(Selbst-)Verteidigungsminister Guttenberg ein Plagiator?

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Mi 16. Feb 2011, 22:18 - Beitrag #1

(Selbst-)Verteidigungsminister Guttenberg ein Plagiator?

Wie die Süddeutsche inzwischen mannigfaltig,meist wohl korrekt zitiert^^ berichtet, hat ein Jura-Professor in der Dissertation Guttenbergs ettliche Stellen gefunden, an denen fremde Texte teilweise wortgleich und ohne bzw. ohne klare/ausreichende Kennzeichnung übernommen wurden. Wie die nette Animation, die sich im Artikel findet, zeigt, sind dies nicht wenige einzelne Sätze, sondern es zieht sich absatz- bis halbseitenweise durch alle Bereiche der Dissertation.
Wie wiederum die Süddeutsche heute abend nachlegen konnte, besteht die Einleitung von Guttenbergs Dissertation zu großen Teilen aus einem Zeitungsartikel, was - selbst wenn es korrekt zitiert wäre - wohl mehr als unüblich wäre.

Als wenn dies nicht schon schlimm und peinlich genug wäre, reagiert Guttenberg, wieder von der Süddeutschen dokumentiert, wie folgt:
Er sei jedoch bereit zu prüfen, "ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten". Dies würde er dann bei einer Neuauflage berücksichtigen.

Ich dürfte wahrlich nicht der einzige nicht mehr, noch oder ggf. auch bald studierende hier sein, dem dadurch wohl jeglicher Respekt vor einer wissenschaftlichen Leistung Guttenbergs abhanden kommt.

Währen es einzelne wenige Sätze oder hätte sich herausgestellt, dass von Guttenbergs Schlüsse in seiner Dissertation zu diesem Zeitpunkt schon als von ihm nicht aufgeführten (weil wohl nicht aufgefundenen) anderen Literaturquellen existierten, hätte ich an eine nicht perfekte Arbeit geglaibt und es nur etwas peinlich für ihn gefunden. Aber wie die SZ eindrucksvoll dokumentiert ist der Umfang der ungekennzeichneten wortgleichen sowie sinngemäßen Zitate viel zu groß, als dass ich da an ein "Versehen" glauben mag.

Mit seiner auf mich schon widerwärtig wirkenden Reaktion diskreditiert er in meinen Augen alle wissenschaftlich arbeitenden, da er den Eindruck zu erwecken versucht, das sei wohl ein kleiner, leicht behebbarer Fehler der zudem nur der ach so großen von ihm erstellten Textmenge geschuldet sei. Dabei ist nach all meiner Erfahrung das Thema Plagiat wohl jedem Studierenden bewusst - jedwede Zitate eindeutig kenntlich zu machen wird wohl nicht zu Unrecht als eine der wesentlichsten Tugenden wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt.

Daher gehe ich davon aus wie ich es auch hoffe, dass es zu der m.E. einzig möglichen Konsequenz kommt: Guttenberg wird von seiner ehemaligen Uni der Doktortite aberkannt. Inweiweit CSU und Kanzlerin noch bereit sind (ggf. unter welchen Bedingungen) eine derartige Persönlichkeit in nicht gerade verantwortungsarmer Funktion in ihren Reihen zu haben wird eine spannende Frage, bei der ich auf jegliche Antwort(an)sätze gespannt bin.

Eines erscheint aber klar: dies ist ein höchstpersönliches Problem Guttenbergs, das es nicht auf irgendjemand anders abschieben kann - und selbst wenn dies nichts bessern würde, da fremde Hilfe bei wissenschaftlichen Arbeiten ebenfalls nicht zulässig ist.

janw
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Mi 16. Feb 2011, 22:40 - Beitrag #2

Weißt Du, es gibt Dissertationen und es gibt Doktorarbeiten von Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern^^

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Mi 16. Feb 2011, 23:13 - Beitrag #3

Nunja, aber gerade juristische Fakultäten können auch strikt sein. So wurden IIRC doch in Köln ettliche Jura-Studenten zwangsexmatrikuliert, denen nachgewiesen wurde, gewusst zu haben, das ihre Eltern auf ihren, den Kindernamen, Geld "steuermindernd" angelegt hatten. Herausgekommen war dies doch bei den BAFöG-Empfängern, bei denen staatliche Stellen von Finanzinstituten von teils erheblichen Zinszuflüssen erfuhren.

