Taliban an die Macht!

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
BEN2506
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Do 12. Nov 2009, 20:39 - Beitrag #1

Taliban an die Macht!

Es haben sicher einige mitbekommen und ich finde es ist eine Diskussion wert. Die Briten haben vorgeschlagen "gemäßigte" Taliban an der Afghanischen Regierung zu beeteiligen.

http://www.stern.de/politik/ausland/strategiewechsel-in-afghanistan-briten-wollen-taliban-an-der-macht-beteiligen-1520502.html#utm_source=standard&utm_medium=rss-feed&utm_campaign=alle

Denkt ihr die Taliban können die Zukunft des Landes positiv beeinflussen und die Lage stabilisieren? Welchen nutzen könnte dies haben?

Mmn ein schlag in die Fresse für jeden der sein Leben dort unten riskiert hat.Was denkt ein britischer Soldat, der im Kampf gegen den Terror dort verstümmelt wurde? Das es den Regierungen in diesem Kampf nicht um irgendwelche Menschenrechte geht, dürfte jetzt auch dem letzten klar werden. Trotzdem es wohl eine logische Schlussfolgerung ist, finde ich es pervers.

Die Engländer haben sich die Finger dort verbrannt, genauso wie die Russen. Die NATO kanns auch nicht besser.

Maglor
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Do 12. Nov 2009, 22:05 - Beitrag #2

Zwischen gemäßigten Taliban und der Regierung Karsai, mehr noch etwaige Warlords der Nord-Allianz kann ich eher gesagt kaum einen Unterschied erkennen. Von Demokraten, Pazifisten und Nicht-Islamisten fehlt dort jede Spur. Diese Bevölkerungsgruppen müssen schon lange das Land verlassen.
Und wenn ich mir diesen Haudegen Dostum, den einzigen Nicht-Islamisten un anschaue, der nach der Eroberung von Kundus ca. 6000 sogenannte Taliban in Container sperrte und verrecken ließ, glaube das dieser Kriegsherr nur noch von Charles Taylor getoppt werden kann. (Als mildender Umstand sei noch angemerkt, dass die Ermordung von ein paar tausend Mensch traditionell einfach dazugehört, wenn man Kundus erobert. Sollte die Bundeswehr vielleicht mal machen als Anpassung an ortsübliche Sitten. Naja, 150 reichen noch nicht aus, um wirklich zu den richtigen Armeen dazuzugehören.)
Ansonsten ist es natürlich ein Schlag in die Fresse... denn die Taliban sind unser Unglück. :crazy:
Ansonsten halte ich eine erneute Machtergreifung der Taliban für den perfekten Weg zur Stabilisierung des Landes. So würde wie schon 1998 aus dem Chaos des Bürgerkrieges das zarte Pflänzchen einer autoritären Mullahkratie entstehen.

blobbfish
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Do 12. Nov 2009, 22:34 - Beitrag #3

Ich weiß ehrlich gesagt zu wenig von den Taliban um wirklich qualifiziert sinnvoll zu urteilen, in meiner Naivität befinde ich es aber nicht für grundsätzlich falsch, möglicherweise hätte man das aber früher machen sollen. Ich habe im Moment meine Zweifel, dass das funktionieren wird. Aber klar, passieren sollte mal was. Oder auch nicht, denn man müsste sich dann ja einen neuen Ort suchen, unsere Sicherheit verteidigen und da die Bundeswehr ja nun doch nicht im eigenen Land eingesetzt werden darf... :knife:

Ipsissimus
Dämmerung
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Do 12. Nov 2009, 23:06 - Beitrag #4

die Situation in Afghanistan ist hoffnungslos. Man könnte bitter lachen, wenn man dran denkt, dass es amerikanische Waffen waren, die den Russen die Niederlage gegen die Taliban beibrachten, als es noch darum ging, den Russen eins auszuwischen. Wie sich die Zeiten ändern. Militärisch ist für die, ich sag mal, Nato, dort kein Blumentopf mehr zu gewinnen; und rein militärisch gesehen finde ich das gut.

Leider wäre da noch die Seite des Menschlich-Allzumenschlichen. Und da muss ganz nüchtern konstatiert werden, dass ALLE afghanischen Fraktionen geistig-emotional - mit den üblichen Ausnahmen einzelner Alibi-Personen - im Mittelalter stecken. Es wird in Afghanistan in den nächsten 20 Jahren flächendeckend nichts von allem geben: keine Schulen auch für Frauen, keine Freiheit vom Schleier, keine Abwesenheit von Bürgerkrieg, kein Ende der Opiumernten, keine politishe Stabilität, keine demokratischen Verhältnisse, kein gar nichts von allem, was wir für wünschenswert halten. Und je länger wir, die Staaten der Nato, dort bleiben, desto länger wird der status quo der verfeindeten Fraktionen aufrecht erhalten bleiben.

