Charles Taylor - Der große Diktator

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
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Di 10. Aug 2010, 22:14 - Beitrag #1

Charles Taylor - Der große Diktator

Auf besonderen Wunsch eines Matrixianer hier nun das Thema Charles Taylor.

In jüngster ist der Ex-Warlord, Ex-Präsident und Ex-Halbgott ja wieder auf dem Vormarsch im Klatsch-Programm. Grund der Aufregend: 1997 soll der damalige Präsident Liberias dem Top-Model Naomi Campell mehrere sogenannten Blut-Diamanten geschenkt haben. Die Sache mit dem Präsent wird nun vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal für Sierra Leone weiter erforscht.

Aber kehren wir zurück zum eigentlichen Interesse: Charles Taylor
Charles Taylor wurde 1948 in Liberia, dem Land der Freiheit geboren. Gegründet wurde der Staat von freigelassenen Sklaven, die aus Nordamerika nach Afrika zurückgeschickt wurden. Dort gründeten die gescheiterten Afro-Amerikaner, indem sie als Liberio-Amerikaner als Oberschicht die Autochtonen dominierten.
Charles Taylor vereint als Kind einer Mischehe beide Volksgruppen in sich.
Wie viele Liberio-Amerikaner ging er zum Studium in die USA und studierte dort BWL, später studierte er in Lybien Bürgerkriegswesen, Terrorismus und die anderen tollen Sachen, die ein Bösewicht im BWL-Studium nicht lernen kann.

Mit seiner radikal-baptistischen Art machte er sich viele Freunde, unterhielt Kontakte zu Jesse Jackson, Jimmy Carter und anderen Gutmenschen aus den USA. So ernannte er Jesus Christus zum Staatspräsidenten, was ihn selbst zu dessen Stellvertreter machte. Gleichzeitig baute er noch einen animistischen Poro-Geheim-Kult auf mit Menschenopfer, rituellem Kannibalismus usw. Ehemalige Poro-Kultisten sprechen davon, sie hätten den Teufel verehrt. Aber das ist noch nicht der Gipfel. So handelte er mit Blutdiamanten über den Weg der libanesischen Hisbollah und angeblich auch der Al Kaida. 2009 ließ der inhaftierte Ex-Präsident schließlich verlauten, er sei schon seit einiger Zeit zum Judentum übergetreten, seine Frau versichtere jedoch, dass er noch immer das Christkind liebt und zwei Religionen folgen will.

Charles Taylor, ein Mann, ein Mirakel...
So viele Facetten, so viele Kindersoldaten aufs Koks, so viele abgeschlagende Hände und durchgeknallte Voodoo-Geschichten...
Wenn er doch wenigstens noch Kommunist wäre, dann wäre er doch der Feind in Person, aber politische Ideologien sucht man vergebens. Der offizielle Wahl-Slogan zur Präsidentschaftswahl: "He killed my ma. He killed my pa. I'll vote for him."

Lykurg
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Di 10. Aug 2010, 23:17 - Beitrag #2

Ja, ein wirklich äußerst facettenreicher Werdegang. Du hast seine Haftzeit in den USA verschwiegen, die unter dubiosen Bedingungen ein vorzeitiges Ende fand. Möglicherweise fand man, der Mann sei in Freiheit nützlicher. Das hat man sich dann später wieder anders überlegt.

Der Wahlslogan ist sicher der aggressivste, der mir bisher so untergekommen ist. Unsere Werbetexter können offenbar in Afrika noch viel lernen...

Aber auch die unpolitische Komponente ist nicht unspannend. Welche Ideologie wäre in den 90ern auch noch infrage gekommen für einen solchen Bösewicht? In den 70ern hätte er es sicherlich als Kommunist probiert, um sowjetische Unterstützung zu bekommen, und heimlich Westgelder dazu eingesammelt. Nun ist derartiges nicht mehr lukrativ und damit uninteressant; Diktatur darf wieder unpolitisch sein.

