtes Mittel, den vorhandenen Widerstand so zu reizen, daß er zu härteren Maßnahmen greift. Wer Sitzblockaden als Gewalt definiert, muß damit rechnen, daß über andere Maßnahmen nachgedacht wird. Wer legalen Protest verhindert, sorgt dafür, daß über andere Schienen nachgedacht wird.

Edith: da schau an

Gegen zu allem entschlossene Verrückte helfen im Übrigen keine noch so harten Sicherheitsmaßnahmen, wie die Verantwortlichen immer wieder nicht müde werden, selbst zu betonen.

Der Antiamerikanismus ... jaja, wo kommt der denn nun bloß her? :cool:

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 11. Mai 2007, 10:54 - Beitrag #6

Der Antiamerikanismus ... jaja, wo kommt der denn nun bloß her? :cool:

Wenn der Antiamerikanismus darauf zielt, wieder die Ideale der Gründerväter der amerikanischen Verfassung ins Blickfeld zu holen, den pursuit of happiness für alle einzufordern, dann ist das IMHO eher wahrer Pro-Amerikanismus:angel:

Guru Guru
Member
Member

 
Beiträge: 106
Registriert: 07.05.2007
Fr 11. Mai 2007, 11:51 - Beitrag #7

Die Warnungen, dass die nach dem 11.9. ausdrücklich gegen den internationalen oder islamistischen Terrorismus eingeführten Maßnahmen allmählich auch dazu dienen werden, gegen politische Opposition eingesetzt zu werden, scheinen sich leider zu bestätigen.


Quelle

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 11. Mai 2007, 13:04 - Beitrag #8

Steinmeier:"Sie können mir glauben, dass die Politiker es lieber sähen, wenn solche Sicherungsmaßnahmen nicht nötig wären." Über ihren Umfang würden nicht die Politiker entscheiden, sondern diejenigen, die für die Sicherheit der eingeladenen Gäste Verantwortung trügen. Man fragt sich allerdings, welche Funktion Bundesinnenminister Schäuble ausübt. Weiter meinte Steinmeier ein umständlich, dass die Sicherheitsmaßnahmen die Akzeptanz solcher Treffen, die nicht für jedermann notwendig und sinnvoll erscheinen, für Politik und Begegnungen für das Publikum nicht einfacher mache.

Das läuft auf ein weiteres Motiv der Sicherheitspolitik hinaus, die simple Paranoia der mit diesem Bereich betrauten Personen.
Schäuble ist krank in meinen Augen, und damit selbst ein Risiko - für die Akzeptanz der Ergebnisse des Treffens - dessen Themen und Zielen ja durchaus auch Linke zustimmen - und für die Sicherheit, da, siehe Guru, mehr Repression die Gefahr stärkerer Aggression mit stärkeren Mitteln erhöht.

Ich würde sagen: Auf nach Karlsruhe!

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Fr 11. Mai 2007, 13:21 - Beitrag #9

Die Warnungen, dass die nach dem 11.9. ausdrücklich gegen den internationalen oder islamistischen Terrorismus eingeführten Maßnahmen allmählich auch dazu dienen werden, gegen politische Opposition eingesetzt zu werden, scheinen sich leider zu bestätigen.


Mal ganz davon abgesehen, dass TP als objektive Quelle ungefähr so tauglich ist wie die Welt, nur am anderen Ende der Skala, muss ich mich fragen, seit wann es sich bei demonstrierenden Zivilisten um politische Opposition handelt. Politische Opposition spielt sich in den Parlamenten ab nicht auf der Straße.


Außer, daß wir alle 4 Jahre ein Kreuzchen an eine beliebige Stelle eines beliebigen Zettels machen dürfen (oder auch es lassen, wie in meinem Fall), sehe ich nicht, welche Macht das Volk hat.


Und die Kreuzchen reichen nicht? Nur zur Verdeutlichung, das Volk hat die Macht politische Parteien zu stärken, zu vernichten, eine absolute Mehrheit im Bundestag zu schaffen et cetera. Wenn halt 50% der Bevölkerung keine Kreuzchen machen und dann nur rumheulen, dass sich nichts ändert, ja dann wird sich auch nichts ändern... Im Rahmen des Menschenmöglichen könnte sehr viel geändert werden, wenn man denn bei sich anfinge und nicht nur über die anderen pöbelte.


Wer Sitzblockaden als Gewalt definiert, muß damit rechnen, daß über andere Maßnahmen nachgedacht wird. Wer legalen Protest verhindert, sorgt dafür, daß über andere Schienen nachgedacht wird.