Sobald wir gehen, wird das Land sich selbst reorganisieren. Das kann in eine ungeheure Selbstzerfleischung ausarten, das kann in eine islamische Republik führen, das kann alles mögliche, nur - gerechte Verhältnisse gemäß unseren Vorstellungen wird es dort nicht geben.

Von daher: netter Schachzug der Amerikaner. Nützen wird es genau nichts.

BEN2506
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Fr 13. Nov 2009, 00:02 - Beitrag #5

Von denen ganz zu schweigen Maglor. Leider ist den wenigsten Menschen bekannt, dass Warlords und Co schon lange mit am Verhandlungstisch sitzen.

@Ipsissimuss

Volle Zustimmung! Dieser Krieg hätte niemals begonnen werden dürfen. Ich finde es jedoch bezeichnend, dass die Regierungen diesen Feldzug als humanitär unerlässlich dargestellt haben und uns immerwieder vorgekaut haben, in welch unwürdigen Zuständen diese Menschen dort leben. Sie müssen die Masse der Menschen ja für unglaublich zurückgeblieben halten.

Ich denke sowieso nicht, dass wir das Recht dazu haben, anderen Ländern unsere Staatsform oder unsere Werte aufzuzwingen. Wenn, dann müssen Sie freiwillig an uns herantreten.

In einer BW-Zeitschrift habe ich mal von einem Gelöbnis gelesen, bei dem irgendein Minister(?) den Rekruten versicherte "Wir werden euch nicht missbrauchen", Sinngemäß... :(

Lykurg
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Fr 13. Nov 2009, 02:59 - Beitrag #6

Daß einige Warlords bevorzugte Verhandlungspartner sind, ist dem aufmerksameren Nachrichtenverfolger nicht unbedingt ganz unbekannt. Massoud etwa wurde vor seiner Ermordung zeitweilig im Westen als Hoffnungsträger für ein nichttalibanisches Afghanistan gehandelt (trotz der berufstypischen Unappetitlichkeiten seiner Biographie). Bild
Dostum ließ immerhin in den 90ern in den Gebieten unter seiner Kontrolle Frauen unverschleiert Universitäten besuchen, und die afghanischen Tänzer und Musiker flohen zu ihm, wenn sie die Möglichkeit hatten.

Ich meine auch, daß der Unterschied nicht allzu groß sein muß, vor allem aber, daß es offenbar nicht sinnvoll ist, in diesem Land auf militärischen Sieg zu setzen. In Zusammenarbeit mit lokalen Kräften, und zwar allen, deren Ziele mit den eigenen vereinbar sind (unter newußter Hintanstellung der moralischen Verpflichtungen), besteht eine bessere Chance. Da Afghanen anscheinend jegliche Art von Besatzung stärker ablehnen als eine beliebig grausame eigene Herrschermacht (zumindest meinen das Kenner), bleibt wohl nicht viel anderes übrig, als das Land weitgehend sich selbst zu überlassen und in den einsetzenden Zerfleischungsprozeß lenkend einzugreifen, damit es nicht ausartet und nicht in eine ganz falsche Richtung läuft.

BEN2506, die Zustände in Afghanistan unter den Taliban waren furchtbar. Daran gibt es wenig zu deuteln. Und das mit dem "freiwillig an uns herantreten", wer soll das tun? 1979 rief die afghanische Regierung die Sowjetarmee um Hilfe an. War das eine besondere Verbesserung der Lage? Ich weiß nicht so recht... Bild

Maglor
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So 15. Nov 2009, 15:53 - Beitrag #7

Dostum ist tatsächlich der einzige bedeutende Warlord und Spitzenpolitiker im derzeitigen Afghanistan, der kein Islamist ist. Der Grund ist natürlich der, dass er seine Gefolschaft unter kommunistischer Fahne aufgebaut hat und das auch einer Hautpgründe für seinen schlechten Ruf im Westen. Anders in der Türkei: Dort fand der Usbeke Dostum Förderer, da ja der türkische Chauvinismus in allen Turk-Völkern, also auch den Usbeken, Türken sieht. Dostum präentiert sich selbst präsentiert sich in Tarnfleck-Montur und prägt so natürlich absichtlich das Bild eines Soldaten-König, während Ismail Khan mit weißem Turban versucht als islamischer Gelehrten durchzugehen und eine ethnische Zuordnung seiner selbst verweigert, Karsai gibt mit Pelzmütze, edlem Mantel und langem Stammbaum den paschtunischen Aristokraten und Massoud gab den volksnahen Guerilliaro, dessen Verehrung als Löwe vom Panschir und offizieller VOlksheld des Post-Taliban-Afghanistan schon irgendwie an Ché erinnert.

