Osama bin Laden durch amerikanische Komandooperation in Pakistan getötet

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Malte279
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Di 3. Mai 2011, 14:52 - Beitrag #21

Nur ist eine derartige Dimension hinsichtlich der Anschläge vom 11. September, so schlimm sie waren, nicht annähernd erreicht.
Das der 11. September und sein Schrecken nicht mit denen des Holocausts vergleichbar sind wird wohl niemand bestreiten. Wenn dies aber in diesem Kontext angeführt wird, dass hierdurch die Entführung Eichmanns (was wenn er Widerstand geleistet hätte und ohne Prozess getötet worden wäre?) legitim, das Vorgehen gegen Osama aber absolut verwerflich war, dann muss auch die Frage erlaubt sein ab wie vielen Toten und ab wie viel Leiden denn die Grenze erreicht ist ab der dieses staatliche Vorgehen zu akzeptieren ist. Niemand wird diese Frage aber beantworten können.
Und beim Vergleich dieser beiden Fälle sollte auch nicht übersehen werden, dass Osama eine Symbolfigur und (in mittlerweile weit geringerem Maße) ein Organisator von einer verbrecherischen, terroristischen Organisation war während von Eichmann (dessen Verhaftung und Aburteilung ich trotzdem gutheiße) keine wirkliche Gefahr weiterer Verbrechen ausging.
Darüber hinaus obliegt es nicht CIA-Reports und sonstigen Geheimdienstinformationen, aus einem Angeklagten einen Schuldigen zu machen; schuldig ist, wer vor einem ordentlichen Gericht als Folge eines rechtsstaatlich verlaufenden Gerichtsverfahrens schuldig gesprochen ist. Bis dahin hat die Unschuldsvermutung zu gelten.
Gilt dies auch wenn der der Unschuld zu verdächtigende seine Taten wiederholt zugegeben und sich damit gebrüstet hat? Gilt dies auch bei einer Reihe von Verbrechen von denen der 11. September lediglich das spektakulärste darstellt?
Welches realistische Vorgehen (d.h. eines das sowohl den Erfolg einer Verhaftung, als auch die Wahrung sämtlicher Rechte von souveränen Staaten, als auch Einhaltung sämtlicher religiösen Gepflogenheiten, als auch aller rechtlichen Normen, als auch Sicherheitswünsche von unbeteiligten (das Risiko von Anschlägen mit dem unrealistischen Ziel einen gefangenen Osama frei zu pressen mag noch höher sein als das zu befürchtender Racheakte)) würdest Du denn befürworten Ipsissimus? Was hätte getan werden sollen statt dem was getan wurde?
Malte279, die Form der Beisetzung mag banal sein, mir geht es dabei allerdings weniger um formalkorrekte Behandlung als um die öffentliche Wirkung in der arabischen Welt, und da ist eine Aussage wie 'der Leichnam wurde ins Meer geworfen, streng nach den islamischen Prinzipien', sehr ungeschickt. Die Selbsttötung und Körpervernichtung von Selbstmordattentätern ist ein gesondertes Problem, ja - ebenso wie die auch im Koran vorhandenen Tötungsverbote eben eine Frage geschickter radikalisierender Ausleger (die sich sicherlich auch auf andere Stellen stützen können, die klar in ihrem Sinne lauten).
Als Agnostiker besitze ich vielleicht nicht das ausreichende Maß an religiöser Sensibilität und mein Kommentar mag von manchen als zynisch aufgefasst werden. Aber ich glaube dass Leute die jetzt (trotz der gewaltigen Zahl von muslimischen Opfern der von Bin Laden und seiner Organisation arrangierten Anschläge) an einer nicht Ordnungsgemäßen Beisetzung dieses Mannes den Notwendigen Anstoß nehmen um auf ewig alles "westliche" zu hassen oder sogar gewaltsam zu bekämpfen ohnehin schon sehr stark in dieser Richtung tendierten während viele gemäßigte Muslime (die vielleicht auch eine gewisse Erleichterung über das Ende eines Mannes spüren der nicht eben zum Imagegewinn des Islam beigetragen hat) wahrscheinlich nicht viel stärkeren Anstoß an dieser Beisetzung Bin Ladens nehmen als Deutsche an der Verbrennung und in die Isar Streuung der Nüremberger Hauptkriegsverbrecher nahmen.