Ipsissimus
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Mi 11. Aug 2010, 12:49 - Beitrag #3

Taylor darf mit einiger Berechtigung als wenig netter Mensch charakterisiert werden; den gesamten Affentanz eingerechnet, der um seine Person, vor allem aber um die Begehrlichkeiten liberianischer, ghanesischer, nigerianischer, togolesischer, sierraleonischer, elfenbeinküstlicher, südafrikanischer und US-amerikanischer Politik aufgeführt wurde, vermag ich es allerdings nicht, irgendeiner der beteiligten Parteien meines Mitgefühls zu versichern. Klar, Taylor war und ist ein Scheisskerl, aber er war und ist nur ein Scheisskerl unter Scheisskerlen, und leider folgen die Anklagen beim Den Haager und anderen Menschenrechts-Gerichtshöfen weniger den Zuständigkeiten für die Massaker und Kinderarmeen vor Ort als vielmehr dem beliebten politischen Spiel "Wer ist mir gerade am nützlichsten", das nicht nur die USA und andere einflussreiche UNO-Länder da unten spielen, sondern eigentlich alle dort geografisch lokaliserten Länder mit ihren ununterscheidbaren Gewirren aus Militär- und Rebellendiktaturen.

Die Sache mit den Blutdiamanten finde ich eigentlich sogar richtig albern, denn ganz klar steht in jedem Diamanten drin, wofür sein Verkaufserlös verwendet wird. Zumal die wirklichen Blutdiamanten, die, für deren Förderung Menschen ihr Leben lassen mussten, dabei gar nicht berücksichtigt werden, also gute Diamanten sind^^

Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Taylor schuldunfähig ist^^ sein Verhalten erinnert jedenfalls an eine Kombination von unbehandelter Syphilis im 3. Stadium und permanent-akuter psychotischer und schizophrener Anfälle.

Lykurg
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Mi 11. Aug 2010, 12:58 - Beitrag #4

@Diamanten: Richtig, insbesondere der Auftritt von Naomi Campbell sah eher nach einem PR-Gag als nach einem rechtlich relevanten Beitrag zum Prozeß aus. Vielleicht sollte man Taylor lieber für seine Verantwortung im Bürgerkrieg zur Rechenschaft ziehen als dafür, wie er ihn finanzierte.

Schuldfähig nach hiesigem Maßstab vielleicht nicht, aber ich befürchte, wenn man das für afrikanische Diktatoren gelten läßt, reicht die Zahl der infragekommenden Personen in den betroffenen Ländern noch für mehrere Jahrhunderte. Meinetwegen Sicherungsverwahrung. ;)

Maglor
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Mi 11. Aug 2010, 13:34 - Beitrag #5

Finde den Aufriss um Diamanten und Top-Models auch irgendwie denkwürdig, beachtet man die eigentlichen Vorwürfe gegen Charles Taylor: Massenhafter Einsatz von Kindersoldaten, Plündern und Brandschatzen, Massenverstümmelung, Massenvergewaltigung, Verzehr von UN-Friedenstruppen...

Was die Schuldunfähigkeit betrifft, ist folgendes festzustellen.
Der Großteil der Kämpfer stand unter Drogen. Eine großer Teil war minderjährig und/oder zwangsrekrutiert.
Die sogenannte RUF, also die von Liberia favorisierte Rebellen-Truppen in Sierra Leone, baute ihre Armee wie folgt auf. Sie fing Kinder, die in der Lage waren ein MG zu halten, ritze oder brannte die Initialen RUF in deren Haut ein. In der Folge gehörten sie der RUF. Flucht war unmöglich. Wer immer sie fand, er würde sie töten, weil sie zur RUF gehörten oder eben geflohen waren.
Ich fürchte niemand dort war zurechnungsfähig.
All die Greueltaten haben den faden Beigeschmack eines Drogentrips. Auch die Aussagen der Generäle klingen nach einem Alptraum.

Hier ein Interview mit "General Butt Naked", der dafür bekannt wurd mit den seinigen vollkommen nackt und bekifft in den Krieg zu ziehen, wie in einem schlechten Film. (Hier ist anzumerken, dass tatsächlich amerikanische Action-Filme aller zur Unterhaltung und Ausbildung der "Soldaten" eingesetzt wurden.)
Der "General" gibt an: In 1996, while charging naked into a battle, Blahyi said God appeared and told him he was a slave to Satan, not the hero he considered himself to be, according to an earlier interview with The Associated Press.
Klingt durchaus psychotisch, aber er war der Chef. Jetzt sieht er sich als "wiedergeborener Christ", der der Macht des Teufels entkommen ist.

