Was wird Jemen bringen?

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blobbfish
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So 3. Jan 2010, 19:05 - Beitrag #1

Was wird Jemen bringen?

Tja, ich denke, ich brauche da keinen Artikel als Quelle anzufügen, es dürfte ja seit einigen Tagen bekannt sein, dass die USA und Großbritannien Jemen im Kampf gegen den Terror unterstützen wollen. Vielleicht etwas neu ist an der Situation, dass es sich die jemensche Regierung sogar wünscht. Bevor ich hab mehr als die Überswchriften las, hab ich mich gefragt, ob Jemen sich in die Länder eireihen wird, wo wir auch wieder nach der amerikanischen und britischen Truppen aufräumen dürfen. Unzweifelbar steht aber sicher fest, dass es auch für Jemen ein Mandat geben wird. Liege ich da mit meiner Einschätzung falsch? Es wurde ja jetzt auch schon publik gemacht, dass Jemen das Eintrittstor für den Terrorismus ist. Zufällig seit dem 25. Dezember vergangenes Jahres?

Lykurg
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So 3. Jan 2010, 19:58 - Beitrag #2

Nun, Jemen war schon nach dem 11.9.01 kurz im Gespräch (wie auch Saudi-Arabien^^), weil relativ viele AlQis von da kommen - und noch mehr Verdächtige. Im November 2008 saßen über 100 Jemeniten in Guantanamo fest, bei einer Gesamtbelegung von "über 220" im Januar 2009 einer erstaunlich hohe Quote. Außerdem vorher, das Attentat auf die USS Cole, das ja auch nicht ganz unspektakulär war.

Das Land ist eben sehr traditionell arabisch-islamisch, zieht daher auch Islamisten wie den Möchtegern-Attentäter von Detroit an, die gutes Arabisch lernen und mit den richtigen Predigern in Kontakt kommen wollen. Aber das ist nicht die einzige Stärke des Landes, die scheint eher in der Geburtenrate zu liegen. Bild

Jemen scheint zwar nicht sehr viel demokratischer als z.B. Äquatorial-Guinea zu sein, aber immerhin formal gibt es dort Wahlen und somit die theoretische Möglichkeit, daß ein anderer Moslem unblutig das Präsidentenamt erreicht als der, der seit 1978 dran ist. Bild

Naja, das Land ist seit geraumer Zeit mit den USA verbündet, da wird es schon nicht so weit kommen, daß deutsche Enttrümmerungsspezialisten gebraucht würden. Eher wird auf ein bißchen Militärhilfe gegen die regionalen Clans gehofft, vielleicht auch eine Perspektive hinsichtlich Wassermangel, aber den großen Kriegseinsatz halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Maglor
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Mi 6. Jan 2010, 21:47 - Beitrag #3

Die jemenitische Regierung hat schon seit geraumer Zeit Probleme mit dem Hinterland. Dort machen entlegende Stämme, was sie wollen, entführen Touristen, heiraten ihre minderjährigen Nichten usw.
Der Staat kann sich nicht gegen eine archaische Stammesgesellschaft durchsetzen, in denen das Wort des Patriarchen mehr zählt als die Gesetze und in der ein Krummmdolch und eine Flinte zur gewöhnlichen Tracht eines Mannes gehören. Hinzu kommen diverse Rebellengruppen, die nicht nur aus Gewohnheit scharf schießen sondern aus ernsthaften Absichten.
Sprich: Ein Gewaltmonopol des Staates gibt es nicht. Also der idealle Spielplatz für Terroristen aus aller Welt, vor allem wenn deren salafitisch-jihadistische Ideologie den einheimischen Sitten potenziell kompatibel ist. Naja, und Devisen bringt das vielleicht auch noch.

