Oh je, oh je.... ich weiß nicht ob ich weinen oder lachen soll, wenn ich die Beiträge, vor allen die von janw, lese. Im Zuge meiner Hausarbeit für das Fach Kulturgeschichte innerhalb meines Sportmanagement Studiums bin ich auf diesen Thread gestoßen und musste mich umgehend anmelden um hier mal meine Meinung, zumindest Ansatzweise, wieder zu geben.
Diese Anti-Sport, Pro-Kultur Einstellung ist so eingefahren und so inakzeptabel wie sonst was. Klar wird jetzt das Gegenargument kommen, dass ich ja Sportmanagement studiere und später im Tätigkeitsbereich des Sports mein Geld verdienen will, jedoch bin ich mir der Verwirtschaftlichung des Sports und deren Konsequenzen genauestens bewusst. Trotzdem habe ich ein Jahr lang Sportmanagement in Verbindung mit Kulturmanagement studiert, weshalb ich mir nie eine Einstellung "Anti-Kultur" vorstellen könnte, so wie sie hier teilweise gegen Sport ausgesprochen wird.
Lieber janw, ich habe Leute wie Dich kennengelernt, Leute, die kulturell sehr interessiert sind und schwafeln können ohne Ende, ohne auf dem Punkt zu kommen. Doch ob Du es glaubst oder nicht, viele von Denen waren trotz allem beim Public Viewing bei der letztjährigen Fußball WM dabei und haben teilweise sogar mitgefeiert mit den Fans. Wie kommt das? Warum machen die das, wenn es für sie in ihrem Leben doch eh nur Kultur gibt und Sport total kommerziell, dumm und sinnlos ist und man diesen deshalb meiden sollte? Verdammt, dann sollen sie doch den Sportfans auch aus dem Weg gehen! Aber nein, genau das haben sie nicht getan, warum auch immer...
Sport ist Krieg ohne Waffen, sagte Orwell, genau hierauf werde ich meine Hausarbeit beziehen und diese so objektiv wie möglich gestalten. Es geht mir nicht darum diese Aussage komplett zu entkräften, natürlich spielt zum Beispiel Aggression eine Rolle, aber ist das dieselbe Aggression wie die in einem Krieg? Sollte man nicht unterscheiden in verschiedene Arten der Aggression? Was ist mit Aggression in der Kultur?
Ein Beispiel: Als Kultur betrachte ich in diesem Fall die verschiedensten Formen von Kunst, hierzu gehört für mich auch gerade die Musik. In welcher Form auch immer, Musik ist ein großer Teil der Kultur. Immer wieder werden bei Massakern an Schulen oder ähnlichen Amokläufen auch die aggressiven Musikstile wie Metal (und deren verschiedenen Formen) usw. als Gründe genannt, welche Leute so handeln lässt. Ja es wurde sogar davon berichtet, dass die amerikanischen Soldaten beim Einmarsch in den Irak u.a. „Let the bodies hit the floor“ von Drowning Pool (welche ich auch u.a. gerne höre) gehört haben sollen. Abgesehen davon, dass ich dies als Grund für solche Taten für schwachsinnig halte, habe ich noch nie als Ansatz eines Grundes eine sportliche Aktivität wie Kampfsport, Rugby, Boxen, o.ä. gehört. Woran liegt das? Hier ist doch auch die Aggressivität ausschlaggebend, oder nicht?
Nein ist sie nicht, es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Aggressionen, die Menschen andere Menschen töten lassen und Aggressionen die Sportler in einem Sport haben müssen um erfolgreich zu sein, nur leider sehen das Menschen die von Sport einfach keine Ahnung haben nicht und erkennen darin keinen Unterschied. Ich bin kein Psychologe und ich will mir kein Urteil erlauben, ob es psychologisch einen Unterschied gibt, aber als Sportler gibt es für mich einen Unterschied.
Zum Thema Bildungsstruktur, Bildungssysteme und Förderung des Sports zur Missgunst der Förderung der Kultur:
Auf gut deutsch gesagt: was hier aufgeführt wird ist größtenteils Schwachsinn!
Zugegeben, Sportunterricht macht für mich persönlich auch wenig Sinn, aber zu denken, dass jeder Mensch von Grund auf ein Instrument lernen muss und sich durch mehr Unterricht im Kunst und Musik Bereich mehr für die Kultur interessieren muss, ist absolut inakzeptabel und ignorant. Meine Mutter wollte unbedingt, dass ich ein Instrument lerne, jedoch hat sie nach und nach erkannt, dass ich doch lieber Tennis spiele und ich darin wirklich aufgehe anstatt vor einem Klavier zu sitzen. War es schlecht, dass sie mich nicht gezwungen hat ein Instrument zu spielen? Ich wüsste nicht was daran schlecht sein soll, sich dem hinzugeben, worin die eigene Leidenschaft steckt.
Außerdem stellst du Sport im Gegensatz zur Kultur als etwas "Dummes" dar... was Du aber vergisst, janw, viele Sportler sind gute Schüler/ Studenten und umgekehrt. Das eine hat mit dem anderen letztendlich nichts zu tun!
