Und täglich grüßt ein Lebensmittelskandal

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Fr 7. Jan 2011, 08:44 - Beitrag #1

Und täglich grüßt ein Lebensmittelskandal

Der aktuelle Dioxinfund in niedersächsischen Eiern bzw. als Hühnerfutter verwendeten Biodieselrückständen ist, wenn ich das richtig sehe, eines von vielen ähnlichen Ereignissen der letzten Jahre und eher zufällig eines, das breit rezipiert werden. Auffällig ist an diesem Vorfall schon, daß die Verunreinigung nicht von Kontrolleuren festgestellt wurde, sondern durch Selbstanzeige bekannt wurde.

Was tut man nun? Durchsetzung geltenden Rechts ist immer so langweilig und wirkt so, als ob man nichts tue - stattdessen will Frau Aigner, wie ich eben in den Nachrichten hörte, nun die Herstellungskreisläufe von Menschen- und Tierfutter streng voneinander trennen. Irgendwie erscheint mir das unsinnig, das Problem war ja nicht, daß Menschen ein nur für Tiere geeignetes Nahrungsmittel bekommen hätten, sondern daß generell Standards nicht eingehalten wurden. Außerdem werden doch die meisten Tiere in irgendeiner Weise verzehrt... Sinnvoller wäre da doch eher, stärker darauf zu achten, daß das Futter sauber ist. Nebenbei klingt es für mich auch nach fragwürdiger Effizienz, wenn Überschüsse etwa der Weizenproduktion nicht mehr frei zwischen menschlichem und tierischen Bedarf aufgeteilt werden können. Oder wie...?

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Fr 7. Jan 2011, 09:02 - Beitrag #2

Selbstanzeige durch wie ch das mitgekriegt habe so einen brancheneigenen Verband, obwohl die doch gerne als nicht so selbstkritisch hingestellt werden. Zumindest für größere/renomierte/seriöse Lebensmittelhersteller kann ich, teils aus eigener Anschauung, auf permanente Kontrollen der gelieferten Zutaten und der Endprodukte verweisen - aber allerding wohl auch nur auf die Probleme/Fremdstoffe, die man für möglich hält.
Insofern erstaunlich, aber gut, dass das Dioxin gefunden wurde.
Unbefriedigend finde ich, dass durch das Verschulden des Futtermittelherstellers einige Geflügelproduzenten insofern ohne eigen Schuld und vor allem ohne sicher Absicherung in Konkurs geraten könnten.

Ipsissimus
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Fr 7. Jan 2011, 12:03 - Beitrag #3

war das Selbstanzeige? Wenn die Informationen, die ich gelesen hatte (spon oder Süddeutsche online), richtig sind, war es doch eher so, dass eine Herstellungsfirma eine Zulieferfirma angezeigt hatte, nachdem sie in deren Lieferung von Grundzutaten Dioxin festgestellt hatte (und danach trotzdem über die Chuzpe verfügte, die fraglichen Zutaten zu verarbeiten, nachdem die Reaktion des zuständigen Amtes sich durch Weihnachten eine Woche verzögerte). Weißt du anderes/Genaueres?

Maglor
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Fr 7. Jan 2011, 12:38 - Beitrag #4

Ein Lebensmittelskandal: Das übliche Spiel also
Erst kommt der Hype, dann die Maßnahmen und die Gesetze, später folgt die Vergesslichkeit. Von Gesundsheitsschäden fehlt am Ende wohl jede Spur.
Der Nachweis, dass betroffene Eier oder Fleisch gesundheitsschädliche Mengen an Dioxin enthält, fehlt mir irgendwie. Wie gefährlich sind denn mit Dioxin-Spuren verseuchte Eier wirklich? Wenn sie genauso dioxin-verseucht sind wie zum Verzehr geeignete Fische, dann droht wahrscheinlich der Untergang des Abendlandes. Der Witz ist, bei Fischen sind die Grenzwerte einfach höher, weil sie einfach mehr Dioxin enthalten.
Vielleicht sollte man angeblich Dioxin-verseuchte Hühnerfleisch auf Dorsch umettiketieren. Das wäre dann mal eine kreative Lösung. Die Dioxin-Grenzwerte für Fische würden die armen Hühner wahrscheinlich nicht überschreiten.
(Ich hoffe mal niemand wollte gerade seine Ernährung von Schwein und Huhn wegen der Dioxine auf Fisch umstellen.) :crazy:

Und ist "Schließung der Betriebe" eigentlich der neue Euphemismus für Keulung? Warum verschweigt der der Maßnahmen-verliebten Öffentlichkeit das traurige Schicksal der nicht zum Verzehr freigegebenen Geschöpfe?

