2004: Das totale Kapital. Gewerblicher Putschversuch in Äquatorial-Guinea

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
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So 27. Dez 2009, 21:21 - Beitrag #1

2004: Das totale Kapital. Gewerblicher Putschversuch in Äquatorial-Guinea

2004, Äquatorial-Guinea, ein Zwergstaat an der westafrikanischen Küste

Während die Welt-Öffentlichkeit auf den Irak blickt und über angebliche und tatsächliche Kriegsgründe lamentiert, ist man in Afrika schon einen Schritt weiter.
Dort ist man gar nicht mehr auf die labilen Feindbilder der Industriestaaten angewiesen, vielmehr beauftragten liquide Geldgeber eine südafrikanische Sicherheitsfirma damit einen Staatsstreich in dem ölreichen Zwergstaat Äquatorial-Guinea zu durchzuführen.
Der Plan wurde durch das kühne Eingreifen des gefürchteten Diktators Robert Mugabe verhindert, der den ehemaligen britischen Elite-Soldaten Simon Mann und seine internaionalem Söldnerkonsortiums auf ihrem Zwischenstopp in Zimbabwe verhaften ließ und später an Äquatorial-Guinea auslieferte. Trotz der Verwicklung deutscher Staatsbürger in die Umsturz-Pläne ja sogar des Sohns der ehemaligen britischen Premierministerin Magret Thatcher fanden die Ereignisse wenig Aufsehen, in der auch ganz auf den nahen und mittleren Osten konzentrierten Öffentlichkeit, sieht von wenigen Artikeln wie diesem aus der Frankfurter Rundschau ab.
Klar ist nur eines. Wären es britischen Soldaten und keine rechtslosen Söldner, die in einem westafrikanischem Knast vegetieren, wäre das sicher äußerst ärgerlich und Anlass für diverse Aufregung. Wäre es ein Soldat der deutschen Bundeswehr gewesen, der im fernen Äquatorial-Guinea zu Tode gefoltert wurde und kein deutscher Söldner-Logistiker, der Skandal wäre perfekt. Der deutsche Gerhard Eugen Merz starb am 17. März 2004 im "Black Beach"-Gefängnis in Malabo, Äuquatorial-Guenia. Zur gleichen Zeit fiel in China ein Sack Reis um.

Wann kommt die Forderung nach der Freilassung unserer Söldner? Wo sind die Flugzeugträger, die unsere Jungs aus den Fesseln eines afrikanischen Zwerg-Staates freibomben?
Sicher ein leichteres und weniger gefährliches und Aufsehen erregendes Abenteuer als der Irak... (Aber nach den deutschen Söldnern, die im Irak fallen, kräht ja auch kein Hahn.) :rolleyes:
Wenigstens ist der Investor und Chef-Planer Mark Thatcher mit ein Geld- und Bewährungsstrafe davongekommen. Das war schon immer der Unterschied zwischen Soldaten an der Front und Feldherren auf fernen Hügeln. ;)
Aber nur keine Aufregung? Am 3. November diesen Jahres wurden Simon Mann und andere aus ihrer Haft vorzeitig entlassen. Die Gründe sind unklar, immerhin wurde die Södner rechtskräftig zu über 30 Jahren Haft verurteilt. Die Darmstädter Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen das Offenbacher Charter-Unternehmen, das die bewaffneten Briten, Franzosen, Südafrikaner, Armenier usw. nach Äquatorial-Guinea bringen sollte, eingestellt.
Nur Georg Eugen Merz ist noch immer tot. Für die anderen kann der Kampf um Rohstoffe weitergehen.

009
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Do 31. Dez 2009, 18:29 - Beitrag #2

Heftig. Dasw ar an mir ganz vorbeigegangen.
Drum danke für die Info hier - Fazit: Matrix kann auch weiterbilden ;-)

Lykurg
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Do 31. Dez 2009, 19:30 - Beitrag #3

Ich hatte es am Rande mitbekommen, eher unter 'Vermischtes: Kinder von Prominenten und deren Spielzeuge' als unter 'Politik'.