Lykurg
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Do 17. Feb 2011, 00:50 - Beitrag #4

Kraß, ja. Angesichts der üblichen eidesstattlichen Versicherung, keine fremden Quellen unmarkiert verwendet zu haben, ist da auch in meinen Augen wohl der Titel abzuerkennen und erheblicher Zweifel an der Person geboten. Wie dämlich (und besonders dann die Reaktion)!

Merkwürdig finde ich übrigens, warum er (und das obendrein im markierten Zitat innerhalb des unmarkierten) im Vergleichsbeispiel 4-5 gegenüber der Vorlage die Auslassungspunkte einfügt, ohne tatsächlich etwas auszulassen. Vielleicht hat der arme Mann im Studium keine Zitierregeln erlernt... Bild

e-noon
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Do 17. Feb 2011, 00:55 - Beitrag #5

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kommentierte die Angriffe auf Guttenberg mit den Worten: "Deutschland hat eine geistvollere Opposition verdient als SPD und Grüne, die sich mit dem Abzählen von Fußnoten und Anführungszeichen in juristischen Dissertationen abmühen."

Das hier finde ich wirklich gruselig. Man vergleiche:
"Deutschland hat eine geistvollere Opposition verdient als SPD und Grüne, die sich mit dem Abzählen von Nummern auf einem Spendenkonto abmühen."

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Do 17. Feb 2011, 01:04 - Beitrag #6

Dobrindts Geistesfurz zu erretten vermöge wohl nur der Umstand des Nachweises, bisher niemals auch nur irgendeinen Kontakt zum wissenschaftliche Arbeiten gehabt zu haben und zudem auch keine allzu hohe Intelligenz zu besitzen.

Das plagieren hat Guttenberg aber übrigens wohl auch nicht wirklich helfen können. Die Zeit schildert unter Bezug auf das im Beitrag verlinkte PDF, dass der Bremer Juro-Professor Andreas Fischer-Lescarno für die Fachzeitschrift Kritische Justiz nicht nur Plagiatsstellen fand, sondern vor allem die Dissertatio an sich m.E. in der Luft zerreisst:
Der wissenschaftliche Ertrag der Arbeit ist bescheiden. Das liegt vor allem daran, dass der Autor seinen Verfassungsbegriff nicht hinreichend entfaltet und damit weit hinter der wissenschaftlichen Diskussion zurückbleibt. Zu Guttenbergs Argumentation mäandert vor sich hin und zermürbt die Leser_innen durch seitenlanges Politsprech und die Nacherzählung rechtspolitischer Diskussionen im Konvent. Der Autor macht auch nicht ansatzweise deutlich, worin der aktuelle Erkenntniswert der seitenlangen Dokumentation zu den Gottesbezügen in Verfassungstexten liegt. Das Gesamturteil „summa cum laude“ erscheint darum mehr als schmeichelhaft.

[...]
Im Hinblick auf die im Anhang dokumentierte Liste, die Fundstücke einer ersten noch unvollständigen Plagiatskontrolle via Wortgruppensuche bei Google (ohne Anspruch auf erschöpfende Durchsicht der Arbeit) verzeichnet, erlaubt sich der Rezensent höflich, die Mitglieder des Bayreuther Prüfungsausschusses und den Verfasser der Arbeit zu fragen, wie sie meinen, dennoch rechtfertigen zu können, dass diese Arbeit als „Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit“ (Art.64 Abs.1 Satz1 BayHSchG) dienen kann, zumal dieser Nachweis auf der Grundlage „einer selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit (Dissertation) erfolgen muss und hierbei vorausgesetzt ist, dass die Dissertation wissenschaftlichen indeststandards genügt.