Und wie wird die USA die jemenitische Regierung nun unterstützen? Ausbildung der Sicherheitskräfte durch rhodesische Elite-Söldner oder gleich finanziert einer internationalen Söldertruppe als Anti-Terror-Einheit?
Den Kriegsschrei unbemannter Drohnen kennt der Jemen schon. Bereits 2002 antwortete die USA nach einem Anschlag auf einen US-Zerstörer vor der jemenitischen Küste mit dem Abschuß von Marschflugkörpern auf mutmaßliche Einrichtungen der Al-Kaida im Jemen.
Also im Osten nicht neues.
Außerdem ist dort sowieso schon so was ähnliches wie Bürgerkrieg. Da kommt es auf einer Partei mehr auch nicht mehr drauf an, sorgt höchstens für eine klarere Frontenbildung. :crazy:

Was Vergleich mit Äquatorial-Guinea betrifft: Der Jemen hat immerhin eine höhere Analphabetenquote. :rolleyes:

Lykurg
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Do 7. Jan 2010, 00:31 - Beitrag #4

Auch das weitaus höhere Bevölkerungswachstum (3,4% gegenüber 2,7% in Äquatorialguinea) und den größeren Anteil Jugendlicher an der Bevölkerung. Ein kräftiger Überschuß an schlecht qualifizierten, perspektivlosen jungen Männern war schon immer eine Garantie für... dynamische Außenpolitik eines Landes. Das nächstkleinere Bevölkerungswachstum hat übrigens der Gaza-Streifen.

Die Regierungsferne der Provinzen ist auch großartig für die Archäologen. Im nördlichen Jemen gibt es große Nekropolen, die inzwischen Mondlandschaften sind - Loch neben Loch - weil moderne Grabräuber mit Baggern plündern gehen, um das Zeug für Waffen zu verscherbeln. Fundkontext? Egal. (Und an den Küsten, liest man, steigt die Flut)

Und sonst? Wohl einer der ersten Staaten der Welt, dem das Wasser ausgehen wird. Könnte die Explosivität des ganzen noch erhöhen.

Maglor
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Di 2. Feb 2010, 22:39 - Beitrag #5

Gerade las ich wieder Nachrichten von vorgestern und fiel mir auf, dass der später als der amerikanische Taliban bekannt gewordene John Walker Lindh 1998 in den Jemen reiste, um sich zu bilden. Kurze Zeit später ging er bei Islamisten in Pakistan in die Lehre und ging nach Afghanistan um seinem Lebensentwurf als heiliger Krieger des Islam zu verwirklichen.
Daher: Die Rolle des Jemen bei der Ausbildung sogenannter Al-Kaida-Terroristen ist also seit langem bekannt.

Lykurg
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Mi 3. Feb 2010, 00:53 - Beitrag #6

Ich denke, ziemlich viele Dinge sind bereits in irgendeiner Form bekannt, es ist nur schwierig, sie in 15-minütige Fernsehnachrichtenprogramme zu pressen, weswegen man komplexere Themen lieber gar nicht erst anschneidet, das Publikum könnte sich ja eine mentale Darmgrippe holen.

Maglor
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So 17. Apr 2011, 14:08 - Beitrag #7

Der Südjemen diente seit den 1970er Jahren als Rückzugs- und Ausbildungsgebiet für den internationalen Terrorismus.
Hier errichte die palästinensische Volksfront "PFLP" die ersten Ausbildungszentren. Die PFLP hat den Terrorismus eigentlich erfunden, Attentate, Flugzeug entführungen, Geiselnahmen. (Die Gründen dieser sozialistischen Volksfront waren interresanterweise die griechisch-orthodoxen Palästinenser Wadi Haddad und George Habash. Später bildeten sie dort auch die RAF sowie japanische und italiniesche Terroristen aus.

Ihr Wirt war der Südjemen, damals sozialistische Volksrepublik. Tatsächlich war der Südjemen nämlich bis 1990 ein selbstständiger Staat. Damals übernahm der nordjeminitische Präsidet friedlich die Macht über den Gesamt-Jemen.
Der heutige Separatismus im Südjemen steht unter roten Fahnen, quasi in Tradition der Volksrepublik, im Anhang befinden sich noch diffuse sunnitisch-islamistische Gruppierungen deren genaue Verstrickung und vor allem deren Verbindung zu Al-Kaida unklar ist. Ihre generelle Identifizierung mit der Al-Kaida dürfte im wesentlichen Propaganda sein.
Ihr Ansinnen ist politisch: Die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Südjemens.