Interessant ist natürlich auch die Frontbildung zwischen Tadschiken, Paschtunen und den anderen. Bei den Wahlen ist die ethische Herkunft ausschlagend und de paschtunische Bevölkerung mehrheit von über 40% ist der entscheidene Vorteil Hamid Karsai gegenüber der vor allem tadschikischen Konkurrenz. Im 20. Jahrhundert übernommen einige Afghanen rassistische Vortellungen aus Deutschland. (Das Deutsche Reich versuchte in beiden Weltkriegen zusammen mit den Afghanen gegen Britisch-Indien vorzugehen, relativ erfolglos.) Als Erbe bleibt eine deutsch-paschtunische Freundschaft, in der sich Paschtunen und Tadschiken als Arier erkennen und Fronten gegen mongolide Gruppe wie Usbeken, Turk-Völker und insbesondere gegen die Hazara bilden. Die Hazara sprechen zwar Dari/Persisch/Tadschikisch sind aber ihrer schiitischen Konfession und ihrer angeblich mongolisch Abstammung immer wieder Opfer von Gewalt. Eroberte Massoud Städte der Taliban, so ließ wie Dostum große Teile der Kriegsgefangenen. Anders als Dostum ließ er wiederholt auch noch die mit den Taliban in keinster Weise verbündeten Hazara ümbringen, auch Frauen und Kinder. (Massoud selbst wurde Opfer eines mutmaliches al-kaidischen Selbstmordanschlages.) Das zeigt zumindest die volle Vielfalt des Jihad.
Natürlich ist das ganz im Sinne des Westen, wenn die Hazara kurz gehalten werden, verhindert dies doch eine schiitische Blockbildung durch den Iran. Anders herum agieren die Taliban im gesamten paschtunischen Gebiet auch in Pakistan. Darum müssen es wohl doch Tadschiken mit ihrem brutalen Ikone Massoud sein, die auf unserer Seite sind. Eben der anti-iranische und anti-pakistanische Block. Um was soll es sonst gehen. Der Afghanistan-Krieg hat immerhin der NATO ermöglicht in Zentral-Asien Fuß zu fassen, etwa in den ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan und Tadschikisten Truppen zu stationieren und das "Great Game" mit Russland zu spielen.

teut
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Sa 28. Nov 2009, 18:52 - Beitrag #8

dieser Krieg in Fernost ist Schwachsinn und kommt halt davon das die BRD ständig hinter den USA nachhechelt und Vasall mit Nibelungentreue spielt.Eine pazifistische Grundstimmung ist eben nicht geeignet für imperialistische Spielchen.Die Taliban sollen von mir aus alle rösten ihr Volk die Militärs fremder Mächte und dann sollte man sie dort werken lassen und den Zaun zumachen fertig; aber noch was wichtiges:" sg humanitäre Hilfe" soll es dann auch nicht geben sie sind in Gottes Hand u damit ist eh alles bestens

Maglor
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Mi 9. Dez 2009, 21:47 - Beitrag #9

Ob der Krieg im mittleren Osten wirklich schwachsinnig sein kann, wenn doch auch der anderen Seite Deutsche stehen. Erst im November erging Nachricht über einen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet gefallenen deutschen Soldaten. Dass dieser aber kein Soldat sondern ein illegaler Kämpfer, ist im Grunde weniger bedeutsam, als die Tatsache, dass dieser Deutsche afghanischer Herkunft, verheiratet mit einer deutschen Frau, für eine usbekische Jihadisten-Gruppe in Pakistan im Rahmen des Afghanistan-Krieges fiel.
Und ein gewisser Ab Talha , was der Deutsche bedeutet, zählt mittlerweile zu den führenden Köpfen innerhalb der Al Kaida. Ein Deutscher marrokanischer Herkunft, angeworben über eine usbekische Jihad-Union für den Kampf in Afghanistan, den Kampf gegen die USA und Deutschland!
Wer sind nun die fremden Mächte? Offensichtlich ist nur, dass sich seit den 80er Jahren am Hindukusch die Jihadisten aus aller Welt treffen und die dort erlernte Gewalt nach Tschetschenien, Arabien, ins Kosovo und eben auch in die USA und nach Europa tragen. Bemerkenswert ist hier, dass die Mujaheddin auf Seiten Karsais ebenfalls mit Xenophobie und Fremdherrschaft argumentieren und das Afghanentum des Gegners abstreiten und nur noch von Arabern, Pakistanis und ihren afghanischen Verbündeten reden.
Nun stehen schon seit 8 Jahren Bundeswehrtruppen in Afghanistan. Doch welches Opfer hat das deutsche Volk für Afghanistan gebracht. Ungefähr 30 Soldaten der Bundeswehr sind gefallen. Doch wie viele Deutsche und ehemals in Deutschland lebende Ausländer fielen auf Seiten der Taliban? Bisher habe ich keine Statistik gefunden, gerade die Ausländer werden ja meist nicht von der Öffentlichkeit registriert. Ich habe den Verdacht, dass bisher mehr Deutsche auf Seiten der Taliban fielen als auch Seiten der Bundeswehr.
Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an de. 11. September 2001... mit einer Terror-Zelle in Hamburg-Harburg hat alles angefangen.


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