Lykurg
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Do 17. Feb 2011, 11:46 - Beitrag #7

Deutliche Worte, wobei Fischer-Lescarno wohl auch politische Gründe hat, zu Guttenberg nicht zu mögen, aber dessen mag es wohl für ein solches Urteil gar nicht bedürfen. Ich will auch in Bayern promovieren! Bild

Sehr merkwürdig finde ich, daß der Wiener Medienwissenschaftler Stefan Weber zumindest zunächst noch abwiegelte, etwa fünf bis zehn solcher Plagiatpassagen wären 'noch ok' und würden üblicherweise geduldet. Gilt das speziell für Juristen? In meinen Fächern habe ich jedenfalls von so einem Freifahrschein noch nie gehört.
(Webers stupider Kommentar "besser täuschen kann man gar nicht" schränkt allerdings seine Glaubwürdigkeit/Relevanz erheblich ein.)

Milena
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Do 17. Feb 2011, 12:05 - Beitrag #8

...ich finde es an den haaren herbeigezogen, den guttenberg damit angreifen zu wollen....natürlich ist es ein unding geschummelt zu haben, aber wirklich eine katastrophe finde ich es nicht....
so angefangen, liesse es sich wohl bei jedem menschen , auch politiker, aus der vergangenheit etwas negatives aus der nase ziehen....
was soll diese sucherei und stecherei....
eigentlich geht es doch um was ganz anderes.....
ich finde solche nebenkriegsschauplätze äusserst unpassend.....

Ipsissimus
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Do 17. Feb 2011, 12:24 - Beitrag #9

so eine Geschichte ist für den Doktorvater und den Zweit- und Drittkorrektor mindestens genauso peinlich wie für den Kandidaten selbst; da solche Dinge aber jedem gelegentlich passieren können, gibt es eine Art Duldungspraxis, wenn das Ausmaß derartiger unzitierter Passagen eine systematische Vorgehensweise und Täuschungsabsicht unwahrscheinlich macht und insgesamt als geringfügig und für die wissenschaftliche Leistung als irrelevant eingestuft werden kann. Damit ist ein interpretativer Spielraum gelassen, der selbstverständlich kontrovers diskutiert wird, allerdings rettet das Guttenberg nicht, denn soweit ich das in den Medien mitverfolgt habe, liegt das Ausmaß seiner Kopien weit außerhalb jedes noch ernsthaft duldbaren Umfangs.

Dass der Gehalt einer Dissertation unterschiedlich bewertet wird, darf allerdings nicht überraschen, es wäre viel überraschender, wenn es anders wäre.

Tja, was besagt das für zu Guttenberg? So oder so nicht viel Gutes, steht zu befürchten. Im Prinzip halte ich ihn damit fürs große Parkett als erledigt

Im günstigsten Fall hat er sich als unbedarft in Bezug auf wissenschaftliche Praxis gezeigt; Unbedarftheit ist aber keine Eigenschaft, die einem Politiker verziehen wird, der darob öffentlich in derartiger Weise vorgeführt werden kann. Im schlimmsten Fall hat er mit direkter Täuschungsabsicht gehandelt; dann hat er eine Todsünde begangen, indem er das Gebot "Lass dich nicht erwischen" gebrochen hat. Und dazwischen sind jede Menge Abstufungen persönlicher Dummheit denkbar. Ich denke, sein Renommee ist damit ungefähr auf das Niveau der Hegemann gefallen.

Ob das seiner Karriere wirklich schadet, wird abzuwarten sein. Einem Otto Wiesheu hat es auch nicht sonderlich geschadet, mit besoffenem Kopf einen Rentner überfahren und getötet zu haben, dagegen ist das hier fast schon eine "lassige Sünde". Die Frage ist nur, wieviel Bewegungsfreiheit ihm damit noch bleibt. Ich rechne damit, dass er von seiner Partei nicht fallen gelassen wird, aber derartige Unterstützung in politischen Kreisen hat ihren Preis, normalerweise in der Verpflichtung auf Absichten, die nicht mehr die eigenen sind.

Im Prinzip sehe ich es ähnlich wie du, Schätzle, aber der politische Kontext ist halt doch nicht gänzlich irrelevant; wenn da jemand Munition liefert, darf er sich nicht wundern, dass sie gegen ihn verwendet wird.