In widerum keinen Zusammenhang zum Sozialismus und einem sunnitischen Islamismus im Süden stehen die schiitischen Huthi-Rebellen im Norden des ehemaligen Südjemens. Es scheint teilweise ein Stellvertreter-Krieg zwischen Iran und Saudi-Arabien, als eine Auseinandersetzung zwischen den entgegengesetzten Islamismen und Gottesstaaten.

Wiederum unabhängig davon rebellieren einzelne entlegene, tribale Verbände gegen die Regierung, wollen aber keine Unabhängigkeit, sondern die Zentralregierung um Gelder erpressen.

Die derzeitigen Protestler und Straßenkämpfer scheinen mit dem südjemenitischen Separatismus und Sozialismus, sowie der schiitischen Huthi-Rebellion auch nichts zu tun zu haben.
Es ist die Bevölkerung der Hauptstadt Sanaa im Nordjemen. In Folge der Unruhen hat jedoch die Zentral-Regierung ihre Truppen aus den unsicheren Region zurückgezogen und damit quasi Huthi-Rebellen und Separitisten das Feld überlassen.
Der Golf-Kooperationsrat, der bereits mit Truppenteilen den Diktarorengherbst in Bahrain in einen Sultaninenfrühling zu verwandeln, hat sich auch im Jemen eingeschaltet und versucht Präsident Salih mit Zuckerbrot vom Rücktritt zu überzeugen. (Der Jemen gehört dem Golf-Kooperationsrat nicht an.)

Die Narrenfreiheit der Guerilleros im Jemen führte in der Vergangenheit immer wieder auch zur Verunsicherung der Nachbarn, insbesondere Saudi-Arabiens.
Die Rolle der Öl-Prinzen vom Golf beim Diktatorenherbst sieht nur oberflächlich betrachtet merkwürdig aus. Den Sturz des Sultans von Bahrain verhindern sie mit Waffengewalt, Katar und die Vereinigte Arabischen Emirate bekämpfen mit der NATO Gaddafi im Libyen-Krieg, und der Golf-Kooperationsrat fordert nun Salihs Rücktritt im Jemen.
Eine klare Blockbildung absoluter Monarch gegen diffus sozialistische Präsidenten, Ajatollahs, Kaffern usw.

Innenpolitisch gibt es im Jemen keine klare Frontbildung, sondern eine Vielfalt gegensätzlicher, gewaltbereiter Bewegungen. Der Jemen hat daher das Potenzial ein neues Somalia zu werden. Dagegen spricht jedoch die klare Absicht der Golf-Staaten einen Bürgerkrieg im Jemen zu verhindern der wenigstens zu verhindern. Über die Allianz-Bildung kann natürlich spekuliert werden. Notfalls kommt es wieder zum Schulterschluss zwischen den Golfstaaten und der sogenannten "Al-Kaida" gegen die schiitischen Huthi-Rebellen.

Ipsissimus
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Di 19. Apr 2011, 09:34 - Beitrag #8

wobei die saudiarabische Monarchie gerade versucht, sich innenpolitisch durch enorme sozialpolitische Geschenke von Revolutionen freizukaufen, streng nach dem Motto: wir teilen einen Teil unseres Reichtums mit euch, ihr lasst uns dafür weitermachen wie gehabt.

ich denke, der Jemen ist nur ein relativ kleiner Teil des "Problem Terrorismus", weit davon entfernt, weltpolitisch zur kritischen Masse anzuschwellen. Ein viel massiveres Problem ist mit Pakistan gegeben, aber das Land ist als Atommacht und angeblicher Verbündeter der USA nahezu unantastbar. Der Jemen tut hauptsächlich nur sich selbst weh.

