Links die andere CSU?

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janw
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So 16. Sep 2007, 14:20 - Beitrag #1

Links die andere CSU?

Praktisch seit anbeginn kommt das konservative politische Lager in der BRD im Doppelpack daher. Die bundesweit außerhalb Bayerns agierende CDU mit Flügeln nach reaktionär, sozial und neoliberal tritt im Bunde mit der CSU auf, die nur auf Bayern beschränkt und wirtschaftsliberal-reaktionär ausgerichtet ist, deren Exponenten dennoch immer wieder Geltung über ihren randständigen Freistaat hinweg beanspruchen.

Nun haben wir seit einigen Jahren ein organisiertes linkes politisches Lager, das sich mittlerweile nach internen Kämpfen zwischen PDS-Anhängern, BRD-Altlinken und enttäuschten SPD-Flüchtlingen zu einer bundesweit agierenden Partei gemausert hat, die nach der letzten Sonntagsfrage auf 9-10 % der Wählerstimmen kommen würde.
Gleichwohl stemmt sich die SPD mit aller Macht, in irgendeine Nähe zu dieser Partei gebracht zu werden.

Ich frage mich ein wenig, ob dies sinnvoll oder notwendig ist, laviert sich das sozialpolitische Lager damit nicht in ein Aus durch Selbstzersplitterung?
Oder was spricht gegen ein Zusammengehen?

Maglor
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So 16. Sep 2007, 16:00 - Beitrag #2

Der Vergleich hinkt. Die CSU ist eine traditionelle etablierte Partei der Bundesrepublik, keine Abspaltung. Die Besonderheit der CSU liegt im bayrischen Separatismus begründet, der anfangs große Bedeutung hatte, bis die CSU die Bayerpartei verdrängte und deren Wählerschaft aufnahm. (Tja, und seitdem hat der reaktionär-separtistische Bayer die Illusion einer Bayernpartei!)

Die Linkspartei hingegen hat keine derartige Schwesterpartei. Sowohl PDS als auch WASG waren von Anfang an als Parteien mit Landesverbänden in sämtlichen Ländern geplant. In der Praxis war die PDS allerdings weitestgehend auf Ostdeutschland beschränkt, was aber nicht den Anspruch ausschloß gesamtdeutsche Partei zu sein. Nach der Vereinung von PDS und WASG zur "linken" Einheitspartei ist wieder einmal mehr der alldeutsche Anspruch der Partei deutlich geworden. Linkspartei und SPD sehen einander als Konkurenten; CDU und CSU hingegen sind in erster Linie Partner und versuchen sich nicht gegenseitig die Wähler abzujagen.

Was ist die Linkspartei? Die neue USPD? Die neue Lafontaine-Partei? Die neue SED? Die neue SPD? Fragen über Fragen und keiner kennt die Antwort....

MfG Maglor :crazy:

Lykurg
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So 16. Sep 2007, 17:21 - Beitrag #3

Ein angemesseneres - allerdings nie überregional erfolgreiches - Pendant zur Linken wäre die Schill-Partei - eine wesentlich personenbezogene Gruppierung, die populistische Sprüche für eine vornehmlich von sozial Schwachen, Protestwählern und renitenten Alten (ggf. ...-Nostalgikern) dominierte Zielgruppe kloppt und sich bei der Umsetzung auf das bewährte Schuldenmachen verläßt.

Wäre nur zu wünschen, daß dem Projekt eine ähnliche Dauer beschert sei.

janw
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Mo 17. Sep 2007, 00:44 - Beitrag #4

Natürlich hinkt der Vergleich Links-Partei - CSU in manchem, aber es ist schon eigentümlich, daß durch die Liaison der C-Parteien der konservative politische Flügel der BRD als ein festgefügter Block auftritt - IMHO mit starker Penetration reaktionärer Gesinnungsinhalte bis tief in Sphären des laufenden Geschehens - während der linke Flügel zersplittert auftritt und sich allen Bestrebungen der Kooperation verweigert.
Sicher gibt es auf Seiten der sich abgrenzenden SPD Argumente gegen eine Kooperation, im wesentlichen die nach wie vor Mitwirkung von SED-Kadern im PDS-Anteil der Linkspartei, die starke Dominanz des SPD-Abtrünnigen Oskar Lafontaine im WASG-Anteil der Linkspartei und als wenig tragfähig erachtete politische Konzepte der Links-Partei als ganzes.
Nun haben derlei Argumente auf der rechten Seite nie eine Rolle gespielt - in der CDU haben es einschlägige Ex-Nazis bis zum Bundeskanzler gebracht, der bayerische Provinzfürst Strauß hat maßgeblichen Einfluss auf die Politik der CDU ausgeübt, dabei aber stets die semi-Autonomie seines Freistaats verteidigt, und an den Ruinen der Kohlschen Politik laborieren wir nun schon seit langem.
Insofern: Bleibt die linke Seite einfach" sauberer", indem sie eigenständige Parteien getrennt lässt, oder überlässt sie nicht den Konservativen kampflos ein Feld?

Zitat von Maglor:CDU und CSU hingegen sind in erster Linie Partner und versuchen sich nicht gegenseitig die Wähler abzujagen.

Naja, sie gehen sich aus dem Wege, indem die CDU nicht bayerisch ist und die CSU die ganze Republik als bayerische Einflussphäre ansieht.

Zitat von Lykurg:Ein angemesseneres - allerdings nie überregional erfolgreiches - Pendant zur Linken wäre die Schill-Partei - eine wesentlich personenbezogene Gruppierung, die populistische Sprüche für eine vornehmlich von sozial Schwachen, Protestwählern und renitenten Alten (ggf. ...-Nostalgikern) dominierte Zielgruppe kloppt

Nja...nicht ganz. Ich halte Schill für einen von allen guten Geistern verlassenen Selbstdarsteller, der mit populistischen Sprüchen einen auf ihn zugeschnittenen Polithaufen geschaffen hat, zu dem aber außer ihm keiner wirklich konzeptionell beigetragen hat.

Lafontaine hat sicher die WASG maßgeblich mit aufgebaut, aber nicht alleine, und die Partei wäre auch ohne ihn existenzfähig.
Lafontaine muss man nicht mögen - gibt es vielleicht aus Saar-Sicht etwas zu ihm zu sagen?^^ - und die Konzepte der WASG sind sicher nicht direkt umsetzbar.
ABER: Das Konzept von Hartz, Schröder, Müntefering und der CDU/CSU außer Blüm und Rüttgers ist es ebenso wenig, es stört nur keinen, weil die Betroffenen schlicht in der Gesellschaft nicht mehr auftauchen - mit HartzIV ist kein gesellschaftliches Leben mehr möglich, und Schüler werden gezwungen, die Schule vor der gymnasialen Oberstufe zu verlassen, weil sie den Schulbus nicht mehr bezahlen können. Das betrifft in meinem Landkreis mehrere 100 Schüler, und die Politik zuckt mit den Achseln.

Bleibt nur die Beobachtung, daß das Personal der Linkspartei oft etwas weniger rhetorisch gewandt erscheint als auf der konservativen Seite. In meinen Augen Ergebnis eine gewissen brain-drains - was sich Chancen auf eine Karriere ausrechnet, wechselt zur SPD, nickt dort die Politik der Führung ab und beißt sich derweil auf die Lippen und hofft auf bessere Zeiten.

Traitor
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Mo 17. Sep 2007, 05:23 - Beitrag #5

Für die Zersplitterung der Linken sehe ich allgemeine Prinzipien verantwortlich. Man muss sich nur mal die politische Landschaft anderer Länder, etwa Frankreichs, ansehen. Linke neigen nunmal zu Zwist, Schismen und Alleingängen. Man tritt zwar für Solidarität und Gemeinschaft ein, die politische und Denk-Kultur ist letztlich aber doch individualistischer als bei den autoritätsfixierten Konservativen oder selbst den eigentlich auf Individualismus pochenden, aber doch sehr einheitlichen Ideen folgenden Liberalen. Da liegt es nahe, dass man sich kaum langfristig auf ein Programm einigen kann.

Aber warum ist es gerade jetzt zur Spaltung gekommen, nachdem so lange alles außer der SPD reine Randerscheinungen waren? (Die Grünen ignoriere ich hier mal, da sie zwar ebenfalls klar ins linke Spektrum fallen und dessen Individualismus und Streitkultur geradezu archetypisch zeigen, aber eben eine ganz andere Entwicklungsgeschichte haben als der Rest der Parteienlandschaft.) Lange reichten für die verschiedenen Positionen verschiedene SPD-Flügel, von denen dann mal der eine, mal der andere die Vormacht hatte. Aber unter Schröder hat sich dann eben der herrschende Flügel so weit vom harten Kern der SPD-Tradition entfernt, dass die Spannung einfach zu viel wurde. Der richtige Kurs läge wohl irgendwo in der Mitte, aber in die eine oder andere Richtung war eine Spaltung wohl vorerst unvermeidbar und die SPD kann noch von Glück sagen, nicht noch größere Teile ihrer Linken verloren zu haben.
Wenn sie mal wieder in der Opposition landet, ergibt sich vielleicht die Gelegenheit, einen mittleren Kurs wiederzufinden und so, wenn auch nicht die Kader, so doch zumindest die Wähler wieder an sich zu bringen. Aber derzeit hat die SPD sich einen zu unsozialen Anschein eingehandelt, um weiterhin alle klassischen linken Wählerkreise bedienen zu können. Dabei bin ich zwar der Ansicht, dass es sich eher um ein Problem der mangelhaften Vermittlung als der Inhalte und Taten handelt, die im Rahmen des möglichen noch ganz gute Rettungsversuche darstellen, aber das hilft ihnen auch nicht.