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Do 17. Feb 2011, 13:10 - Beitrag #10

Ich denke nicht, das hier gezielt mit der Asicht, ihm zu schaden, irgendwas bei Guttenberg gesucht wurde. Wenn ich mir da die Skandale in seiner Zeit als Miniater angucke, muss man da ja auch gar nicht suchen, sondern nur abwarten...

Ob seine Dissertation nun wissenschgaftlich hochwertig oder nicht ist, sagt in der Tat eher was über seine Eignung als Wissenschaftler, aber kaum etwas über die als Politiker.

Sich - so wie es ja nun wirklich aussieht - in großem Umfang, der nur durch Vorsatz erklärbar ist, mit fremden Federn zu schmücken, damit auch - möglich, dass sie es selber nicht merkten, weil sie bei Guttenberg als aufstrebendem Politiker wegen Vorbildfunktion es für unmöglich hielten - Doktorvater und Korrektoren zu diskreditieren zeigt aber mind. für mich Verhaltensweisen einer Perönlichkeit, die ich nicht in einer solchen Position wissen möchte.

Ohne die Details bei Wiesheu zu kenne, frage ich mich, ob das ggf. auch als Läuterung, zukünftig anderem Umgang mit Alkohol/Alkohol+Auto, ggf. auch Rolle als Botschafter für "nüchtern fahren!" gesehen werden konnte. Sollte ihm bis auf diesen dann wohl einmaligen Ausrutscher nix anderes strafbares vorzuwerfen sein, sähe ich das - trotz der Dramatik, die einen Menschen das Leben kostete - anders als bei Guttenberg, der ja im Laufe der langen Bearbeitungszeit seiner Dissertation sich beispielsweise hätte entscheiden können, doch nicht zu plagieren (was vermutlich auch keinerlei Nachteile in der Bewertung ergeben hätte). Gerdae Guttenbergs Einlassung zu den Plagiatsvorwürfen zusammen mit auch nur seinem Verhalten bei der Abberufung des Kommandanten der Gorch Fock zeigt fpr mich einen Charakter, der wohl nur zugerne seine Haut rettet und Fehler runterspielt oder Bauernopfer sucht.

janw
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Do 17. Feb 2011, 15:46 - Beitrag #11

Natürlich stellt sich die Frage, warum das gerade jetzt hoch kommt - Zufall, oder ist nach den Skandalen in der Bundeswehr und dem verkündeten Angriff auf zentrale gewachsene Strukturen - und damit Pfründe! - jetzt das Feuer eröffnet, und wenn es so durch die Hintertür geht?
Gut möglich in meinen Augen, daß da jemand das offene Visier scheut.

Andererseits hält sich meine Entgeisterung angesichts des Faches in gewissen Grenzen, Promotionen in Jura sind derart epidemisch und in der Regel ohne wissenschaftliche Wirkungsabsicht der Promovenden, daß sie IMHO gesellschaftlichen Zierrat darstellen.
Nicht zuletzt hat für mich das Fach an Ansehen verloren, seitdem ich in der Verwandtschaft erleben durfte, wie wenig das eigentliche Studium noch für den Abschluss relevant ist im Verhältnis zu Repetitorien, die teils von denselben Hiwis betrieben werden, die eigentlich Seminare veranstalten müssten, bzw. diese dafür schleifen lassen.

Dieses Land verkommt zu einer hohlen Kapsel mit aufgemalten Werten...

Ipsissimus
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Do 17. Feb 2011, 16:06 - Beitrag #12

Dieses Land verkommt zu einer hohlen Kapsel mit aufgemalten Werten...
darf ich das gelegentlich zitieren?^^

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Do 17. Feb 2011, 16:18 - Beitrag #13

Zitat von janw:Natürlich stellt sich die Frage, warum das gerade jetzt hoch kommt - Zufall, oder ist nach den Skandalen in der Bundeswehr und dem verkündeten Angriff auf zentrale gewachsene Strukturen - und damit Pfründe! - jetzt das Feuer eröffnet, und wenn es so durch die Hintertür geht?
Gut möglich in meinen Augen, daß da jemand das offene Visier scheut.