Wenn die Veranstalter dafür Sorge trügen, dass sämtliche Demonstranten friedlich ihre Meinung kundtäten, dann gäbe es auch keine Probleme, komisch aber das dem niemals so ist. Komisch, dass all diese Menschen sich selbst als kleine Gandhis sehen es aber immer wieder zu Ausschreitungen kommt an denen sie selbst natürlich völlig unschuldig sind. Dummes Geschwätz, ich wäre dafür mit Vollgummigeschossen in die Menge zu schießen, sobald die ersten Steine fliegen, oder alternativ dazu - und weniger problematisch - die Demonstrationen einfach lokal zu verbieten, oder müssen die Pazifisten unbedingt den Zaun ablecken während sie ihren Mist loswerden? Mal abgesehen davon, dass jeder immer ganz groß ist auf seine Rechte zu pochen, das Recht zu haben die eigene Meinung zu äußern, aber dafür gerade stehen will man nicht, man könnte ja IGs, Vereine oder Parteien gründen, aber ne dann müsste man sich ja als das zeigen was man ist, ein kleiner Haufen inhaltsloser Dummköpfe, die einfach mal dagegen sein wollen. Man vergisst auch mal, dass Polizeieinsätze nicht auf Bäumen wachsen und ein Arsch voll Schotter löhnen, man vergisst, dass man für Umweltschutz und bla bla demonstriert und die Austragungsstätte für Millionen von Euro Müllberge beseitigen und Straßen sanieren, wenn man gegangen ist. Und liest man sich mal durch was denn so auf den Transparenten steht, dann wird auf erheiternde Weise klar, dass es sich bei diesen ganzen Fuzzis mitnichten um politische Aktivisten handelt.


Gegen zu allem entschlossene Verrückte helfen im Übrigen keine noch so harten Sicherheitsmaßnahmen, wie die Verantwortlichen immer wieder nicht müde werden, selbst zu betonen.


Absolutes Sperrgebiet hilft.



Was gibt also irgendwelchen Sicherheitsfuzzis das Recht, diesen Kerl vor dem berechtigten Zorn der Menschen zu schützen, die alles Recht hätten, ihn persönlich, jeder für sich und wie es ihm beliebt, für seine Taten verantwortlich zu machen?


Gesetze? Unveräußerlichkeit von bla bla was du sonst immer über den grünen Klee lobst und als unantastbaren Wert deklarierst gilt nur für deine Freunde, das ist natürlich geil. Gehen wir das einfach mal den rutschigen Hügel hoch und überlegen uns was wohl passierte, wenn jeder Politiker von jedem Bürger zur Verantwortung gezogen würde, also gemeuchelt würde. Ja das wäre wundervoll, da gäbe es sicher noch sehr viel Politik und wenn dann die linken Helden im Parlament sitzen, kommen die rechten rein und sorgen mit dem Strumgewehr 44 für Gerechtigkeit, ja ich muss sagen, deine Frage ist wirklich sehr durchdacht. Am besten übertragen wir das gleich aufs Zivilleben, ich bin mit meinen Nachbarn nicht einverstanden, schnell meine Knifte raus und Gerechtigkeit. Dieser Thread (mit Ausnahme von Lykurg, der als einziger argumentiert) markiert einen neuen Tiefpunkt... :rolleyes:

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 11. Mai 2007, 13:40 - Beitrag #10

Macht, was sie kann, und warum sie es kann. Ein kleiner Text dazu.

Menschen haben habe Setzungsfähigkeit.

Dieser Satz ist um vieles furchtbarer, als er daherkommt, es ist vielleicht der furchtbarste Satz, der überhaupt daher kommen kann.

Denn sie empfinden ohne Erachtung der Zusammenhänge den Wunsch, diese Setzungsfähigkeit auch anzuwenden, zu praktizieren. Sie sind eherne Götter. Die Setzung formuliert in jedem Fall ihren Anspruch, ihr Vorhaben, ihr Wünschen und stößt somit an den Grenzen ihrer Macht auf die Grenzen ihrer Freiheit.

Es stellt darin nämlich sich die Frage – deren Antwort sich in der individuellen Praxis und sonst nirgends erweist noch von Belang ist – ob sich jener Setzungsfähigkeit nach Maß und Charakter geeignete Setzungsmacht – als hinreichend starke Macht, solcher Setzung Raum und Zeit und Geltung zu erwirken – hinzugesellt.

Das Maß einer Überzeugtheit davon, daß »etwas« recht, gerecht, richtig, wünschenswert, gültig und dergleichen mehr sei, ist ein Maß für exakt nichts.

Was trotz unzähliger normativer Imperative erlebt wird, ist das Verlangen und die Fertigkeit jedes einzelnen Mitglieds und jeder einzelnen Untergruppe der Spezies homo sapiens, jede - noch so verbindlich daherkommende - überindividuelle Setzung zur Wahrung der damit korrespondierenden essentiellen, d.h. individuellen oder gruppenbezogenen Setzung auszuweiten, zu überschreiten oder zu brechen.