In meinen Augen Ergebnis eine gewissen brain-drains - was sich Chancen auf eine Karriere ausrechnet, wechselt zur SPD, nickt dort die Politik der Führung ab und beißt sich derweil auf die Lippen und hofft auf bessere Zeiten.
Kennst du Beispiele für einen Wechsel in diese Richtung? Mir sind nur Überläufer von der SPD zur Linken bekannt, und eher würde ich auch dieser Richtung Karrieredünkel unterstellen, da es sich in einer kleineren Partei leichter emporkommen lässt - so hat es Oskar selbst ja sogar unverhofft wieder zum Vorsitzenden und auf die große Bühne geschafft.

Die CDU/CSU-Situation halte ich übrigens für völlig unvergleichbar - trotz wohl einiger existierender programmatischer Unterschiede ist die CSU für mich nichts anderes als ein CDU-Landesverband, der aus historischen und machttechnischen Gründen zahllose Sonderrechte für sich durchsetzen konnte.

Schüler werden gezwungen, die Schule vor der gymnasialen Oberstufe zu verlassen, weil sie den Schulbus nicht mehr bezahlen können. Das betrifft in meinem Landkreis mehrere 100 Schüler, und die Politik zuckt mit den Achseln.
:wzg: Bitte was? Gibt es bei euch kein Schülerticket? Das kostet bei uns aktuell 21,35€ im Monat, was auch für Geringverdiener ein investierbarer Posten sein sollte, und ist für Arbeitslosengeldempfänger sogar kostenlos. Eher vermute ich, dass jene Schüler aufgrund allgemeinen "lieber direkt zu arbeiten versuchen, anstatt 3 Jahre nur zu kosten" die Schule abbrechen und dieser Posten nur ein Teil der Überlegung ist.

Ipsissimus
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Mo 17. Sep 2007, 15:16 - Beitrag #6

linke Gesinnung war schon immer eher ein Konglomerat von Gesinnungen statt eine einheitliche Ideologie; was denn so recht eigentlich "links" sei, dürfte gar so einfach gar nicht zu erläutern sein. Es ist wohl eher ein Bauchgefühl - welches naturgemäß von Mensch zu Mensch verschieden ist - das uns instinktive Kategorisierungen im rechts-links-Mitte-Schema vornehmen lässt. Ich würde z.B. die SPD in keiner Weise noch zu den linken Parteien zählen, und ob die Linke wirklich links ist, wird sich noch zeigen, falls sie jemals in Regierungsverantwortung gelangen sollte. Aber die Bestreitbarkeit solche Einschätzung ist völlig klar.

Wenn wir einmal den Bolschewismus außen vor lassen, sind linke Ideologien eher davon geprägt, dass sie wissen wie es nicht sein soll, verbunden mit höchst deversifizierenden Ahnungen, was stattdesen wünschenswert wäre. Aufgrund dieser nur lose verknüpften Vielfältigkeit ist linke Ideologie - wie der Bolschewismus zeigte - sehr leicht usurpierbar, es bedarf kaum mehr als einer intelligenten Rhetorik.

Die unterschiedlichen Usurpatoren sind einander natürlich alles andere als grün, daher die vielfältigen Streitereien.

Ob es eine linke Kernideologie gibt, die sich als inhaltlich resistent gegenüber Usurpation erweist, darf bezweifelt werden.

In gewisser Weise teilt linke Gesinnung darin das Schicksal der Aufklärung. Auch sie kann von allen Arten Usurpatoren vor den eigenen Karren gespannt werden; und wenn wir sehen, was alles als "aufgeklärt" proklamiert wird, zeigt sich, daß sie auch tatsächlich vor viele Karren gespannt ist. Im Prinzip dürfte dies das Schicksal aller Denkrichtungen sein, bei denen der Diskurs statt der Bekenntnis im Zentrum steht.

janw
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Di 18. Sep 2007, 01:35 - Beitrag #7

Zitat von Traitor:Kennst du Beispiele für einen Wechsel in diese Richtung? Mir sind nur Überläufer von der SPD zur Linken bekannt, und eher würde ich auch dieser Richtung Karrieredünkel unterstellen, da es sich in einer kleineren Partei leichter emporkommen lässt - so hat es Oskar selbst ja sogar unverhofft wieder zum Vorsitzenden und auf die große Bühne geschafft.

Vielleicht hat mich mein Eindruck getrogen..., wobei ich aber z.B. eine Andrea Nahles durchaus als der Linken näherstehend wahrnehme als der derzeitigen SPD, aber sie sitzt es offenbar in der SPD mit verkniffenen Lippen aus - Nicht-Einwanderung statt brain-drain also vielleicht eher.

:wzg:Bitte was? Gibt es bei euch kein Schülerticket?

Selig, die in Rüttgers' Landen leben^^
Hier wie fast überall im ländlichen Raum gibt es Schülermonatskarten, deren Preise sich nach der Entfernung richten und sehr schnell an die 50 Euro und mehr kosten, und zwar für millionäre wie Hartz IV-Empfänger gleichermaßen. Als Regelsatz werden gerade mal 12,40 Euro zugeschossen, der Rest muss von dem knappstmöglich bemessenen Kinderbetrag von Hartz IV bezahlt werden.
Ergebnis: Schüler MÜSSEN die Schule abbrechen, eine Schülerin hier hat darauf aufmerksam gemacht:
Uelzen/Landkreis. Der Beschluss des Sozialgerichtes Lüneburg steht fest: Eine Ausnahme für Mareike K. wird es nicht geben. Weder der Landkreis Uelzen noch die Agentur für Arbeit müssen der 16-jährigen Tochter von Hartz-IV-Empfängern die monatliche Busfahrkarte von ihrem Heimatort zur Schule in Uelzen bezahlen. Demnach müsste die Familie 62 der insgesamt monatlich anfallenden 74,40 Euro aus eigener Tasche begleichen. 12,40 Euro werden über die Regelleistung abgegolten. "Das ist ein aberwitziges Urteil. Der Richter sagt, ,soll das doch die Politik regeln‘." Jörg Stoffregen, Geschäftsführer der Diakonie, ist empört. Er steht in engem Kontakt mit Mareikes Eltern. Diese fühlen sich von der Politik allein gelassen. "Das Mindeste, was sie erwartet haben, ist ein Darlehen", weiß Stoffregen um die Sorge der Eltern darüber, wie sie der Tochter den weiteren Schulbesuch ermöglichen sollen. "Das ist ein Skandal."


Der Regelsatz für diese Altersgruppe liegt bei 276,00 € , für: Nahrung, Kleidung, Versicherungen, Fahrtkosten, Schulmaterial etc.
Außerdem aus Rheinland-Pfalz:
Asbach/Bonn.- Mit dem Ende der Ferien musste eine Mutter mit Hartz IV-Leistungen für ihre drei schulpflichtigen Kinder einen Betrag von 563,50 Euro aufbringen, obwohl der Hartz IV-Regelsatz dafür überhaupt keinen Posten vorsieht. Ein entsprechender Antrag auf Übernahme der Kosten wurde von der zuständigen Arge in Asbach (bei Neuwied) abgelehnt. Der Regelsatz sei abschließend und in ihm alle Kosten - auch die für die Schule - enthalten. Mündlich wurde der Mutter von einer Sachbearbeiterin der Arge vorgehalten, dass die Regelsatzverordnung ja monatlich einen Ansparbetrag für Bleistifte und Hefte in Höhe von 1,63 vorsehen würde und sie diesen hätte ansparen müssen. Zur Verdeutlichung: 1,63 jeweils für 3 Kinder ein Jahr angespart ergibt einen Betrag von 58,68. Damit fehlen immer noch knapp 500 Euro.
Die Mutter hatte sich hilfesuchend an das Erwerbslosen Forum Deutschland gewandt, weil sie schon jetzt nicht mehr weiß, wie sie ihre Familie für den Rest des Monats überhaupt ernähren kann. Es wird der Mutter nichts anderes übrig bleiben, wie sich das Geld auszuleihen und es monatlich abzustottern. Das Erwerbslosen Forum Deutschland erwägt zusammen mit der Mutter eine Klage beim zuständigen Sozialgericht in Koblenz zu erheben, da dies eine völlige Überforderung der Familie ist, die es in der alten Sozialhilfe so nicht gegeben hätte. So hieß es u.a. in der Ablehnung des Antrages "Die von Ihnen beantragte Sonderleistung wird durch die gewährte Regelleistung abgedeckt und stellt nach den mir vorliegenden Unterlagen keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar, so dass eine Übernahme der Kosten nicht möglich ist."
Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:
"Hier zeigt sich die "Brutalität" von Hartz IV in aller Deutlichkeit. Kinder, deren Eltern auf Hartz IV angewiesen sind, müssen Hunger leiden, wollen sie nicht völlig ausgegrenzt und stigmatisiert sein. Deshalb haben wir auch kein Verständnis, dass die Bundeskanzlerin eine Überprüfung der Regelleistungen auf das Jahresende verschieben will. Es ist blanker Zynismus den Eltern zu sagen, dass man derartige Beträge ansparen kann, wenn der Regelsatz für Kinder mal grade 208 Euro monatlich für alle (!) Bedarfe des täglichen Lebens vorsieht. Im Übrigen zeigt die zuständige ARGE, dass sie sich nicht die Mühe macht, die individuellen Umstände auch nur Ansatzweise zu prüfen. Die vorliegenden Unterlagen ergeben ein anderes Bild.
Es ist schon schlimm genug, Kindern nur täglich einen Satz von 2,28 für Ernährung zu zubilligen. Dies reicht gerade für ungesunden ‚Billigfraß'. Ebenso haben wir wenig Verständnis dafür, dass Schulen derart hohe Beträge verlangen und es kommen ja im Verlauf des Schuljahres noch weitere Kosten auf die Eltern zu. Wir fordern, dass sofort gehandelt wird und endlich die mit den Hartz IV-Gesetzen eingeführte bittere Armut beseitigt wird. Hartz IV ist weder effektiver noch kosten sparender, als das alte System von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Allerdings ging es den Menschen besser und Kinder hatten bessere Bildungschancen."