Aigner fordert übrigens nicht, die Trennung der Herstellungskreisläufe von Menschen- und Tierfutter, sondern die Trennung von Futtermittelproduktion und Industrieproduktion, damit Abfälle aus der Bio-Diesel-Produktion nicht mehr im Tierfutter auftauchen. Sie unterstellt dabei jedoch, dass bei der Produktion von Bio-Diesel gefährlichere Abfallprodukte entstehen, als bei der Produktion von Salatöl oder Margarine. Aber wehr braucht schon noch irgendwelchen Raffenerieabfälle um den Dioxin-Spiegel ins Lot zu bringen, immerhin gibt es ja noch Fischmehl für die Hühner.

janw
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Fr 7. Jan 2011, 15:57 - Beitrag #5

Ipsi, so hatte ich es auch verstanden.

Maglor, mit Dioxin ist nicht zu spaßen, auch wenn man nicht gleich rote Flecken bekommt, wenn man ein Ei mit zu hohen Gehalten gegessen hat.
Es lagert sich im Fettgewebe ein und bleibt dort über lange Zeit erhalten. In der Zeit wirkt es, u.a. indem es Nerven schädigt und zellmutagen wirkt, was zu Krebs führen kann.

Dioxine sind heute überall, vor allem in Böden und Gewässersedimenten, und so nehmen wir sowieso schon eine Grundbelastung zu uns.

Wenn jetzt in der Futtermittelindustrie dioxinbelastete Fette wohlwissend zu Tierfutter verarbeitet werden, ist das IMHO ungeheuerlich.

Die Bemessung der Grenzwerte kann man sicher kritisieren, allerdings berücksichtigt sie auch die Mengen, die von den jeweiligen Lebensmitteln konsumiert werden. Außerdem die üblichen Gehalte darin.
Bei einheitlichen Grenzwerten könnten deutlich weniger Heringe und Sprotten und so gut wie gar kein Aal mehr auf dem Markt landen.
Mit dem Effekt keine Omega3-Fettsäuren, deutlich weniger Iod und weniger Vitamin D.

Maglor
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Fr 7. Jan 2011, 18:28 - Beitrag #6

Wenn man eines der Skandaleier isst, dürfte es den gleichen Dioxin-Effekt im Körper hervorrufen, wie wenn man ein dem Ei in der Masse entsprechender Stück Aal verzehrt. Nämlich praktisch gar keinen. Eine Bedrohung der Gesundheit geht von einer 10er Packung Eiern eigentlich nicht aus.
Der Grenzwert für Eier liegt bei 3 pg Dioxin pro Gramm. Bei einigen Speisefischen liegt der Grenzwert bei 8 pro Gramm. Ein Piktogramm ist ein Billionstel Gramm. Meines Wissens hat kein einziges Ei auch der Grenzwert für Fische auch nur annähernd erreicht.

Ja, Dioxin und andere Gifte sind überall, außer in destilliertem Wasser. Das Dioxin gelangte in Futtermittel über besagte Nebenprodukte der Biodiesel-Produktion. Soweit ist die Herkunft ja bekannt, aber das Dioxin kann nicht bei der Diesel-Produktion entstanden sein. Dioxin entsteht, wenn Kohlenstoffverbindungen bei über 300°C mit Chlor reagieren, praktisch bei jedem Feuer. Als Abgas gelangt das Dioxin in Luft, das Wasser und den Boden und gelangt schließlich in die Nahrungskette.
War das Dioxin etwa schon in der Ölfrucht vorhanden und war von der Raps-Pflanze über Wasser und Boden aufgenommen worden?

janw
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Fr 7. Jan 2011, 20:42 - Beitrag #7

Gut, aber wenige essen jeden Tag einen ganzen Hering, erst recht Aal, aber viele ein Ei zum Frühstück, dann noch ein Spiegelei, oder Hähnchen...
Und die Sache scheint ja schon länger zu laufen.

Gerade bei Kindern könnte da die tägliche Dosis erreicht werden.

Vielleicht hat die Sache etwas gutes, indem ein Umdenken einsetzt, womit Tiere gefüttert werden sollen - und eben nur damit. Daß damit auch die Preise steigen könnten, wäre eben hinzunehmen.

