Welches Ereignis des zweiten Jahrtausends hat euch geprägt?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Do 31. Mai 2007, 11:01 - Beitrag #1

Welches Ereignis des zweiten Jahrtausends hat euch geprägt?

Vor ein paar Tagen diskutierte ich mit einem meiner Freunde darüber, welches Ereignis zwischen 1001 und 2000 unsere gegenwärtige Gesellschaft durch seine mittel- und langfristigen Konsequenzen wohl am stärksten geprägt habe. Seiner Meinung nach war dies der Erste Weltkrieg mit der von ihm ausgehenden Lawine sozialer und machtpolitischer Umwälzungen sowie der allgemeinen Instabilität, die nachfolgende Ereignisse erzwang. Er betonte damit zugleich den am ehesten dort anzusetzenden Systemwechsel von monarchischen zu diktatorischen und demokratischen Herrschaftsformen und die 'Maßstäbe setzende' Grausamkeit dieses Krieges.

In meinen Augen war die wesentlich wichtigere Entwicklung der Buchdruck, der die Verfügbarkeit und Speicherbarkeit von Information im großen Maßstab ermöglichte und durch die Verschriftlichung der Gesellschaft langfristig eine gewisse Massenbildung herbeiführte, die die geistige Monopolstellung der Kirche beendete und einen Grundstein für die technische Revolution bildete.

Wir konnten uns nicht einigen, auch weil naturgemäß die Einschätzung der Folgen auseinandergeht: Jedes historische Ereignis kann in irgendeiner Weise als Folge eines Vorgängers gesehen und damit unbrauchbar gemacht werden, so der Erste Weltkrieg durch den Deutsch-Französischen Krieg; inwieweit aber die Folgen noch als dazugehörig oder als unabhängiges Ereignis gewertet werden müssen, entzieht sich klarer Regeln; ohnehin ist die Schwerpunktsetzung der gewählten Parameter völlig willkürlich. Dennoch stellt sich mir die naheliegende Frage: Wie schätzt ihr die beiden Ereignisse ein, was seht ihr vielleicht als noch gesellschaftlich wichtiger/prägender an, und warum?

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 31. Mai 2007, 12:00 - Beitrag #2

der zu betrachtende Zeitraum ist halt riesig groß, so daß die zur Debatte stehenden Großereignisse zwar für einen gewissen Zeitraum entscheidend gewesen sein mögen, sich dann aber allmählich im Strom weiterer Ereignisse soweit aufgelöst haben, daß man kaum noch von direkter Wirkungsmächtigkeit reden kann. Solche Großereignisse scheinen mir zu sein

der Universalienstreit
Buchdruck und Thesenanschlag
Entdeckung Amerikas
Regierung Ludwig des 14ten
Französische Revolution
Industrialisierung

für uns heutige die greifbarsten Einflüsse dürften die Französische Revolution und die Industrialisierung seit Beginn des 19ten Jahrhunderts haben, während die Auswirkungen des Universalienstreites zwar gigantisch sind (imo viel bedeutender als Buchdruck und Luther), aber eher unter der Oberfläche wirken

Yanāpaw
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Do 31. Mai 2007, 13:28 - Beitrag #3

Dem Universalienstreit würde ich persönlich keine größere Bedeutung abseits der Philosophie zuordnen, da die allerwenigsten nicht philosophisch interessierten Menschen überhaupt je damit zu tun hatten, geschweige denn davon gehört haben.