Aber zum eigentlichen Thema:
Meinungsdiversität als vorstechendes Merkmal der politischen Linken, ein interessanter Ansatz. Dann wäre die gegenwärtige Krise der SPD - wenn man in ihr eine Krise wahrnimmt - wesentlich auch eine, die durch ein Abwürgen eben dieser Diversität, das nicht-mehr-außenwirksam-werden des innerparteilichen Diskurses gekennzeichnet ist, durch eine Dominanz des ihr eigentlich etwas wesensfremden Bekenntnis-Systems und der obrigkeitlichen Meinungsführerschaft.
Allerdings darf dabei IMHO nicht übersehen werden, daß die politische Linke durchaus einen Rahmen grundlegender Werte besitzt, wie z.B. das Postulat der Gleichheit aller Menschen und die Forderung nach Solidarität, die Meinungsverschiedenheiten betreffen wohl eher deren Anwendung auf das reale Geschehen, die Frage, wie sich Gleichheit verwirklichen lässt und wo sie konkret in welchem Ausmaße betroffen ist.
(Mir fällt dazu noch ein, daß offenbar auch der Freiheitsbegriff der Lager ein verschiedener ist - Freiheit wird im lnken Bereich mit der Verwirklichung von Gleichheit der Einzelnen gleichgesetzt, während die Konservative hierin eben eine Beschränkung der Freiheit des Einzelnen sieht. Aber das sprengt etwas den Rahmen hier, denke ich).

Zitat von Ipsissimus:Wenn wir einmal den Bolschewismus außen vor lassen, sind linke Ideologien eher davon geprägt, dass sie wissen wie es nicht sein soll, verbunden mit höchst deversifizierenden Ahnungen, was stattdesen wünschenswert wäre.

Du meinst also, die Konservative steckt in der Vergangenheit fest und die Linke hofft auf die Zukunft?
Da ist etwas dran in meinen Augen.
Zitat von Ipsissimus:Ob es eine linke Kernideologie gibt, die sich als inhaltlich resistent gegenüber Ursupation erweist, darf bezweifelt werden.

Wobei es aber doch merkwürdig ist, daß ausgerechnet die autoritätskritischen Linken ihre Ideale so leicht haben ursupieren lassen. Oder ist die Autoritätskritik und das Selbstbestimmungsideal eher ein jüngeres Phänomen?

Lykurg
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Di 18. Sep 2007, 10:48 - Beitrag #8

Zitat von janw:Nja...nicht ganz. Ich halte Schill für einen von allen guten Geistern verlassenen Selbstdarsteller, der mit populistischen Sprüchen einen auf ihn zugeschnittenen Polithaufen geschaffen hat, zu dem aber außer ihm keiner wirklich konzeptionell beigetragen hat.
Abgesehen vom letzten Punkt, der bei Lafontaine tatsächlich eher im Aufjauchen von altlinken Ideen mit ein paar nationalen Schlagworten besteht, die nicht von ihm selbst stammen, sehe ich hier eine beeindruckende Liste von Übereinstimmungen... ]Man tritt <im linken Lager> zwar für Solidarität und Gemeinschaft ein, die politische und Denk-Kultur ist letztlich aber doch individualistischer als bei den autoritätsfixierten Konservativen oder selbst den eigentlich auf Individualismus pochenden, aber doch sehr einheitlichen Ideen folgenden Liberalen.[/QUOTE] Dazu gehört wohl auch ein gutes Stück Machbarkeitsdenken - Konservative und Liberale neigen offensichtlich eher dazu, Kompromisse zu schließen, um gemeinsam einen Teil ihrer Absichten durchzusetzen, während linke Gruppierungen sich über Detailfragen zerstreiten.
Wie auch aus Ipsissimus' Ausführungen hervorgeht, ergeben sich aus letzterem leichter extreme Einzelmeinungen mit - so sie dominant werden - schwerwiegenden Folgen. Demokratische Erwägungen (im westlichen Verständnis^^) sind dann von eher marginaler Bedeutung...
Zitat von janw: Meinungsdiversität als vorstechendes Merkmal der politischen Linken, ein interessanter Ansatz. Dann wäre die gegenwärtige Krise der SPD - wenn man in ihr eine Krise wahrnimmt - wesentlich auch eine, die durch ein Abwürgen eben dieser Diversität, das nicht-mehr-außenwirksam-werden des innerparteilichen Diskurses gekennzeichnet ist, durch eine Dominanz des ihr eigentlich etwas wesensfremden Bekenntnis-Systems und der obrigkeitlichen Meinungsführerschaft.
Durchaus möglich, ich stimme zu](... Freiheit wird im linken Bereich mit der Verwirklichung von Gleichheit der Einzelnen gleichgesetzt, während die Konservative hierin eben eine Beschränkung der Freiheit des Einzelnen sieht. ...)[/QUOTE]Wobei ich mich schon immer fragte, wie im Zwang zur Gleichheit eine Freiheit bestehen soll - vor Gericht und bei politischen Entscheidungen natürlich, aber in Fragen der persönlichen Lebensgestaltung... Bild
Du meinst also, die Konservative steckt in der Vergangenheit fest und die Linke hofft auf die Zukunft?
Da ist etwas dran in meinen Augen.
In meiner Nase zwangsläufig kaum etwas; wenn ich mir Verlautbarungen der Linken ansehe/anhöre, dringt daraus ziemlich viel Modergeruch, nostalgische Beschwörung der DDR und weiteres Aufblasen des riesigen alten BRD-Sozialheißluftballons, sie hoffen vielleicht auf die Zukunft, aber hoffen allein hat noch niemanden satt gemacht. Dagegen sind die heutigen Konservativen treibende Kräfte bei der Modernisierung des Landes - inzwischen auch in ihren Ursprüngen so fernen Bereichen wie Umweltschutz und Integrationspolitik.
Wobei es aber doch merkwürdig ist, daß ausgerechnet die autoritätskritischen Linken ihre Ideale so leicht haben ursupieren lassen. Oder ist die Autoritätskritik und das Selbstbestimmungsideal eher ein jüngeres Phänomen?
Autoritätskritik bedeutet absolut nicht, daß man gegen Autoritätshörigkeit gefeit sei. Auch vermeintlich autoritätskritische Strömungen können leicht totalitäre Züge annehmen, wie etwa die Antibürgerlichkeit der Frankfurter Schule - was allerdings seinerseits leicht außerhalb des Threads liegt, fürchte ich.

janw
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Di 18. Sep 2007, 13:55 - Beitrag #9

Zitat von Traitor:trotz wohl einiger existierender programmatischer Unterschiede ist die CSU für mich nichts anderes als ein CDU-Landesverband, der aus historischen und machttechnischen Gründen zahllose Sonderrechte für sich durchsetzen konnte.

Gut, ja, und dafür spricht, daß die CDU in Bayern nicht vertreten ist, während die SPD bundesweit auftritt.

Zitat von Lykurg:Abgesehen vom letzten Punkt, der bei Lafontaine tatsächlich eher im Aufjauchen von altlinken Ideen mit ein paar nationalen Schlagworten besteht, die nicht von ihm selbst stammen, sehe ich hier eine beeindruckende Liste von Übereinstimmungen...]
Nun, in meinen Augen diente die Schill-Partei nur dazu, die abstrusen Ideen des Privatmenschen R. Schill parteipolitisch zu artikulieren, eine one-man-show also mit einem ideologisch äußerst beschränkten Gesichtskreis.
Lafontaine ist IMHO einer von vielen in der SPD, die mit den Hartz IV-Mutationen gewaltiges Bauchgrimmen hatten. Nur daß er sich nicht hat korrumpieren lassen und auch nicht den Weg in die innere Emigration, das warten auf bessere Zeiten, gegangen ist, sondern die von Schröder mit Füßen getretenen Ideale - humanistische Ideale wie Menschlichkeit und gleiche Möglichkeit zur Teilhabe an Gesellschaft!! - als Basis einer eigenen Parteigründung genommen hat - die sich zwangsläufig vor allem an die echten oder empfundenen Verlierer der Mutationen richtete. Daß er damit auch eine große Selbstdarstellerei betrieben hat und von seinem persönlichen Gebaren her selbst nicht gerade einen Bilderbuch-Sozi abgibt - keine Frage, und das sehe ich sehr kritisch. Das große Aber ist aber, daß die WASG mittlerweile regional und kommunal teilweise gut und kompetent verankert ist, somit nicht auf Lafontaine beschränkt ist und zuläuft. Mir ist der Kerl trotz allem immer noch zu bedeutend, das sei dazu gesagt, aber er ist ersetzbar.
EDIT: Die Kritik aus der SPD an der WASG leidet IMHO wesentlich daran, daß sie auf der persönlichen Ebene bleibt, Lafontaine als Unperson und seine Patei deshalb gleich Unpartei, statt sich inhaltlich mit ihr auseinander zu setzen. Hinsichtlich der inhaltlichen Diagnosen müsste die SPD nämlich einräumen, daß die WASG recht hat, was die Auswirkungen der Mutationen betrifft. Vielleicht Ausdruck dessen, daß die SPD selbst erkennt, daß ihr der Boden wegbricht, es soll nur noch keiner merken, daß sie es wissen.

Ob die PDS immer noch das ist, was Blöd und die CDU gerne in ihr sehen möchten, wage ich ebenfalls zu bezweifeln - mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die biographisch nichts mehr mit der DDR verbindet und die die DDR auch kritisch sieht, als die Diktatur, die sie war. Eine Generation aber, die auch erkennt, daß die Freiheit des Westens wieder nicht für alle da ist, nur daß heute Geld und nicht Parteibuch entscheiden. Und die das - mit recht, wie ich finde - nicht kalt lässt.