Ich stimme Dir aber zu, daß die Tatsache der massenhaften Tötungen der Tiere zu wenig berichtet wird - aber andererseits, was bleibt dem Hochhausmenschen in der Großstadt, als weiterhin das Industriefleisch zu kaufen, wenn er nicht zum Vegetarier werden will?

Ich weiß nicht genau, wie die Biodieselgewinnung geht, aber vielleicht spielen da Katalysatoren mit Chlor eine Rolle, oder es wurde zusätzlich altes Fett beigemischt, das die Dioxine enthielt.

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Sa 8. Jan 2011, 12:51 - Beitrag #8

@Ipsissimus: "Selbstanzeige" im weiteren Sinn, also es fiel innerhalb der Produktionskette auf; diesmal kein aufdecken durch Behörden, Medien oder so Wächterorganisationen wie Greenpeace und Foodwatch.

@Maglor: Keulung liesse sich teils wohl nur verhindern, wenn man die Tiere bis zum natürlichen Tod durchfüttert. Wären dann die Fragen, wer das bezahlt und ob es der Öffentlichkeit besser vermittelbar wäre, den Tieren gutes zu tun, sie unter Haltungsbedingungen der Industire weiterleben zu lassen. In dem Zusammenhang könnte bis IMHO sollte die Frage aufkommern, welche Haltungsbedingungen für Tiere, die zu Lebensmittelzwecken "hergestellt" werden, gewollt und akzeotiert sind.

Fischmehl als Futtermittel für Geflügel: mein Cousin ist gegen bestimmte Fische/Fischanteile allergisch. Selten werden diese Symptome auch beim Verzehr vin Geflügel ausgelöst...

Maglor
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Sa 8. Jan 2011, 18:52 - Beitrag #9

Ich dachte eigentlich eher an den Verzehr der Hühner, unter Berücksichtigung der möglichen Gefahr eines erhöhten Krebsrisikos bei übermäßigen Konsum durch Risikogruppen.
Es gibt übrgiens ein lebendes Beispiel für eine Dioxin-Vergiftung: Der ukrainische Präsidetschaftskanidat Viktor Juschteschenko wurde 2004 mit Dioxin vergiftet.

Mein Hühnerfutter enthält 1,8 % pflanzliche Fettsäuren aus Raps, Palm und Soja. Beim Soja wird auf die Genveränderung hingewiesen.
Eine bunte Mischung, überrascht bin ich nur über das Palmöl.

Zu den Haltungsbedingunen: Es gab schon öfters einige weniger skandalöse Dioxin-Enthüllungen. Damals waren Eier aus Freiland-Haltung mit Dioxin belastet. Die simple Erklärung: An manchen Stelle ist der Erdboden stark mit Dioxin belastet. Die Hühner nehmen das Dioxin auf, in dem sie in der Erde herumpicken.
Der Grund für die Dioxin-Belastung im Boden sind jedoch Müllverbrennungs- und Industieanlagen.

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So 9. Jan 2011, 01:02 - Beitrag #10

Zitat von Maglor:Es gibt übrgiens ein lebendes Beispiel für eine Dioxin-Vergiftung: Der ukrainische Präsidetschaftskanidat Viktor Juschteschenko wurde 2004 mit Dioxin vergiftet.


Sieht einer, wie man die im Artikel angegebene Dioxinmengen auf Eier oder Legehennen der aktuellen Problematik umrechnen könnte?

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So 9. Jan 2011, 11:21 - Beitrag #11

Das scheint um einige Größenordnungen auseinanderzuliegen...
Der Grenzwert bei Eiern liegt bei 3 Pikogramm Dioxin pro Gramm Fett; ein Frühstücksei hat im Schnitt sieben Gramm Fett, macht also 2,1*10⁻¹¹g pro Ei. (Ich habe jetzt nicht genauer verfolgt, wie hohe Werte diesmal festgestellt wurden, 3,65 pg/g Fett ist eine Zahl, die kursiert, jedenfalls ist die Abweichung nicht allzu groß.)

Juschtschenko wurde mit 2,3,7,8-TCDD vergiftet. Die verwendete Menge wird auf zwei bis drei Milliliter geschätzt, was bei angegebener Dichte von 1,83 g/cm³ eine Menge von 3,66 bis 5,49g wären.
Ich komme damit bei Juschtschenko auf den Vergiftungsgrad von etwa 200 bis 300 Mrd. Eiern.

