Clement hat das Notwendige versucht - eine untragbar linkslastige und - wie sich in der Folge gezeigt hat - in kaum einer Hinsicht für das Amt geeignete Kandidatin darauf hinzuweisen, daß sich Politik nicht auf das in-die-Welt-Blasen von Hirngespinsten beschränken darf, und daß der Ausstieg aus der Kernenergie der schwerwiegendste politische Fehler der letzten 30 Jahre war]
Frau Ypsilanti hat IMHO einen schweren Fehler gemacht, als sich sich von Presse und anderen Pressoren zu ihrer Festlegung hinsichtlich der Linkspartei hat verleiten lassen - sie hätte kühl sagen können, daß die
hessische Linkspartei keine alten SED-Kader unter sich hat, auch keine Linksextremisten in relevanten Positionen und insofern ähnlich ernst zu nehmen ist wie die CDU mit ihren rechtslastigen Mitgliedern aus der Fuldaer Gegend. Aber wenn parteiintern über Fragen auf diesem Problemniveau gestritten wird, dann aber eben ohne vor der Wahl des Vertreters der gegenläufigen Meinung zu warnen. Ob nun ohne oder mit etwas Links oder ob nun mit Atomausstieg oder ohne, sind Marginalien, nicht geht es dabei um die Rettung des christlichen Abendlandes, und damit sind Meuchelattacken ausgeschlossen.
Wenn ich sehe, wie eon, RWE, Vattenfall usw. mit Störfällen in AKWs umgehen, wie sich in Schweden fast eine Kernschmelze ereignet, in deutschen und französischen Kraftwerken Kühlwasserkreisläufe undicht sind, mit Austritt von Radioaktivität in die Umwelt, und die Kraftwerke unablässig Müll produzieren, ohne daß es ein sicheres Endlager gibt, dann war in meinen Augen der schwere Fehler in der Energiepolitik jener, nicht nur aus der Kernenergie allmählich auszusteigen, sondern den privaten Betreibern den Betrieb samt Gewinnerzielung weiterhin zu gestatten.
Das Problem mit der Linkspartei ist, daß ihre Themen originäre Themen der Sozialdemokratie sind, sie füllt eine Lücke, nachdem die SPD die Menschen im Stich gelassen hat, die durch Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Alter an den Rand unserer Gesellschaft geraten sind, die SPD ist zu einem linken Rand der CDU verkommen.
Hinsichtlich der Einschätzung der (Nicht)Eignung der Linkspartei als Sachwalter dieser Menschen stimme ich Dir zu, aber die Zuweisung "SPD als Partei der arbeitenden Bevölkerung" funktioniert nicht mehr, seit Arbeitslosigkeit zum selbstverständlichen Bestandteil praktisch jeder Erwerbsbiographie geworden ist, kaum einer, der seit 1985 angefangen hat, angestellt zu arbeiten, wird ohne Arbeitslosigkeit die Rente erreichen, und es ist reines Glück, wenn nicht Phasen von Hartz IV dabei sein werden, es kann Dich auch treffen.
Die SPD wird, will sie überleben, sich die Probleme aller Menschen in allen Phasen der Erwerbsbiographien zum Thema machen müssen.
Zitat von Ipsissmus:Dabei gebe ich ihm in der Sache "Kernenergie" durchaus recht, meine Haltung dazu ist bekannt.
Ich kann Deine Argumentation ja auch nachvollziehen, nur geht es RWE und Konsorten ja nicht um die Entwicklung von HTR-Reaktoren, sondern um den Weiterbetrieb ihrer Altanlagen, und eigentlich gehört derartiges Spielzeug doch nicht in shareholder value-Hände, oder?
Zum Rest d'accord, nicht ohne den Hinweis, daß Clement auch noch Leiter eines Forschungsinstitutes der Zeitarbeitsbranche ist, das seine natürlich hochgradig objektiven Ergebnisse uneigennützig den Akteuren aus Staat und Parteien überlässt. Hat der Mann eigentlich schon ein Hosenband samt Glitzerkram?^^
Zitat von mine'S^:Es überrascht mich doch sehr, wie leichtfertig hier mit Beschuldigungen umgegangen wird, man könnte meinen Herr Clement sei bereits von einer allwissenden Gereichtbarkeit sämtlicher Verbrechen an der Menschheit für schuldig befunden worden, von den ganzen pauschalen Verurteilungen, die im günstigsten Fall zynistisch sind, ganz zu schweigen...
Wie gesagt, der Ausschluss ist meine Sache nicht, aber die Entrüstung in der Partei kann ich verstehen - zumal der Mann sich ja schon einiges geleistet hat, siehe Genehmigung Garzweiler und danach Aufsichtsrat der Betreiberfirma, Liberalisierung der Zeitarbeit und danach Einstieg in diese Branche, sein wirklich diskriminierendes Vorwort zu einer Broschüre aus seinem Ministerium, in dem er Arbeitslose recht deutlich pauschalierend als "Schmarotzer", "Trittbrettfahrer" und ähnliches bezeichnet hat.
Der Mann hat einfach ungeheures Glück gehabt, nicht solche Phasen erlebt haben zu müssen, auch nicht krank geworden zu sein, Glück, das ich ihm gönne, ich, der ich aufgrund einer Vorerkrankung KEINE Berufsunfähigkeitsversicherung bekomme, aber das eben wie alles Glück unverdient ist und zu Demut Anlass geben sollte.
Menschen wie Clement machen für Menschen wie mich dieses Land zu einem Land zunehmender Unsicherheit, ich kann es nicht anders sagen. Ich bin selbständig, aber werde ich berufsunfähig, hilft mir keine Versicherung, nichts.
Es ist naiv zu glauben irgendein Mensch beziehe zu irgendeinem Thema ausschließlich als neutraler Bobachter Stellung]
Nun, die Interessenkonflikte sind bei Clement für mich so offensichtlich, daß ich sie als Motive nicht ausschließe. Aber ob Interessenvertretung oder ureigene Meinung, es geht nicht um die legitime Meinungsäußerung zu einem Thema, sondern um deren Verknüpfung mit der Aussage, daß der Meinungsopponent aus der eigenen Partei bei der vor der Tür stehenden Wahl nicht gewählt werden solle. Hätte Clement nur seine abweichende Meinung zur Atompolitik oder zum Umgang mit der Linkspartei oder ähnlichem geäußert, ohne eine Wahlaussage zu machen, wäre alles in Ordnung gewesen, so aber wird aus einer Meinungsverschiedenheit ein gewalttätiger Übergriff, die Wahlwarnung ist eine politische Gewalttat.
Im übrigen habe ich bei Frau Ypsilanti auch öfters gedacht "na wenn das man gut geht...", zugleich weiß ich aber auch aus langjähriger Beobachtung, daß die performance eines Kandidaten nur begrenzt Rückschlüsse auf seine spätere Amtszeit zulässt, das Kabinett, der Bund, das Parlament, gesellschaftliche Gruppen und die Grenzen des Faktischen schleifen da vieles ab, und manchmal kommt ein farbloser Minister erst zu einer echten Rolle, wenn die Verhältnisse dies erfordern, siehe Platzeck.
Die Reaktion aus der SPD, zeigt einmal mehr, nach der Metzger-Sache, dass die SPD keine ernstzunehmende Volkspartei mehr ist.