Ungefähr so groß wie Sizilien (oder Brandenburg), aber ein Zehntel der Einwohnerzahl. Dürfte eine der exzentrischstgelegenen Hauptstädte überhaupt haben - auf einer Insel weit entfernt vom Kernland.
Sehr genial aber auch die Herrschaftsform - Präsidialdiktatur, Teodoro Obiang ist Herrscher seit 1979, aber um die Wahl 2001 zu gewinnen, hat er die offizielle Bevölkerungszahl verdoppelt, so daß jetzt keiner weiß, ob es eine halbe oder eine Million Leute da gibt. Mit großem Erfolg: Einige Wahllokale meldeten 103% für ihn!
Das Öl scheint in seine Privatkasse zu fließen, der Rest des Landes bleibt vom Kakao abhängig. Das ist natürlich ein strategischer Partner nach Mugabes Geschmack... Bild

Wie fragwürdig auch immer es ist, in die Souveränität eines Landes einzugreifen, in dem gerade kein Genozid stattfindet, mit Obiang hätte ich aus dem, was ich las, vergleichsweise wenig Mitleid (wenn er auch immer noch besser ist als sein von ihm gestürzter und hingerichteter Onkel). Immerhin die üblichen Menschenrechtsverletzungen. Bild

Interessant auch die kommende Entwicklung im Nachbarstaat São Tomé und Príncipe. Das Bruttosozialprodukt war 2003 mit $283 pro Kopf das niedrigste der Welt; aber jetzt läuft auch da das Wettrennen um die Öllizenzen zwischen USA und China. Was daraus wohl wird...

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Do 31. Dez 2009, 23:40 - Beitrag #4

103%, da werden ja die alten SED-Genossen noch neidisch.
Interessant an São Tomé its, das es schon im Focus einer großen Öffentlichkeit liegt - aber nicht so im politischen Sinne sondern als Angabe, wo der Kakao der Edelschokolade herkommt.

Lykurg
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Fr 1. Jan 2010, 12:45 - Beitrag #5

Stimmt, aber dazu paßt auch, daß sie mal weltgrößter Kakao-Exporteur waren. Schon erstaunlich für ein so kleines Inselreich. Irgendwie erinnern die beiden Staaten mich an Tropico. Bild

Presidente, Ihr Volk wünscht im nächsten Jahr Wahlen.

Traitor
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Fr 1. Jan 2010, 15:30 - Beitrag #6

Ganz an den Medien vorbeigegangen ist die Sache damals durchaus nicht, auch ich hatte ein wenig davon mitbekommen. Sowohl unter dem Aspekt des Thatcher-Sohnes, als auch primär auf die Söldnergruppe insgesamt bezogen. Ob damals auch vom beteiligten Deutschen die Rede war, weiß ich allerdings nicht mehr.

Dass Söldnertruppen ein Land übernehmen sollen, ist prinzipiell natürlich nicht neu. Ich erinnere da an William Walkers Eskapaden in Mittelamerika, übrigens auch bemerkenswert konfus verfilmt. Auch in der Moderne mit ihrem eigentlich deutlich stärker ausgeprägten Souveränitäts-Bewusstsein (auch wenn dieses bekanntlich leicht wieder auszuschalten ist) gab es noch einige andere Beispiele, bevorzugt in Afrika, etwa Monsieur Bob Denard.