Maglor
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Mi 20. Apr 2011, 22:06 - Beitrag #9

Der Jemen ist fürchte ich, ein Beispiel dafür auf welches gesellschafte und wirtschaftliche Niveau der reichere Teil Arabien in wenigen Jahrzehnten - nach Versiegen der Ölquellen zurückfallen könnte.
Auf der anderen Seite dürften die Beispiele der Ölprinzen zeigen, dass man wilde Völker bis zu einem gewissen Grad eben doch mit Geld zähmen kann. Vielleicht fürchtet der dekadente saudische Wahabit mit seinen Sportwagen, Handys, pakistanischen Zimmermädchen und amerikanischen Aktien ja auch nur seine eigene Vergangenheit oder beneidet gar Arabia felix: den kühnen Araber mit Krummdolch am Gürtel und Flinte über der Schulter und Gebetsteppich auf den dem Dromedar, immer bereit für ein kleines Scharmützel

Ipsissimus
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Mi 20. Apr 2011, 22:13 - Beitrag #10

ich glaube, die Scheich sind gerade dabei, den Edelmetall- und Seltene Erden-Markt leerzukaufen, um auf die Zeit nach dem Öl vorbereitet zu sein

Maglor
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Mi 20. Apr 2011, 22:32 - Beitrag #11

Selten-Erden und Edel-Metalle werden den Scheichs nur so lange gehören, so lange niemand anderer Meinung ist. Eigentum kann enteignet werden. Gab es nicht einstmals osmanische, später britische Ansprüche auf die Ölquellen, die einfach beseitigt wurden? Nichts ist für die Ewigkeit. Sollte die absoluten Monarchien des Orients zusammenbrechen, werden alle ein Fest feiern - allerdings ohne die Prinzen. Die Haschemiten werden dann ihr Geld usw. verlieren genauso wie die Husseins oder Mubaraks.

Alles was sie nicht in den Händen halten gehört ihnen nur scheinbar. Jeder weiß, dass sie die selbst in den Kongo oder China aufbrechen werden, um dortige Rohstoffe in Besitz zu nehmen, ja ihren Eigentumsanspruch gewaltsam durchzusetzen. Da wird es ihnen am Ende wie dem Ben Ali gehen und ihnen gehören nur noch jene Goldbarren, die in den Koffer gepasst haben.

Die Prinzen vom Golf tuen gut daran, ein Übergreifen der revolutionären Bewegung auf den arabischen Kontinent zu vereiteln. Welche Rolle dabei der Jemen spielt, ist mir noch unklar.
Die Völker Arabiens brauchen eine klare Botschaft: nämich, dass sie nicht einfach machen können, was sie wollen.

Was auch immer geschehen wird, für die Jemeniten wird sich wenig ändern. Große Teile des Landes befinden sich nicht unter Kontrolle des derzeitigen Regimes. Ein Rücktritt Salihs würde für die Menschen außerhalb der Ballungsräume nichts ändern. Vielleicht will der Golf-Kooperationsrat auch nur vermitteln, um das Machtvakuum nach Gutdünken mit einer Marionette zu füllen, oder wenigstens einem Nicht-Sozialist oder Nicht-Zaiditen.

Was übrig bleibt sind Weihrauch und Kath. Vielleicht sollte sich mal ein gewiefter Jemenit, um die Etablierung der arabischen Wunderdroge auf den europäischen und amerikanischen Märkten kümmern.

Maglor
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Sa 4. Jun 2011, 11:23 - Beitrag #12

Die meisten werden vielleicht mitbekommen haben, dass sich der Jemen mittlerweile im offenen Bürgerkrieg befindet und in der Haupstadt Sanaa Anhänger und Gegner des Saleh-Regime gegeneinander kämpfen. Der greise Präsident konnte einem Angriff auf seine Villa noch mit dem Leben danvon kommen.