Die Endlösung der Judenfrage, nur um ein prominenteres Beispiel zu nennen, war weit davon entfernt, unmenschlich zu sein, sie ist vielmehr eine der exponierteren Spitzenleistungen dessen, was das Attribut »menschlich« umschließt, auch wenn sich durchaus wohlmeinende Menschen an solcher Aussage reiben werden weil sie Attribut wie üblich an das moralisch als wünschenswert Darstellbare zu binden versuchen:

Doch erleben Menschen tagtäglich immer wieder Umfassenderes, daß nämlich Maximallösungen gesucht und bei geeigneter Macht oder Befähigung ungeachtet irgendwelcher apokrypher Fragestellungen umgesetzt werden; so daß, im Rahmen faktisch gelebten und erlebten Lebens, die Endlösung faktisch unermesslich oft reproduziertes Prinzip ist, bei jedem so gut es geht, anhand der Situationen, wie sie sich gerade stellen. Ein Problem, ein Mitempfinden (nicht: Mitdenken) mit dem Tod, mit den Qualen anderer, ein Ablassen von der eigenen wie auch immer aufgefaßten Maximalverwirklichung zugunsten anderer besteht außerhalb der eigenen Referenzgruppe nur als - oft genug gut verkäuflicher - Anspruch, der bei geeigneter Konstellation der Umstände den Atem nicht wert ist, der auf seine Formulierung verschwendet wurde.

Gleich wie sehr ich die Endlösung - jede Endlösung - geißeln wollte, gleich, wie sie gegeißelt wurde und werden wird, gleich, was zur Vermeidung ihrer Wiederholung ersonnen werden wird - zwei Dinge werden bleiben: daß sie eine jederzeit verfügbare Möglichkeit des Menschlichen ist - und daß sie ÜBER ALLE MAßEN VERFÜHRERISCH IST. Womit alle Geißelung nichts besagt, weil Menschen immer wieder auf »endgültige« Lösungen verfallen werden, statt in die Mühsal von tatsächlicher Freundlichkeit und innerer Distanz zu sich selbst einzuwilligen. Und was die Menschlichkeit anbelangt: das IST jenes, als was Menschlichkeit sich erweist.

So die Endlösung und das damit manifestierte Prinzip dämonisiert wird, soll letztlich nur freigesprochen und geteilt werden:

Freispruch für die Spezies als ganzer, die ja gemäß gängiger Überzeugung immer weiter machen dürfen muß, deren Recht auf Sosein und Weiterbestand trotz aller einschlägigen Erweise niemals zur Disposition gestellt sein darf;

und Teilung der Spezies in solche, die sich den Dämonen anheimgeben und jene, die dies nicht tun.

Daß wir - wiederum: als Ganzes - vielmehr eine Spezies von Dämonen sind, daß jenem, was wir als »menschlich« bezeichnen, das »Dämonische« inhärent ist - in der jederzeit anwendbaren Fähigkeit zur vollkommenen Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid, das nicht am eigenen Leibe, in der eigenen Seele erlebt wird, und zur Euphemisierung dieser Gleichgültigkeit - wer will das schon hören?

Für die Jeans, die ich gerade ganz konkret trage, mußten im Sudan oder einem der möglichen Herkunftsländer ein bis zwei Menschen ganz konkret sterben, da auf den dafür eingerichteten Baumwollanbauflächen keine Nahrung gedeiht, und gleichzeitig die Löhne in diesen Ländern so niedrig sind, daß die Menschen vor Ort sich die Preise des importierten, käuflich zu erwerbenden Essens nicht leisten können - alles zugunsten der Marktfähigkeit des Produktes Baumwolle, alles dafür, daß bei uns der Wohlstand stabil bleibt. 10 - 15 Prozent der Weltbevölkerung verbraten 85 - 90 Prozent der verfügbaren Ressourcen. Kümmert es mich? Offensichtlich nicht wirklich. Und wie will einer wie ich sich rechtfertigen? Sehenden Auges laufe ich in das Messer, das mich töten wird. Andere können sich wenigstens mit - zwar in meinen Augen vorsätzlicher, aber immerhin mit - Blindheit herausreden.

Welcher Gott aber wollte einem wie mir Absolution erteilen? Und welcher Gott könnte es, davon abgesehen, in einer Weise von Belang?

Der Gedanke, die Menschheit habe keine Existenzberechtigung, unterliegt der Gefahr des Mißverständnisses, sein Denker sei der Ansicht, sie, die Menschheit, bräuchte solche Berechtigung, oder es gäbe etwas, befugt und mächtig, solche Berechtigung zu gewähren oder zu verweigern; er unterliegt ebenfalls der Gefahr des Mißverständnisses, sein Denker empfinde die gelegentliche Selbstausrottung der Menschheit als verdient. So fern mir der moralinsaure Gehalt des letzteren Mißverständnisses liegt, so lächerlich ist mir die Machtrelativierung des ersteren. Gemeint ist vielmehr: die Menschheit hat sich in der faktischen Gestaltung ihrer Umstände, also außerhalb der Proklamationen, Ansprüche und Forderungen, durch ihre gesamte Geschichte hindurch als derart gleichgültig gegen Fragen der Fragwürdigkeit von Massenvernichtung und ähnlichen Nettigkeiten des täglichen Lebens erwiesen, daß mir demgegenüber der Wunsch nur unerheblich zynisch erscheint, wir mögen bei unserem unentwegten Bestreben nach Selbstauslöschung der Spezies doch bitte endlich Erfolg haben. Schließlich erzeugt es nur unnötige Frustrationen, wenn Menschen sich zu lange - und dazu noch mit solcher Leidenschaft - erfolglos um etwas ihnen offensichtlich so Wichtiges bemühen.