Den Buchdruck hielte ich da schon eher für eine überlegenswerte Wahl, da dessen Folgen gigantisch und Themenübergreifend waren. Er hat auch im Gegensatz zu Kriegen neues geschaffen, wohingegen Kriege (auch der 1te Weltkrieg) nichts neues schufen sondern lediglich Verhältnisse änderten, oder vorhandenes vergrößerten oder verkleinerten. Dass es sich dabei um einen Wendepolitik in der Staatsform handelte halte ich für abwegig, wenn man die französische und englische Entwicklnug bedenkt, die ja wesentlich früher eingesetzt hatte. Auch dass es sich um einen besonders grausamen Krieg handelte halte ich für unerheblich, der Krieg war nicht grausamer als andere, er wird nur grausamer gesehen, weil detaillierter beleuchtet. Der Mensch hat schon immer, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Menschenvernichtung konsequent genutzt, insofern war es der technologische Standard, der das Gesicht des Krieges prägte.


Ich würde allerdings die freie Nutzung des Internet auch noch in Betracht ziehen wollen, da ich von ihr noch sehr große Einflüsse auf Politik und Wirtschaft erwarte. Da sie nur schwer lösbar von Buchdruck zu sehen ist, tendierte ich dann zu diesem und von diesem zur Sprache, was aufzeigt, dass es in endlosen Kausal/DeterminismusKetten (nicht 100%) unmöglich ist das entscheidendste Einzelereignis zu suchen, abgesehen vom Initialereignis was nicht in den zu beobachtenden Zeitrahmen fällt.

Ankh
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Do 31. Mai 2007, 13:36 - Beitrag #4

Das prägenste Ereigniss dürfte die eigene Zeugung, Empfängnis und Geburt gewesen sein. Ultimativer geht nicht.

Ankh

Ipsissimus
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Do 31. Mai 2007, 13:42 - Beitrag #5

daß der Universalienstreit außerhalb der philosophischen Kader so gut wie unbekannt war und ist, will ich gar nicht betreiten. Zur Ehrenrettung meiner Ansicht, daß er im Betrachtungszeitraum das nachhaltigste Ereignis überhaupt war, möchte ich trotzdem anmerken, daß meiner Ansicht nach ohne ihn 99 Prozent aller späteren Gedanken gar nicht erst gedacht worden wären, oder erst sehr viel später, weil in ihm die fundamentale Loslösung des europäischen Geisteslebens von primär am christlichen Dogma orientierten Wahrheitsbegriff erfolgte. Die Auswirkungen dessen können imo gar nicht hoch genug geschätzt werden.

Lykurg
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Do 31. Mai 2007, 14:09 - Beitrag #6

Ipsissimus, es dürfte sich beim Universalienstreit tatsächlich um das Ereignis handeln, das den Zeitraum am ehesten vollständig umspannt; aber selbst wenn du ihn als den entscheidenden Schritt im Loslösungsprozeß siehst, fehlt mir das Bewußtsein darum, daß eine weiterhin vorherrschende Weltsicht im Sinne des 'Realismus' die folgenden geistigen Entwicklungen völlig verhindert hätte.

Die industrielle Revolution und französische Revolution sehe ich ja vollständig ein, aber was hebt in deinen Augen Ludwig XIV. so ab? Der Absolutismus oder der Merkantilismus? Inwiefern wirkt sich ersterer auf uns heute aus - und war er für letzteren wirklich so entscheidend?

Yanāpaw, nach Meinung meines Freundes war die technologische Entwicklung im Ersten Weltkrieg besonders disparat zur gesellschaftlichen Situation und zum strategischen Potential der Verantwortlichen, die letztlich neue vernichtende Waffen (Maschinengewehre, Gaskrieg etc.) in einer Art Weiterführung der Kriege des 18. und 19. Jhs. einsetzten, ohne sich über die Konsequenzen irgendwelche Gedanken zu machen. Das habe die entstehenden sozialen Spannungen massiv verschärft, die einen gesellschaftlichen Umbruch erzwangen. - Auch mir erscheint dieser Blick etwas zu sehr auf Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland eingeschränkt.

Ipsissimus
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Do 31. Mai 2007, 14:21 - Beitrag #7

Lykurg, das wollte ich damit auch nicht gesagt haben, daß ein Sieg der "Realismus"-Fraktion die Renaissance verhindert hätte - sie wäre nur ein paar Jahrhunderte - was ne Menge Zeit ist - verzögert und eventuell in eine ganz andere Richtung gedrückt worden.