Zur Frage, warum die westliche Regierungen so unterschiedlich reagieren, wenn eigene Soldaten oder Söldner in Gefangenschaft geraten. Der Soldat, selbst wenn er sich in einem auslandseinsatzwehrpflichtfreien Staat wie Deutschland nur freiwillig gemeldet hat, handelt im direkten Pflichtauftrag des Staates, somit übernimmt dieser eine Verantwortung für sein Schicksal im Ausland und hat ihn zu befreien, so er in Gefangenschaft gerät. Der Söldner dagegen hat sich ohne Zustimmung des Staates, ja sogar in expliziter Auflehnung gegen dessen Gewaltmonopol (ist dieses eigentlich auch fürs Ausland explizit verbrieft?), zu seinem Kampfeinsatz aufgemacht. Eigentlich kann der Staat also sogar froh sein, wenn ein anderer ihm die Bestrafung abnimmt, und sollte höchstens auf Auslieferung zwecks menschen- und bürgerrechtlich korrekter Verhandlung und Inhaftierung drängen. Eine automatische Ausbürgerung bei Söldnertätigkeiten wäre eigentlich aber durchaus eine nachvollziehbare Maßnahme.

Lykurg, ja, Tropico ist oft erschreckend nahe an der Realität, ob nun für die explizit angepeilte Karibik oder für Afrika oder Ozeanien.

Lykurg
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Fr 1. Jan 2010, 16:54 - Beitrag #7

Die Walker-Geschichte liest sich tatsächlich eindrucksvoll wirr - die beiden erwähnten historischen Romane könnten auch interessant sein. Denard hatte auch eine nette Geschichte zu erzählen, insbesondere auf den Komoren dürfte man ihn lieben.

- Nein, nein, mein Volk liebt mich, eine Wahl ist völlig überflüssig.

Volle Zustimmung natürlich zur grundlegenden Unterscheidung zwischen Söldner und Soldat. Die rechtliche Seite ist allerdings reichlich kompliziert, und insbesondere die Möglichkeit einer Ausbürgerung sehe ich nicht und lehne sie auch ab. Das ist erstens aufgrund der historischen Präzedenz nicht vorgesehen, zweitens würde Staatenlosigkeit eines Söldners die Sanktionierung seiner Handlungen noch weiter komplizieren (es kommt auf die Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Tat an, bzw. spätere Einbürgerung).
Ohnehin ist die Auslandsstraftat eines Deutschen nur dann strafbar, wenn sie im betreffenden Land strafbar ist oder das Land als rechtsfreier Raum gilt (was in einem Bürgerkrieg vielleicht strittig wäre, und dann im Zweifel für den Angeklagten?) - Wäre jedenfalls eher lästig, wenn wegen einer solchen automatischen Regelung sein Verhalten gleich ganz straffrei bliebe. Bild

Menschen- und bürgerrechtlich korrekte Behandlung sind einzufordern, bei Bestehen einer entsprechenden Vereinbarung aber auch die Auslieferung.

Maglor
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Fr 1. Jan 2010, 20:38 - Beitrag #8

Äquatorial-Guinea ist sicher ein sehr merkwürdiges Land, die Geografie allein schon hat Witz. Die Deklaration als Präsidial-Republik mag in europäischen Ohren merkwürdig klingen, ist aber keineswegs ungewöhnlich, sondern vielmehr die in der Region vorherrschende Staatsform. Weitaus mekrwürdiger klingt die Staatsform der Kleptokratie, die Wikipedia angibt.

