Erklärung der RLS zur Verhaftung ihres ehemaligen Promovenden Andrej H. (Medieninformation 1007/14):
Am 31. Juli 2007 wurde der ehemalige Promovend der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Andrej H., verhaftet. Er hat über »Restrukturierung des Raumes und gesellschaftliche Macht im Sanierungsgebiet« promoviert und zu stadtgeografischen und -soziologischen Themen zahlreiche (auch internationale) Publikationen aufzuweisen. Andrej H. soll, so die Bundesanwaltschaft, dringend verdächtig sein, einer terroristischen Vereinigung anzugehören.
Es muss Besorgnis erregen, dass in diesem Zusammenhang Begründungen wie die folgenden herangezogen wurden, um den außerordentlich schwerwiegenden Vorwurf nach §129a Abs. 2 Nr. 2 StGB zu begründen:
»Als promovierter Politologe ist er zum einen intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der ‚militante(n) Gruppe (mg)’ zu verfassen, zum anderen stehen ihm als Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen.« (zitiert nach einer Presseerklärung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins).
Mit solchen und ähnlichen Begründungen entsteht die Gefahr, dass jede kritische Gesellschaftsanalyse und jeder Zugang zu Wissen und Bildung bei der Bundesanwaltschaft den Anfangsverdacht des Terrorismus provozieren. Es drängen sich Vergleiche zu den Polizeiaktionen vom Mai dieses Jahres auf, als unter Rückgriff auf den gleichen Paragrafen des Strafgesetzbuches bundesweit Büros und Wohnungen von G8-KritikerInnen durchsucht wurden.
Unsere Stiftung steht in der Tradition von Rosa Luxemburgs »Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden«. Wir setzen uns für diese Freiheit des Denkens und für Gewaltfreiheit in den sozialen und demokratischen Auseinandersetzungen ein. Diese hohen Güter der Bundesrepublik dürfen nicht beschädigt werden. Nach der gegenwärtig bekannten Sachlage ist dies aber der Fall.
Die Gruppe "militante gruppe (mg) wird verdächtigt, in der Umgebung Berlins eine Reihe von Brandanschlägen verübt zu haben, offenbar vornehmlich auf Fahrzeuge der Bundeswehr.
Der Politologe Andrej H. wird in diesem Zusammenhang beschuldigt, die zu den Anschlägen verfassten Bekennerschreiben verfasst zu haben, die Verdachtsgründe hierzu finden sich in dem Text.
Die Bundesanwaltschaft hat die Taten als terroristische Handlungen nach §129 (2) eingestuft, weil sie geeignet gewesen seien, "den Staat erheblich zu schädigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen.
Im August ist Andrej H. unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden, die mutmaßlichen Täter bei den Anschlägen sind weiter in Untersuchungshaft.
Der Fall ist besonders interessant, weil der BGH in dem Verfahren grundsätzlich entscheiden will, ob die Zuweisung als terroristische Handlung in diesen Fällen zulässig ist.
Davon würde insbesondere abhängen, ob sich der Politologe strafbar gemacht hat, wenn er nur eine Reihe von Flugblättern geschrieben hat.
Mir sind gerade die Augen hervorgequollen, als ich dieses Zitat aus der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gelesen habe:
Als promovierter Politologe ist er zum einen intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der ‚militante(n) Gruppe (mg)’ zu verfassen, zum anderen stehen ihm als Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen.
Rückt Wissen und der Zugang dazu in den Bereich strafbarer Handlungen, macht sich verdächtig, wer in Bibliotheken abseits der Belletristik stöbert? Sind wir schon...so weit?