Aus all dem folgen zwei mögliche Reaktionen

wir managen das schon in geeigneter Weise (die politische Lösung)
oder
wir resignieren

Beide Reaktionen sind Teil des Problems, weil es immer die falschen "wirs" sind, die sich der einen oder der anderen Seite verschreiben. Jene, die resignieren, sind diejenigen, denen - wenn überhaupt jemandem - zuzutrauen ist, Macht in WIRKLICH verantwortlicher Weise auszuüben. Sie werden sie nie erlangen. Vor jenen mit "natürlicher" Affinität zur Macht möge mensch sich hüten.

Guru Guru
Member
Member

 
Beiträge: 106
Registriert: 07.05.2007
Fr 11. Mai 2007, 13:44 - Beitrag #11

*spotz* *schnaub* *fauch* :P

Politische Opposition spielt sich in den Parlamenten ab nicht auf der Straße.

Laut einer Definition, die aufstellst oder teilst - und natürlich ist jeder, der diese Definition nicht teilt, ein suspekter Linker, Anarchist, Hohlkopf, Träumer ... amüsant.

Im Rahmen des Menschenmöglichen könnte sehr viel geändert werden, wenn man denn bei sich anfinge und nicht nur über die anderen pöbelte.


Großen Spiegel hochhalt :)


Man vergisst auch mal, dass Polizeieinsätze nicht auf Bäumen wachsen und ein Arsch voll Schotter löhnen,


Oh verflixt - da geht unser Wohlstand hin *rofl*.
Sie könnten die Polizeieinsätze ja einfach lassen.
Ist das schonmal ausprobiert worden?
Wär ja vielleicht ne Idee.

Gehen wir das einfach mal den rutschigen Hügel hoch und überlegen uns was wohl passierte, wenn jeder Politiker von jedem Bürger zur Verantwortung gezogen würde, also gemeuchelt würde.


Find ich gut, also meine erster Verbesserungsvorschlag in diesem Forum: Bewaffnung des gesamten Volkes!

Falls der Eindruck entstehen sollte, daß ich deine Beiträge nicht mehr ganz ernst nehme, Yanapaw - Wahrheit liegt im Auge des Betrachters :cool:

Edith: der Beitrag vor mir war noch nicht da, als ich schrieb.
Bei dessen Ersteller entschuldige ich mich für meinen unqualifizierte Fortsetzung;)

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Fr 11. Mai 2007, 15:21 - Beitrag #12

Laut einer Definition, die aufstellst oder teilst - und natürlich ist jeder, der diese Definition nicht teilt, ein suspekter Linker, Anarchist, Hohlkopf, Träumer ... amüsant.


Wenn dir die parlamentarische Annäherung an die Demokratie nicht liegt, ist das deine Freiheit diese Ablehnung kundzutun, was allerdings mehr als fragwürdig anmutet ist anerkannte und intersubjektive Setzungen ohne jegliche Begründung zu negieren. Vielleicht sollten sich einige Menschen mal Gedanken darüber machen, dass ihre Vorschläge vom Prinzip her gar nicht schlecht sind, aber durch Demos, Flugblätter und an Schienen ketten niemals auch nur in die Nähe der Debatte gebracht werden, weil Politik nicht auf der Straße stattfindet, so wenig dir oder anderen gefallen möge. Ein System ändere ich nur mit den erforderlichen Mitteln, bei uns ist das entweder Politik (und ja ich weiß vom Marsch durch die Instanzen) oder massive Gewalt. Dieses ergebnislose Rumgespaste auf der Straße hat überhaupt keine Erfolge vorzuweisen, es ändert überhaupt nichts und kostet nur Unsummen an Geld.


Großen Spiegel hochhalt


Was genau weißt du über mein Engagement in diversen Gruppierungen und der Lokalpolitik? Gar nichts.

Oh verflixt - da geht unser Wohlstand hin *rofl*.


Da geht nicht unser Wohlstand hin, da gehen unsere Staatsmittel hin, die man für Investitionen in Innovation, Subventionierung von Zukunftsbetrieben, Bildungsförderung, Hilfsprogrammen, Umbau der Sozialsysteme und Schuldenabau hätte verwenden können.

Sie könnten die Polizeieinsätze ja einfach lassen.
Ist das schonmal ausprobiert worden?
Wär ja vielleicht ne Idee.