Das interessante sind nicht unbedingt die Söldner, sondern die Auftraggeber. Schon in Mike Hoares Truppe gab es deutsche Söldner. Als diese z.B. im Kongo die Beseitigung Lumumba und den Putsch der Stil-Ikone Mobutu unterstützen, hatten sie ihre Auftraggeber. Es waren westliche Staaten und deren Geheimdienste, die den Putsch in Auftrag gaben und bezahlten.
Im Falle Äquatorial-Guineas sind auch die mutmaßlichen Auftraggeber bekannt. Hauptfinanzier war wohl ein Öl-Millionär namens Eli Calil. Amüsanterweise handelt es sich um einen Libanesen, der in Nigeria geboren und aufgewachsen ist und dort mit Öl reich wurde. Später zog es ihn nach London, er wurde Brite und plante eben dort rein geschäftlich den Regime-Wechsel in der winzigen Bananen-Republik und ließ durch Thatcher-Junior eine winzige Privat-Armee anwerben. Die Rolle der Staaten Spanien, Groß-Britannien und der USA sind eher gering, es geht da vor allem um Mitwisserschaft und gute Miene zum bösen Spiel.
Das eigentliche Rätsel ist aber noch, warum der Diktator Teodoro Obiang die Auftragsputschisten nun begnadigen ließ und einfach zurück in jene Länder schickte, aus denen sie gekommen waren. Wäre es für einen ordentlichen Diktator nicht angemessen die Herzen der Feinde zu verzehren oder ihre abgeschlagenen Köpfe als Trophäen zu behalten, sie wenigstens in einem Kerker verrotten zu lassen. Warum solche Milde bei diesen Söldner, deren Tod ohnehin niemand geärcht hätte?

Das Interesse Europas und der USA an afrikanischen Kriegen ist nach Ausgang des Kalten Krieges gen Null gesunken. Im Angola-Krieg war das vom westlichen Block finanzierte Söldnerwesen zur vollen Blüte gereift, als Südafrika die pikanterweise von Robert Mugabe vertriebenen rhodesischen Soldaten als Söldner anwarb und nach Angola schickte, wo sie gegen Ché Guevara und seine kubanischen Armee kämpfen dürften.
Nach Zusammenbruch der kommunistischen Bedrohung und dem Ende des Apartheids-Regime in Südafrika verloren diese Söldner ihre bisherigen staatlichen Aufträge und gingen in die freie Wirtschaft. Bewachten z.B. Diamantenminen in Sierra Leone. Durch die USA und Europa erhielten sie später auch in Afghanistan, Irak und am Balkan staatliche Aufträge. Mittlerweile haben die Rhodesier Kollegen aus Allerherrenländer.

Zum rechtlichen:
§ 109 h Strafgesetzbuch
(1) Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Zur Zeit arbeiten ca. 4000 deutsche Staatsbürger als Söldner, vor allem im Irak und Afghanistan. Offensichtlich illegal angeworben, mitunter zum Schaden für die Bundesrepublik. Man beachte etwa, dass die Beteiligung deutscher Söldner an Kampfhandlungen im Irak, der von den deutschen Poltikern gewollten Irak-Politik völlig entgegen läuft.
Deutsche Staatsanwaltschaften haben bisher noch nie weitergehende Ermittlungen ergriffen, ohnehin scheuen sie allein schon wegen der Kosten die Beweisaufnahme im Ausland.

Traitor
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So 14. Feb 2010, 16:38 - Beitrag #9

Ist tatsächlich nur das Anwerben strafbar (mit einer für meinen Geschmack viel zu niedrigen Strafe, auch historischer Präzedenz nach wäre da doch eher etwas in Hochverrats-Regionen zu erwarten), oder auch das Anwerbenlassen? Natürlich könnte man eine Art "er war dumm und brauchte das Geld"-Vorbehalt gelten lassen, aber an sich ist das Bereiterklären zu nicht staatlich mandatierten Gewalthandlungen doch ebenfalls mit krimineller Vereinigung, Verrat und dem ganzen Spektrum ähnlicher Tatbestände assoziierbar. Das Tatlandprinzip greift hier auch eindeutig zu kurz, da eine derartige Tätigkeit, auch im Ausland, offenbar eine grobe Verletzung der heimischen Bürgerpflichten darstellt.

Lykurg
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Mo 15. Feb 2010, 11:17 - Beitrag #10

Die Söldnertätigkeit selbst ist anscheinend nicht strafbar, nur ggf. die im Zusammenhang damit ausgeführten Auslandsstraftaten; ich könnte mir vorstellen, daß dann Söldnertätigkeit als schulderschwerender Umstand gelten würde (geplantes Handeln oder zumindest fahrlässig in Kauf genommen, Habgier).
Aber wie unterscheidet man rechtlich zwischen einer Söldnertruppe und einem privaten Wachdienst?

