Danke für den Kartenlink, Lykurg. Die gut zu beobachtenden Korrelationen mit der normalen Wahlbeteiligung und sozialen Indikatoren (Arbeitslosigkeit, Ausländeranteil) bei schwacher Korrelation mit sachbezogenen Indikatoren (Schülerzahl) spricht für mich doch sehr dafür, diese Abstimmung als Zeichen gegen die Interpretation von Nichtwählern als bewussten Protestlern zu werten.
Ich kann es nach wie vor nicht fassen, daß ein so großer Teil der Wählerschaft in der Bürgerschaft offensichtlich nicht repräsentiert ist, deren Entscheidung einstimmig war.)
Ich denke, diesen Schluss kann man aus der Abstimmung nicht ziehen. Eher spricht sie für mich dafür, dass die Schulpolitik für die meisten Wähler kein bestimmendes Kriterium bei der regulären Wahl ist. Wie leider auch die meisten anderen Sachthemen, Landeswahlen werden wohl vor allem nach farblichen und personellen Sympathien sowie nach aktueller bundesweiter Stimmungslage entschieden.
Außerdem dürften ja einige Parteien in der Bürgerschaft sich bei dieser Reform anders verhalten haben, als bei der letzten Wahl versprochen - zumindest kann ich mir kaum vorstellen, dass bei euch CDU und FDP von selbst Gemeinschaftsschulen angestrebt hatten? Warum gerade letztere sich ihnen angeschlossen hat, verstehe ich auch nicht ansatzweise.
Noch zur Politik: die Klagechancen gegen solche Wahlzettelmethoden sehe ich schon als zumindest nichtverschwinden an. Sicher würde man keine Wiederholung eines Volksentscheides erreichen, Wahlen werden ja fast nie annulliert. Aber eine Verpflichtung der Wahlleiter zu neutralerer Arbeit könnte ich mir vom BVG durchaus vorstellen.
Und nun zum Bildungssystem an sich:
die Wahlfreiheit, mit der die Bürgerschaft zuletzt sogar Werbung machte, kam erst auf massiven Druck der Initiative und angesichts ihres anfänglichen Erfolges zustande.
Dabei ist die Wahlfreiheit für mich ein recht großes Übel. Schulzuordnung nach Wohnort lieber nicht, das ist veraltet. Aber Schulformzuordnung nach Zeugnis, wenn auch mit gewissen Ermessensspielräumen, halte ich für dringend geboten, um das Niveau der Gymnasien noch retten zu können. Andersherum kann man die Elternentscheidung auch als geschicktes Untergraben des gegliederten Schulsystems durch dessen Gegner ansehen...
Und die verpflichtende Empfehlung nach Lehrerermessen wäre gerade ein Mittel gegen soziale Schichtenbildung im Bildungssystem, denn ohne Schulempfehlung schicken alle reichen Eltern ihre noch so dummen Kinder aufs Gymnasium, da sich das für ihren Stand ja so gehört, während sozial benachteiligte Eltern sich bei einem Wackelkandidaten im Zweifel nicht trauen, ihn auf die höhere Schule zu schicken. Geht es rein nach Leistung, ist das viel gerechter.
Natürlich muss man sicherstellen, dass nicht einzelne Lehrer nach Willkür entscheiden, sondern eine vernünftige Beurteilung zustande kommt. Und es dürfen nicht nur die abgelieferten Noten beurteilt werden, sondern auch die gezeigten Potentiale müssen eingehen, um zum Beispiel durch Nichtmuttersprachlichkeit benachteiligten Spätstartern entgegenzukommen.
Meine Aussagen zu Pauk-/Heitetei-Schule musst du nicht groß relativieren, sie waren ja schon als Relativierung zu euren gedacht, mit dem Mittelweg sollten wir uns alle ziemlich einig sein.
Zu ehemaligen Lehrern, die sich in den Ministerien hochgearbeitet haben, habe ich eine sehr ähnliche Meinung wie du.
@Ipsissimus: Zur Wahlbeteiligung siehe oben. Zur sozialen Elitenbildung bzw. -erhaltung im Schulsystem:
Meines Erachtens läuft die ganze öffentliche Diskussion hierzu völlig falsch ab. Sicher gibt es ein paar Misstände innerhalb der Schulen, aber im wesentlichen sind es nicht die Schulen, die Bildungs- und damit Sozialstands-Differenzen einbetonieren. Es sind die Elternhäuser und sozialen Umfelder. Unser Schulsystem ist auf dem Papier nahezu perfekt sozial blind und nur nach Leistung und individuellem Verhalten richtend, und auch die meisten Lehrer bewerten meines Erachtens in der Praxis ziemlich fair nach Leistung und Verhalten, nicht nach Herkunft. Aber ein Kind aus sozial schwierigen Umständen kommt nunmal oft schon mit einer Anti-Schul-Erziehung an die Schule, oder erlernt diese Haltung während seiner Jugend von seinem Umfeld.
Gegen diese Blockierkräfte das Potential aus einem Schüler herauszuholen, ist für die Schule sehr schwer. Damit sie es wirklich könnte, müsste sie viel mehr Einfluss auf das tägliche Leben der Schüler haben, und das ist wiederum für Kinder aus besserem sozialem Umfeld eine Zumutung. Man müsste also entweder, politisch derzeit völlig unvertretbar, hierbei sortieren, oder eben verstärkt Maßnahmen außerhalb der Schule vornehmen, bei denen ich in der verfahrenen aktuellen Situation aber auch keine All- oder auch nur Teilheilmittel sich anbieten sehe.