Ludwig der IV war imo der Dreh- und Angelpunkt bei der Zerstörung des Feudalsystems. Wäre der Adel als Schicht an der Macht geblieben, hätte er wesentlich mehr machtsichernden Unfug betreiben können, als es unter den Bedingungen des Absolutismus möglich blieb

Lykurg
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Do 31. Mai 2007, 14:42 - Beitrag #8

Nein, als Grundlage der Renaissance verstehe zumindest ich eher den Zusammenbruch von Byzanz und die durch Flüchtlinge mitgebrachten und verbreiteten Kenntnisse der griechischen Sprache und Texte, beflügelt durch ein starkes höfisches und städtisches Repräsentationsbedürfnis insbesondere in Norditalien - mithin also historisch fixierte und auch von der Philosophie eher mittelbar motivierte Ereignisse. Daß es auch geistige Vorboten im Westen gab, bestreite ich nicht, aber die richtige Dynamik des Prozesses nahm doch erst daher ihren Ausgang... :confused:

Ach, deswegen Ludwig - gut, das lasse ich gelten.^^

Windsbraut
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Do 31. Mai 2007, 15:21 - Beitrag #9

Zitat von Lykurg:Welches Ereignis des zweiten Jahrtausends hat euch geprägt?


Die Frauenbewegung.
Die Erfindung der Pille.
Die Erfindung des Tampons.

Milena
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Do 31. Mai 2007, 15:50 - Beitrag #10

...geprägt hat mich doch tatsächlich das Internet...
habsch mei schätzle dadurch kennengelernt und komm von dem WOW nu nischt mehr los......

Feuerkopf
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Do 31. Mai 2007, 15:58 - Beitrag #11

Lykurg,
die Überschriftfrage ist irreführend.
Ich kann einerseits darüber sinnieren, welche historischen Ereignisse langfristig betrachtet möglicherweise einen Einfluss auf mich hatten bzw. haben oder die Frage wörtlich nehmen. Dann ist für mich gerade mal die Zeit ab der Hochzeit meiner Eltern interessant.

Okay, ein historischer Moment ist sicherlich wichtig: Der verlorene zweite Weltkrieg, denn sonst wäre ich in einem faschistischen Staat aufgewachsen und dächte anders, als ich es heute tu.

Die drei Punkte, die Windsbraut genannt hat, sind tatsächlich wesentliche Einflussgrößen im Leben einer Frau, auch in meinem.
Ich bin Frauen wie Alice Schwarzer dankbar für ihre Hartnäckig- und Unbeugsamkeit.
Die Pille hat der Frau die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper gegeben, der Tampon das Leben schlicht lebenswerter gemacht.

Ich habe mir niemals gewünscht, zu einer anderen Zeit als dieser zu leben.

Lykurg
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Do 31. Mai 2007, 16:08 - Beitrag #12

Hinweis auf mißverständlichen Threadtitel

Ich spielte zwar mit dem Titel auf die anderen "Welches ... hat euch geprägt"-Threads an, meinte aber tatsächlich, wie in der Einleitung gesagt,
die gesellschaftlichen und nicht die persönlichen Auswirkungen. Entschuldigt das Mißverständnis.

Natürlich sind eure Äußerungen auch überindividuell sehr brauchbar, Windsbraut und Milena, nur die Begründungen (dann) nicht ganz so. ;)

Den Tampon, so praktisch er für die schönere Hälfte der Menschheit auch sein mag, sehe ich nicht als so maßstabsetzende Erweiterung bestehender Möglichkeiten... ja, komfortabel gewiß, auch mit Einfluß auf Kleidungsmoden - aber wirklich gesellschaftsprägend doch wohl kaum. Die Pille? Auch nicht so wirklich - vielleicht schon eher, aber auch da sind Alternativen zu bedenken.