Der Schlußsatz des Artikels ist mal wieder großartig...
Folter und politische Morde sind in Äquatorialguinea weiterhin an der Tagesordnung, die internationale Akzeptanz des Regimes allerdings ist durch den Ölreichtum deutlich gestiegen.
Bei aller Skepsis gegenüber Söldnertrupps - möglicherweise könnte hier ein Putsch als Fortsetzung des Marktes mit anderen Mitteln Wunder wirken... Bild

Maglor
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Mo 15. Feb 2010, 22:02 - Beitrag #11

Gerade wollte ich mal wieder nach Informationen googlen und musste mit erschrecken feststellen, dass mein Beitrag sich schon auf Seite eins befindet. Tolles Internet, sorgt wenigstens dafür, dass man die Sache nicht so schnell vergisst. Das Thema scheint sogenannte Leitmedien nicht sonderlich zu interessieren, dabei ist doch diese Geschichte so hoch interessiert und irgendwie schon filmreif. :(

Hochverrat, Landesverrat und Co könnten durchaus Anwendung finden, vor allem wenn man bedenkt, dass nahezu alle deutschen Söldner (der hier beschriebene Logistiker ausgenommen) eine Ausbildung bei der Bundeswehr oder Polizei in etwaigen Elite-Truppen erhalten haben. Wenn sie diese Kenntnisse nun an lybische Sondereinsatzkommandos, usbekische Massenmörder oder kosovarische Jihad-Mafiosis weitergeben ist das schon mal höchst bedenklich, sollte doch die geheime Endsieg-Taktik der deutschen Soldateska eigentlich geheim bleiben.

Das Dienen in fremden Heeren ist in Deutschland gar nicht mal so strafbar, selbst wenn man auf der "falschen Seite" steht. Es sind mehrere hundert Islamisten in Deutschland bekannt, die im Bosnienkrieg, im Kosovo, Afghanistan usw. kämpften, aber völlig unbehelligt bleiben, so lange sie keine terroristische Vereinigung bilden. Ihr Jihad im Ausland bleibt ohne strafrechtliche Folgen. Sie werden höchstens illegal nach Guantanamo verschleppt, haben aber eigentlich nichts verbrochen.
Ein interessanter Gegensatz zur Bundeswehr: Werden da die falschen Bomben bestellt und ein hundertschaft afghanische Zivilisten, geht dabei drauf, ist die deutsche Justiz natürlich dank amtlicher Wahrnehmung sofort zur Stelle. Beteiligen sich deutsche Söldner an der brutalst-möglichen Hinrichtung von gefangenen Taliban in Mazar-i-Sharif, bleibt das folgenlos. Und welche deutsche Truppenteile den "Bremer Taliban" Murat Kurnaz nach seinen Angaben in Afghanistan verhört haben, ist noch immer unklar. Geheimdienste und Bundeswehr sind sich keiner Schuld bewusst. Waren das vielleicht auch deutsche Söldner, die die schmutzige Seite des Krieges übernommen haben?

Lykurg
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Di 16. Feb 2010, 00:12 - Beitrag #12

Dienen in fremden Heeren hat nunmal in Deutschland lange Tradition und war vielfach auch Praxis der Herrschenden sowohl für ihre Landeskinder als auch für reguläre Truppen - alles zusammenhängend mit Nationalstaatsbildung... Und auch das deutsche Duodezstaatentum des 20. Jhs. hat mit seinen redundanten Doppelstrukturen dazu beigetragen, einen gewissen Überschuß an militärisch ausgebildetem Fachpersonal anderen Mächten zu Kauf und Miete anzubieten. Möglicherweise hat man sogar doppelten Nutzen davon.