Wobei ich mich schon immer fragte, wie im Zwang zur Gleichheit eine Freiheit bestehen soll - vor Gericht und bei politischen Entscheidungen natürlich, aber in Fragen der persönlichen Lebensgestaltung... :rolleyes:

FF-Forsicht Falle! :D
Natürlich war Gleichheit der Möglichkeiten zur sozialen Mitwirkung und Teilhabe gemeint, die nur von eigenen Fähigkeiten, nicht von materiellen Verhältnissen oder sozialem Stand begrenzt sein sollen.
Für manche Habende Konservative scheint es eine Beschneidung ihrer persönlichen Freiheit zu sein, daß ihre Kinder das Gymnasium zusammen mit Kindern aus armen Verhältnissen besuchen müssen, deshalb schaffen sie die Fahrtkostenzuschüsse und Zuschüsse zu Lernmitteln ab und streuen das Gerücht, alle Armen seien nur aus eigenem Verschulden arm. Selbst besitzen sie dann Aktien von Firmen, deren Kurse durch das Rauswerfen von Mitarbeitern gestiegen sind.

wenn ich mir Verlautbarungen der Linken ansehe/anhöre, dringt daraus ziemlich viel Modergeruch, nostalgische Beschwörung der DDR und weiteres Aufblasen des riesigen alten BRD-Sozialheißluftballons,[...]Dagegen sind die heutigen Konservativen treibende Kräfte bei der Modernisierung des Landes - inzwischen auch in ihren Ursprüngen so fernen Bereichen wie Umweltschutz und Integrationspolitik.

Ich gebe Dir recht, auch im linken Lager gibt es Spreu und Weizen. Aber an der Feststellung von Unicef, daß Kinderarmut in Deutschland rapide zunimmt und an der mehrfach gewonnenen Erkenntnis, daß elterliche Armut mittlerweile zum biographischen Hindernis wird, zu Armutsgenerationen führt, kommt man nicht vorbei, und hierauf mit dem "Sozialstaatsluftballon" zu antworten, ich weiß nicht...

Umweltschutz - Hamburg könnte effizient Energie mit Blockheizkraftwerken gewinnen, setzt aber auf eine konventionelle Energieschleuder.
Integration - türkische Ehefrauen dürfen nur noch nach Deutschland nachziehen, wenn sie einen Deutschtest bestanden haben. Der kostet in der Türkei mit 300 Euro ein Monatseinkommen, und die Kurse gibt es nur in großen Städten. Nur die christliche Ehe ist heilig, scheinbar :crazy:

Gut, jetzt sind wir bei der Erörterung linker und rechter Politik in der BRD angekommen, das ursprüngliche Thema ist aber auch praktisch ausgelutscht.
Also weiter so.

Lykurg
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Mi 19. Sep 2007, 12:45 - Beitrag #10

Also weiter so...
Nun, in meinen Augen diente die Schill-Partei nur dazu, die abstrusen Ideen des Privatmenschen R. Schill parteipolitisch zu artikulieren, eine one-man-show also mit einem ideologisch äußerst beschränkten Gesichtskreis.
Allerdings haben seine abstrusen Ideen, griffig formuliert, eine ganze Menge Leute hinter ihn gebracht, zur Höchstzeit ein Fünftel der Hamburger Wählerschaft. Ideologisch beschränkt kommt mir die Wahrnehmung einiger linker Spitzenpolitiker auch vor; Lafontaines vielleicht insofern nicht, als er sich eben auch aus der rechten Ecke bedient, man einige seiner Anschauungen also mit einem gewissen Recht als national-sozialistisch bezeichnen kann (wie unlängst ein Autor in der extrem linken Monatszeitschrift konkret feststellte [Ralf Schröder: "Patron der Proleten", konkret 7/07]).
Lafontaine ist IMHO einer von vielen in der SPD, die mit den Hartz IV-Mutationen gewaltiges Bauchgrimmen hatten. Nur daß er sich nicht hat korrumpieren lassen und auch nicht den Weg in die innere Emigration, das warten auf bessere Zeiten, gegangen ist, sondern die von Schröder mit Füßen getretenen Ideale - humanistische Ideale wie Menschlichkeit und gleiche Möglichkeit zur Teilhabe an Gesellschaft!! - als Basis einer eigenen Parteigründung genommen hat - die sich zwangsläufig vor allem an die echten oder empfundenen Verlierer der Mutationen richtete.
Lafontaines Ausstieg aus der aktiven Politik, genauer gesagt sein Hinschmeißen des Ministerpostens (Eidbruch...) erfolgte weit vor der Agenda 2010. WASG schloß er sich erst an, als deutlich wurde, daß er damit ein Organ hätte, seine realitätsfremden Vorstellungen einer ahnungslosen Masse zu unterbreiten.
Daß er damit auch eine große Selbstdarstellerei betrieben hat und von seinem persönlichen Gebaren her selbst nicht gerade einen Bilderbuch-Sozi abgibt - keine Frage, und das sehe ich sehr kritisch. Das große Aber ist aber, daß die WASG mittlerweile regional und kommunal teilweise gut und kompetent verankert ist, somit nicht auf Lafontaine beschränkt ist und zuläuft. Mir ist der Kerl trotz allem immer noch zu bedeutend, das sei dazu gesagt, aber er ist ersetzbar.
Er hatte die Möglichkeit, als Bundesfinanzminister zumindest Teile seiner Vorstellungen zu verwirklichen, und ist damit umfassend gescheitert. Offenbar ein idealer Mann für diesen Parteivorsitz. Bild
Hinsichtlich der inhaltlichen Diagnosen müsste die SPD nämlich einräumen, daß die WASG recht hat, was die Auswirkungen der Mutationen betrifft. Vielleicht Ausdruck dessen, daß die SPD selbst erkennt, daß ihr der Boden wegbricht, es soll nur noch keiner merken, daß sie es wissen.
Möglich, aber eben an dieser Erosion wirkt die WASG ja fröhlich mit, statt von innerhalb der Partei durch Stärkung ihres Linksflügels eine Änderung herbeizuführen. Durch die Spaltung werden große destruktive Kräfte frei.
Ob die PDS immer noch das ist, was Blöd und die CDU gerne in ihr sehen möchten, wage ich ebenfalls zu bezweifeln - mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die biographisch nichts mehr mit der DDR verbindet und die die DDR auch kritisch sieht, als die Diktatur, die sie war. Eine Generation aber, die auch erkennt, daß die Freiheit des Westens wieder nicht für alle da ist, nur daß heute Geld und nicht Parteibuch entscheiden. Und die das - mit recht, wie ich finde - nicht kalt lässt.
Die Generation der 30jährigen, die nur in der DDR geboren und aufgewachsen sind, aber nie SED-Mitglieder waren, ja, die also völlig unbeeinflußt von DDR-Propaganda waren und sind und natürlich genau das westliche Verständnis von Freiheit und Demokratie haben, ein ungefiltertes Bild und so weiter... Bild
Die die DDR als Diktatur sieht und nichts dabei findet. Und die lieber das Parteibuch als das Geld oder den Volkswillen entscheiden sehen ließe.
Ich gebe Dir recht, auch im linken Lager gibt es Spreu und Weizen. Aber an der Feststellung von Unicef, daß Kinderarmut in Deutschland rapide zunimmt und an der mehrfach gewonnenen Erkenntnis, daß elterliche Armut mittlerweile zum biographischen Hindernis wird, zu Armutsgenerationen führt, kommt man nicht vorbei, und hierauf mit dem "Sozialstaatsluftballon" zu antworten, ich weiß nicht...
Ich schrieb "Sozialheißluftballon", weil das deutsche Sozialsystem, obwohl und weil eines der leistungsstärksten der Welt, die soziale Lage eher verfestigt als flexibilisiert. Weil, wer einmal in den Hilfskreislauf hineinrutscht, kaum noch herauskommt; seine Eigeninitiative von Hilfen gelähmt wird, die aber zugleich einen bürokratischen Aufwand voraussetzen, dessen genaue Kenntnis Hilfsempfang zum Beruf macht. Wer alle gebotenen Hilfen ausnutzen kann, hat damit netto weit mehr als ein Geringverdiener - ich kenne einige Geringverdiener, für die das zutrifft, und bin wohl demnächst selbst einer - also ist laut Staat der, der sich anstrengt, blöd: Stattdessen könnte er mit der heißen Luft des Sozialsystems ballonfahren.
Wirkliche Hilfe sähe Integration und Förderung von Eigenengagement vor, gewährte aber zugleich denen, die wirklich nicht anders können, ein sicheres Auskommen. Die Agenda 2010 hat einiges davon angeregt, werkelt allerdings am bestehenden System herum. Aufgrund momentaner Hochkonjunktur ist der Reformeifer der Bundesregierung erlahmt, erst in der nächsten großen Krise wird man sich besinnen, daß da doch noch was zu tun war...
Umweltschutz - Hamburg könnte effizient Energie mit Blockheizkraftwerken gewinnen, setzt aber auf eine konventionelle Energieschleuder.
Ich wollte eigentlich gegen das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg demonstrieren, konnte aber letzten Sonntag leider nicht. Ich weiß auch nicht, was die Grünen gesagt hätten, wenn ich mit einem "Kern statt Kohle"-Plakat mitgelaufen wäre... Bild
Integration - türkische Ehefrauen dürfen nur noch nach Deutschland nachziehen, wenn sie einen Deutschtest bestanden haben. Der kostet in der Türkei mit 300 Euro ein Monatseinkommen, und die Kurse gibt es nur in großen Städten. Nur die christliche Ehe ist heilig, scheinbar :crazy:
Ich sehe nicht, was an diesem Deutschtest zu kritisieren ist. Ich finde es unvorstellbar, wenn Frauen hierherverkauft werden, die, da sie die Landessprache nicht kennen, völlig von ihrem Mann abhängig sind und gewissermaßen als Sklavin hier leben. Nach einem Jahrzehnt dann automatisch Staatsbürger, das Kreuzchen bei der Partei, die ihr Herr und Gebieter ihr vorschreibt, und die Kinder - Söhne kommen in die Schule, und Töchter lernen nur türkisch? Süper.