Erstmal finde ich die Erklärung, da habe eben ein Jura-Prof diese Dissertation eben in diesen Tagen angeschaut und renzensieren wollen, vollkommen überzeugend ohne da Verschwörungstheorien zu wittern. So scheint es mir üblich, dass wissenschaftliche Arbeiten wie gerade auch Dissertationen eben nicht nur direkt nach Veröffentlichung näher bertrachtet werden, sondern auch immer dann, wenn ein sich Wissenschaftler zB wegen aktuell gleicher oder ähnlicher Forschungsfrage oder einfach Interesse am Thema der Arbeit, sich damit beschäftigt.

Und selbst wenn es so wäre, als hätten da Leute/Kreise (IMHO weitere) Schattenseiten bei Guttenberg gesucht, wäre das verwerflich oder würde es das irgendwas ändern? Wenn, wonach die (fach-)öffentliche Reaktion aussieht, diese Art der Abfassung einer Dissertation ein Skandal ist, entschuldigt es dann den (eben nicht wirklich) Urheber oder muß er sanfter behandelt/bewertet/bestraft werden, bloss weil die Aufdeckung des Skandals möglicherweise auch aus Eigeninteresse geschah?


Zitat von janw:Nicht zuletzt hat für mich das Fach an Ansehen verloren, seitdem ich in der Verwandtschaft erleben durfte, wie wenig das eigentliche Studium noch für den Abschluss relevant ist im Verhältnis zu Repetitorien, die teils von denselben Hiwis betrieben werden, die eigentlich Seminare veranstalten müssten, bzw. diese dafür schleifen lassen.

Meine Erfahrungen deuten eher daraufhin, dass auch Juristen im Studium ettliches tun/lernen müssen, was weder für Abschluß noch Beruf danach wirklich unmittelbarer nötig ist - aber mir scheint, dass es je nach Uni und Angebiten selbiger eine Unterschiedliche Relevanz bzw. Tauglichkeit von Repititorien gibt.


Zitat von janw:Dieses Land verkommt zu einer hohlen Kapsel mit aufgemalten Werten...

Ohne es gerade näher und detaillierter zu hinterfragen, kann wie will ich diesen Schluß weder in Bezug auf Guttenberg noch allgemeiner teilen.

janw
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Do 17. Feb 2011, 17:39 - Beitrag #14

Ipsi, gerne^^

009, natürlich ist es möglich, daß es Zufall ist, aber andererseits wäre gerade jetzt die Zeit für die Wölfe, sich zu sammeln, wo der Wind dem Herrn doch recht heftig entgegen bläst, auch im eigenen Hause etlichen die Endlichkeit ihrer Positionen dämmern dürfte.
Natürlich will die couleur des Kritikers nicht recht mit diesen Interessenlagen harmonieren.

Ob es etwas ändern würde an der Berechtigtheit der Kritik, sicher nicht, wenn Wissenschaftsbetrieb noch einen Rest an sich glaubt, muss derlei untersucht und ggf. verfolgt werden. Aber auch hier, erfolgt Verfolgung wenn aus diesen Gründen oder in Verfolgung anderer Agenden?

Nun, daß ohne Repetitorium das Examen nicht zu schaffen sei - wie mir wiederholt versichert wurde - ist für mich Grund, die entsprechenden Fakultäten als irgendetwas anzusehen, nicht jedoch als Teil von Universität.
Bunte Farbe auf hohler Kapsel, wie so vieles.

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Do 17. Feb 2011, 18:01 - Beitrag #15

Weiterhin da anderer Ansicht mag ich zwei Aspekte ergänzen.

Einmal gibt es doch auch eine Bundeswehr-Uni und bei den Offiziers-Laufbahnen ist ein Studium, somit auch wissenschaftliches arbeiten vorgesehen. Sofern nicht dort zum plagieren vom Rest der Wissenschaft abweichende Vorstellungen herrschen, entstünde (so sich wie erwartbar die weiter zunehmenden, s.u., Vorwürfe als Tatsachen herausstellen) das Problem, dass der oberste Befehlshaber tat, was seinen Untergebenen sinnigerweise untersagt ist: plagieren beim erstellen wissenschaftlicher Texte.

Selbst wenn der Dr weg und Guttenberg reuig wäre, hätte es m.E. mehr als einen Geschmack, wenn gerade er beispielsweise Ernennungen oder Beförderungen für Soldaten, die gerade ein Studium beendet haben, ausspricht.