Die extrem korrekte Haltung hinsichtlich Verfehlungen der offiziell eigenen Streitkräfte ist dann die Schauseite der Medaille. In gewissem Maße bedingt sich das auch gegenseitig - wo der legale Krieg zu teuer und zu opferreich wird, sind Söldner gefundenes Fressen?

Traitor
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Mi 24. Feb 2010, 23:24 - Beitrag #13

Die Söldnertätigkeit selbst ist anscheinend nicht strafbar, nur ggf. die im Zusammenhang damit ausgeführten Auslandsstraftaten; ich könnte mir vorstellen, daß dann Söldnertätigkeit als schulderschwerender Umstand gelten würde (geplantes Handeln oder zumindest fahrlässig in Kauf genommen, Habgier).
Natürlich können nur die konkreten Taten verurteilt werden, denn im allgemeinen wird ja niemand so dreist gewesen sein, einen Vertrag zu unterschreiben, auf dem explizit "Söldner" steht. (Oder doch...?) Die Unterscheidung zwischen Söldnern und Wachtdiensten ergibt sich dann auch zwanglos daraus, ob, in welchem Ausmaß und mit welcher Motivlage sie etwas verbrechen.
Meines Erachtens sollten sich, wie auch immer die bisherige Rechtslage ist, die nationalen Justizen hier aber nicht länger zurücklehnen, sondern es müsste entweder ein internationaler Gerichtshof für alle derartigen Aktivitäten zuständig sein oder jedes Land sich um seine eigenen "Exportgüter" kümmern.

Interessant fände ich die Frage, auf welcher Basis die USA den Blackwater-Prozess aufgerollt haben, bzw. wie sie ähnliches in einem anderen Land angehen würden. Ob sie da einfach den Irak als unter ihrem eigenen Recht stehende Dependance ansehen, oder sich tatsächlich auch für Unwesen in Drittländern zuständig fühlen?

Lykurg
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Do 25. Feb 2010, 12:51 - Beitrag #14

Natürlich können nur die konkreten Taten verurteilt werden, denn im allgemeinen wird ja niemand so dreist gewesen sein, einen Vertrag zu unterschreiben, auf dem explizit "Söldner" steht. (Oder doch...?) Die Unterscheidung zwischen Söldnern und Wachtdiensten ergibt sich dann auch zwanglos daraus, ob, in welchem Ausmaß und mit welcher Motivlage sie etwas verbrechen.
Wenn man Söldnertätigkeit klar genug definiert, gehen sie eben doch einen Vertrag ein, der sie zum Söldner macht (selbst wenn sie das nicht auf dem Papier tun, darunter leidet dann nur die Nachweisbarkeit). Parallel dazu gibt es ja auch die "Mitgliedschaft in einer kriminellen (bzw. terroristischen) Vereinigung". Dafür müßte man die Unterscheidung natürlich über die Handlungen hinausführen, wesentlich wären mE der Aufgabenbereich, dessen Ränder und interne Überprüfung/Sanktionierung von deren Überschreitung.

Zumindest bei Blackwater scheint es aber durchaus detaillierte Verträge zu geben, die etwa Rechtsansprüche der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen kategorisch negieren (welchen Bestand das vor einem deutschen Gericht wohl hätte? Bild )

Der Einsatz von Söldnern im Irak wird offenbar von Memorandum 17 der ehem. Besatzungsbehörde rechtlich geregelt. Danach griffe tatsächlich das Recht der Herkunftsländer der Söldner, wenn diese ihre Befugnisse übertreten.

Maglor
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Mo 8. Mär 2010, 20:27 - Beitrag #15

Man könnte sich ja einfach Artikel 26 des Grundgesetzes berufen, wenn dies nicht seit dem 24. März 1999 vollends lächerlich wäre.