Ich befürworte diesen Vorschlag, die nächsten Demos sollten ohne Polizeipräsenz veranstaltet werden und die Veranstalter tragen die Konsequenzen der Ereignisse, sie kommen für die Müllbeseitigung und die Sachbeschädigungen auf, sofern diese entstehen.


Falls der Eindruck entstehen sollte, daß ich deine Beiträge nicht mehr ganz ernst nehme, Yanapaw - Wahrheit liegt im Auge des Betrachters


Wenn du meine Beiträge nicht ernstnimmst, dann kommentier sie doch bitte gar nicht, das erspart mir die Zeit, in deinen Zeilen nach Sinn und Intention zu suchen und darauf zu reagieren.



wir managen das schon in geeigneter Weise (die politische Lösung)
oder
wir resignieren


Ersteres (wobei ich das eher als "das beste aus schlechten Voraussetzungen machen" bezeichnen wollte) muss nicht ergebnislos sein, letzteres ist es immer. Und manches was als Pyrrhussieg wahrgenommen wird, erweist sich erst später als richtiger Weg.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 11. Mai 2007, 15:35 - Beitrag #13

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,482384,00.html

wird alles streng demokratisch gemanaget^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 11. Mai 2007, 16:01 - Beitrag #14

Ipsi, wohl wahr...und so wäre den Mächtigen und ihrem Tun die kalte Schulter zu zeigen, nein, sie gar so zu ignorieren, als seien sie wirklich nicht da, vielleicht der bessere Weg in dem Sinne, sich selbst von jeder Beziehung zur Macht frei zu halten.
Der Weg der Ataraxie, wenn ich es richtig sehe...

Doch, ist es gleichsam schädlich, sich an dem Umgang der Mächtigen mit ihrer Macht zu reiben, oder ist dies alles Kinderkram, dem Du entwachsen bist?

Zitat von Lykurg:Im Gegensatz zu Seiner Gleichgültigkeit ist aber der prominenteste Gast der G8-Tagung einer der meistgehaßten Männer der Welt, und das nicht (nur) aufgrund seines Verhaltens (bzw. der letztlich von ihm verantworteten Politik), sondern qua Amt.

Der Ruf des Amtes hat IMHO vor allem durch das Handeln mehrerer seiner letzten Inhaber, also Reagan, Bush Sen. und Bush jr. gelitten, aber mit offensiver Abschirmung, gar dem Eingriff in garantierte Bürgerrechte, wird das sich IMHO eher noch verschlechtern.

Was den Antiamerikanismus verschiedener Gruppen betrifft - da sind gewiss zahlreiche politische Analphabeten dabei - aber man wird ja auch nicht die CDU aus der Welt haben wollen, weil sie mit der CSU verbandelt ist, will sagen, nimm die Schmierer nicht als pars pro toto, gleichfalls nicht die Steinewerfer.

St Helena hätte natürlich eine besonders symbolische Bedeutung^^
Mir täten allerdings bei dem rauhen Klima dort die Journalisten leid...

Zitat von Yanapaw:Mal ganz davon abgesehen, dass TP als objektive Quelle ungefähr so tauglich ist wie die Welt, nur am anderen Ende der Skala, muss ich mich fragen, seit wann es sich bei demonstrierenden Zivilisten um politische Opposition handelt. Politische Opposition spielt sich in den Parlamenten ab nicht auf der Straße.

Parlamentarische, nicht politische. Politisch von polis ist in einer Bürgergesellschaft jede Gruppe, die zu die Gemeinschaft betreffenden Sachverhalten Stellung bezieht.

Wenn die Veranstalter dafür Sorge trügen, dass sämtliche Demonstranten friedlich ihre Meinung kundtäten, dann gäbe es auch keine Probleme, komisch aber das dem niemals so ist. Komisch, dass all diese Menschen sich selbst als kleine Gandhis sehen es aber immer wieder zu Ausschreitungen kommt an denen sie selbst natürlich völlig unschuldig sind.[...]

Nun, da gibt es sicher etwas zu verbessern, aber ebenso muss gesagt werden, daß die Veranstalter selbst dies als Problem sehen und es eine Reihe Strategien gibt, um eben Steinewerfer usw. zu vermeiden oder abzudrängen.
Ich sag mal, das ist in der Summe so erfolgreich, wie die Bemühungen der Polizeieinsatzleiter zur Deeskalation ihrer Kräfte erfolgreich sind - man hat es mit Menschen zu tun, und jedem Menschen können die Nerven versagen.
Vergiss nicht, daß Transparente griffig Inhalte vermitteln sollen, sie sind per def. kein Essay und keine Minnelyrik. Vergleich sie auch mal mit dem verbalen Dünnsinn mancher Mandatsträger.

Gesetze? Unveräußerlichkeit von bla bla was du sonst immer über den grünen Klee lobst und als unantastbaren Wert deklarierst gilt nur für deine Freunde, das ist natürlich geil. Gehen wir das einfach mal den rutschigen Hügel hoch und überlegen uns was wohl passierte, wenn jeder Politiker von jedem Bürger zur Verantwortung gezogen würde, also gemeuchelt würde.