Gegen die Frauenbewegung sage ich nichts. :D

Yanāpaw
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Do 31. Mai 2007, 16:18 - Beitrag #13

verstehe zumindest ich eher den Zusammenbruch von Byzanz und die durch Flüchtlinge mitgebrachten und verbreiteten Kenntnisse [..]


Der Niedergang Byzanz' war zweifellos ein prägendes Ereignis mit weitreichenden Auswirkungen auf die Europäische/Weltzukunft. Ich persönlich allerdings bezweifle die Korrektheit, der von dir wiedergegebene Lehrmeinung, die Emigration der Bildungselite sei Hauptkatalystator der Geisteswandlung. Wenn man die Verbreitung der griechischen Sprache in Westrom und die Einflüsse der weströmischen Bilungselite auf die Randgebiete Roms berücksichtigt, dann erscheint mir die Verknüpfung des byzantinischen Falls mit dem Bilungsaufschwung gleichzusetzen fragwürdig. Lange vor dem Fall Byzanz' brachten die Werke Qunintillians zu Pädagogik und Rhetorik hellenistische Bildungs- Denkinhalte in die weströmische Gesellschaft ein, die sich bis in die iberischen Randprovinzen durchgesetzt hatten.

Des weiteren fand bereits vor dem Niedergang Byzanz' ein reger Import von Denkinhalten in slawische Gebiete mittels byzantinischer Missionierungsarbeit statt. Ich persönliche betrachte die Adaption griechischer Denkinhalte durch arabische Völker als größte kutlurelle Fortwirkung Byzanz'

Wie gesagt nur meine persönliche Einschätzung. ^^


Abgesehen davon fällt es mir schwer hellenistische Kultur bzw. deren Vormarsch losgelöst vom Initalfaktor Alexander (der ohnehin mein größter Held und der Zivilsationsbringer schlechthin ist) zu sehen, der leider nicht im beobachteten Zeitfenster stattfand. ^^


Die Auswirkungen dessen können imo gar nicht hoch genug geschätzt werden.


Dem stimme ich zu, insofern, den Universalienstreit als Katalysator späterer Denkinhalte zu sehen. Insbesondere hinsichtlich der daraus erwachsenen Diskussion bezüglich beispielsweise kirchlicher Legitimation und Wahrheit, die ja doch schon in der Masse geführt wurde. Nichts desto trotz fragt sich natürlich, ob es sich dabei nicht um eine logische Konsequenz mehrer widersprüchlicher Ansichten (Realismus, Nominalismus...) handelte, bzw. der Kritik an einer Position, in welchem Fall ich es für einen Fehler hielte das Problem als eigenständiges Ereignis zu bezeichnen, respektive die Ursprünge außerhalb des beobachteten Zeitfensters zu suchen sind.


Edit:

Wenn man der Ereignisse Bedeutung primär an, den ihnen direkt zurechenbaren, Konsequenzen misst, wäre die Unabhängigkeit der USA sicher eines der entscheidensten Ereignisse gewesen.

Windsbraut
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Do 31. Mai 2007, 16:39 - Beitrag #14

Zitat von Lykurg:Ich spielte zwar mit dem Titel auf die anderen "Welches ... hat euch geprägt"-Threads an, meinte aber tatsächlich, wie in der Einleitung gesagt, die gesellschaftlichen und nicht die persönlichen Auswirkungen. Entschuldigt das Mißverständnis.


Die drei von mir genannten Punkte haben/hatten extreme gesellschaftliche Auswirkungen und betreffen 50 % aller Menschen!

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Do 31. Mai 2007, 16:50 - Beitrag #15

...müsste ich genauso unterstützen....
wer in meiner/unserer nähe kommt..: gesellschaftliche auswirkungen..^^:P
darüber hinaus sind weltweit über 8 millionen menschen wowsüchtig..^^
kann folgeschwere auswirkungen haben, siehe sozialer abstieg, körperlicher, seelischer abbau.......etc...mit folge von therapiemassnahmen, die dann wiederum die arbeitende gesellschaft mitzutragen hätte....