Desweiteren habe ich noch eine die Vorwürfte stützende schriuft gefunden. In den Wissenslogs vom Spüektrum des Wissenschafft bloggt der Wissenschaftler Anatol Stefanowitsch seine Sicht des Falls. Mit der Erfahrunhg, selbst wissenschaftliche Texte erstellt wie welche betreut zu haben, trifft er eine Einschätzung des Vorbringens von Guttenberg bzgl. der "vergessenen" Zitate:
Damit benutzt er fast wortwörtlich die zweithäufigste Ausrede, die ich von ertappten Plagiator/innen zu hören bekomme (die häufigste Ausrede ist, dass niemand ihnen gesagt habe, dass man so etwas nicht dürfe). Aber wie plausibel ist diese Ausrede? Machen wir uns zunächst klar, wie ein Zitat gekennzeichnet wird. Dies geschieht nämlich meistens auf drei Arten: Erstens kommt es in Anführungszeichen oder wird, wenn es eine längere Passage ist, eingerückt; zweitens wird es mit einer Quellenangabe versehen, entweder (traditionell) in einer Fußnote, oder (modern) in Klammern direkt hinter dem Zitat; drittens nimmt man im eigenen Text meist Bezug auf die zitierte Passage, z.B., indem man sie mit einem Satz einleitet wie „Mustermann schreibt hierzu....“ oder indem man sie bewertet, kommentiert oder sich auf irgendeine andere Weise dazu positioniert.

Bei den Passagen aus Guttenbergs Dissertation, die im Internet verfügbar sind, und auch bei den Passagen, mit denen ich vereinzelte Studierende konfrontieren muss, fehlen alle dieser Kennzeichnungen. Es müssen also gleich drei Dinge schief gegangen sein: Die Fußnotenverwaltung muss versagt haben, die Anführungszeichen müssen aus versehen gelöscht oder auf mysteriöse Weise vom Drucker verschluckt worden sein (übrigens auch eine beliebte Ausrede), bzw. die Einrückung muss versehentlich aufgehoben worden sein, und es muss sich um ein Zitat gehandelt haben, dass ganz ohne einleitende oder kommentierende Einbindung in den Text dastand.

Ich will gar nicht ausschließen, dass das tatsächlich ab und zu geschehen kann -- ein Unglück kommt selten allein -- aber dass es gleich mehrmals in einer einzigen Arbeit passiert, auch einer mit 475 Seiten, das strapaziert doch arg die Glaubwürdigkeit dessen, der das behauptet. Mir reicht im Normalfall ein solcher Absatz in einer Hausarbeit, um die Anfertigung einer neuen Arbeit zu verlangen, zwei solche Absätze, und das ganze geht an den Plagiatsausschuss.


Das gibt m.E. einen guten Blick darauf, dass es nicht nur um die """ geht und es sich auch eigentlich, zumindest ganz klar bei diesem Ausmass, um kein versehentliches Handeln handeln kann.

In diesem Text findet sich auch ein interessanter Link zu einem Wiki, das eingerichtet wurde, um per Schwarmintelligenz ggf. weitere palgierte Stellen in der Guttenbergschen Dissertation zu finden. Offenkundig ist das bereits gewachsen und hat wohl auch weiteres Wachstumspotential.

Lykurg
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Do 17. Feb 2011, 18:02 - Beitrag #16

Mit Universität haben die Juristen nur insofern etwas zu tun, als sie sich dort befinden, weil sie schon immer da waren. Praktisch ist das, was von der überwältigenden Mehrheit von ihnen später verlangt wird, keine wissenschaftliche Arbeit, also auch nicht das, was eine Universität zu vermitteln hat. Man kann den Fehler an verschiedenen Stellen sehen, denkbar und meines Erachtens ratsam wäre die Verlagerung an Fachhochschulen (da wäre dann auch der Abschluß mit den dahinführenden Paukveranstaltungen angemessener untergebracht), damit spart man sich auch die Peinlichkeit gehobener wissenschaftlicher Abschlüsse von Leuten, die diese offensichtlich nur zur Befriedigung ihrer persönlichen Eitelkeit anstreben, aber nicht für ihren praktischen Beruf brauchen und entsprechend auch nicht hinreichend darauf vorbereitet sind.