janw
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Mi 26. Sep 2007, 02:13 - Beitrag #11

Zitat von Lykurg:Allerdings haben seine abstrusen Ideen, griffig formuliert, eine ganze Menge Leute hinter ihn gebracht, zur Höchstzeit ein Fünftel der Hamburger Wählerschaft. Ideologisch beschränkt kommt mir die Wahrnehmung einiger linker Spitzenpolitiker auch vor]
Aber eben nur einen, wenn auch erklecklichen, Anteil an der Wählerschaft eines kleinen Stadtstaats im nebligen Norden der Republik, während die WASG bundesweit vertreten ist und eben nicht allein auf Laffi zuläuft.
Ideologische Beschränkung war vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck, Schill schürte die Angst vor der angeblich nicht mehr gegebenen Sicherheit im Land und baute darauf seine abstrusen Forderungen auf. Die WASG legt die Finger in die Wunde real existierender Probleme - ich bin mir sehr sicher, daß ohne sie immer noch abgestritten würde, daß unter Hartz IV ein Viertel aller Kinder in Armut leben, ihren Eltern die Mittel für eine ausreichende Ernährung fehlen und erst recht für eine dem Leistungsvermögen der Kinder entsprechende Schulausbildung. Jetzt, langsam, kommt da ja etwas in Gang...
Laffis Abwandlungen ins Nationale finde auch ich recht unappetitlich, und ich will ihn sicher nicht in einem Amt sehen.

Lafontaines Ausstieg aus der aktiven Politik, genauer gesagt sein Hinschmeißen des Ministerpostens (Eidbruch...) erfolgte weit vor der Agenda 2010. WASG schloß er sich erst an, als deutlich wurde, daß er damit ein Organ hätte, seine realitätsfremden Vorstellungen einer ahnungslosen Masse zu unterbreiten.

Naja, wer weiß, wie das Klima in der Regierung damals vielleicht schon war, vielleicht testete Schröder erstmal die Zumutungsgrenzen seiner Minister. Die parteiinterne Machtfrage spielte sicher auch eine Rolle, trotzdem glaube ich, daß der Verlust sozialdemokratischer Werte ein wichtiges Motiv gewesen ist. Seine Vorstellungen zur Lösung der Probleme mögen "realitätsfremd" erscheinen - wem? Es IST! IMHO realitätsfremd, mit dem Verweis auf Einige allen Menschen ohne Arbeit zu unterstellen, sie wollten nur faul sein und abkassieren und Kinder für die Armut ihrer Eltern mithaften zu lassen, gar mit ihrem Verlust an sozialer Teilhabe und an Bildungschancen.

Er hatte die Möglichkeit, als Bundesfinanzminister zumindest Teile seiner Vorstellungen zu verwirklichen, und ist damit umfassend gescheitert. Offenbar ein idealer Mann für diesen Parteivorsitz. :rolleyes:

Auch ein Finanzminister ist an die Richtlinienkompetenz des Kanzlers gebunden...trotzdem, wie schon gesagt, er ist sicher nicht die beste Person für diese Funktion - aber er ist eben auch nicht der Einzige der WASG.

Möglich, aber eben an dieser Erosion wirkt die WASG ja fröhlich mit, statt von innerhalb der Partei durch Stärkung ihres Linksflügels eine Änderung herbeizuführen. Durch die Spaltung werden große destruktive Kräfte frei.

Sicher, und das ist einer der Gründe, weshalb ich die Entwicklung der WASG kritisch sehe. Sie ist, was politische Mehrheitsbildungen betrifft, wohl das beste, was der CDU passieren konnte.

Die Generation der 30jährigen, die nur in der DDR geboren und aufgewachsen sind, aber nie SED-Mitglieder waren, ja, die also völlig unbeeinflußt von DDR-Propaganda waren und sind und natürlich genau das westliche Verständnis von Freiheit und Demokratie haben, ein ungefiltertes Bild und so weiter...
Die die DDR als Diktatur sieht und nichts dabei findet. Und die lieber das Parteibuch als das Geld oder den Volkswillen entscheiden sehen ließe.

Nun, das ist im Wesentlichen meine Generation, nur daß ich im bananenreicheren Teil Deutschlands groß geworden bin.
Meine politische Sozialisation ist im wesentlichen in den 80ern erfolgt, das war hier die Herrschaft des "Dicken" und drüben eine Phase, in der es an vielen Stellen im Kleinen zu gären begann. Bis auf Dräschdn und umzu konnte überall Westfernsehen empfangen werden, und so wussten wohl praktisch alle bescheid, was in Russland vor sich ging. Ich meine mich zu erinnern, daß anlässlich des Kohl-Besuchs schon gewisse Befürchtungen hinsichtlich Demonstrationen bestanden, das System war nicht mehr so stabil wie noch in den 70ern.
Sicher war die politische Prägung in der DDR durch Pioniere usw. stärker als im Westen, aber in die SED konnte man wohl auch erst mit 18. Da war für mich die DDR Geschichte.
Für meine Altersgruppe in der DDR war das System also in der Jugend prägend, aber praktisch keiner konnte selbst in das System verstrickt werden.
Wohl aber konnten sie erleben, daß nach dem Zusammenbruch des ungeliebten bis verhassten Regimes keinesfalls alles besser wurde. Erst brach die Beschäftigung flächendeckend zusammen, dann kamen die Rückübertragungs-Wessis usw. Nein, ich denke nicht, daß die 30er in der PDS ernsthaft die DDR-Diktatur zurück haben wollen, aber eben auch keine Herrschaft des Geldes.

--------------------------------------------------------------------------
Morgen mehr.

Ich schrieb "Sozialheißluftballon", weil das deutsche Sozialsystem, obwohl und weil eines der leistungsstärksten der Welt, die soziale Lage eher verfestigt als flexibilisiert. Weil, wer einmal in den Hilfskreislauf hineinrutscht, kaum noch herauskommt; seine Eigeninitiative von Hilfen gelähmt wird, die aber zugleich einen bürokratischen Aufwand voraussetzen, dessen genaue Kenntnis Hilfsempfang zum Beruf macht. Wer alle gebotenen Hilfen ausnutzen kann, hat damit netto weit mehr als ein Geringverdiener - ich kenne einige Geringverdiener, für die das zutrifft, und bin wohl demnächst selbst einer - also ist laut Staat der, der sich anstrengt, blöd: Stattdessen könnte er mit der heißen Luft des Sozialsystems ballonfahren.
Wirkliche Hilfe sähe Integration und Förderung von Eigenengagement vor, gewährte aber zugleich denen, die wirklich nicht anders können, ein sicheres Auskommen. Die Agenda 2010 hat einiges davon angeregt, werkelt allerdings am bestehenden System herum. Aufgrund momentaner Hochkonjunktur ist der Reformeifer der Bundesregierung erlahmt, erst in der nächsten großen Krise wird man sich besinnen, daß da doch noch was zu tun war...


Ich wollte eigentlich gegen das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg demonstrieren, konnte aber letzten Sonntag leider nicht. Ich weiß auch nicht, was die Grünen gesagt hätten, wenn ich mit einem "Kern statt Kohle"-Plakat mitgelaufen wäre... :D


Ich sehe nicht, was an diesem Deutschtest zu kritisieren ist. Ich finde es unvorstellbar, wenn Frauen hierherverkauft werden, die, da sie die Landessprache nicht kennen, völlig von ihrem Mann abhängig sind und gewissermaßen als Sklavin hier leben. Nach einem Jahrzehnt dann automatisch Staatsbürger, das Kreuzchen bei der Partei, die ihr Herr und Gebieter ihr vorschreibt, und die Kinder - Söhne kommen in die Schule, und Töchter lernen nur türkisch? Süper.

janw
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Di 9. Okt 2007, 00:51 - Beitrag #12