Neuerdings werden die Rebellen in den Medien als "Haschid-Stamm" bezeichnet.
Das ist allerdings mal wieder nur die halbe Wahrheit.
Laut Wikipedia handelt es sich um eine nordjemenitische Stammeskonföderation. Mit dem südjemenitischen Separatismus und den schiitischen Huthi-Rebellen haben sie offensichtlich erstmal nichts zu tun. Interessanter klingt da schon, dass Präsident Saleh selbst dem Stamm angehören soll, dem er kürzlich den Krieg erklärte.
Die Führer der Rebellion sind Scheichs einer traditionellen Stammeselite und hatten im Saleh-Regime ebenfalls hohe Ämter.

janw
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Sa 4. Jun 2011, 12:29 - Beitrag #13

Geht es vielleicht darum, daß die Scheichs eher denken, er sollte sich zurück ziehen und er eben beratungsresistent ist?

Maglor
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Mi 8. Jun 2011, 20:34 - Beitrag #14

Es scheint sich nun mehr um einen internen Streit um Führung zu halten - innerhalb der die verbliebenen Reste von Staatlichkeit tragenden tribalen Gruppe.
An den wesentlichen Problemen im Jemen - Separatismus, praktisch Gesetzlosigkeit, fehlende Staatlichkeit - wird ein Rückzug Salehs auch Druck des Haschid-Stammes wohl nichts ändern. Eine Regierung der nationalen Einheit sehe ich jedenfalls nicht. Für die seit Jahren nur sporadisch unter der Kontrolle der Regierung stehenden Regionen des Jemen wird sich nichts ändern, egal welche Seite aus dem Kampf um Sanaa siegreich hervorgeht.

Bizarrer klingt da nur noch der Freibrief des Westen. Amerikaner und Europäer haben schon im Vorfeld versichert, anders als in Libyen nicht einzugreifen - ganz egal wie viele Demonstranten erschossen und wie viele Zivilisten in einem Krieg der Stadtguerillas draufgehen werden. Die umkämpfte Stadt hat fast 2 Millionen Einwohner.
Der Aufstand der Haschids klingt mehr nach der vollständigen Rückkehr ins Mittelalter als nach einem Aufbruch in die Moderne.
Eine Retribalisierung nach den ideologischen Abenteuern des Ost-West-Konfliktes scheint im Jemen eine schon länger andauernde, untrennbar mit dem Verfall der Staates verbundene Entwicklung zu sein.

Maglor
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Mi 28. Sep 2011, 22:14 - Beitrag #15

Der nach durch einen Angriff schwer verletzte Präsident Saleh ist nach nunmehr monatelangem Krankenhausaufenthalt in Saudi-Arabien unbeeindruckt zurückgekehrt. Der greise Diktator gibt nicht auf.
Der Kampf geht weiter und keiner schaut hin. Wer nun nun die Parteien dieses Bürgerkrieges sind, scheint niemanden zu interessieren. Es dürften mehr als zwei sein.
Bekannt ist, dass die Kämpfe wochenlang direkt in Sanaa stattfinden - oder sind es nur Scharmützel?
Demonstranten werden beschossen oder erobern Militärbasen. Hier und da laufen Truppenteile über. Im Stadtgebiet werden schon mal Flugzeuge abgeschossen.

Was wohl gerade im jemenitischen Hinterland los ist? Aber darum gibt es ja seit Jahren nur noch Gerüchte ...
Kein Öl im Land und schon versagt die Presse.

Maglor
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Di 4. Okt 2011, 18:14 - Beitrag #16

Im Jemen agieren nun mehr offiziell Kräfte der dritten Art: Amerikanische Drohnen.
Nach US-Angaben hätte unbemannte Flugobjekte den sogenannten Al-Kaida-Hassprediger Anwar al Awalaki getötet.
Der Stamm der jemenitsche Stamm der Awalik widersprach den Angaben des US-Verteidigungsministerium, das offensichtlich nur Erfolge meldet - etwaige Liquidierung unprominenter Awalik verbleiben geheim.