Was daran verkehrt wäre von der Sport- auf die Kulturförderung umzusteigen? Nur ein paar Argumente:
1. Sportlicher Ausgleich zur Gesundheitsförderung und gegen Adipositasbildung würde größtenteils wegfallen
2. Vereine, die eh so schon kein Geld mehr hätten würden komplett in die Knie gehen und die Menschen hätten ein VIEL geringeres Angebotsspektrum an Freizeitangeboten, was die Menschen letztendlich unzufrieden stellt
3. Durch den Wegfall der Sportvereine (da die Förderung ausbleibt), würde es nicht zwingend zu einem riesigen Push der Kultureinrichtungen kommen. Menschen die zuvor nicht in Kultur interessiert waren, werden deshalb auch nicht unbedingt mehr in Kultur interessiert sein und es würde sich bald herausstellen, dass der Zulauf relativ zu der vermehrten Förderung, gering ausfallen wird.
Die Aussage "Bolzplätze könnte es
dann auch noch geben, wenn noch Geld da ist..." treibt mich persönlich in den Wahnsinn... Dieses radikale Denken, wie ich es oben schon erwähnte, ist absolut fehl am Platz. Auch für den Sport werden die Gelder vom Staat immer weiter gestrichen, das wird nur leider wieder übersehen. Wieso sollte man den Sport nicht fördern? Menschen werden und bleiben durch Sport Gesund und sind ausgeglichener, das Thema Gesundheitssport ist sowieso ein sehr Wachsendes. Des weiteren gibt es tausende von Beispiele, wie Sport ganzen Gesellschaften und Bevölkerungsschichten (vor allem den Minderbemittelten) hilft und geholfen hat von der Straße weg zu kommen und einen neuen Sinn im Leben zu finden.
Um nur einmal ein paar zu skizzieren:
http://de.fifa.com/aboutfifa/worldwideprograms/ , oder Kids in den Ghettos der USA, die durch den Basketball eine Beschäftigung finden, oder arme Familien in Deutschland, die ihren Kindern nichts geben können, sie aber, da es noch erschwinglich ist, in Fußballclubs stecken können und Ihnen so eine Freude machen, usw. Laut der Aussage von Dir, janw, ist dies keine SINNVOLLE Beschäftigung... ich finde es gut wenn man solche Musikgruppen, wie von Dir angesprochen, macht um die Kinder von der Straße weg zu bekommen, jedoch warum ist das SINNVOLLER als Sport? Erklär es mir bitte mit objektiven, sinnvollen Argrumenten.
Ernsthaft, welche Veranstaltungen vereinigen friedlich die verschiedensten Menschen am meisten? Beispiel WM 2006 in Deutschland: Jeder, aus der ganzen Welt, lernte Deutschland und die Deutschen von einer ganz anderen Seite kennen. Man lag sich mit wild fremden Menschen in den Armen und feierte. Was ist mit den relativ armen Menschen, die nichts anderes als Ihre Fanzugehörigkeit zu einem Verein haben und dort Ihre Gesellschaft finden/ haben? Klar muss man da nicht so viel nachdenken wie es im Theater oder auf Kunstausstellungen der Fall wäre, aber ist das überhaupt notwendig um glücklich zu sein und erfüllt zu leben? Auch hier könnte ich viele viele weitere Beispiele aufzählen, aber das bringt wahrscheinlich eh nichts, da meine Argumente eh wieder mit irgendwelchen recherchierten Dingen in den Boden gestampft werden, ohne die menschliche Seite einmal zu betrachten und die Hintergründe im Sportgeschehen zu kennen. Keiner verlangt, dass man auf Sportveranstaltungen gehen muss, oder man Sport treiben muss, aber Toleranz gegenüber dem Sport, so wie die Sportler und Sportfans auch Toleranz gegen die Kultur haben (fängt ja schon bei der Musik und Konzertbesuchen an) wäre durchaus angebracht!
Fakt ist: beides bekommt vom Staat zu wenig Förderung und oft wird diese noch falsch angelegt. Ohne Sport und Kultur kann eine Gesellschaft heut zu Tage nicht mehr existieren. In einer Welt, die zunehmend stressiger wird, ist der Ausgleich in der Freizeit das wichtigste für den Menschen und ob er den im Sport oder in der Kultur findet ist doch, sorry, SCHEIßEGAL!
Ein noch sehr schönes Beispiel, wie ich finde, zum Schluss, welches zeigt, dass es auch Menschen gibt die sowohl Kultur als auch Sport lieben:
Der beste Bundesligaschiedsrichter der vergangen Saison, Herbert Fandel, ist Hauptberuflich Pianist und Leiter einer Musikhochschule. Ob der auch meint, dass man Sportförderungen kürzen sollte und die Gesellschaft komplett auf Kulturförderung umgestellt werden sollte? Das würde mich mal interessieren!
P.s. Auch wenn ich in diesem 2 1/2 Wordseitigen Beitrag nicht auf alle schon genannten Argumente eingehen konnte, habe ich mich versucht kurz zu fassen und so relevant wie möglich zu bleiben