Unmögliches wird sofort erledigt...^^

Zitat von Lykurg:Ich schrieb "Sozialheißluftballon", weil das deutsche Sozialsystem, obwohl und weil eines der leistungsstärksten der Welt, die soziale Lage eher verfestigt als flexibilisiert. Weil, wer einmal in den Hilfskreislauf hineinrutscht, kaum noch herauskommt]
Nun, ich halte es für eine ziemlich harte Unterstellung, daß ein wirklich relevanter Anteil an ALG II-Beziehern dies lieber tut, als selbst Geld zu verdienen. Das Problem ist eher, daß ALG II und weitere Leistungen so eng geschnitten sind, daß damit gerademal trocken, warm und einigermaßen satt gelebt werden kann, wenn nix dazwischen kommt. Kinder? Die Misere ist bekannt. Krankheit? 10 Euro Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung reißen Löcher in den Wochenplan.
Soziales Leben? Mensch traut sich ja nicht mehr, jemanden einzuladen, weil er nichts anzubieten hat, von ausgehen zu schweigen. Auto? Es darf nur wenig kosten, ein 3.Handauto kostet dann aber leicht ein Mehrfaches, wenn es um Reparaturen geht. Andererseits ist in vielen Gebieten ein Auto absolut unerlässlich. Rücklagen dafür? Müssen verbraten werden, überhaupt...woher sollen die kommen?
Kleidung, Friseur für ein Bewerbungsgespräch? Wovon?
Und das nach nur ein(!) Jahr Arbeitslosigkeit.
Wenn etwas lähmt, dann dieser enge Spielraum, der keinen Platz für die Wechselfälle des Lebens lässt und für die finanzielle Handlungsfreiheit, die eine berufliche Orientierung erfordert.
Ich gebe Dir recht, daß es mehr Förderung und Ermutigung geben müsste, mehr individuelle Begleitung der Menschen, die nicht zu "Fallen" degradiert werden dürfen.
Aber die Verfestigung von Arbeitslosigkeit hängt IMHO eher damit zusammen, daß bestimmte Gruppen von Menschen einfach keinen Stellenmarkt mehr vorfinden - und wenn sie im Wohnwagen hausen, bereit, auf Abruf 500 km weit weg eine Stelle anzutreten, unbeachtlich, ob die schon nach 3 Monaten aus fadenscheinigen Gründen gekündigt wird.
Flexibilität ist sicher wichtig, läuft aber im Übermaß Gefahr, anderen wichtigen Dingen zuwider zu laufen. Wenn Kinder betroffen sind, ist IMHO eine gewisse Beständigkeit sehr wichtig: Ständige Schulwechsel sind nicht gerade förderlich, Freundeskreise wichtig zur Entwicklung sozialer Fähigkeiten.
Das übersehen jene, die von 34 oder 49jährigen das Sprungvermögen eines 24jährigen verlangen.
Diese wirklichen Probleme und Gegebenheiten müssten von einem Sozialversicherungssystem aufgenommen werden, nicht neoliberale Fiktionen vom bindungsfreien, allein als Humankapital existierenden Arbeitskraftträger.
Was nun den derzeit behaupteten Erfolg von Hartz IV betrifft, bin ich skeptisch, sehr. IMHO besteht die Verringerung der Arbeitslosigkeit vor allem in statistischen Effekten, der Verlagerung von Menschen aus der Arbeitsnachfragersituation in Zweitarbeitsmärkte, einem allmählichen Greifen des demographischen Wandels (Geburtenschwache Jahrgänge kommen in entsprechende Altersklassen des Arbeitsmarkts) - und mag ein wenig aktuelle Konjunktur dabei sein. Von der aber schon wieder zu lesen ist, daß sie abflaut - welcher Palästinenserorganisation kann man nun trauen, dem DIW, dem DIHT, dem DWD...?
Daß viele Vollzeitbeschäftigte schlechter verdienen als manche Hartz-IV-Bezieher, ist wohl so - wobei man sich dies genau ansehen muss hinsichtlich spezieller Zusatzleistungen, die für den Betreffenden vielleicht gar nicht in Betracht kommen. Gut, aber das könnte über Mindestlöhne zumindest teilweise behoben werden und sollte es unbedingt. Dennoch geht mir durch den Kopf, daß gering verdienende Arbeitnehmer einen ganz enormen Vorteil gegenüber Arbeitslosen haben: Sie sind durch ihre Arbeit sozial eingebunden und sie haben die Möglichkeit, sich aus einer Beschäftigung heraus auf eine besser bezahlte Stelle zu bewerben. Damit landen ihre Bewerbungen nicht gleich in der Ablage P.

Ich wollte eigentlich gegen das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg demonstrieren, konnte aber letzten Sonntag leider nicht. Ich weiß auch nicht, was die Grünen gesagt hätten, wenn ich mit einem "Kern statt Kohle"-Plakat mitgelaufen wäre...:D

Oh hättest Du gelesen...was ist mit der Option Blockheizkraftwerke?
Ob nun mit Kohle, Gas, oder Kern, das Kraftwerk in Moorburg wird eine gigantische Energieschleuder, die viel Energie als Dampf und heißes Kühlwasser verpulvert.
Darin sehe ich ein wesentliches Problem. Natürlich wäre mir Gas lieber als Kohle, aber eben doch bitte mit mehr Ausschöpfung der Energieausbeute.

Ich sehe nicht, was an diesem Deutschtest zu kritisieren ist. Ich finde es unvorstellbar, wenn Frauen hierherverkauft werden, die, da sie die Landessprache nicht kennen, völlig von ihrem Mann abhängig sind und gewissermaßen als Sklavin hier leben. [...]

So sind sie also alle?
Ich bin sehr dafür, daß die Frauen deutsch lernen und dieses Land kennen lernen, in dem sie leben wollen. Mein einziges Problem ist, daß die Frauen gezwungen werden, dies in der Türkei zu tun und gleichzeitig die Kurse so gestaltet sind, daß sehr viele Frauen sie nicht wahrnehmen können. Weil nun mal viele Frauen vom Land kommen und es die Kurse nur in den größeren Städten gibt, und diese Frauen eben nicht einen ganzen Monatslohn übrig haben, um den Kurs zu bezahlen, und gleichzeitig noch für den Lebensunterhalt sorgen können.
Da wäre es mir lieber, sie würden hier bei der Ankunft einen Gutschein für die Volkshochschule bekommen, der innerhalb eines Jahres umzusetzen ist.

Dies erstmal als getrennter 2. Teil, ich füge die Beiträge dann demnächst zusammen.

Padreic
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Di 9. Okt 2007, 19:32 - Beitrag #13

@janw:
Nun, ich halte es für eine ziemlich harte Unterstellung, daß ein wirklich relevanter Anteil an ALG II-Beziehern dies lieber tut, als selbst Geld zu verdienen.

Falls man "Geld verdienen" durch "durch irgendeine zumutbare Arbeit Geld verdienen" ersetzt, halte ich es für kaum bezweifelbar. Was in keiner Weise behaupten soll, dass es die Mehrheit ist; aber dennoch ein durchaus relevanter Teil.

Das Problem ist eher, daß ALG II und weitere Leistungen so eng geschnitten sind, daß damit gerademal trocken, warm und einigermaßen satt gelebt werden kann, wenn nix dazwischen kommt.

Vielleicht habe ich wenig recht, so etwas zu sagen, da ich in einem einigermaßen wohlhabenden Elternhaus aufgewachsen bin und auch jetzt keine finanziellen Nöte kenne, aber ich halte diese Aussage für Hohn gegenüber allen Leuten, die auf der Welt noch wesentlich weniger haben. Darüberhinaus halte ich sie auch noch für nicht korrekt.
Sicher sind 347€ nicht viel Geld. Man wird sich sicherlich viele Annehmlichkeiten des Lebens nicht gönnen können. Aber ich bin davon überzeugt, dass man, wenn man sparsam und umsichtig lebt und auch Mühen nicht scheut, einigermaßen ordentlich leben kann; nur dass viele Leute eine sinnvolle Finanzplanung leider nie gelernt haben (was kein Vorwurf an diese Leute ist).

Auto? Es darf nur wenig kosten, ein 3.Handauto kostet dann aber leicht ein Mehrfaches, wenn es um Reparaturen geht. Andererseits ist in vielen Gebieten ein Auto absolut unerlässlich. Rücklagen dafür? Müssen verbraten werden, überhaupt...woher sollen die kommen?

Auf die Idee, dass sich ein ALG2-Empfänger ein Auto leisten kann, wäre ich auch nie gekommen. Mir stellen sich jedoch zwei Fragen: warum muss ein ALG2-Empfänger dort wohnen, wo man ein Auto braucht? Und: tut es nicht in vielen Fällen ein Fahrrad auch? [diese Frage geht auch auf die Geschichte mit dem Schulbus]. Ich kenne viele Menschen, die kein Auto haben und auch keins brauchen [ganz davon abgesehen kenne ich auch viele Menschen, die auf weniger als 50qm wohnen und auch keine 360€ für ihre Wohnung bezahlen (mal an den wikipedia-Werten orientiert]

Das soll sicherlich keine uneingeschränkte Befürwortung des Hartz IV-Systems sein. Aber als jemand, der nicht an den Begriff "Soziale Gerechtigkeit" glaubt, bin ich der Meinung, dass man nicht über ein Geschenk, dass einem das Leben sichert, auch noch klagen, sondern das beste draus machen sollte.

Ich bin sehr dafür, daß die Frauen deutsch lernen und dieses Land kennen lernen, in dem sie leben wollen. Mein einziges Problem ist, daß die Frauen gezwungen werden, dies in der Türkei zu tun und gleichzeitig die Kurse so gestaltet sind, daß sehr viele Frauen sie nicht wahrnehmen können. Weil nun mal viele Frauen vom Land kommen und es die Kurse nur in den größeren Städten gibt, und diese Frauen eben nicht einen ganzen Monatslohn übrig haben, um den Kurs zu bezahlen, und gleichzeitig noch für den Lebensunterhalt sorgen können.

Ich hab neulich in der FAS einen Artikel gesehen, dass es zumindest die Teilnehmer der Sprachkurse durchaus positiv sehen.
Darüberhinaus halte ich auch den Gedanken für nicht absurd, im Falle das beide türkisch sprechen und kein Geld für einen Deutschkurs besteht, man die Familienzusammenführung in der Türkei erledigt.

Da wäre es mir lieber, sie würden hier bei der Ankunft einen Gutschein für die Volkshochschule bekommen, der innerhalb eines Jahres umzusetzen ist.

Und wenn nicht, dann schiebt man sie wieder ab?

Maglor
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Di 9. Okt 2007, 21:13 - Beitrag #14

Zum Thema Links und Rechts:
Links und rechts ist heutzutage eine Frage der Klubzugehörigkeit. Die Rechten sind konservativ oder wertkonservativ wie die Grünen. Die Linken wollen mehr Staat, die Rechten wollen mehr Staat. Die Linken wollen weniger Staat, die Rechten wollen weniger Staat. Und überhaupt, alle wollen doch nur unser bestes. :crazy:
Die Begrifflichkeiten sind äußerst schwammig und außerdem wandeln sich die Begrifflichkeiten ständig. Im 19. Jahrhundert galt die Konservativen als die Erzfeinde der Liberalen, heute gelten die Konservativen als neoliberal. :confused:
Bis ins 20. Jahrhundert galt der Sozialismus oder auch Marxismus als das Indiz für eine linke Partei. Die heutigen Parteien sind mit denen der Weimarer Zeit kaum vergleichbar. Es gibt keine Kommunisten, Sozialisten, Monarchisten, Faschisten und so weiter. FDP, CDU, SPD, die Grünen und, ich denke auch die Linkspartei, haben sich mit der durch das Grundgesetz vorgegeben Ordnung des Staates, der Idee des Parlamentarismus und so weiter abgefunden...