Im Übrigen handelt es sich bei dem Hassprediger um einen US-Bürger. Offensichtlich war die Mission der Drohnen einen US-Bürger zu töten, ist ja egal, wenn dabei ein paar Ziegenhirten draufgehen.
Der US-Jemenit lebt seit Jahren unter dem Schutz des südjemenitischen Awalik-Stammes, die ihn auch vor Verfolgungen durch das Saleh-Regime schützt.
Es handelt sich um einen der wenigen versierten militant-salafitischen Immame, der die englische Sprache beherrschte, und daher in der vorwiegend englisch-sprachigen, internationalen Terror-Szene weite Kreise ziehen konnte.

janw
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Di 4. Okt 2011, 18:50 - Beitrag #17

Daß Awlaki ein us-Bürger war, könnte eigentlich Sprengstoff bergen, die Tötung widerspricht IMHO der amerikanischen Verfassung. Oder sollte die halbautonom agierende Drohne hier einen Ausweg darstellen?

Lykurg
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Di 4. Okt 2011, 19:18 - Beitrag #18

Deren Verfassung verböte explizit die gezielte Tötung eigener Bürger? Das wäre mir neu, und selbst wenn, gäbe es Ausnahmen davon, wie diesen Doppelmörder, der gerade in Kalifornien erschossen wurde (ohne Vorwarnung). Ansonsten könnte man aber sicherlich argumentieren, daß für Muslime, insbesondere wenn sie ohnehin im Ausland leben, diese Rechte nur eingeschränkte Gültigkeit haben können. -

janw
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Di 4. Okt 2011, 19:48 - Beitrag #19

Mir sagt der Fall dieses Doppelmörders gerade nichts...
Ansonsten gilt doch aber, daß ein Verdächtiger Bürger einem Gerichtsverfahren unterzogen werden muss. Wenn das Gericht auf eine entsprechende Tat erkennt und eine entsprechende Strafe verhängt, darf in einigen Bundesstaaten die Todesstrafe angewandt werden.

Maglor
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Di 4. Okt 2011, 20:03 - Beitrag #20

Obamas Krieg gegen den Terror ist offensichtlich nicht nur weitaus effektiver sondern skrupelloser und hinterfotziger als der seines Vorgängers.
Die Tötung Osama bin Ladens in einem im Grunde friedlichen Teil Pakistans hat es schon bewiesen. Sie begnügen sich nicht damit, Gegenden zu verhehren, in denen sie offiziell Krieg führen. George Bush II. konzentrierte seine Anstrengungen auf nahezu konventionelle Kriege, die neue Regierung hingegen scheint sich an solche Traditionen nicht mehr zu halten, sondern fällt mir der Luftwaffe, Spezialkräften oder Drohnen, dort ein, wo es hier beliebt. Eine konventionelle Kriegsführung mit Bodentruppen, politischer Verantwortung und parlamentarischen Risiken scheut sie wie das Weihwasser, siehe Libyen.

Awlakis Jünger John Walker Lindh "der amerikanische Taliban" erfuhr z. B. als US-Bürger eine Sonderbehandlung, z. B. ein halbwegs ordentliches Gerichtsverfahren und einen Gefängnisaufenthalt im Inland. Damals gab es so etwas wie eine Schonzeit für US-Amerikaner.
Die Awlakis Ideologie folgenden Terroristen - genannt Al-Kaida - waren auf den Amerikaner angewiesen. Die ihm zugeschriebenen Padawane und Attentäter waren Amerikaner, Somalis usw., die nicht genug Hocharabisch verstanden, um einem original saudischen oder ägyptischen Erz-Islamisten folgen zu können.

Awlaki selbst lebte bis 2002 nahezu unbehelligt in den USA, bis 2004 in GB. Seine Einstellungen, die er öffentlich verbreitete und auch seine (im wesentlichen nicht strafbaren) Verbindungen zu diversen Terroristen waren bereits bekannt.
Erst seit 2010 versucht die Obama-Regierung ihn zu töten.

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