Nun, ich sprach davon, daß seine Opfer so mit ihnen verfahren sollten, wie ihnen gemäß sei - natürlich unter Inkaufnahme der Konsequenzen.
Ich rechtfertige keinen Mord, keinen Totschlag, keine Verletzung, ich fordere Verantwortung - und denke schon, daß das Wissen, sich der Verantwortung stellen zu müssen, dazu führen würde, daß manche Handlung zweimal überdacht würde.

Den Tiefpunkt sehe ich nicht in diesem thread - meine Haltung ist dezidiert, und so stelle ich sie dar, damit sie diskutiert werde, möglicherweise Stein des Anstoßes, möglicherweise tiefer hinterfragt, möglicherweise Ausgangspunkt weitergehender Erkenntnis werde.

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Fr 11. Mai 2007, 16:47 - Beitrag #15

Parlamentarische, nicht politische. Politisch von polis ist in einer Bürgergesellschaft jede Gruppe, die zu die Gemeinschaft betreffenden Sachverhalten Stellung bezieht.


Da hast du Recht. Wie erfolgversprechend Politik auf der Straße ist, dass vergessen wir kurz. Stattdessen freuen wir uns über die hehren Worte auf den Transparenten und die Ankündigungen von Brandschatzern und Millitanten und ignorieren die 92 Millionen Euro, die wir wegen einiger Weniger abdrücken, auf dass sehr viele -tatsächlich friedlich - ihre Meinung auf Transparenten verkünden können, statt die erfolgversprechenderen Wege in einer parlamentarischen Demokratie zu wählen. Wenn ich ganz ehrlich bin ist es mir auch egal, sollen sie machen was sie wollen, sollen sie demonstrieren oder brandschatzen, Kerzen anzünden oder Häuser, sich prügeln oder in den Armen liegen, ändern werden sie mit alledem nur die Ausgabenseite in den Bilanzen. Und unsere Positionen sind so weit voneinander entfernt, dass ich mich frage warum ich jedesmal wieder reagiere. Dummheit, anders lässt es sich nicht erklären.


und denke schon, daß das Wissen, sich der Verantwortung stellen zu müssen, dazu führen würde, daß manche Handlung zweimal überdacht würde.


Eine Verantwortung, die sich nur mit einem tatsächlich unabhängigen Justizsystem oder Lynchjustiz einfordern ließe. Den hehren Gedanke sehe ich wohl, allein mir fehlt der Glaube an den Menschen.


Den Tiefpunkt sehe ich nicht in diesem thread


Nein ich nach reiflicher Überlegung auch nicht mehr, ich sehe ihn nunmehr in meiner Beteiligung und der Form selbiger. Es hat lange gedauert, aber ich denke ich bin wieder einen Schritt weiter gekommen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 11. Mai 2007, 18:34 - Beitrag #16

Zitat von janw:Der Ruf des Amtes hat IMHO vor allem durch das Handeln mehrerer seiner letzten Inhaber, also Reagan, Bush Sen. und Bush jr. gelitten, aber mit offensiver Abschirmung, gar dem Eingriff in garantierte Bürgerrechte, wird das sich IMHO eher noch verschlechtern.
Wer war der in Deutschland beliebteste US-Präsident des letzten Jahrhunderts (wohl auch insgesamt, da Washington und Lincoln kaum jemand kennt)?

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit John F. Kennedy. Warum?
Ich sehe zwei Gründe - seine Berlin-Rede (die aber nicht allzuviel direkte Folgen zeitigte] aber Reagan war ja böse[/i] -) und seine spektakuläre, boulevardpressewirksame Ermordung, die vielfache Gelegenheit zu Traueransprachen, Dokumentarfilmen etc. etc. In der Folgezeit, unter seinen Nachfolgern, ist das Ansehen dieses Amtes im öffentlichen Bewußtsein der Deutschen also stark verfallen.

Also können die US-Geheimdienste nichts besseres für das Ansehen Amerikas in der Welt (oder sagen wir lieber nur: in Deutschland? Vielleicht sind die Antipathien anderswo rationaler begründet...) tun, als die Ermordung Bushs zuzulassen oder möglichst spektakulär zu inszenieren. Hmmm, aber das wollen sie auch nicht. Dumme Amis.

Was den Antiamerikanismus verschiedener Gruppen betrifft - da sind gewiss zahlreiche politische Analphabeten dabei - aber man wird ja auch nicht die CDU aus der Welt haben wollen, weil sie mit der CSU verbandelt ist, will sagen, nimm die Schmierer nicht als pars pro toto, gleichfalls nicht die Steinewerfer.
Nein, das tu ich durchaus nicht; ebenso wie Yanāpaw, über dessen Unterstützung ich mich freue, erkenne ich die Rechtfertigung gewaltloser Demonstrationen selbstverständlich an, bei Sitzblockaden, Ankettungen etc. hört der Spaß aber schon auf, und mE sollten die Veranstalter einer irgendwie auf positive Wirkung ausgerichteten Demonstration selbst alles dafür tun, Krawallbrüder an der Teilnahme zu hindern, sich von ihnen zu distanzieren etc. Und davon sehe ich nichts.