Traitor
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Di 9. Mär 2010, 22:39 - Beitrag #16

Lykurg, die 17 scheint (aufoktroyiertes) irakisches Recht zu sein, mit dem also quasi in diesem Punkt die Souveränität des Landes aufgegeben wird, um zurückdelegieren zu können. Den Teil der Frage, den ich spannen fand, kann man am Irak-Beispiel also wohl leider nicht beantworten.

Maglor, Punkt (2) trifft ja offensichtlich nur auf den Rechtsprechungsbereich der Bundesrepublik zu, womit leider naheliegend ist, dass dies auch für Punkt (1) so gedacht ist.
Zum Kosovokrieg fällt selbst mir als Nichtjurist die Ausrede ein, dass das "insbesondere" ein untergeordneter Punkt ist und es primär um das "friedliche Zusammenleben der Völker" geht, ein Angriffskrieg, der dieses rettet statt stört, also nicht verfassungswidrig sei. Ähnlich, wenn auch elaborierter, dürften die offiziellen Begründungen ausgesehen haben.

Lykurg
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Mi 10. Mär 2010, 11:54 - Beitrag #17

Dann wird kaum möglich sein, ein passendes Beispiel zu finden, denn Länder, in denen größere Söldnerheere agieren, dürften sich allgemein in einem Zustand befinden, der mit Rechtsstaatlichkeit allenfalls entfernt verwandt ist; die Gesetzeslage dürfte sich stark den Interessen und Geldgebern der betreffenden Einheiten anpassen. Dies gilt selbstverständlich in keinster Weise für die Basisländer von Söldnerheeren. Bild

Traitor
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Mi 10. Mär 2010, 21:44 - Beitrag #18

Der Unterschied zwischen einem Land, das so desorganisiert ist, dass es seine Souveränität nicht mehr wahrnimmt, und einem, das bewusst auf sie verzichtet, ist schon noch recht groß. Allerdings natürlich nur in Bezug auf die völkerrechtliche Bewertung, nicht auf die Faktizität.

Maglor
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Do 11. Mär 2010, 22:14 - Beitrag #19

Zitat von Traitor:Zum Kosovokrieg fällt selbst mir als Nichtjurist die Ausrede ein, dass das "insbesondere" ein untergeordneter Punkt ist und es primär um das "friedliche Zusammenleben der Völker" geht, ein Angriffskrieg, der dieses rettet statt stört, also nicht verfassungswidrig sei. Ähnlich, wenn auch elaborierter, dürften die offiziellen Begründungen ausgesehen haben.

Beachtet man die Vorgeschichte des Kosovo-Krieges, in der westliche Söldner eine entscheidende Rolle spielten - quasi als der Funke, der das Faß zum überlaufen brachte, um es mal durch Katachrese auszudrücken -, wird einem der Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Völker, den die Mietlinge der NATo geleistet haben schon überdeutlich.

Zur juristischen Haarspalterei:
Vielleicht handelte es sich ja gar nicht um einen Krieg.
Krieg ist ein bewaffneter Konflikt zwischen Staaten. Die Bananenrepublik wurde jedoch gar nicht von einem anderen Staat angegriffen, sondern von einer Firma bzw. ein Konflikt zwichen Äquatorial-Gueinea und dem Multi-Millionär Ely Calil und seiner Mietlinge. Diese Mietlinge sind dann natürlich auch keine Soldaten sondern "illegale Kämpfer"/"ungesetzliche Kombatanten". Deren Massakrierug auf der aquatorialen Folterkammern ist dann natürlich auch legal bzw. egal. ;)

Ipsissimus
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Fr 12. Mär 2010, 11:54 - Beitrag #20

vierstimmiger Chorsatz, unisono, sotto voce, triumphans

"Wir sind die Mächtigen, wir machen was wir wollen.
Und wir machen es, weil niemand uns wehren kann.
Denn dies ist die Welt, es gibt uns, die Mächtigen,
und die Bedeutungslosen, und wir Mächtigen, wir
bestimmen die PR"

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