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Do 17. Feb 2011, 18:12 - Beitrag #17

Ist Jura denn wirklich so relativ unwissenschaftlich, dass es mehr an eine FH denn an eine Uni gehört? Kann die Frage des Verhältnisses von wissenschaftlich universitärem Arbeiten und späterer unmittelbarer Berufsrelevanz (bzw. bei wie wenigen/vielen die gegeben ist) da eine Rolle spielen?
Sicher mag es beispielsweise einfache Arbeits-/Mietrechtsfragen geben, wo auch learning by doing reicht (ich kenne den Fall eines gescheiterten Germanisten, der lange Zeit und sehr erfolgreich, sein Wissen und Fähigkeiten nur aus seinem Interesse und Beobachtung ähnlicher Prozesse schöpfte, sozusagen die Rechtsabteilung eines Mittelständlers war), aber die stets nötige Weiterentwicklung des Rechts an neue Sachfragen und gesellschaliche oder politische/europäische Entwicklungen halte ich schon für Aufgaben mit wissenschaftlichem Charakter.

Aber da meines Wissens nach auch an FHs (weniger?!? wissenschaftliche) Texte mit Plagiat-Verbot geschrieben werden, hätte das in dem Fall bzw. Guttenberg auch nichts genutzt.

e-noon
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Do 17. Feb 2011, 18:39 - Beitrag #18

Da das Urheberrecht auf Juristen nicht nur wie auf alle anderen zutrifft, sondern als Teil unseres Rechtssystems auch inhaltlich zu ihrem Studium gehört, ist es einem Juristen gleich doppelt anzukreiden, wenn er dagegen verstößt.

Maglor
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Do 17. Feb 2011, 20:12 - Beitrag #19

Mal weg von der Juristen-Schelte und zrück zur Guttenberg-Schelte:
Sollte Freiherr von und zu Guttenberg seinen Dr. Jur. verlieren, kann er ja immer noch auf einen Dr. h. c. in Pomadologie hoffen. :crazy:

Plagiat-Vorwürfe gegen Guttenberg sind doch im Grunde nichts neues sondern schon aus seiner Zeit als Wirtschaftsminister bekannt.
Im August 2009 tauchte die Nachricht auf, dass er einen Gesetzetwurf zur Bankenaufsicht von der Großkanzlei Linklaters habe schreiben lassen. Die Kanzlei Linklaters berät auch Banken und so, hat also diverse Verflechtungen zu der Branche, die das Gesetz kontrollieren sollte. Guttenberg gab an, er habe sich lediglich von Linklaters beraten lassen (Die Beratung wird natürlich mit Haushaltsmittel finanziert.) und den Gesetzentwurf habe er sich später ganz allein ausgedacht. Private Beratungsfirma aus der Finanzbranche schreibt Gesetze zur Finanzmarktkontrolle, die sich der Wirtschaftsminister anschließend an den eigenen Hut stecken kann? Dieser Skandal blieb im wesentlichen ohne Folgen.

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Do 17. Feb 2011, 20:14 - Beitrag #20

Ich beginne fast so etwas wie Mitleid für diesen für manche Kreise derzeit tollsten Politiker wie seine Unbi und ie Prüfer zu entwickeln...

Denn wie ein Artiekl von n-tv wurde von der Uni Bayreuth gerade Guttenberg genutzt, um für den dortigen Jura-Studiengang zu werben.

Eine Fußnote ;-) hat die Geschichte dieser Geschichte auch beschert:
Wer im Streit über Fußnoten und Zitate Guttenbergs Dissertation im Internet-Buchhandel sucht - das 475-Seiten-Werk unter dem Titel "Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU" ist für 88 Euro zu haben - stößt auf eine weitere interessante Publikation. Sie stammt von Guttenbergs Großvater Karl Theodor zu Guttenberg (ohne Bindestrich). Dieser war Ende der 60er Jahre Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Das Werk des CSU-Politikers aus den 70er Jahren trägt den pikanten Titel "Fußnoten".

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