Ipsissimus
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Mi 11. Aug 2010, 14:04 - Beitrag #6

jedenfalls entzieht es sich meinem Verständnis, woher die Campbell wissen soll, wofür der Erlös der Steine vorgesehen war - zumal speziell die ihr geschenkten Steine offensichtlich gar nicht verkauft worden sein konnten

ich halte die Kindersoldaten, zumindest in der großen Masse, selbst für Opfer; ihnen gebührt meines Erachtens und unabhängig davon, wieviele Menschen von ihnen getötet wurden, strafrechtliche Unbehelligtheit. Ein anderes Problem wird es sein, diese vielen hunderttausende zutiefst traumatisierter Menschen wieder in eine Gesellschaft einzugliedern, in der sie ein einigermaßen humanes Leben führen können, andererseits aber auch die Gesellschaft nicht befürchten muss, dass die Traumatisierungen eines plötzlichen Tages sich in Gewaltausbrüchen Luft machen. Dazu müsste es aber erst einmal Gesellschaften dort unten geben, denen das ein echtes Anliegen ist. Es steht zu befürchten, solange dort unten einfach nur ein Diktator auf den anderen folgt, diese und neue Kindersoldaten noch lange nicht am Ende ihres Leidensweges angelangt sein werden. Und dass das Ende der allermeisten nichts anderes als ein gewaltsamer früher Tod sein wird.

Und deswegen betrachte ich Prozesse gegen die Scheisskerle mit Wohlwollen, sehe aber auch, dass da unten praktisch ausschließlich Scheisskerle die Macht unter sich verteilen, so dass das Herauspicken bestimmter Scheisskerle bestenfalls im Sinne eines pars pro toto Genugtuung erzeugt. Aber das "toto" ist das Problem, nicht das "pars". Es gibt in diesen Ländern einfach keine echten politischen Perspektiven, alles wird letztlich über Gewaltabgleich entschieden. Und der gute Verbündete und Menschenfreund von heute ist der Schinder von Morgen, zumindest war es bislang so.

Lykurg
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Mi 11. Aug 2010, 15:47 - Beitrag #7

Pars pro toto, ja, aber außerdem würde ich davon ausgehen wollen, daß es sich bei Taylor um einen der schlimmeren handelt (und sei es nur, weil er besonders erfolgreich war, will sagen, besonders lange eine besonders große Bevölkerung/Fläche in Mitleidenschaft ziehen konnte). Durch seine Entfernung wurde also die Welt ein kleines Stück besser; wenn man das regelmäßig tut, macht es vielleicht irgendwann auch was aus, oder zeigt zumindest den rationalwn Wahnsinnigen (also der gefährlichsten Sorte), daß sie es nicht zu toll treiben sollten.

Zu den Kindersoldaten stimme ich zu, wobei auch da eine Generalamnestie meines Erachtens nicht unbedingt sinnvoll ist, weil damit auch der Therapie von Opfern und Tätern wenig Raum bleibt und eine Selbstheilung der Gesellschaft sehr unwahrscheinlich wird. Drogenrausch hin oder her, wer Befehlsgewalt innehatte, sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden können. Ein solches Geschehen unter den Teppich zu kehren, führt längerfristig wieder zu schlimmen Folgen; vielversprechend scheint mir der Ansatz der traditionellen Gerichtsbarkeit in Ruanda.

Skurrile Vorstellung: Naomi Campbell erscheint versehentlich am falschen Verhandlungstag und soll zu Taylors Kannibalismus aussagen. Sie: Beim Dinner bei Nelson Mandela hat er nur Hummer gegessen, glaube ich, ganz genau gesehen habe ich es aber auch nicht. Bild

Maglor
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Mi 11. Aug 2010, 22:25 - Beitrag #8

Bei Charles Taylor sehe ich aber auch etwas neues, nämlich dieses unideologische.
Es gab durchaus schon Diktatoren mit ähnlichen Neigungen wie Taylor, z. B. Ugandas Diktatur Idi Amin. Auch er soll Menschenfleisch nicht verschmäht haben oder wenigstens die abgeschlagenen Köpfe seiner Feinde tiefgefroren haben.
Der Unterschied ist jedoch der, dass Idi Amin echte Parolen hatte.
Das neue an Charles Taylor ist die Wirtschaftskriminalität. Krieg um Diamanten, Waffenhandel usw... aber kein Programm, nicht mal rassistische Lehren für den Völkermord sondern einfach ein plankes Gemetzel.