(Allerdings war die von ihm konsumierte Menge auch ein Vielfaches des theoretisch tödlichen Wertes, er hat offenbar nur überlebt, weil er kurz nach Verzehr der Eier erbrach).


Auf besonderen Wunsch eines einzelnen Herrn läßt sich das regelgerechte Vorgehen auch als Piktogramm darstellen:

0 0 0 0 0 O 0 0


-----------

0 0 0 0 0 [color=Red]O 0 0 [/color]

---
\_O_/---+---\_[color=Black]⌂□[/color]/
_______||_______

-

\O . . . . ./
.\[color=Sienna]₪ø[/color]¢[color=Sienna]0[/color]Ø/

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So 9. Jan 2011, 13:54 - Beitrag #12

Ach du dickes Ei ;-) Da sind ja wirklich "leichte" Mengenunterschiede. Nur die grafische Darstellung verstehe ich nicht, obwohl ich akut eher nicht unterreduzierter visueller Wahrnehmung leiden sollte.

Lykurg
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So 9. Jan 2011, 14:14 - Beitrag #13

In der ursprünglichen Darstellung ging es um klar erkennbare false positive-Diagnose. Jetzt habe ich es um etwas Rührei ergänzt.

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So 9. Jan 2011, 14:49 - Beitrag #14

So etwas rührt sich nun auch die Erkenntnis bei mir :-)

janw
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So 9. Jan 2011, 17:41 - Beitrag #15

Auch Agent Orange enthielt Dioxin, das u.a. für eine deutlich erhöhte Rate an Mißbildungen bei Kindern verantwortlich gemacht wird.


Maglor, das Problem mit der Aufnahme aus dem Boden bei Hühnern kenne ich, ist ein Problem mit dem man Leben muss.
Bei Futtermitteln ist es aber zu verhindern, da wird es kriminell.

Warum werden keine Sonnenblumenkerne oder Leinkuchen oder so verwendet? Warum Soja und Palmöl?

Ipsissimus
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Mo 10. Jan 2011, 13:40 - Beitrag #16

das eigentliche Problem ist ein systemisches, für das Erzeuger und Konsumenten gleichermaßen verantwortlich sind. Auf Konsumentenseite steckt dahinter der süße Wahn, billige Lebensmittel könnten - produziert in den Mengen, in denen sie produziert werden - hochwertige Lebensmittel sein (wo es noch süßer Wahn und nicht längst völlige Apathie ist). Auf Seiten der Erzeuger gesellt sich dazu, dass jedes, aber auch jedes Schlupfloch gesucht und gefunden wird, das von Gesetzen offengelassen wird, um noch mehr Kostenreduktion zu betreiben. Ich bin sicher, dass wir auch menschlichen Vaginalschleim und Sperma als kostengünstige Eiweißlieferanten in den Erzeugnissen finden würden, wenn nur irgendwo stünde, dass die Grenzwerte dafür nicht überschritten werden dürfen. Merke: die Festlegung von Grenzwerten ist identisch mit der Aufforderung, diese zu übertreten, natürlich nur in bedauerlichen Einzelfällen.

Dass das auf Kosten der Tiere ausgetragen wird, interessiert kein Schwein. Jetzt aber, wo es wieder mal deutlich wurde, dass es auch auf Kosten der Menschen ausgetragen wird, darf gewettet werden, wie lange die Empörung hochgehalten wird. Ich rechne mit weniger als vier Wochen.

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Mo 10. Jan 2011, 14:15 - Beitrag #17

Wie willst du die 4 Wochen bemessen? Daran, ob es noch in den Medien aktuell thematisiert wird? Oder ob binnne 4 Wochen das Thema "gelöst" wird und es dank neuer Regelungen zurecht aus dem öffentlichen Focus rücken aknn?

Ipsissimus
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Mo 10. Jan 2011, 14:35 - Beitrag #18

maximal vier Wochen massiver medialer Thematisierung, danach langsames Abklingen über 2 Wochen, danach gelegentliche Aufgriffe nach dem Motto "da war mal was"

Dass die Problematik "dank neuer Regelungen zurecht aus dem öffentlichen Focus rücken" kann, kann m.E. nur ein hemmungsloser Optimist^^ vermuten. Mag sein, das ganz speziell und spezifisch in den paar derzeit beteiligten Betrieben sich etwas geändert hat, aber das ändert nichts am systemweiten Charakter des Grundproblems

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Mo 10. Jan 2011, 14:40 - Beitrag #19

Es gab da mal eine, die meinte ich sei immer so pessimistisch...