Yanāpaw
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Do 31. Mai 2007, 16:56 - Beitrag #16

Die Erfindung des Tampons.


Das Tampon wurde bereits vor mehr als 3000 jahren verwendet, demzufolge handelt es sich nicht um eine Erfindung zwischen 1001 und 2000 n. Chr. Die Adaption und Weiterentwicklung eines bereits vorhanden Hygieneinstruments, das ursprünglich aus Papyrus und später aus textilumwickelten Holzstückchen, nachfolgenden nur noch Textilien, oder ähnlich wie Präservative aus Tierdarm fabriziert wurde, als Erfindung zu bezeichnen ist unzutreffend. Die einzige Erfindung, die damit zusammenhängend aus dem beobachteten Zeitraum stammt ist der Applikator (für die nicht digitalen Tampons), der irgendwann zwischen 1900 und 1950 erfunden wurde. (iirc)


Pille und Frauenbewegung hatten/haben beide massive Auswirkungen und bedauerliche Nebenwirkungen ^^, sind aber wohl nicht in der gleichen Wirkungsliga, wie der Buchdruck zu sehen. (imo)

Lykurg
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Do 31. Mai 2007, 17:05 - Beitrag #17

Zitat von Yanā:Der Niedergang Byzanz' war zweifellos ein prägendes Ereignis mit weitreichenden Auswirkungen auf die Europäische/Weltzukunft. Ich persönlich allerdings bezweifle die Korrektheit, der von dir wiedergegebene Lehrmeinung, die Emigration der Bildungselite sei Hauptkatalystator der Geisteswandlung. Wenn man die Verbreitung der griechischen Sprache in Westrom und die Einflüsse der weströmischen Bilungselite auf die Randgebiete Roms berücksichtigt, dann erscheint mir die Verknüpfung des byzantinischen Falls mit dem Bilungsaufschwung gleichzusetzen fragwürdig. Lange vor dem Fall Byzanz' brachten die Werke Qunintillians zu Pädagogik und Rhetorik hellenistische Bildungs- Denkinhalte in die weströmische Gesellschaft ein, die sich bis in die iberischen Randprovinzen durchgesetzt hatten.
Die "Verbreitung der griechischen Sprache in Westrom" endete aber mit der Völkerwanderung und dem Niedergang der Weltstadt zum Kuhkaff mit großer Vergangenheit. Die Werke etwa eines Quintilian tradierten zwar indirekt auch griechische Geistesinhalte, dies bekam aber erst sehr allmählich größere Breitenwirkung; und daß die Lehren tatsächlich griechischen und nicht römischen Ursprungs waren, dürfte auch in Gelehrtenkreisen bis zur Renaissance keine ernsthafte Rolle gespielt haben. Wohl die einzigen Griechen, deren Nachwirkung nie ganz wegbrach, waren Platon und Aristoteles (vielleicht auch Galen), aber auch hier war das "bekannte" Werk auf einige wenige Randtexte begrenzt.
Des weiteren fand bereits vor dem Niedergang Byzanz' ein reger Import von Denkinhalten in slawische Gebiete mittels byzantinischer Missionierungsarbeit statt. Ich persönliche betrachte die Adaption griechischer Denkinhalte durch arabische Völker als größte kutlurelle Fortwirkung Byzanz'
Das stimmt, da saßen aber im beschriebenen Zeitrahmen z.B. die Ungarn dazwischen. Die vielfache Übersetzungs-, Bearbeitungs- und Verbreitungsleistung der Araber ist tatsächlich nicht zu überschätzen; ohne deren Einwirken wären sicherlich viele Texte verlorengegangen. Als man aber auch im Westen wieder imstande war, selbst sich den Quellen zu nähern, gab es den geistesgeschichtlichen Stoß, der die Antikenforschung weitertrieb, als die der Araber erlahmte.
Abgesehen davon fällt es mir schwer hellenistische Kultur bzw. deren Vormarsch losgelöst vom Initalfaktor Alexander (der ohnehin mein größter Held und der Zivilsationsbringer schlechthin ist) zu sehen, der leider nicht im beobachteten Zeitfenster stattfand. ^^
Hellenistische Kultur ist sicherlich nicht von Alexander losgelöst zu sehen ;) - die klassisch griechische aber schon. Und die Einflüsse Griechenlands auf Etrurien und Rom begannen Jahrhunderte vor dem Hellenismus.
Wenn man der Ereignisse Bedeutung primär an, den ihnen direkt zurechenbaren, Konsequenzen misst, wäre die Unabhängigkeit der USA sicher eines der entscheidensten Ereignisse gewesen.
Ja, wobei ich dann - auch gemäß deiner Ursachen-Suche die von Ipsissimus genannte Entdeckung wichtiger finde, da sie eine Neugründung abseits der europäischen Kleinstaaterei nahelegt - übrigens sehr vergleichbar mit der großzügigen griechischen Kolonisierung v.a. Süditaliens - nur um dem Beitrag eine runde Form zu geben. ;)