Übrigens, janw, Andersdenkende als "krank" zu bezeichnen, war schon immer ein tolles Diskussionsmittel. :rolleyes:

Zitat von Guru Guru: Der Antiamerikanismus ... jaja, wo kommt der denn nun bloß her? :cool:
Beide deutschen Diktaturen haben sich redlich darum bemüht, die Amerikaner zum großen Feindbild der Deutschen zu machen - die einen durch Geißelung des "jüdischen Monopolkapitalismus" mit einer ihnen unterlegenen, da "verniggerten" und nicht nationalen Kultur, die anderen durch die Stigmatisierung als "imperialistische Hegemonialmacht". Von beidem ist etwas hängengeblieben und hat sich tief in die Köpfe (oder eher: in die Bauchhirne^^) eingenistet. Dazu kam aber jede Menge Aktualisierung aus geeigneten Anlässen, vielleicht noch eine Dosis Selbstmitleid wegen der gefühlten eigenen Bedeutungslosigkeit gegenüber der "Weltpolizei", die dann automatisch als "arrogant" gelten konnte.

Es gibt sicherlich auch bessere Gründe für eine kritische Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten - wie auch gegenüber anderen Nationen einschließlich unserer eigenen. Gerade in diesem Fall aber findet sich bei sehr, sehr vielen Menschen einfach nur ein völlig unreflektierter Haß. Übrigens beruht die hier dargestellte Begründung durchaus auch auf Selbstanalyse, ich behaupte nicht, daß ich völlig frei davon wäre.

Guru Guru
Member
Member

 
Beiträge: 106
Registriert: 07.05.2007
Fr 11. Mai 2007, 19:06 - Beitrag #17

Gerade in diesem Fall aber findet sich bei sehr, sehr vielen Menschen einfach nur ein völlig unreflektierter Haß.


Also ich hab die Amis geliebt: die Cadbury-Schokolade, die sie von ihren LKW´s runtergeworfen haben und das Milchpulver waren Höhepunkte meiner Kindheit, für die Zigaretten war ich damals noch zu klein :cool:
Dann kamen die Petticoats - da war ich schon in dem Alter, das zu würdigen, Jeans, Bill Haley und Elvis Presley, AFN - ROCK´N´ROLL, yeah :)
Der Rock (nicht der Petticoat, die Musik) ist nach wie vor meins, aber da kam dann Vietnam (natürlich schon unter Kennedy) undundund es kam Nachdenken und es kam Lesen und es kam weiteres Nachdenken und Erfahrungen.
Es kam kein Haß, John Irving ist einer meiner Lieblingsautoren, ich finde das Land nach wie vor faszinierend, aber es kam Verurteilung der amerikanischen Außenpolitik, kritische Distanz auch zur Innenpolitik dort wie hier ... und mehr.
Aber das alles auf Antiamerikanismus zu reduzieren, scheint mir bissel wenig. Ich kann nicht in die Köpfe anderer Menschen hineinschauen, aber ich denke, es gibt genug Gründe für sowas wie "Antiamerikanismus", obwohl ich nicht bestreiten will, daß auch die von dir genannten Gründe bei einigen (imo aber nicht bei sehr,SEHR vielen ;-)) mitspielen mögen.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 11. Mai 2007, 22:51 - Beitrag #18

Zitat von Lykurg:Wer war der in Deutschland beliebteste US-Präsident des letzten Jahrhunderts (wohl auch insgesamt, da Washington und Lincoln kaum jemand kennt)?

Sicher, Kennedy war die Sympathiefigur schlechthin, aber damit will ich gar nicht vergleichen - es geht mir nicht unbedingt darum, die Figur des amerikanischen Präsidenten und die amerikanische Politik zu mögen, sondern darum, an welchem Punkt und wodurch die interessierte Beobachtung in Ablehnung umgeschlagen ist - und das hat IMHO mit Reagan eingesetzt, unter Clinton gab es dann eine Erholung, und unter Bush jr. ist der bisherige Tiefpunkt erreicht.
Und zwar nicht nur in Deutschland, wo der Pro-Amerikanismus lange Zeit so sehr politisches Programm war, wie Springer Staatspresse gewesen ist!, sondern in vielen Teilen der Welt.
Mir gefällt das - ganz offen gesagt - überhaupt nicht, ich wünsche mir, die amerikanische Politik interessiert begleiten zu können, so, wie ich interessiert begleiten werde, was Monsieur "Le Kärcher" Sarkozy aus seiner Amtszeit macht. Da wird manches gefallen, anderes weniger, aber es wird kein Grund erwachsen, ihn hinter raketensicheren Verhauen zu verwahren, sollte nicht, zumindest.
Was die Rationalität meiner Antipathie betrifft...ist Verfolgung der Desaster und empathische Einfühlung in jene, die qua unmittelbarer Betroffenheit betroffenheitsrationale Antipathie entwickeln können, nicht in einer Weise "rational", zumindest nachvollziehbar?

