Verstaatlichung der HRE

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
janw
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So 23. Aug 2009, 20:35 - Beitrag #1

Verstaatlichung der HRE

Kurz vor ihrer Pleite wurde ende 2008 die Immobilienkreditbank HypoRealEstate aus Steuermitteln gestützt und seither schrittweise verstaatlicht.
Zuletzt wurden nun die letzten verbliebenen Aktionäre durch ein squeeze out mit einer Entschädigung aus der Bank gedrängt, manche sprechen von einer Enteignung.
Ein Mitarbeiter der FAZ hat sich zwischendrin einige Aktien der Bank gekauft und beschreibt seitdem die Vorgänge aus der Sicht eines Kleinaktionärs. Der vierte Teil der Serie mit dem squeeze out findet sich hier

Abgesehen davon, daß ich nicht wirklich einschätzen kann, wie notwendig die staatliche Beteiligung an der Bank gewesen ist, frage ich mich, ob dieses squeeze out notwendig war - der Bund hatte doch schon die Mehrheit der Anteile in seinen Händen.
Andererseits empfinde ich die Skandalisierung als "Enteignung" als überzogen, denn das Vorgehen ist bei Fusionen Standard, ohne daß daran Anstoß genommen würde.
Letztlich muss den Aktionären IMHO auch entgegen gehalten werden, daß sie so immerhin noch einen Restwert erhalten, ohne die staatliche Beteiligung wäre ihre Beteiligung wertlos.

War das squeeze out also notwendig oder eher ungeschickterweise durchgezogen, und was hat es mit der Kritik der Aktionäre auf sich, Larmoyanz einiger Abzocker?

blobbfish
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So 23. Aug 2009, 21:36 - Beitrag #2

Nun, über Rettung/staatliche Beteiligung kann man streiten. Ich kenne jetzt weder das System wonach die Sitzverteilung im Aufsichtsrat gebildet wird, noch wie die Aktie en Detail aussieht. Es gibt z.B. Aktion mit Dividende, die wird an den Besitzer ausgezahlt. Gut, sowas wird sich die HRE im Moment wohl nicht leisten können.

Auf der anderen Seite ist die Bürgschaft. Der Staat bürgt, Aktienbesitzer können über irgendwelche Ausschüttungen Geld erhalten - auch nicht so fein.

Lykurg
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So 23. Aug 2009, 23:20 - Beitrag #3

Hätte der Staat die HRE in die Grütze gehen lassen (was ohne Staatshilfe wohl unabwendbar gewesen wäre), wären die Aktionäre komplett leer ausgegangen, also sollen sie jetzt nicht jammern, und wenn sich einige nun gerichtlich weitere Entschädigungen erkämpfen, ist das für mich fragwürdig. (Allerdings ist die Enteignung per Gesetz etwas, was fusionierende Unternehmen nicht könenn.^^) - Zur Rettung der Bank gab es keine Alternativen. Der Zusammenbruch hätte in Deutschland einen fatalen Dominoeffekt unter den Banken auslösen können, das wäre (auch für den Steuerzahler) aller Wahrscheinlichkeit nach viel teurer geworden als die Übernahme.

Ipsissimus
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Mo 24. Aug 2009, 09:34 - Beitrag #4

wobei festzustellen bleibt, dass hier einerseits mit "Furcht vor" gearbeitet wird, nicht mit "wissen, dass", und zum anderen mit der Bank auch eine Kultur geschützt wird, nicht nur das System. Die Kultur, die geschützt wird, ist die der "Zocker als Banker".

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Mo 24. Aug 2009, 10:48 - Beitrag #5

Für sicheres Wissen ist der Zusammenhang ein bißchen zu komplex; wenn man diese Dinge wirklich sicher abschätzen könnte, wären Börsengeschäfte risikolos (und entsprechend vermutlich auch nicht sonderlich gewinnbringend). Prognosen abzugeben und dem eigenen Handeln zugrundezulegen, ist aber unbedingt zu empfehlen. Und da hier der Staat aktiv werden mußte, empfiehlt es sich, dessen Beweggründe der Bevölkerung zu vermitteln. Das geschieht em ehesten über Aussagen, die allgemeinverständlich sind, und die im Idealfall Ängste nicht schüren, sondern begrenzen und in Risikoabschätzungen verwandeln sollten.
Und die Kultur, die davon geschützt werden soll, ist eine wesentliche Lebensader der westlichen Welt, wie negativ man diese insgesamt und ihre minder schönen Teilerscheinungen im Besonderen bewerten mag.