Eine Eigendynamik der Gewalt bei der es vor allem um Geld geht und um persönliche Beziehungen. Um die Beziehung der Gefolgsleute zum Anfrührer und die Beziehungen der Warlords untereinander. Grotesk ist da etwa die ewige Schützenhilfe der Warlords, die sich alle aus der Diktatoren-Universität in Lybien kennen.
Die innerafrikanischen Beziehungen sind auch wesentliche Grundlage der Miseren. Es gehört praktisch zum guten Ton, dass ein Staat die Rebellen im Nachbarland unterstützt und dort gegebenenfalls einmarschiert. In Lybien ausgebildet, fällt Taylor von der Elfenbeinküste in Liberia ein, um schließlich von dort aus zusammen mit Burkina Faso seinen alten in Lybien kennengelernten Freund von der RUF mit Waffen zu beliefern.
Ins Bild passen auch Nachrichten, dass Taylor in Den Haag sich mit einem ehemaligen Studienkollege aus lybischer Zeit trifft, der wegen diverser Greueltaten im Kongo-Krieg einsitzt.

Ipsissimus
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Fr 13. Aug 2010, 10:01 - Beitrag #9

na ja, wir leben in postmodernen Zeiten, Maglor^^ so richtig glaubt doch eh niemand mehr an den ganzen ideologischen Quatsch^^ und wenn erst mal der ganze mythische Klamauk ad acta gelegt ist, bleibt eine einzige Frage: welche menschlichen Organe schmecken am besten^^

das Netzwerk, das du aufzeigst, ist imo der wesentliche Aspekt. Ganz ähnlich wie bei unseren Politikern ist es auch dort unten nicht mehr wirklich von Belang, wer gerade wo konkret die Befehle erteilt. Sie wissen in jedem Fall, dass es einer ihresgleichen ist. Das schafft, bei aller Rivalität um den längsten Schwanz, Vertrauen durch Verständnis der Motive. Es sterben ja eh nur die Zivilbevölkerung und die Kindersoldaten. Und wenn es doch einen aus dem Kader trifft, die Ungeschickten werden eben ausgemendelt^^

Durch seine Entfernung wurde also die Welt ein kleines Stück besser ...
ich weiß, dass du weißt, was eine Hydra ist, Lykurg^^ und die Lösung des Herkules ist hier nicht anwendbar, es sei, wir werfen dort ein paar Gigatonnen-Bomben ab^^

hinsichtlich der Kindersoldaten ist mir eigentlich egal, wie der Formalismus konkret aussieht, der ihnen Straffreiheit garantiert, solange selbige nur gewährleistet ist. Leider ist das trotzdem nur ein Viertel des Problems. Wie man diese Kids vor sich selbst und die Gesellschaft vor ihnen beschützt, ohne den alten neue Vergewaltigungen hinzuzufügen, das ist die eigentliche Frage - vollkommen ungelöst bisher (ein ähnliches Problem wie bei den Straßenkindern von Medellin, von denen viele schon als Sechsjährige abgebrühte Killer sind)

Lykurg
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Fr 13. Aug 2010, 11:57 - Beitrag #10

Ich fand die Sage immer etwas unlogisch, schließlich können die Köpfe nicht ohne Verzögerung nachwachsen, es kommt also im Wesentlichen darauf an, wie schnell Herakles zuschlagen kann (und vielleicht lernt er auch, mehrere Köpfe auf einmal zu rasieren). Wäre natürlich hübsch, wenn Iolaos eine systematisch tiefergreifende Lösung präsentierte, aber bis dahin muß Herakles sehen, was er erreichen kann. Eine Möglichkeit wäre, Libyen als (zugegebenermaßen recht schuppigen) Leib der Hydra zuerst zu attackieren - oder wenigstens den Sumpf trockenzulegen, in dem sie lebt.