Zum Thema Hartz IV.:
Es ist problemlos möglich als Alleinstehender von Hartz IV. als Arbeitsloser zu leben. Problematisch wird es nur, wenn man Kinder hat, die ständig aus ihren Klamotten herauswachsen und im Grunde nicht arbeitslos sind, sondern zur Schule gehen. Tja, wenn die lieben Kleinen, auch den ganzen Tag brav zu Hause vor der Klotze hängen würden... ... aber nein, Arbeitslose brauchen noch keine Busfahrkarten, Schulhefte und Klassenfahrten.
Das infame an der Debatte ist aber, dass mit dem Arbeitslosengeld-II/Hartz-IV unschuldige Arbeitslose bloss auf das Niveau von Sozialhilfeempfängern herabgestuft wurden. Die Anti-Hartz-IV-Bewegung, oder wie immer man diesen jämmerlichen in der Linkspartei aufgegangen Haufen nennen möchte, verteidigt, die Privilegien und Vorrechte der, die Arbeit hatten und möchte, dass diese eben über Sozialhilfeniveau existieren können. Solidarisch wäre es vielleicht noch gewesen, die Sozialhilfe zu erhöhen, aber das...? :rolleyes:

Zum eigentlichen Thema: Die Linkspartei
Die WASG unterschied sich nur wenig von der Schill-Partei oder auch von der Pro-DM-Partei usw
Die Partei hatte ein Thema, die Kritik an der Schröder'schen Sozialpolitik: Agenda 2010, Hartz...
Die Schill-Partei kannte nur die innere Sicherheit. Die Zentrierung auf die Person Schills, unterscheidet sich von der WASG. Ihr fehlte der populäre - äh - populistische Kopf. So lebte sie ein trauriges Dasein als charismatikerlose Splitterpartei, eigentlich wäre man doch gerne auch so erfolgreich die der Schill. Bis sich mit einem mal der Oskar meldete und sagte, er würde der WASG beitreten und den Schill spielen, wenn sich WASG mal eben selbst auflösen/mit der PDS vereinigen würde, und Lafontaine dann Vorsitzender der Linkistischen Einheitspartei Deutschlands werden dürfte.
Gesagt, getan... Oskar wurde der Schill der WASG und die WASG die West-PDS. :crazy:
MfG Maglor

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Di 9. Okt 2007, 21:15 - Beitrag #15

Zitat von Padreic:Falls man "Geld verdienen" durch "durch irgendeine zumutbare Arbeit Geld verdienen" ersetzt, halte ich es für kaum bezweifelbar. Was in keiner Weise behaupten soll, dass es die Mehrheit ist]
Nun, ich meinte es in dem Sinne "mit einer dem betreffenden Menschen angemessenen und perspektivisch längerfristig den Lebensunterhalt sichernden Arbeit Geld zu verdienen".
Ich weiß, es gibt Leute, die würden gern arbeitslose Ingenieure und andere Fachkräfte zwischen 35 und 63 zum Toiletten reinigen und zu Mac Doof schicken. Die übersehen dabei aber, daß diese Menschen damit auch noch die letzte Chance auf eine echte Wiedereingliederung in eine ihrem Leiatungsvermögen entsprechende berufliche Laufbahn verlieren würden. "Aha, er hat die letzten 3 Jahre Buletten gebraten und Klos geputzt. Frau Meyer, formulieren Sie ihm mal ein höfliches Ablehnungsschreiben. Und schicken Sie ihm die Unterlagen zurück, ich hab heut meinen sozialen Tag!"

Vielleicht habe ich wenig recht, so etwas zu sagen, da ich in einem einigermaßen wohlhabenden Elternhaus aufgewachsen bin und auch jetzt keine finanziellen Nöte kenne, aber ich halte diese Aussage für Hohn gegenüber allen Leuten, die auf der Welt noch wesentlich weniger haben. Darüberhinaus halte ich sie auch noch für nicht korrekt.
Sicher sind 347€ nicht viel Geld. Man wird sich sicherlich viele Annehmlichkeiten des Lebens nicht gönnen können. Aber ich bin davon überzeugt, dass man, wenn man sparsam und umsichtig lebt und auch Mühen nicht scheut, einigermaßen ordentlich leben kann; nur dass viele Leute eine sinnvolle Finanzplanung leider nie gelernt haben (was kein Vorwurf an diese Leute ist).

Nun, global gesehen jammern wir natürlich auf hohem Niveau, aber es geht nun mal nicht darum, hier Verhältnisse wie in Bangladesh oder Liberia einzuführen, sondern unser Sozialsystem so zu entwickeln, daß es den Problemen der Menschen gerecht wird und tragfähig bleibt.
Einige Menschen in meinem Landkreis haben in der Fastenzeit mal ein Leben mit Hartz IV simuliert, eine Mitarbeiterin der Zeitung darunter, die darüber tagebuchartig berichtet hat. Meine Schilderung der Probleme ist daran und an die Schilderungen anderer Betroffener angelehnt. Ganz ehrlich gesagt fließen da auch meine eigenen Erfahrungen ein, insofern, daß ich etwas unregelmäßige Einnahmen habe, im Unterschied zu Hartz IV-Empfängern aber Rücklagen bilden kann. Ich weiß!, was es für mich hieße, wenn hier etwas kaputt ginge, gar mein Auto, und ich es nicht bezahlen könnte.
Hartz IV bringt nicht Probleme wegen schlechter finanzieller Planung der Bezieher - es lässt ihnen erst gar kein Geld, mit dem geplant werden könnte.

Auf die Idee, dass sich ein ALG2-Empfänger ein Auto leisten kann, wäre ich auch nie gekommen. Mir stellen sich jedoch zwei Fragen: warum muss ein ALG2-Empfänger dort wohnen, wo man ein Auto braucht? Und: tut es nicht in vielen Fällen ein Fahrrad auch? [diese Frage geht auch auf die Geschichte mit dem Schulbus]. Ich kenne viele Menschen, die kein Auto haben und auch keins brauchen [ganz davon abgesehen kenne ich auch viele Menschen, die auf weniger als 50qm wohnen und auch keine 360€ für ihre Wohnung bezahlen (mal an den wikipedia-Werten orientiert]

Nun, dann sollten alle Hartz IV-Bezieher also in den Einzugsbereich großer Städte mit effizienten Nahverkehrssystemen ziehen? Prima Idee, dann können wir Biologen nämlich endlich mal richtig loslegen und die neuen Wildnisgebiete beplanen, die sich ausbreiten werden: Halb Niedersachsen, Schläfrig Holzbein zur Gänze, der Osten bis auf einige Speckgürtel, Berlin, Halle-Leipzig-Merseburg und Dresden, usw.
Ich lebe in einem Landkreis, in dem man auf ein Auto angewiesen ist - zumindest, wenn man nicht in der Kreisstadt direkt wohnt, und wenn man wirklich für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen will. Von meinem Dorf in die 5 km entfernte Stadt fahren 4 Busse in die Stadt, davon 3 zwischen 7 und 13 Uhr. Schnell mal in die Stadt und zurück ist nicht. Fahrrad, bei jedem Wetter, nicht schneegeräumtem Radweg?
Glaub wikipedia, wenn Du magst, ich weiß, was menschenwürdiger Wohnraum hier kostet, kein schimmeliges Kellerloch mit Nordfenster.

Das soll sicherlich keine uneingeschränkte Befürwortung des Hartz IV-Systems sein. Aber als jemand, der nicht an den Begriff "Soziale Gerechtigkeit" glaubt, bin ich der Meinung, dass man nicht über ein Geschenk, dass einem das Leben sichert, auch noch klagen, sondern das beste draus machen sollte.

Haben die Trojaner sich also zurecht gefreut, war das Danaergeschenk die Freude wert?;)
Gut, keiner muss an soziale Gerechtigkeit glauben, sie ist aber ein fundamentaler Bestandteil unserer Gesellschaftsordnung, das wird quer durch die Parteien so gesehen. Es ist also durchaus legitim, zu fragen, ob diese Gesellschaft diesem selbstgestellten Anspruch gerecht wird oder ob nicht das Anzustrebende eher zum Spielball eigennütziger Gruppeninteressen geworden ist - der nach Macht strebenden Parteien, der verschiedenen Privatkapitalvertretungen, anderer Lobbygruppen.

Ich hab neulich in der FAS einen Artikel gesehen, dass es zumindest die Teilnehmer der Sprachkurse durchaus positiv sehen.
Darüberhinaus halte ich auch den Gedanken für nicht absurd, im Falle das beide türkisch sprechen und kein Geld für einen Deutschkurs besteht, man die Familienzusammenführung in der Türkei erledigt.

Gut, die Teilnehmer...jene, die nicht teilnehmen konnten, wurden nicht gefragt. Sicher ist die Familienzusammenführung in der Türkei eine Option, sie sollte IMHO nur nicht unter finanziellem oder strukturellem Zwang (wegen daraus resultierender Unmöglichkeit des Deutschlernens) erfolgen.

Und wenn nicht, dann schiebt man sie wieder ab?

Man könnte auch andere Leistungen kürzen - bzw. die Anerkennung der Eheschließung an die Teilnahme an dem Kurs binden. Dann hätte Zuzugswillige/r so lange ein Touristenvisum, bis der Kurs erfolgreich abgeschlossen ist.