Windsbraut, daß die Hälfte der Menschheit betroffen ist, hatte ich zumindest angedeutet (übrigens ist logischerweise die andere Hälfte [fast^^] zwangsläufig mitbetroffen) - trotzdem paßt insbesondere ein so unauffälliges Detail wie ein Tampon nicht besonders gut in meine Vorstellung... Ich zweifle immer noch ein wenig daran, daß es wirklich dieses Objekt ist, das den Frauen die uneingeschränkte Partizipation in der Männerwelt erlaubt und damit ihr Leben bestimmt, mehr noch als z.B. die Synthetisierung von Düngemitteln oder meinetwegen auch die Erfindung von Trockenmilch und Hormonpräparaten.

Milena, auch 8 Millionen WOW-Süchtige (woher die Zahl? ist das nicht übertrieben?) können die Kurzfristigkeit und gesellschaftlich bedingte Relevanz einer solchen Erscheinung in meinen Augen nicht überdecken. Da wäre z.B. AIDS von größerer Bedeutung... [übrigens auch dann, wenn man das als Hysterie oder sonstirgendwas abtut]

Windsbraut
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Do 31. Mai 2007, 17:20 - Beitrag #18

Zitat von Yanā:...das ursprünglich aus Papyrus und später aus textilumwickelten Holzstückchen, nachfolgenden nur noch Textilien, oder ähnlich wie Präservative aus Tierdarm fabriziert wurde

Da bist du wohl ganz offensichtlich nicht Fachmann. Außer du steckst dir gern 'n Stück Holz wo hin und fühlst dich dann frei und sicher. ;)

Pille und Frauenbewegung hatten/haben beide massive Auswirkungen und bedauerliche Nebenwirkungen ^^, sind aber wohl nicht in der gleichen Wirkungsliga, wie der Buchdruck zu sehen. (imo)


Sehe ich anders, da - wie gesagt - für 50 % der Menschen von Bedeutung. Und was die "bedauerlichen Nebenwirkungen" betrifft, stellst du die sicher auch beim Buchdruck fest: Schlimm, wenn Wissen - und dadurch Macht - plötzlich einer größeren Gruppe zur Verfügung steht, nicht?

Maurice
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Do 31. Mai 2007, 18:36 - Beitrag #19

Eine zweite Informationsrevolution?