Ohnehin kommen weltweit in der Jugendkriminalität neue Aufgaben auf uns zu, die große pädagogische und kinderpsychologische Betätigungsfelder bieten. Ich denke aber, daß die Traumatisierung etwa der RUF-Kids wesentlich tiefgreifender sein dürfte angesichts der vielfach gebrochenen sozialen Tabus. In Kolumbien sind die Verhaltensweisen vergleichsweise eingebettet in die moralischen Gegebenheiten. Bild

Ipsissimus
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Fr 13. Aug 2010, 14:23 - Beitrag #11

Eine Möglichkeit wäre, Libyen als (zugegebenermaßen recht schuppigen) Leib der Hydra zuerst zu attackieren - oder wenigstens den Sumpf trockenzulegen, in dem sie lebt.
na ja, man könnte sich auf des Standpunkt stellen, es gebe schon genug Kriege auf der Erde, wir müssten nicht um jeden Preis noch einen anfangen^^ aber vielleicht gibt es ja bald eine biologische Lösung des Problems, so jung ist Ghadafi nicht mehr^^ allerdings glaube ich nicht, dass Lybien etwas mit dem Problem zu tun hat; das ist nur ein Kriegsschauplatz, nicht die Ursache des Kriegs.


Ich fürchte nur, wir werden uns mit Verhaltenstherapie zufriedengeben. Allein schon die schiere Masse dieser Kinder macht individuelle Therapien fast unbezahlbar, geschweige denn die Zustände in ihren Ländern. Und ob irgendein Land unseres Standards bereit wäre, im signifikanten Maße ausgebildete und emotional unberechenbare Killer aufzunehmen, darf bezweifelt werden

Maglor
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Fr 13. Aug 2010, 14:31 - Beitrag #12

Ipsissimus, möchte ich insofern wiedersprechen, als dass Charles Taylor tatsächlich ein herausragender Schinder war.
Im Bürgerkrieg von Sierra Leone setzte zwar auch die Regierung zwangsrekrutierte Kindersoldaten unter Drogen, ließ Dörfer niederbrennen, Gefangene erschießen...
Überhaupt scheinen beide Parteien im wesentlichen das Ziel gehabt zu haben, ihre Soldateska ab laufen zu haben, sprich im Kriege selbst Nahrung, Drogen und Munition zu erbeuten und besser noch die Diamanten zu kontrollieren.
Nur die RUF hat eben ganz andere Maßstäbe gesetzt. So mag es in Kolumbien schon sechsjährige abgebrühte Killer geben, innerhalb der RUF gab es abgebrühte Köche. Die Gewalt erreichte bisher ungeahnte Ausmaße. Ihr Verhalten erinnert mich schon irgendwie an Orks.

Was die Wurzeln betrifft, so denke griff Charles Taylor vor allem auf Dinge zurück, die in Liberia schon vorhanden waren und nutzte sie zu seinem Vorteil.
Die Freiheit des einzelnen wurde in jenem Teil Afrikas nie sonderlich geachtet. Sklaverei, Menschenopfer, Södnerwesen haben eine lange Tradition, betrachten wir es doch als einen vorhumanistischen Naturzustand, wie es sich im europäischen Mittelalter noch vor Ausrufung eines allgemeinen Landfriedens vorfand. Charles Taylor war dazu in der Lage sein leicht beeinflussbares Umfeld mit dämlichen Sprüchen über Jesus Christus und blutigen Ritualen an sich zu binden und natürlich mit dem wirklich beeindruckenden Gewaltspirale zu brechen.

@Libyen spielte sich lange Jahre als Möchtegerngroßmacht in Afrika und anderen Teilen der Welt auf.
Zurzeit scheint dieser Größenwahn jede terroristische Vereinigung der Welt zu fördern überwunden. Stattdessen hat Gadaffi sein neues Alterego als Friedensfürst gefunden und scheint seinen Größenwahn mit dem Aufbau ener Afrikanischen Union nach Vorbild der EU zu befriedigen. Wie auch immer: Der Plan die Umma, Afrika oder besser noch die Welt zu beherrschen besteht noch immer.
Klar ist nur, dass Liybien in den 80ern tausende Menschen aus Afrika, aber auch Pakistan, Bangladesch und Indien ins Land lockte und zu Soldaten einer nominell islamischen Fremdenlegion für die eigenen Großmachtpläne ausbildete.
Diese expansive Politik scheint beendet, aber die in Libyien ausgebildeten Söldner sind noch unterwegs. Der Dienst in Gaddafis Söldnertrupp scheint als Karriere-Sprungbrett für afrikanische Warlords eine ähnliche Rolle zu spielen wie der Dienst in französischen oder britischen Kolonialtruppen Jahrzehnte zuvor.
Gaddafis islamische Legion
Das Vorgehen Gaddafis war und ist jedoch selbstlos und nur der eigenen Geltungssucht geschuldet. Libyien hat als einer er wenigen afrikanischen Staaten die Ressourcen für solche Abenteuer und natürlich auch die notwenige Klatsche diese für andererleuts Kriege zu verschwenden.
Die Situation in Sierra Leone war eine andere. Hier haben wir es mit einer Art modernem Kolonialkrieg zu tun. Charles Taylor ließ sich von der RUF mit Diamanten auszahlen, die Regierung Sierra Leone versprachen dem Söldnertrupp Schürfrechte in den Regionen, die sie befreite. Es war ein Krieg um Diamanten. Liberia griff mittels der wirren RUF nach den Schätzen des Nachbarlandes. Einem Herrn Gadaffi wäre es doch nie in den Sinn gekommen Waffenlieferungen mit Diamanten bezahlen zu lassen... ;)