Ich frage mich daneben, wie die bestmögliche Entwicklung, über ein Abstellen der konkreten Mißstände in den betroffenen und erkannten Betrieben, aussehen könnte. Thematisierung in den Medien gerne, wenn sie denn mind. ansatzweise zu deutlichen Änderungen führt. Meine Sorge ist aber, dass ein zu langes so nebenherdauerköcheln, eher keine wirklich Änderungen bringt (so wie - ich wage mal den Vergleich - dem Hungerproblem in der dritten Welt). Da wäre mir ein Verschwinden des Themas aus der Öffentlichkeit und wiederaufflammen zB mit einer interfraktionellen Initiative in den Parlamenten, die Ernährungswirtschaft mal ähnlich stark "verbessern" zu wollen, wie es damals Gerhard S. und seine Konsorten mit der Anti-Freizeit-Bundesagentur versuchen wollten, schon lieber.

wie die Tagesthemen das Thema eine Woche lang unterschiedlich visualisierten, zeigt dieser Blogbeitrag.

janw
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Mo 10. Jan 2011, 17:49 - Beitrag #20

Zitat von Ipsissimus:das eigentliche Problem ist ein systemisches, für das Erzeuger und Konsumenten gleichermaßen verantwortlich sind. Auf Konsumentenseite steckt dahinter der süße Wahn, billige Lebensmittel könnten - produziert in den Mengen, in denen sie produziert werden - hochwertige Lebensmittel sein (wo es noch süßer Wahn und nicht längst völlige Apathie ist). Auf Seiten der Erzeuger gesellt sich dazu, dass jedes, aber auch jedes Schlupfloch gesucht und gefunden wird, das von Gesetzen offengelassen wird, um noch mehr Kostenreduktion zu betreiben. Ich bin sicher, dass wir auch menschlichen Vaginalschleim und Sperma als kostengünstige Eiweißlieferanten in den Erzeugnissen finden würden, wenn nur irgendwo stünde, dass die Grenzwerte dafür nicht überschritten werden dürfen. Merke: die Festlegung von Grenzwerten ist identisch mit der Aufforderung, diese zu übertreten, natürlich nur in bedauerlichen Einzelfällen.

Dass das auf Kosten der Tiere ausgetragen wird, interessiert kein Schwein. Jetzt aber, wo es wieder mal deutlich wurde, dass es auch auf Kosten der Menschen ausgetragen wird, darf gewettet werden, wie lange die Empörung hochgehalten wird. Ich rechne mit weniger als vier Wochen.

Ich bin mir nicht so sicher, ob es direkt mit dem süßen Wahn der Verbraucher zu tun hat, oder ob nicht doch eher Gier dahinter steckt.
In meinen Augen sind die Handelsketten eine wichtige treibende Kraft, mit dem Streben nach Marktführerschaft unterbieten sie sich bei den Verklaufspreisen und in der Gier nach Gewinnmargen setzen sie die Hersteller, letztlich auch die Landwirte, unter Druck - darin propagandistisch und strukturell unterstützt von Lobbyvertretern landwirtschaftlicher Großbetriebe, die daraus das Dogma vom "wachsen oder weichen" kreiert haben.
Am Ende stehen Futtermittelhersteller, die durch mittlerweile regionale Monopolstellungen und Zugriff auf Rohstoffe aus globalen Märkten selbst wieder Gier entwickeln, ihre Margen durch Zusatz von Abfallstoffen zu erhöhen.
Wobei an der Sache dann noch der Export hängt, in dem wahrscheinlich sogar größere Gewinnmargen locken als im heimischen Handel, zu Lasten der Märkte in Afrika z.B.

Umgekehrt würde eine echte Umstellung des Futtermittelwesens natürlich zu einem Preisanstieg führen - weil der Markt sie hergeben würde - bis dann die neunen Preisrunden wieder auf niedrigem Niveau landen, bei gleichzeitigem erneuten Höfesterben.

Ich denke aber auch, daß die Grenzwertgeschichte solche Vorkommnisse begünstigt, oder gar provoziert.

Wenn man wirklich etwas ändern wollte, dann müsste man positiv festlegen, was das Futter für Tiere dezidiert enthalten darf, anstatt wie heute alles zu erlauben, was nicht explizit verboten ist.
Es wird aber auf die 4 Wochen Aufmerksamkeit hinaus laufen...

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