Ipsissimus
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Mo 24. Aug 2009, 11:03 - Beitrag #6

der Eimer geht wie lange zum Brunnen?

Lebensader schön und gut, aber ich sehe nicht, dass unsere derzeitige westliche Lebensart so viel Wünschenswertes enthält, was dieser Form von Gier zu seiner Verwirklichung wirklich bedürfte. 50 Prozent mehr Bescheidenheit unsererseits würde 100 Prozent mehr Lebensqualität weltweit schaffen.

blobbfish
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Mo 24. Aug 2009, 11:38 - Beitrag #7

Bis jemand den eimer klaut oder der Brunnen leer ist. Oder die Träger verdursten, weil sie nie Wasser aus dem Eimer trinken dürfen. :crazy:

Wie steht man denn zu dme Untersuchungsauschuss der Opposition? Soweit ich das sehe, hätte man sich den auch sparen können. Der BaFin-Chef (ich meine der war's) hat ja lustige Szenarien ausgemalt, einne brennende Erde, ziemlich lächerlich wie ich finde.

Makeda
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Mo 24. Aug 2009, 12:19 - Beitrag #8

Ich finde es fast schon eine Frechheit, dass sich die Leute beschweren, weil man ihnen ihre Aktien wegnimmt. Vorallem weil sie noch Geld dafür bekommen haben.
Der Staat hätte die Bank einfach klanlos fallen lassen sollen. Wer jetzt noch nach Neo-liberalismus schreit wie es gestern der Herr von und zu Gutenberg (oder wie der heißt) gemacht hat, hat da entscheidene Punkte verdrenkt oder nicht mitbekommen, die zu der "Wirtschaftskrise" führten.
Die Merkel schreit nach Wachstum, Wachstum, Wachstum. Ist ja toll, aber ihr scheint der Preis dafür egal bzw. Natur gibt es ja umsonst, die können wir dann mal schön maroden. Und das tut sie jetzt und das hätte sie auch gemacht, wenn sie die Bank fallen gelassen hätte. Also bleibt für mich nur die Frage, wäre sie mit der Umwelt noch sorgloser umgegangen wenn sie die Bank nicht unterstüzt hätte und dadurch evtl. ein noch größer Schaden entstanden wäre?

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Mo 24. Aug 2009, 15:27 - Beitrag #9

Makeda, wenn du unbedingt Finanz- und Umweltpolitik in Verbindung setzen willst, dann vergleiche den Zustand der Natur in einem hochindustrialisierten Staat Westeuropas heute mit dem in Schwellenländern und in Drittweltstaaten (oder auch dem hiesigen Zustand in den 60ern). Solange die Menschen um Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse (Nahrung etc.) ringen müssen, kümmern sie sich nicht um Umweltprobleme. Und wenn die Zentralmacht wegbricht, kommt es etwa zum wilden Raubbau an Wäldern, oder auch zu Brandrodungen und Versteppung. Wirtschaftlicher Wohlstand eines Landes ist erforderlich, um seine Natur wirkungsvoll vor den eigenen und vor fremden Umweltsündern zu schützen. Und ohne ein stabiles Bankwesen ist Wirtschaften im größeren Maßstab nicht möglich. Wenn Unternehmen Investitionen nur auf ihrer eigenen Kapitalbasis durchführen können, weil es den Banken an Kapital fehlt, sind neue Maschinen und Produkte kaum möglich - das gilt aber auch und gerade für neue Katalysatoren, Filter und weniger umweltbelastende Verfahrensweisen.

Ich finde den Untersuchungsausschuß sinnvoll. Meiner Meinung nach sind die Vorgänge rund um die Rettung und Übernahme genau zu untersuchen, schon damit entsprechendes bei einem etwaigen nächsten Mal (möge es nicht dazu kommen) besser organisiert werden kann. Nach Ackermanns Darstellung waren die Verhandlungen über die Rettung hoffnungslos steckengeblieben und die Regierung drauf und dran, die HRE platzen zu lassen, als es ihm gelang, mit Steinbrück und Merkel doch noch eine Einigung zu finden. Ackermann vor dem Ausschuß: "Ich glaube, wir hätten am Montagmorgen einen Meltdown gehabt, weit über Deutschland hinaus." Daß in Anbetracht dieser Gefahr Steinbrück sich bei der entscheidenden Sitzung von seinem Staatssekretär vertreten ließ, ist ebenfalls spannend. Wollte er in dieser Situation ein Bauernopfer vorbereiten? Ziemlich leichtsinnig in meinen Augen.

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Mo 24. Aug 2009, 16:21 - Beitrag #10

Stimmt, Industiländern können die Umwelt schützen. Atommüllbeseitigung ist immer gut und Emissionsrechthandel zeigt ja auch seine Wirkung. :boah:
Und einen Vergleich kann man machen, aber wenn ein Land welches wirklich die Möglichkeiten hat die Umwelt effektiv zu schützen und es nicht tut, finde ich den Vergleich recht hinkend.
Und der Zeit kümmert man sich noch weniger darum, als sowieso schon, denn der jetzige Wachstum kommt nicht von irgendwoher.
Ich finde einfach Regeln für die Wirtschaft gut, bzw. für die Oberbosse an denen die Fäden hängen.
Zum Beispiel das verbieten von Milchanteilen kaufen um den Preis in die Höhe zu treiben um dann mit Gewinn wieder zu verkaufen. Der angebliche Milch-China-Bom! Wobei das aus der Privatkasse bezahlt wurde am Anfang und dann erst aus unserer Geldbörse.
Anderes, eigendlich wäre ich für Privatisierung und auch dafür das der Staat das unterstützt bzw. wir. Aber so wie die das machen und vorallem was die da machen, sag ich nein danke dazu!

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Mo 24. Aug 2009, 18:09 - Beitrag #11

Nur ganz kurz: Entsorgung radioaktiver Abfälle ist als Beispiel durchaus geeignet - mit zunehmendem Bildungs-, Technologisierungs- und Wohlstandsgrad wird immer stärker darauf geachtet, daß die Entsorgung möglichst umweltfreundlich und sicher geschieht. Die nicht oder kaum meßbare 'Verseuchung' um Deponien und AKWs im Westen ist aber ein weit geringeres Problem als die Schadstoffe, die etwa in Entwicklungsländern ins Trinkwasser gelangen, weil sich keiner drüber Gedanken macht. (Quecksilber, Dioxin uvm.) Zum Emissionshandel wirf doch, wenn die Frage dich reizt, einen Blick in den entsprechenden Wikipedia-Artikel oder eröffne einen Thread dazu. Ich meine jedenfalls, daß er ein gutes Werkzeug dafür ist, umweltschutzorientiertes Wirtschaften zu fördern. Grundsätzlich sind dort und anderswo, wie von dir auch angeführt, klare Regeln für die Wirtschaft wichtig - und Kontrollorgane, die die Einhaltung dieser Regeln gewissenhaft überwachen. Gerade die Milchwirtschaft ist allerdings ein schwieriger Bereich, weil da durch die massiven EU-Subventionen (Milchquoten, -Vernichtung etc.) eine starke Verzerrung des Marktes stattfindet, die solche Spekulationen zusätzlich interessant macht. Statt den Handel zusätzlich zu reglementieren, was die Probleme eher verschlimmern dürfte (insbesondere, wenn man Leute zwingen will, nur noch mit Verlust zu verkaufen^^), sollte man hier lieber die Quoten abschaffen. Übersichtlicher und einfacher ist dagegen der Bankensektor. Bild Auch hier ist eine funktionierende Aufsicht wie die BaFin unumgänglich, die über die entsprechenden wirkungsvollen Instrumente verfügt, um mißwirtschaftende Institute abmahnen und ggf. sogar schließen zu können. Und wenn die eine entsprechende Bedrohungslage feststellen, der sie mit ihren Mitteln nicht Herr werden können, hat ggf. als letzte Instanz der Staat einzugreifen, um Schlimmeres zu verhüten.

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Mo 24. Aug 2009, 23:26 - Beitrag #12

Den Enisionsrechthandel habe ich nur kurz angebracht, weil es eien gute Idee ist die durch die vielen Sonderregeln nicht viel bewirkt. Seminar darüber gehabt ;) Deshalb auch keine lust extra Thema deswegen aufzumachen.
Dennoch bin ich der Meinung, dass wenn die Politik irgendjemanden hätte helfen sollen, dann den Kunden und den Chefs nur bei dem wo es nötig gewesen wäre...

janw
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Di 25. Aug 2009, 03:11 - Beitrag #13

Zitat von blobbfish:Nun, über Rettung/staatliche Beteiligung kann man streiten. Ich kenne jetzt weder das System wonach die Sitzverteilung im Aufsichtsrat gebildet wird, noch wie die Aktie en Detail aussieht. Es gibt z.B. Aktion mit Dividende, die wird an den Besitzer ausgezahlt. Gut, sowas wird sich die HRE im Moment wohl nicht leisten können.

Auf der anderen Seite ist die Bürgschaft. Der Staat bürgt, Aktienbesitzer können über irgendwelche Ausschüttungen Geld erhalten - auch nicht so fein.

Die Aktionäre entscheiden auf der Hauptversammlung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, auch ob sie den Vorstand und Aufsichtsrat entlasten, außerdem entscheiden sie über die Höhe der Dividende.
Wenn Gewinn erwirtschaftet wurde, wird pro Aktie eine bestimmte Dividende ausgezahlt. In 2008 wurde bei der HRE eine Dividende von 50 Cent pro Aktie ausgezahlt.
Die Entscheidungen werden aber als Mehrheitsentscheidung beschlossen, so daß Kleinaktionäre hier kaum Einfluss haben. Wo nun an die 80 % der Stimmrechte in Bundeshand waren, erschließt sich mir eben nicht so ganz, warum die restlichen, die sowieso keine Macht mehr hatten, auch noch rausgedrängt werden sollten. Gut, vielleicht, weil sie beim zerlegen und verkaufen und verschrotten stören könnten.

Zitat von Ipsissimus:wobei festzustellen bleibt, dass hier einerseits mit "Furcht vor" gearbeitet wird, nicht mit "wissen, dass", und zum anderen mit der Bank auch eine Kultur geschützt wird, nicht nur das System. Die Kultur, die geschützt wird, ist die der "Zocker als Banker".

Ipsi, das Problem ist dabei IMHO, daß der ganze Börsenhandel auf Furcht vor und Vertrauen / Hoffnung auf beruht, das einzig rationale scheint mir das Wissen um die irrationale Handlungsmotiviertheit des Menschen zu sein.
in dem blog wird recht anschaulich dargestellt, wie nur aufgrund von Gerüchten und Mutmaßungen der Kurs Achterbahn fuhr.

Wenn ich mal als gegeben annehme, daß die Bank derart mit anderen Banken und dem Rest unseres politisch-ökonomischen Komplexes verflochten ist, dann kann ich mich darauf mit einem Vorbehalt einlassen, daß ein Eingreifen notwendig war, um kurzfristig die Handlungsfreiheit im System zu erhalten, und nachher das System für die Zukunft zu reformieren.
Der Vorbehalt ist, daß ich mich erinnere, daß schon mal bei Aktien der Börsenhandel ausgesetzt wurde. Warum nicht hier? Einfrieren auf dem Status quo, und dann in Ruhe auseinander dividieren.

Zitat von Lykurg:Und die Kultur, die davon geschützt werden soll, ist eine wesentliche Lebensader der westlichen Welt, wie negativ man diese insgesamt und ihre minder schönen Teilerscheinungen im Besonderen bewerten mag.

Lykurg, es ist IMHO eine sehr janusköpfige Lebensader...soll ich Adder sagen?^^
Seit der massiven Liberalisierung des Kapitalverkehrs in den 80ern ist das Weltwirtschaftssystem so instabil wie nie zuvor seit seiner Entstehung.
Die Krise 1928 war quasi eine Singularität, seit den 80ern ist dagegen die Krisenfrequenz stetig angestiegen. Die Dotcom-Krise, die Neue-Markt-Krise, die Kreditkrise sind in immer kürzeren Abständen aufeinander gefolgt.
Parallel haben sich die Staaten aktiv selbst suspekt gemacht, indem immer weitere Aufgabenbereiche privatisiert wurden, damit die Staaten selbst auch immer abhängiger von rein renditeorientierten Firmen. Ein Zusammenschluss dieser Firmen könnte die betreffenden Staaten in meinen Augen erpressbar machen - wer verhindert z.B., daß die Mafia die Sicherheitsfirmen übernimmt, an welche in mehreren Staaten Bereiche von Polizei und Strafvollzug outgesourced wurden?
Bei einem Menschen mit vergleichbarem Verhalten würde man einen Hang zu selbstverletzendem Verhalten mit Suizidgefahr diagnostizieren.

Zitat von blobbfish:Wie steht man denn zu dme Untersuchungsauschuss der Opposition? Soweit ich das sehe, hätte man sich den auch sparen können. Der BaFin-Chef (ich meine der war's) hat ja lustige Szenarien ausgemalt, einne brennende Erde, ziemlich lächerlich wie ich finde.

Von diesem Szenario hatte ich bisher nichts gehört, klingt idT nach etwas zu viel Trash-Konsum, oder Crack? :crazy:
Dessenungeachtet finde ich den Ausschuss wichtig, wenn auch insgesamt zu zahm und mit vorhersehbar minimalem Ergebnis.
Ich weiß nicht, was so schwierig sein soll, konkretes Versagen bei der Risikokontrolle nachzuweisen, dieses konkreten Personen zuzuweisen und diese wegen Untreue zu belangen.
Aber vielleicht kommt sowas ja noch...

Zitat von Makeda:Ich finde es fast schon eine Frechheit, dass sich die Leute beschweren, weil man ihnen ihre Aktien wegnimmt. Vorallem weil sie noch Geld dafür bekommen haben.
Der Staat hätte die Bank einfach klanlos fallen lassen sollen. Wer jetzt noch nach Neo-liberalismus schreit wie es gestern der Herr von und zu Gutenberg (oder wie der heißt) gemacht hat, hat da entscheidene Punkte verdrenkt oder nicht mitbekommen, die zu der "Wirtschaftskrise" führten.

Ich finde das Geschrei ja auch unangemessen, wer in Aktien investiert, muss wissen, daß er ein Risiko eingeht.
Das Geld, das als Dividende ausgeschüttet wird, ist...viel, wenig? eine Frage der Betrachtungsweise. Bezogen auf den aktuellen Kurswert kommt man bei den meisten großen Firmen auf etwa 3-5% Dividendenrendite. Gut, im Moment bei den jetzigen niedrigen Sparzinsen ist das natürlich attraktiv, aber bei dem hohen Risiko...? Mein Problem damit ist, daß das Geld nicht mit einer Leistung hinterlegt ist, so gesehen wirklich "unverdient".

Was die Fallenlassen-Variante betrifft, kann ich es eben nicht bis ins Letze beurteilen, es scheint aber so zu sein, daß ziemlich viel vom Hauskreditmarkt weggebrochen wäre, mit weiteren Folgen.

janw
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Di 25. Aug 2009, 12:05 - Beitrag #14

Die Beziehung zwischen Armut und Umweltschutz ist eine IMHO recht heikle Frage, die getrennt diskutiert werden sollte.
Ich hab die entsprechenden Beiträge in einen neuen thread kopiert.

blobbfish
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Di 25. Aug 2009, 19:38 - Beitrag #15

Zitat von jan:Ipsi, das Problem ist dabei IMHO, daß der ganze Börsenhandel auf Furcht vor und Vertrauen / Hoffnung auf beruht, das einzig rationale scheint mir das Wissen um die irrationale Handlungsmotiviertheit des Menschen zu sein.
in dem blog wird recht anschaulich dargestellt, wie nur aufgrund von Gerüchten und Mutmaßungen der Kurs Achterbahn fuhr.


Nun, was uns als irrational und Achterbahn erscheint ist vielleicht garnicht so irrational. Im Realhandel gibt es ähnliche Effekte, aber sie verpuffen, der grund dafür ist recht einfach: Geldhandel (da zähle ich auch Wertpapiere etc. zu) ist wesentlich schneller. Informationen und Preise wandern binnen Sekunden um den ganzen Erdball, ein Preisangleich findet quasi instantan statt, im Realhandel undenkbar, besonders wenn die Ware sogar verkauft und gekauft wird.
Geld will wohl keiner gerne verlieren. Aber was willst du auch machen? Die Information ist da und Ad-hoc nicht überprüfbar. Käse ist das.

janw
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Di 25. Aug 2009, 20:09 - Beitrag #16

Das "irrational" bezog sich auf den Grund der Handelsaktion - Aktien wie auch reale Güter werden nicht aufgrund realer wertrelevanter Tatsachen gehandelt, sondern aufgrund von Hoffnungen und Ängsten, hinter denen oft nichts steckt als heiße Luft, teils auch gezielte Platzierung. Der ganze Ölpreisboom im letzten Jahr hatte keinen realen Grund, außer dem, daß einige Händler gezielt Informationen über akute Verknappung, nicht zu befriedigende Nachfrage usw. gestreut haben. Getreide wird schon gehandelt, bevor es gesät worden ist, und die Nachricht über Lagerbestände hier und eine Dürre dort werden im Nu zu Ängsten über ein massives Überangebot oder eine massive Hungersnot gehyped.
Die HRE hat in den Tagen der Achterbahnfahrt meines Wissens keine größere Änderungen ihrer wirtschaftlichen Kennzahlen erlebt, also nichts, was derartige Kursausschläge gerechtfertigt hätte. Man hätte den Handel aussetzen können.

Ich gehe so weit, daß ich es für verdammt gefährlichen Käse halte und ein roll back für den einzigen Weg, uns vor der Machtübernahme einiger weniger Brokerhäuser und global player zu schützen.
Man muss einfach mal betrachten, was die Ölpreiswelle letztes Jahr an volkswirtschaftlichen Kosten verursacht hat, gerade auch in den ärmeren Ländern.
Also zurück zu den Handelsmethoden von ~1985. Oder sonstwie mehr Beschränkungen einführen.

Padreic
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Di 25. Aug 2009, 22:34 - Beitrag #17

Ich halte einen hohen Ölpreis eigentlich für eine wünschenswerte Sache, denn Öl ist knapp. Es ist sehr unklar, ob in 100 Jahren noch nennenswerte Mengen an Öl da sind. Und eine hoher Preis ist einer der Sachen, die am ehesten zur Sparsamkeit bewegen.

Wenn ich es mit der HRE (anhand eines Zeit-Artikels) verstanden habe, hat es sich ungefähr wie folgt verhalten: Zumindest Teile des Geschäftes ihrer Tochtergesellschaft Depfa beruhten darauf, dass sie sich jeden Tag enorme Summen an neuen Krediten geholt haben, ob sie auf dem Finanzsektor neu zu investieren. Nun, im Zuge der Finanzkrise wurden kaum noch Kredite vergeben und das Geschäft brach zusammen und sie hatten enorme Schulden, die sie nicht mehr bedienen konnten. Das ist gewissermaßen schon ein reales Problem.

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Mi 26. Aug 2009, 01:33 - Beitrag #18

Ja, Depfa hat langfristige "Kredite" mit kurzfristigen "Krediten" finanziert, soweit ich weiß ist das auch die etwas lukrativere Variante, aber nicht wahnsinnig wünschenswert, da man auch auf lange Sicht kurzfristig Geld anschaffen muss. "Kredite" deshalb weil der Kredit in der Finanzwelt üblicherweise nicht auftaucht, ein klassischer Kredit ist zu unflexibel und speziell.

Jan, der Handel von Gütern bevor sie existieren ist auch nicht so schlecht. Als Bauer z.B. musst du dir weniger Gedanken drum machen wie du dein Zeug los wirst. Möglicherweise erhälst du einen rel. Verlust weil das Getreide mehr Wert ist, aber dafür verkaufst du es nicht unter Wert, d.h. unterhalb der Kosten. Auf der einen Seite steht eine hohe Absicherung, auf der anderen Seite eben das Risiko.

Wert bemisst sich nach Angebot und Nachfrage falls nicht reguliert (Bücher). Allerdings ist einen eingreifen seitens Gesetzgebung schon wünschenswert, z.B. Milchquote. Wird nur leider falsch angewandt.

janw
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Mi 26. Aug 2009, 03:00 - Beitrag #19

Zitat von Padreic:Ich halte einen hohen Ölpreis eigentlich für eine wünschenswerte Sache, denn Öl ist knapp. Es ist sehr unklar, ob in 100 Jahren noch nennenswerte Mengen an Öl da sind. Und eine hoher Preis ist einer der Sachen, die am ehesten zur Sparsamkeit bewegen.

Das sehe ich genau so, ich denke nur außerdem, daß Preise allgemein in einem bestimmten Verhältnisbereich zur Verfügbarkeit/Knappheit/Nachfrage nach dem Produkt stehen müssen, um eine verlässliche Planungsgrundlage darzustellen. Der drastische Preisanstieg beim Öl stand meines Wissens in keinem Zusammenhang mit einer entsprechend sprunghaft angestiegenen Nachfrage oder Angebotsverknappung, hat aber bis in den Bereich der Getreidepreise zu Verwerfungen geführt, einzelne Berichte gingen sogar in die Richtung einiger Ernährungskrisen in einigen ärmeren Ländern wegen plötzlich extrem hoher Brotpreise.
Daß mittel- bis langfristig Öl teurer werden wird und alternative Energiequellen erschlossen werden müssen, ist klar, derartige Verwerfungen werfen aber die stetigen Bemühungen in diesen Bereichen zurück.

Wenn ich es mit der HRE (anhand eines Zeit-Artikels) verstanden habe, hat es sich ungefähr wie folgt verhalten: Zumindest Teile des Geschäftes ihrer Tochtergesellschaft Depfa beruhten darauf, dass sie sich jeden Tag enorme Summen an neuen Krediten geholt haben, ob sie auf dem Finanzsektor neu zu investieren. Nun, im Zuge der Finanzkrise wurden kaum noch Kredite vergeben und das Geschäft brach zusammen und sie hatten enorme Schulden, die sie nicht mehr bedienen konnten. Das ist gewissermaßen schon ein reales Problem.

Das ist es, und das Versagen der Kontrollinstanzen, welches dies erst ermöglicht hat, müsste wirklich rechtlich verfolgt werden.
Nur war der Zusammenbruch des Modells eben ein kontinuierliches Geschehen, die Kursausschläge standen hingegen nicht im Zusammenhang mit realen Ereignissen im wirtschaftlichen Umfeld der HRE. Das war bloßes Indieweltsetzen von Meinungen als Fakten zusammen mit planmäßigen An- und Verkäufen.

Ipsissimus
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Mi 26. Aug 2009, 09:38 - Beitrag #20

diese enorme Geschwindigkeit des Geldhandels ist natürlich dem Einsatz von Computern und weltweiter Vernetzung zu verdanken. Ich frage mich, ob das nicht einen Teil des Phänomens erklärt. Wenn ich am Computer sitze und spiele, gehe ich sehr viel höhere Risiken ein als ich das in der Wirklichkeit täte. Der Computer schafft eine Zwischenschicht zwischen dem intellektuellen Wissen des Brokers, dass er reale (Geld)Werte bewegt, und seinem sinnlichen Eindruck der Virtualität, z.B. der Undofunktion. Die betreiben Handel als ob sie eine Wirtschaftssimulation spielen.

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