Wobei...gleiches Recht für alle - müsste das dann nicht auch für Frauen aus usa gelten? Ich sehe schon das allgemeine Stirnrunzeln...^^

Ipsissimus
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Mi 10. Okt 2007, 11:23 - Beitrag #16

es ist relativ einfach zu durchschauen. Die Wohlstandsinseln schotten sich ab - zwischen den Staaten und auch innerstaatlich.

dass man nicht über ein Geschenk, dass einem das Leben sichert, auch noch klagen, sondern das beste draus machen sollte.


nur, dass es kein Geschenk ist, sondern eine Rückzahlung. Eine Teilrückzahlung.


aber ich verliere eigentlich zunehmend die Lust, über diese Themen zu diskutieren. Die Position sozialer Arroganz und Privilegiertheit, die hier in manchen Beiträgen zum Vorschein kommt, mag zwar so recht zum allgemeinen sozialen und politischen Klima in Deutschland passen, aber ich kann nur allen entsprechenden Personen wünschen, daß sie nicht eines Tages ihre Phantasielosigkeit verfluchen müssen, weil sie sich trotz aller Klugheit doch unversehens bei den Ausgespieenen unserer Gesellschaft wiederfinden. Ich verabschiede mich aus dieser Diskussion.

Padreic
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Do 11. Okt 2007, 20:23 - Beitrag #17

@Ipsi:
nur, dass es kein Geschenk ist, sondern eine Rückzahlung. Eine Teilrückzahlung.

ist es so? in jedem Fall? Was ist denn dieses Kapital, was diejenigen, die hier empfangen, an jene gezahlt haben, die ihnen nun zahlen, also grob gesagt: der Gesellschaft? Ich denke, es gibt einige Leute, die da relativ wenig getan haben; nie eine Arbeit gehabt, mag sein, dass sie sich auch nicht zu ernsthaft drum bemüht haben; später auch für ihre Kinder auch nicht gerad das elternmögliche getan. Das ist nicht als Vorwurf formuliert. Vielen Leuten wurde es nicht anders vorgeführt, da ist es schwer (wenn auch nicht unmöglich), da raus zu kommen.

Wenn man so will, ist es natürlich eine "Zahlung" von ihnen, dass sie halbwegs Frieden gehalten haben, meist nicht über die Maßen kriminell geworden sind gegenüber einer Gesellschaft, die sie nicht so weit gefördert hat, wie wohl gut gewesen wäre.

Dies will ich auch sagen zu meiner "Priveligiertheit": es mag die Arroganz von jemanden sein, der eigentlich keine Geldknappheit kennt, aber ich glaube, dass meine (gesellschaftliche) Priveligiertheit nicht primär im Monetären liegt, sondern vielmehr darin, dass meine Eltern mich erzogen und mir etwas beigebracht haben; sicherlich erleichtert Geld da manches, ob für Busfahrkarten, Sommerakademien, Klavierunterricht oder auch Banaleres [andererseits mag eine gewisse Geldknappheit auch eine gewisse Art von Erziehung bzgl. Sorgfalt und einer Freude auch über einfache Dinge erleichtern]. Wesentliches Kapital für mein Leben sind meine Bildung, sowohl im akademischen als auch (in einer unvollkommenen Weise) im charakterlichen Sinne.

Es ist meiner Meinung nach der größere Skandal, dass vielen Leuten (gerade natürlich aus den ärmeren Schichten) ein solches Kapital nicht oder nur im beschränkten Maße gegeben ist und jenen, die es nicht haben, nicht genügend geholfen wird, als dass die Leute zu wenig Geld bekommen würden. Es ist auch der größere Skandal, dass es den Leuten so schwer gemacht ist, Arbeit zu finden, selbst wenn sie wollen; denn bei allen Knechtschaftselementen, die dabei sein können, ist es prinzipiell doch etwas Heilsames, eine Beschäftigung zu haben.
Ich denke, dass noch vieles unterlassen wird, was getan werden sollte, um den Armen zu helfen, nur dass dies nicht primär Geld sein sollte.

Wenn ich tatsächlich mal in der Lage sein sollte, ohne Kapital und Leute, die mir helfen, ohne baldige Aussicht auf Arbeit, bei Hartz IV zu landen (was, zugegenermaßen, nicht gerade äußerst realistisch ist), so müsste ich mich letztlich mit meinem Schicksal abfinden und das beste draus machen. Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass es eine Rückzahlung an mich wäre, denn ich habe sicherlich nicht das Gefühl, mehr für andere getan zu haben als diese für mich getan haben.

@janw:
Ich will mal nur auf drei Details und einen Ausdruck antworten, weil ich das wesentliche, was ich wohl aussagen wollte, wohl schon in den Teil an Ipsi gepackt habe.

zum Ingeneuer: würden seine Chancen denn soo viel besser sein, wenn er schlicht und einfach 3 Jahre arbeitslos gewesen wäre? Ich will sicherlich keinen Moment lang ausschließen, dass Personalchefs so dumm sein können, wie du sie schilderst; aber ich wäre doch froh, wenn jemand, der für "ihm angemessene" Arbeit wirklich dankbar ist und sich doch nicht zu schade für "niedere" Tätigkeiten ist, in meiner Firma arbeiten würde.

zum Fahrrad: im Beispiel der Schulbuskosten wäre es natürlich schonmal eine erhebliche finanzielle Erleichterung, wenn man die Kosten nur drei Monate lang aufbringen muss.

Hartz IV bringt nicht Probleme wegen schlechter finanzieller Planung der Bezieher - es lässt ihnen erst gar kein Geld, mit dem geplant werden könnte.

Es gibt genug Leute, die einen Schulabschluss und alles haben, und die trotzdem nicht mit Geld umgehen können und so dauernd Probleme damit haben; es wäre verwunderlich, wenn alle Hartz IV-Empfänger, die oftmals nur über wenig Bildung und mitunter auch wenig Disziplin verfügen, gut mit dem Geld umgehen könnten und es ideal planen. Denn es erfordert, denke ich, ein wenig Nachdenken und Disziplin, sein weniges Geld bestmöglich zu verwenden. Und sag mir nicht, dass 374€ die Verwendung des Geldes ins kleinste Detail diktieren; man kann da noch einiges entscheiden. Ergo hat es doch auf die Lebensqualität Auswirkungen, wie man plant. [dass wohl auch Hartz IV-Empfänger existieren, die einen Teil ihres Geldes für Rauchen und/oder Alkohol ausgeben, will ich nur am Rande erwähnen]

Menschenwürdigkeit: ich wäre vorsichtig mit so einem starken Ausdruck.

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ich wollte zwar nicht mehr antworten, aber sei´s drum: wenn ich all das Kapital, das man mich zwang, für Sozialleistungen einzuzahlen, die der Staat schon seit langem nicht mal mehr in der Theorie zurückzuzahlen gedenkt, wenn ich all dieses Kapital privat anlegen hätte dürfen, bräuchte ich heute nicht mehr zu arbeiten, noch bräuchte ich mir Gedanken über mein Altersauskommen zu machen. Da ich nicht davon ausgehe, dass ich einzigartig bin, kann ich mir nur vorstellen, dass hier staatlicherseits eine riesige Abzocke an einer riesigen Anzahl von Menschen verschleiert werden soll, wenn man den armen Schweinen, die legalerweise gar keine andere Wahl hatten, auch noch die Schuld an ihrer Misere aufdrücken will.

Aber natürlich besteht dieses Volk nur aus fitten, toughen, beliebig verbiegbaren, hochmotivierten, nobelpreisverdächtigen, hyperintelligenten, managerhaften, flexiblen jungen Leuten ohne Famile, deren Kinder glücklich sind, wenn sie Papa oder Mama einmal monatlich zu sehen bekommen und froh sind, wenn sie zweimal im halben Jahr die Schule wechseln dürfen vor lauter Mobilität, jungen Leuten, die noch nicht mal wissen, wie "Müdigkeit" geschrieben wird, geschweige denn, was das ist. Außerdem ist die Erde eine Scheibe und innen hohl.

Padreic
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Do 11. Okt 2007, 22:40 - Beitrag #19

@Ipsi
ich wollte zwar nicht mehr antworten

das hast du auch nicht. Du hast so wenig Bemühen gezeigt, auf meinen Post einzugehen und ihn nicht auf Klischee-Feindbild von dir zu reduzieren, dass es mir verfehlt schiene, klarzustellen, was ich wie meinte, da deine Antwort ja auch anscheinend an die Gesellschaft (oder den Himmel) und nicht an mich ging.

Padreic

Maglor
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Do 11. Okt 2007, 22:47 - Beitrag #20

Zitat von Ipsissimus:wenn ich all das Kapital, das man mich zwang, für Sozialleistungen einzuzahlen, die der Staat schon seit langem nicht mal mehr in der Theorie zurückzuzahlen gedenkt, wenn ich all dieses Kapital privat anlegen hätte dürfen, bräuchte ich heute nicht mehr zu arbeiten, noch bräuchte ich mir Gedanken über mein Altersauskommen zu machen.

Das Sozialsystem ist eben solidarisch. Sprich, die die arbeiten, finanzieren, die die nicht. Es wird rein gar nicht angelegt sondern alles umgelegt, selbst bei der Rente. Die, die einzahlen verlieren Geld, die, die empfangen gewinnen quasi; und ein sicher nicht verschwindend geringer Teil wird von der Verwaltung gefressen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass ein großer Teil der Arbeitslosenversicherungsbeträge nicht den Arbeitslosen in bar zukommt sondern für Beratungen, Umschulungen und so weiter ausgeben wird.
Bis zur Einführung von Hartz IV. hatten Personen, die mehrere Jahre in gut bezahlter Arbeit standen, eine Art Anspruch auf relativ gut bezahlte Arbeitslosigkeit. Jetzt ist es eben so, dass sie dies nur noch ein Jahr beanspruchen dürfen und anschließend unabhängig vom bisherigen Gehalt "Arbeitslosengeld 2" auf Sozialhilfeniveau erhalten, sprich genauso viel, wie Personen, die auf Grund von Inkompetenz, Behinderung oder auch Faulheit nie in den Genuss versicherungspflichtiger Lohnarbeit kamen. So gemein ist nunmal das Solidarprinzip!
MfG Maglor :rolleyes:

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