erkenne ich die Rechtfertigung gewaltloser Demonstrationen selbstverständlich an, bei Sitzblockaden, Ankettungen etc. hört der Spaß aber schon auf, und mE sollten die Veranstalter einer irgendwie auf positive Wirkung ausgerichteten Demonstration selbst alles dafür tun, Krawallbrüder an der Teilnahme zu hindern, sich von ihnen zu distanzieren etc. Und davon sehe ich nichts.

Nun, es sei Dir gesagt, daß z.B. attac alles in ihrer Macht stehende tut, um eben Gewalt zu verhindern - weil linke Opposition sich als gewaltablehnend versteht und sie zudem der Vermittlung der kritischen Inhalte im Wege steht.
Aber letztlich hat nicht jeder sich darunter mischende Autonome seinen Alkoholpegel und "ich bin ein Steinewerfer" auf der Stirn stehen. Davon ab, es ist des öfteren vorgekommen, daß die Polizei selbst Provokateure eingesetzt hat.

Übrigens, janw, Andersdenkende als "krank" zu bezeichnen, war schon immer ein tolles Diskussionsmittel. :rolleyes:

Sicher, und ich habe überlegt, ob ich es so schreibe.
Meine Beobachtung Schäubles seit den 80er Jahren, also noch vor dem Attentat auf ihn, lässt allerdings in mir den Eindruck zu deutlich werden, daß er sich charakterlich in eine Richtung gewandelt hat, die man als paranoid bezeichnen könnte, zutiefst verbittert und ungnädig zumindest.
Er war vorher ein strammer Konservativer, an dem ich mich als linker Jugendlicher gerieben habe, gleichwohl habe ich seine Positionen als stringent akzeptiert, sie passten zusammen und ergaben in gewisser Weise einen Sinn - du verstehst? Davon ist nichts mehr übrig, er erscheint mir nur noch als gebrochener alter Mann, für den die kritische Umwelt nur noch per se gefährlich ist und am besten vorsorglich erfasst, kontrolliert und behindert werden sollte.

Übrigens, um die Sache mit dem Antiamerikanismus etwas tiefer zu hängen, meine Verantwortungs-Forderung und das "sie sollen Getriebene sein" bezieht sich nicht nur auf Bush, sondern auf Putin gleichermaßen, auf Lukaschenko und Mugabe. Mag der eine oder andere sich auch noch dafür qualifizieren...

Yana, gewiss sind wir in den Positionen weit auseinander - wobei dies eigentlich nur darauf basiert, daß wir eine unterschiedliche Attitüde bezüglich der von der Politik Betroffenen haben. Wäre eigentlich mal interessant, woraus sich diese Attitüden speisen...

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 14. Mai 2007, 10:22 - Beitrag #19

Doch, ist es gleichsam schädlich, sich an dem Umgang der Mächtigen mit ihrer Macht zu reiben, oder ist dies alles Kinderkram


es ist in den vielen, vielen Diskussionen hoffentlich klar geworden, daß dies eine Frage ist, die nicht losgelöst von der weltanschaulichen Grundeinstellung beantwortet werden kann^^ wenn du dieselbe Frage Lykurg oder Yanapaw stellst, werden sie dir auf Grundlage des gleichen allgemeinen Weltwissens komplett andere Antworten geben als ich^^ Das Kernargument "ohne Staat und ohne Ordnungsmacht wäre es noch schlimmer" ist schwierig zu kontern, denn es bedarf des Beweises nicht und es hat den Anschein und vor allem die Angst auf seiner Seite. Zumal das Gegenargument "Könnte es denn ohne Staat wirklich schlimmer sein" mit zu vielen Hollywoodfilmen in den Köpfen kämpfen muss^^ und du siehst ja selbst, was für begeisterte 1984er intelligente Menschen sein können

Ob es im engeren Sinne schädlich ist? Keine Ahnung. Verführerisch ist es sicher, und dem Wahn des Machbaren durch geschickte Manipulation erliegen nicht nur junge Menschen. Irgendwann unterwegs auf dem Weg zur Macht verliert auch das Bild im Spiegel seine Bedeutung. Von daher: was soll´s? Samsara ist überall^^ Und der Weg zu der Einsicht, daß Macht nur eine äußerst komplizierte Form von Hilflosigkeit ist, dieser Weg ist steinig, und längst nicht jeder Mensch mag zu dieser Einsicht gelangen

Guru Guru
Member
Member

 
Beiträge: 106
Registriert: 07.05.2007
Mo 14. Mai 2007, 11:00 - Beitrag #20

Zum Thema "sich reiben an der Macht":

Geld oder Leben :cool:

Nächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron