War Hitler krank?

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009
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Do 8. Okt 2009, 05:21 - Beitrag #1

War Hitler krank?

So titelt der Focus in einem Bericht über eine neue Hitler-Biografie, die sich auf die Tagebücher seines Leibarztes stützt.

Fazit/Zitat/Quelle wie vor: "Für eine medizinisch objektivierbare Geisteskrankheit des Diktators bestünden „keine Anzeichen“."

Aha.

Ist das jetzt eigentlich eine relevante große Meldung (die ich bislang nur bei Focus online sah), nur eine Werbemaßnahme für ein x-beliebiges Buch oder irgenwie irrelevant?

Weis grad nicht, was ich davon halten soll.

blobbfish
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Do 8. Okt 2009, 09:06 - Beitrag #2

Es ist soweit ich weiß nicht die erste Feststellung. Mich kümmert es aber einen Dreck was er war.

Ipsissimus
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Do 8. Okt 2009, 09:29 - Beitrag #3

Bücher, die versuchen, die Frage "Wie konnte er nur?" zu beantworten, gibt es wie Sand am Meer. Für mich die überzeugendsten Erklärungen sind aber nicht solche , die versuchen, Hitler eine Anomalie anzuhängen oder versuchen, ihn zu dämonisieren, sondern solche, die ihn und das Dritte Reich aus der Normalität seiner Zeit heraus beschreiben. Da steckt viel mehr Grauen drin, weil man erkennt, wie dicht jede Gesellschaft am Abgrund schwebt.

Eine Kombination von Joachim Fests (ja, doch!) und Ian Kershaws Biographien dürfte als Einstieg genügen; doch sowenig, wie die Forschung derzeit imstande ist, ein in sich abgeschlossenes Hitler-Portrait zu bieten, genausowenig darf man erwarten, durch die Lektüre von noch so vielen Büchern eine konsistente Vorstellung von ihm zu erhalten. Dem Mosaik fehlen noch viel zu viele Steine; und also ist da auch noch Raum für viele weitere Bücher, sofern sie nicht nur Bekanntes widerkäuen.

e-noon
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Do 8. Okt 2009, 10:31 - Beitrag #4

Und als Beweis dafür, dass Hitler nicht homosexuell gewesen sei, führen die Autoren Testosteronspritzen an. Die habe sich Hitler vor Begegnungen mit Eva Braun setzen lassen.

Hm, ist das eher nicht ein Hinweis für das Gegenteil? ^^ War nicht genug Leidenschaft da und musste hormonell nachgeholfen werden?

Ich habe gestern zufällig noch im Artikel über Goebbels gelesen, dass er zum Nachfolger Hitlers bestimmt war, als Hitler sich umbrachte, aber meinte, dass er sich zum ersten Mal gezwungen sehe, einen Befehl des Führers zu missachten, damit wenigstens ein paar Leutchen dem Führer auch im Tod die Treue halten, oder so. Dann hat er seine sechs Kinder töten lassen und mit seiner Frau Blausäurekapseln genommen.

Vielleicht nicht geisteskrank im engeren Sinne, aber doch irgendwie :stupid:

Ipsissimus
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Do 8. Okt 2009, 10:53 - Beitrag #5

das waren allesamt Soziopathen, wie viele andere auch; in ihrem Fall kam ein Gespür für die unterschwelligen Stimmungen der zeitgenössischen deutschen Gesellschaft, ein gewisses demagogisches Geschick und viel, viel Geld aus der deutschen Industrie - also wirkliche Macht - hinzu. Ich halte es für ziemlich plausibel, dass Hitler und Konsorten die damalige deutsche Gesellschaft nicht vergewaltigten, sondern spiegelten und gleichzeitig diffuse Wünsche und Vorstellungen in eine konzentrierte Form zusammenfassten. GEGEN eine flächendeckende Unwilligkeit der Gesellschaft hätten sie sich niemals durchsetzen können.

Soziopathen sind aber nicht im eigentlichen Sinne geisteskrank. Die Selbstmorde am Ende werte ich als Hinweis - nicht Beweis - dass sich zumindest einige von ihnen der tatsächlichen Bedeutung ihres Tuns bewusst waren. Die Suizide passierten natürlich nicht aus Scham, sondern aus Furcht und Flucht aus der Verantwortung. Andererseits, was gab es da noch zu fürchten und zu verantworten? Zu dem Zeitpunkt waren schon längst alle Dimensionen gesprengt und selbst 100 Jahre Dauerfolter würde nichts wieder gut gemacht haben.

Ich denke, die Selbstmorde waren nach einer Fliegerbombe noch die beste Lösung; die Kugel oder der Strang danach würde einen noch schaleren Geschmack hinterlassen haben, weil es im Prinzip Gnadenakte gewesen wären, da es einfach keine angemessene Bestrafung für ihre Taten gibt. Höß, der ehemalige Kommandant des Lagers Auschwitz, ist "hocherhobenen Hauptes" zum Galgen geschritten, vollkommen bereit, "in Erfüllung seiner Pflicht" zu sterben. Er hat selbst die Strafe noch zu einer Demonstration pervertiert.

Lykurg
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Do 8. Okt 2009, 22:53 - Beitrag #6

Du hast völlig Recht, Ipsissimus. Viel ekelerregender und für uns eigentlich bedeutsamer als die Frage, wie die Person Hitler möglich war, ist die, wie das Phänomen Hitler zustandekommen konnte und inwieweit wir denn tatsächlich davon weggekommen sind. Gerade um dazu ein paar interessante Quellen einzusehen, bin ich ja gerade in Berlin...
Ich weiß übrigens auch gar nicht, ob mir die heutigen Definitionen psychischer Erkrankungen ausreichen, um über die Frage, ob Hitler in einem solchen Sinne krank war, irgendeinen Erkenntnis- oder sonstigen Gewinn zu ziehen. Die Greuel, die er, aber eben auch unzählige Menschen unter seiner Herrschaft oder auch aus eigener Entscheidung verübten, sind unabhängig dieser Fragestellung wirksam und fortdauernd; trotzdem können einem begründete Zweifel kommen, ob ein Wiederauftreten in zweifellos deutlich modifizierter Form so völlig auszuschließen wäre.

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Fr 9. Okt 2009, 05:25 - Beitrag #7

@e-noon/Ipsi:
Es scheint mir gut möglich, dass es Göbbels nur vorgeblich um Treue zum Führer, aber letztlich um finale Flucht vor den anrückenden Alliierten ging.

e-noon
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Fr 9. Okt 2009, 09:52 - Beitrag #8

@009: Warum dann auch die Kinder töten (zumal Frau Goebbels sich offenbar ebenfalls aktiv umbringen wollte)? Sie hätten sicher unter falschem Namen bei Verwandten unterkommen können. Als ob in den letzten Atemzügen des dritten Reiches irgendwer wegen ein paar verirrter Kinder nachgefragt hätte... :confused:

Ipsissimus
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Fr 9. Okt 2009, 10:29 - Beitrag #9

Goebbels war nach allem, was über ihn bekannt ist, eine hochkomplexe, schizoide Persönlichkeit, wobei die verschiedenen Aspekte seiner Persönlichkeit - soweit es die Außenansicht überhaupt beurteilen kann - wohl nicht wirklich miteinander harmonisierten. Ich glaube nicht, dass man bei ihm eine Einheitlichkeit der Motivlage und der Absichten zugrunde legen darf.

Kommt hinzu, dass April 1945 im Führerbunker nicht wirklich der geeignete Ort und die geeignete Zeit war, in kühlen rationalen Erwägungen Entscheidungen zu treffen. Die Tötung der Kinder kann durchaus spontan erfolgt sein, sie kann aber auch einem fehlgeleiteten "Wir"-Gefühl entspringen, einem Gefühl von "Treue zum Führer" oder sogar einem Befehl Hitlers.

Zu bedenken wäre allerdings auch, dass Goebbels seine Kinder wie selbstverständlich zu Propagandazwecken missbrauchte, er ließ sie z.B. im Rahmen von Durchhalte-Nachrichten in Feldlazaretten bei der Pflege von verstümmelten Soldaten abbilden, als sie erst 10 bis 12 Jahre alt waren, was nicht unbedingt auf massive väterliche Liebe hinweist. Auch war die Ehe nicht gut; er vögelte heftig in der Gegend herum.

Ich halte es für fast unmöglich, seine tatsächlichen Motive für diese Morde noch zu klären (wobei die Tötung als solche von seiner Frau - Ex-Frau von Günther Quandt - mit Unterstützung durch einen SS-Arzt im Einverständnis mit ihm ausgeführt wurde), geschweige denn, auf einen rationalen Ursprung zurückzuführen. Wenn man Bilder von den Kindern betrachtet, wird so oder so klar, dass es Mord war; die wollten nicht sterben, egal was die Gründe der Eltern gewesen sein mögen.

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Sa 10. Okt 2009, 09:20 - Beitrag #10

Klar, aus heutiger Sicht leicht gesagt, aber vielleicht war auch den obersten Nazis damals ganz klar, dass ein bequem-angenehmes Untertauchen nicht funktionieren wird. Und mit Traudl Junge, der Sekretärin des Führers, hat sich auch eine Person noch kurz vor dem Tod offenbart bzw. ihr Wissen und ihre Erlebnisse von der Seele geredet, dis bis dahin wohl unerkannt und unauffälig leben konnte.

Ipsissimus
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Sa 10. Okt 2009, 10:39 - Beitrag #11

für Göbbels selbst hätte es kein Untertauchen gegeben, das ist klar, und auch seine Frau war zu bekannt. Aber die Kids hätten es schaffen können

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Sa 10. Okt 2009, 12:18 - Beitrag #12

Puh ja, wie alt warendie nochmal alle. Wäre es für die wirklich möglich gewesen und was wäre besser gewesen - Fragen die ich nur zu sehen, aber nicht wirklich zu beantworten vermag.

Ipsissimus
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Sa 10. Okt 2009, 12:55 - Beitrag #13

die beiden ältesten waren zwölf und zehn Jahre alt, das jüngste vier. Und es ist für die wenigsten Menschen im eigentlichen Sinne besser, ermordet zu werden^^


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