Mir fiel von einigen Wochen eine Zeitschrift der Bundeswehr in die Hände, in der sich ein Beitrag über Freiheit und Demokratie in Beziehung zur militärischen Verteidigung fand. Ich konnte die Zeitschrift leider nicht mitnehmen und hatte auch nichts zum notieren dabei, aber ein Zitat erinnere ich recht deutlich.
Irgendjemand hat demnach sinngemäß in leicht epischer Form gesagt, daß alle die, welche Demokratie und Freiheit bejubeln, immer sehen sollten, daß diese nur dank des Wirkens von Soldaten Wirklichkeit geworden seien - und diese die Garanten ihres Bestandes seien.
In erweiterter Form, als Frage, ob und wie weit Freiheit und staatliche Kontrolle zusammen gehen, ist dies nun in dem thread über die geplanten
Kontrollkäufe von Alkohol durch Jugendliche aufgekommen.
Meine Position dort war:
Für mich muss staatliche Kontrolle an enge Grenzen gebunden sein, etwa die Abwehr unmittelbarer Gefahr oder großer Übel - die Geschwindigkeitskontrollen sollen dazu dienen, die Einhaltung von Regeln zu forcieren, die zum Schutz von Leben (durch Unfallvermeidung an Gefahrenpunkten) erlassen wurden - und als hoheitlicher Akt muss sie durch identifizierbare Organe des Staates erfolgen.
Maurice meinte dazu:
Für mich setzt Freiheit nämlich ein gutes Maß an Kontrolle voraus, denn ohne Kontrolle keine staatliche Ordnung und ohne staatliche Ordnung folgt eine deutlich größere Einbuße an Freiheit, als sie durch die Kontrolle erreicht wird. Ich teile da Hobbes Ansicht: „Und Verträge ohne das Schwert sind bloße Worte und besitzen nicht die Kraft, einem Menschen auch nur die geringste Sicherheit zu bieten.“
Zunächst ist dabei zu klären, in welchem Rahmen sich der Begriff der Freiheit bewegt.
Freiheit ist hier als gesellschaftliche und staatliche Freiheit gemeint, als Freiheit des Einzelnen in einer Gesellschaft, welche staatlich verfasst ist.
Wenn man Freiheit als Abwesenheit von Zwang begreift, wird klar, daß Freiheit in einer staatlich verfassten Gesellschaft immer eine relative ist, begrenzt durch die Grenze ("Zwang") der Freiheit des nächsten Einzelnen und den Belang der Existenzfähigkeit der Gesellschaft als Gemeinschaft der Einzelnen zur gemeinsamen Nutzenmehrung und des Staates als den Bestand der Gemeinschaft garantierende Instanz.
Der nächste Einzelne, die Gesellschaft und der Staat mit ihren eigenen Freiheits- und Existenzfähigkeitsbelangen sind also die freiheitsbegrenzenden Gegenüber des Einzelnen, nach diesem gängigen Bild der freiheitlichen Zivilgesellschaft.
Hieran lässt sich kritisieren, daß diese Vorstellung für sich genommen keine Begründung über die Notwendigkeit der Existenzfähigkeit der Gesellschaft enthält, gleichzeitig aber eine nicht unerhebliche Freiheitseinschränkung des Einzelnen durch diesen Belang mit sich bringt.
Überhaupt enthält sie keine eigene Aussage darüber, was, welcher Art "Gesellschaft" sein soll, welchem Zwecke sie dienen soll.
Unklar ist weiterhin, wo die Grenze der Freiheit des Einzelnen genau verläuft - der Belang der Existenzfähigkeit könnte genau genommen schon bei seiner bloßen Infragestellung als tangiert angesehen werden - oder auch erst bei konkreten ihm zuwiderlaufenden Handlungen.
Rosa Luxemburg hat einmal geäußert, daß Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden sei.
Die Infragestellung des Existenzfähigkeitsbelangs von Gesellschaft und Staat wären danach unbedingt erlaubt, geradezu notwendig zur Verwirklichung von Freiheit.
Damit stellt sich die Frage nach der Legitimität staatlicher Maßnahmen zur Sicherung der Existenz von Staat und Gesellschaft - und proklamiertermaßen der Freiheit des Einzelnen. Darf Staat kontrollieren, was die Einzelnen treiben, gewissermaßen an seinem Gartenzaun entlang patrouillieren, oder darf er erst aktiv werden, wenn "das Kind im Brunnen" ist oder gerade im Fallen?
Statt Antworten meinerseits zum jetzigen Zeitpunkt noch eine Frage zum Schluss:
Der Liberalismus ist eine politische Haltung, welche in besonderem Maße den Freiheitsanspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat betont. In einer stärker auf wirtschaftliche Aspekte bezogenen Form heute als Neoliberalismus bezeichnet. Wie ist nun der Liberalismus zu trennen von der Haltung der Staatsverweigerung, der Renitenz? Und wie stellt sich die Staatsverweigerung den Begründungen, mit welchen die Existenz von Staaten begründet wird?
EDIT: Weil letzteres wohl doch eine Überfrachtung des threads darstellt, habe ich dazu einen neuen thread aufgemacht.