Ich setze mal bei dem Buchdruck an: Wir sind uns alle einig, dass dies ein bedeutendes Ereignis war. Warum? Ganz klar, weil es den Informationsaustausch drastisch erhöht und beschleunigt wurde. Außerdem konnten Informationen auch effizenter gespeichert werden. Eine ware Informationsrevolution!
Gab es so ein prägendes Ereignis bezüglich der Vermehrung und Verbreitung von Information nochmal? Das Telefon? Das Radio? Das Fernsehen? Alles Errungenschaften von Bedeutung aber wohl kaum mit annähernd gleichem Gewicht.
Eine Sache gibt es aber vielleicht, die einen ähnlichen Einfluss haben könnte: Das Internet. Klingt vielleicht etwas komisch, aber man denke mal nur ein paar Jahre zurück und schaue sich an, wieviel sich doch verändert hat. Ja, es ist vieles gleich geblieben, aber für diesen doch sehr kurzen Zeitraum, in dem das Internet für die Breite Masse zugänglich wurde (ich weiß, es gab das Internet schon vorher), hat sich verdammt viel geändert. Wir sind weltweit vernetzt und können uns zeitgleich mit jemanden in Amerika oder in Japan unterhalten. Zeitgleich! (Den winzigen doch vorhandenen Zeitverlust mal nicht mitgerechnet, da er nicht spürbar ist.) Die Menschen haben früher Tage oder Wochen auf die Antwort des anderen gewartet, jetzt geht das in Sekunden. Ok, das war auch mit dem Telefon schon möglich, aber dafür war es in seiner Anwendung sehr begrenzt. Durch das Internet kann ich mich quasi vor der ganzen Welt ausziehen, indem ich eine Webcam laufen lassen und mir jeder dabei zuschauen kann, wie ich lebe. Ich muss kein großer Literat sein, um von vielen Menschen Beachtung und Anerkennung zu erlangen, dafür reicht schon ein interessant geschriebenes Blog. Ja, ich brauche nicht mal mehr vor die Tüt zu gehen, um mit anderen zu kommunizieren. Ich kann im Internet vor der harten Realität flüchten und unter einer Maske mit anderen maskierten Menschen interagieren. Die Übergänge von Gewinn und Gefahr sind fließend...
Die veränderungen mögen viele für nicht besonders groß oder wesentlich halten, aber erstens waren dies nur ein Teil der Punkte, die man aufzählen kann. Zweitens ist flächendeckenden Nutzung des Internets noch sehr jung und es gibt noch garantiert viel Potential zu entdecken. Wer hätte vor 3-4 Jahren gedacht, dass Foren, Blogs und Videoportale wie YouTube mal so boomen würde? Und man bedenke auch die Kombination des Internets mit anderen Medien.

Ich will mich nicht festlegen und ich weiß, dass ich hier eine gewagte These in den Raum stelle, aber ich glaube, dass das Internet noch so einiges verändern wird.

Yanāpaw
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Do 31. Mai 2007, 18:43 - Beitrag #20

Da bist du wohl ganz offensichtlich nicht Fachmann. Außer du steckst dir gern 'n Stück Holz wo hin und fühlst dich dann frei und sicher.


Als Fachmann würde ich mich nicht bezeichnen - auch wenn meine Ausführungen zur Geschichte des Tampons fachlich korrekt waren - nichts desto trotz aber als Mann; und damit einhergehend sehe ich mich, aus Ermangelung einer Vagina und zyklischer Blutungen, außerstande das Gefühl eines textilumwickelten Holzstücks in dieser Körperöffnung und die Behaglichkeitsveränderung, die selbiges mit sich brächte, nachzuempfinden. Allerdings empfände ich es auch als sehr störend mich zu strangulieren, während ich meine Freundin penetriere, oder mir diverse Utensilien in den Anus einzuführen, oder mein glied in die Saugvorischtung eines Staubsaugers einzuführen, was nicht eben wenige meiner Geschlechtsgenossen nicht davon abhält Besagtes zu praktizieren, ergo meine Meinung nur begrenzte Ableitbarkeit bietet. Um allerdings deine Kritik explizit zu behandeln, möchte ich darauf verweisen, dass ich nicht davon sprach, dass sich der Tragekomfort des Hygieneartikels nicht verbessert habe, ich verwies lediglich darauf, dass er nicht im beobachteten Zeitraum erfunden wurde. ;)



Schlimm, wenn Wissen - und dadurch Macht - plötzlich einer größeren Gruppe zur Verfügung steht, nicht?