Ipsissimus
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Fr 13. Aug 2010, 16:09 - Beitrag #13

ich wollte Taylors Bedeutung nicht schmälern, Maglor, nur darauf hinweisen, dass es in einem Haifischbecken nicht wirklich darauf ankommt, welcher Haifisch am meisten frisst^^

auch Lybiens Rolle ist mir im Prinzip klar; nur, wenn es den Hass auf die Politik der westlichen Industriestaaten, und da vernehmlich auf die USA nicht gäbe, könnten die soviel angeboten haben, wie sie wollen. Der Hass ist der Schlüssel, nicht die Art der konkreten Umsetzung - da findet sich immer was

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Di 21. Sep 2010, 18:04 - Beitrag #14

Och, ich glaube der Hass auf die USA ist gar nicht mal so sehr die Grundlage lybischer Afrika-Politik der 80er und 90er Jahre sondern viel mehr der Wunsch nach Macht und Einfluss auf dem Kontinent. Das hat die USA ja auch gar nicht betroffen, die Afrikaner um so mehr.

Naja bleiben wir lieber beim einzigen wahren Charles Taylor:
Ein Schwank aus dem Jahre 1999.
14. Mai 1999. Charles Taylor entlässt fast alle Minister. Sie erschienen nicht zu einer staatlichen Gebetsstunde. Zitat: "Wer Gott nicht liebt, darf nicht in meinem Kabinett dienen." Am 20. Mai macht er seine Entscheidung rückgängig, "auf Bitten der Bevölkerung".
Hintergrund: Jesus Christus wurde erst 2002 zum Präsidenten Liberias ernannt. Ca. 10 % der Einwohner Liberias sind Christen.

Maglor
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Sa 18. Feb 2012, 17:29 - Beitrag #15

Zitat von Lykurg:Du hast seine Haftzeit in den USA verschwiegen, die unter dubiosen Bedingungen ein vorzeitiges Ende fand. Möglicherweise fand man, der Mann sei in Freiheit nützlicher. Das hat man sich dann später wieder anders überlegt.

Bereits 2009 behauptete Taylor bzgl. seiner Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Boston im Jahr 1985, ihm hätten US-Agenten zur Flucht geholfen.

Im Januar wurde bekannt, dass Charles Taylor Anfang der 1980er ein Spion der amerikanischen CIA war, das geht so aus offiziellen Veröffentlichungen des amerikanischen Verteidigungsministeriums hervor. Auf weitere Veröffentlichungen über Taylors etwaige Zusammenarbeit mit der CIA in späteren Jahren wurde ausdrücklich verzichtet.
Taylor sollte wahrscheinlich Gaddafi ausspionieren.

Maglor
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Mi 27. Nov 2013, 00:06 - Beitrag #16

Zitat von Maglor:So handelte er mit Blutdiamanten über den Weg der libanesischen Hisbollah und angeblich auch der Al Kaida. 2009 ließ der inhaftierte Ex-Präsident schließlich verlauten, er sei schon seit einiger Zeit zum Judentum übergetreten, seine Frau versichtere jedoch, dass er noch immer das Christkind liebt und zwei Religionen folgen will.

Langsam ergibt alles einen Sinn.
Einer der Waffenlieferanten der RUF war der israelische Söldnerführer Yair Klein.
Zitat von Wikipedia:Yair Klein (Hebrew: יאיר קליין‎; also known as Jair Klein) is a former lieutenant colonel in the Israeli army, who established a private mercenary company called Spearhead Ltd. Through Spearhead Ltd, Klein provided arms and training to armed forces in South America, Lebanon, and Sierra Leone. ...
Yair Klein spent 16 months in a Sierra Leone prison between 1999 and 2000 on charges that he was smuggling arms to rebels from the Revolutionary United Front (RUF).

Aus antisemitischer Sicht war die RUF nur eines kleinen Rad der zionistischen Kriegswirtschaft.

Yair Klein's alte Feinde aus dem Libanon war auch vor Ort (und offensichtlich auf der gleichen Seite), so der Spiegel im Jar 2001, der Hochzeit der Al-Kaida-Hysterie.
Zitat von Spiegel:Bah, ein ehemaliger Rebellenkämpfer aus dem Senegal, wurde in Libyen ausgebildet und kämpfte wie auch Osama Bin Laden in den frühen achtziger Jahren in Afghanistan auf der Seite muslimischer Guerillas gegen die Russen. Mitte bis Ende der Achtziger war Bah Mitglied der Hisbollah-Miliz und kämpfte im Süd-Libanon gegen die israelische Armee. Geheimdienstquellen zufolge fungiert Bah heute als Mittelsmann zwischen RUF-Kommandeuren und den Diamantenkäufern von Hisbollah und al-Qaida.

Lykurg
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Mi 27. Nov 2013, 10:34 - Beitrag #17

Haben die in Den Haag eigentlich deine Nummer, Maglor? Nur für ein paar Nachfragen?

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Mi 27. Nov 2013, 23:19 - Beitrag #18

Leider nein haben sie mich nie angerufen. ;)
Er wurde bereits rechtskräftig zu 50 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Sache scheint mir aber sehr zweifelhaft. Charles Taylor wurden die von der RUF verübten Verbrechen in Sierra Leone vorgeworfen. Tatsächlich war aber Tayler gar nicht direkt am Bürgerkrieg beteiligt und die RUF stand nie unter seinem Kommando. So gesehen war er für die Morde, Verstümmelungen und Vergewaltigungen der RUF gar nicht verantwortlich.
Die Ermittlungen begrenzten sich infolgedessen um den Nachweis, dass Taylor tatsächlich mit "Blutdiamanten" gehandelt und der RUF Waffen geliefert hat. (Etwaige Perversionen in Liberia waren nicht Gegenstand des Verfahrens.)
Die wirklichen Verbrechen in Sierra Leone konnte man im gar nicht zur Last legen.
Im Grunde war Taylor nur einer von vielen, der die Kuh gemolken hat. Die eigentliche Ironie ist, dass der Prozess in Belgien stattfand. Man hätte vielleicht besser im nahen Antwerpen nach den schuldigen Diamantenhändlern suchen sollen.

Yair Klein, anders als Taylor offenbar direkt in Liberia aktiv, hat sich der juristischen Aufarbeitung mithilfe von Israel und Russland erfolgreich entzogen - gesucht wurde er wegen seiner Aktivitäten in Kolumbien. Bei seinen Schutzmächte geht vielleicht nicht nur um die Liebe zu dem Sohn des Landes und dessen Verdienste im Libanon, sondern vielleicht auch um wirtschaftliche Interessen. Immerhin sind Waffenexporte in beiden Ländern wichtige Devisenquellen.

Was Imbrahim Bah betrifft, so ist von Al Kaida gar keine Rede mehr. Der Senegalese wurde in Libyen als Freischärler ausgebildet, kämpfte anschließend auf Seiten der Mujaheddin gegen die Sowjets in Afghanistan und später im libanesischen Bürgerkrieg gegen die Christen, wobei das möglicherweise auch nur Legenden sind. Blut und Diamante haben in dann offenbar nach Westafrika gelockt.
In Den Haag trat er nicht als Zeuge oder Angeklagter auf.
Im Sommer 2013 wurde er in Freetown, Sierra Leone, verhaftet und wurde der international gesuchte Verbrecher dann aber aus unklaren Gründen in sein Heimatland Senegal abgeschoben. Was aus ihm geworden ist, unklar. Interpol sucht ihn auch nicht mehr. BBC
Ich selbst stehe mich Ibrahim Bah auch nicht in Kontakt und weiß uahc nicht genau, ob er in einem senegalesischem Folterkeller sitzt oder in einem diamantenbesetzten Swimming Pool zusammen mit Yair Klein.

... und Charles Taylor soll jetzt die Suppe dafür auslöffeln, dabei hat er nicht einmal ein ganzes Kind gefressen.


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