Tja, das hat Chamenei nicht ungeschickt gemacht - die Leute demonstrieren lassen und sich dann in einer ex-kathedra-Situation äußern.
Dabei gleich noch den äußeren Feind als Hauptaggressor hinstellen.
Ich weiß nur nicht, ob die Taktik aufgehen wird, wenn wirklich praktisch die ganze Generation unter 30 gegen Ahmadinedschad gestimmt haben sollte, damit an die 60% der Bevölkerung.
Womit wir schon an dem Punkt sind, wo es um Annahmen geht....
Die Berichterstattung focussierte hauptsächlich auf Teheran, wohin wohl auch viele Menschen aus dem Land gekommen sein sollen. Weitere Demonstrationen soll es in Isfahan gegeben haben.
Allerdings ist Iran ein Flächenstaat, der in vielen Teilen agrarisch bis kleinstädtisch geprägt ist - wie wurde auf dem flachen Land gewählt - und wieviel macht das auf die Gesamtzahl der Wahlstimmen aus?
Ich könnte mir voratellen, daß auch hier von der jungen Generation nicht Ahmadinedschad gewählt wurde, da dieser u.a. eine ziemlich ruinöse Wirtschaftspolitik gemacht hat und sich unter seiner Ägide die Korruption massiv ausgebreitet hat. Musavi hat sich gegen beides gewandt, vielleicht hat es ihm auch hier entsprechend zahlreich Stimmen eingebracht.
Was nun die Stimmenauszählung betrifft, denke ich, daß das Ergebnis nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Zum einen machen mehrere Beobachter darauf aumfmerksam, daß das Land infrastrukturell nicht in der kurzen Zeit die Stimmen habe auszählen können.
Zum anderen wird berichtet, daß Musavi aus dem Kreis der führenden Mullahs zunächst zum Sieg gratuliert worden sein soll, bevor kurz darauf das bekannte Ergebnis verkündet wurde. Wobei auch hier natürlich zu fragen ist, wie denn der Sieg Musavis so schnell ausgezählt worden sein sollte.
Vielleicht falsche Hochrechnungen auf der Basis von regionalen Teilergebnissen, die nachher durch deutlich andere Regionalergebnisse konterkariert wurden?
Was Musavi betrifft, bin ich mir nicht ganz sicher, wie sicher die Beschreibung als "Handtaschen-Khomeini" ist. Er hat sich in seiner Amtszeit bis 1989 als solcher geriert, und seine Zeit stand für massive Verfolgung verschiedener Minderheiten und jeglicher liberaler Tendenzen.
Allerdings war er seitdem kaum mehr öffentlich aufgetreten, bis er jetzt zur Wahl angetreten ist. Sollte sich da ein Wandel in ihm manifestiert haben, den er aus gutem Grunde über die Jahre für sich behalten musste?
Nicht, daß aus einem Fundamentalisten ein Liberaler geworden sein muss, aber ein Konservativer, der mehr auf Autorität der vorbildlichen Amtsführung als auf Unterdrückung setzt - seine Forderung nach Abschaffung der Revolutionsgarden und seine offenbar liberalere Haltung im Bezug auf Frauen deuten für mich in die Richtung - wäre in Iran schon ein Fortschritt.
Ich denke, daß alle jene, die von "westlichen Werten" und Demokratie in unserem Sinne sprechen, wenn sie beschreiben, was die Opposition sinnvollerweise wolle, die Menschen dort nicht wirklich verstehen.
Ich denke, man könnte es vergleichen mit dem hypothetischen Versuch, in den 50er Jahren in Bayern den Säkularismus einzuführen - ich denke, die Menschen in Iran sind religiös geprägt, wobei die Frage für den Einzelnen eher ist, wie sehr sich das auf Äußerlichkeiten auswirken soll. Auf die Gängelung wegen der Kleidung, wegen modischer Individualität usw. stützt sich IMHO die Kritik, nicht auf das Glauben an sich, ob die letzliche Herrschaft des Klerus über die Politik in der Breite kritisiert oder gar abgelehnt wird, bin ich mir nicht sicher.
Bemerkenswert finde ich in dem Zusammenhang die massive Kritik an der "weißen Revolution" in den 60er/70er Jahren, die ja eigentlich vielen Menschen Vorteile hätte bringen können - Grundbesitz für Kleinbauern nach Aufteilung des Großgrundbesitzes.
Die Raffgier des Schahs hätte IMHO einen besseren Aufhänger für Kritik geboten...
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