Ja zuweilen bin ich geneigt zu glauben, dass es der Schweiz besser ginge, wenn sie das Frauenwahlrecht nicht eingeführt hätte. Außerdem bin ich noch unsicher, ob es nicht so war, dass die Sekräterin der Vostandschaft 1907 und 1908 da Scheiße gebaut hat, mit bekanntem kataklystischen Ausgang. :D



Die "Verbreitung der griechischen Sprache in Westrom" endete aber mit der Völkerwanderung und dem Niedergang der Weltstadt zum Kuhkaff mit großer Vergangenheit.


Aha, also mit dem Niedergang des Reiches verlernten alle die griechisch sprachen diese Sprache (und alle damit eiheergehende bildung) und alle, die sie nicht verlernten starben? Ja das erscheint mir sehr viel naheliegender, als meine bisherige Meinung, dass ein gewisser Grundstein gelegt war, der auch durch die Generationen vermittelt wurde und später von den byzantischen Emigranten ausgebaut wurde.


Wohl die einzigen Griechen, deren Nachwirkung nie ganz wegbrach, waren Platon und Aristoteles (vielleicht auch Galen), aber auch hier war das "bekannte" Werk auf einige wenige Randtexte begrenzt.


Wenn ich mir die griech. Referenzen in den Schriften eines Ovid, eines Seneca, eines Cicero oder eines Vergil et cetera ansehe dann bin ich geneigt dieser Aussage keinen Glauben zu schenken. Genauso könnte man sagen, Solons Wirken sei nach der ersten Konterreform beendet gewesen. Ich mag mich darauf einlassen, dass die breite Masse mit wenig griech. Gedankengut in Kontak kam und dieser geringe Kontak nach dem Fall Westroms noch weiter abnahm, aber die breite Masse war auch nicht der Ansatzpunkt der byzantischen Flüchtlinge nach dem Fall Byzanz'.


Das stimmt, da saßen aber im beschriebenen Zeitrahmen z.B. die Ungarn dazwischen.


MW gab es zum einen auch in Ungarn Minderheiten mit orthodoxer Ausrichtung, zum anderen grenzen die slawischen Staaten nicht nur an ungarn. Die Missionstätigkeit im Ot-Block ist kein Hirngespinst sondern historisch mindestensens so belegbar, wie der Einfluss byzantinischer Gelehrter, oder die Bastardeigenschaft eines gewissen Gefreiten mit Schnurrbart. ^^ Entschuldige die Vergleiche, aber ich bin gut drauf und dannn gilt "I just can't help it. "


Und die Einflüsse Griechenlands auf Etrurien und Rom begannen Jahrhunderte vor dem Hellenismus.


Zweifellos richtig. Nichtet aber nicht meine Bewunderung Alexanders ^^


Ja, wobei ich dann - auch gemäß deiner Ursachen-Suche die von Ipsissimus genannte Entdeckung wichtiger finde, da sie eine Neugründung abseits der europäischen Kleinstaaterei nahelegt - übrigens sehr vergleichbar mit der großzügigen griechischen Kolonisierung v.a. Süditaliens - nur um dem Beitrag eine runde Form zu geben.



Die Enteckung an sich nur insofern, als man die Kolonialkriege und den langfristig verlorenen Abhängigkeitskrieg (aus sicht der Kolonialmächte) als notwendige Konsequenz der entdeckung anerkennt, wobei ich dahingehend erhebliche Zweifel anmelden möchte. ^^

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