Malte279
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Di 3. Mai 2011, 14:58 - Beitrag #22

Ich stimme Ipsissimus zu und bin eher über Lykurg etwas erschreckt. Anzahl der Todesopfer hat m.E. bei der Frage der Berechtigtheit welcher Maßnahme (außer der schuldangemessenen Straffindung eines rechtsstattlichen Gerichtes) strikt zu unterbleiben, da Menschenleben in keiner Weise verrechnet werden können.
Vielleicht, habe ich was missverstanden, aber wenn Du der Ansicht bist, dass die Opfer so nicht aufgerechnet werden können, dann müsstest Du doch eigentlich Lykurgs Meinung sein? In dem Fall müsste Deine Meinung über das Vorgehen im Fall Eichmann vom Prinzip her dem über das Vorgehen im Fall Osama identisch oder doch sehr ähnlich sein? Ich will Dir keine Meinung zuschreiben, ich glaube nur, dass ich den Kommentar nicht richtig verstanden habe.

Ipsissimus
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Di 3. Mai 2011, 15:02 - Beitrag #23

9/11 war eine Singularität vom Organisationsgrad, der Skrupellosigkeit der Durchführung und Opferzahl her, dazu Symbolcharakter und Langzeitwirkung.
Ist das so? Schlimmer als 4 Millionen tote Zivilisten im Vietnam-Krieg plus noch mal 2 Millionen tote Soldaten auf beiden Seiten? Schlimmer als die jahrzehntelange Verseuchung von Boden und Wäldern mit Dioxin? Schlimmer als unzählige Opfer totalitärer Herrschaftsübernahmen unter Anleitung und aktiver Unterstützung durch die CIA?

Amerika selbst hat den Feind "Terrorismus" großgezogen, um den Bürgerkrieg in die muslimischen Republiken der damaligen Sowjetunion und ins sowjetisch besetzte Afghanistan zu tragen, weigert sich aber, das Ungeheuer heute als legitimes Kind anzuerkennen. Ein Familiengeheimnis.

Und dahinter ein anderes Problem der amerikanischen Gesellschaft. So globalisiert und informiert sie sich geben, wissen sie doch nichts von der Welt. »Amerika führt Krieg gegen Leute, die es nicht kennt«, schrieb die indische Autorin Arundhati Roy in einem Essay. »Wut ist der Schlüssel, Wut bekommt man unbemerkt durch den Zoll.« Und weiter: »Könnte es sein, dass die finstere Wut, die zu diesem Angriff führte, nichts mit Freiheit und Demokratie zu tun hat, sondern damit, dass die amerikanischen Regierungen immer exakt das Gegenteil unterstützt haben - militärischen und wirtschaftlichen Terror, Militärdiktaturen, religiöse Bigotterie und unvorstellbaren Genozid (außerhalb Amerikas)?«

9/11 eine Singularität? Nur dann, wenn man keine Zusammenhänge sehen will.

Ipsissimus
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Di 3. Mai 2011, 15:25 - Beitrag #24

Malte, fehlende Quantifizierbarkeit einer qualitativen Größe ändert nichts an der Qualität der Größe. Bedenke bitte - dieselbe Bitte auch an dich, Lykurg - dass ich 9/11 nicht als Musterbeispiel für Menschenfreundlichkeit hingestellt habe.

Malte279
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Di 3. Mai 2011, 15:27 - Beitrag #25

Malte, fehlende Quantifizierbarkeit einer qualitativen Größe ändert nichts an der Qualität der Größe.
Was bedeutet dieser Satz? Ich verstehe ihn nicht.

Ipsissimus
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Di 3. Mai 2011, 15:40 - Beitrag #26

du fragst
... ab wie vielen Toten und ab wie viel Leiden denn die Grenze erreicht ist ab der dieses staatliche Vorgehen zu akzeptieren ist.
Und ich gebe dir recht, das ist nicht zu beziffern (quantifizieren). Aber wenn das bedeuten soll, dass es keinen qualitativen Unterschied gibt, dann bedeutet dies, dass wir dem Staat carte blanche geben, nach Gutdünken Rechtsstaatlichkeit ad acta legen zu dürfen. Dann ist im Prinzip schon jeder einzelne Tote Grund genug für die Preisgabe fundamentaler Rechtsgrundsätze.

Lykurg
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Di 3. Mai 2011, 15:47 - Beitrag #27

Ist das so? Schlimmer als 4 Millionen tote Zivilisten im Vietnam-Krieg plus noch mal 2 Millionen tote Soldaten auf beiden Seiten? Schlimmer als die jahrzehntelange Verseuchung von Boden und Wäldern mit Dioxin? Schlimmer als unzählige Opfer totalitärer Herrschaftsübernahmen unter Anleitung und aktiver Unterstützung durch die CIA?
Nicht schlimmer, sondern etwas grundlegend anderes. Aber genausowenig, wie man einen Terroranschlag dafür heranziehen sollte, einen Krieg zu rechtfertigen, kann man mit einem Krieg Terrorismus rechtfertigen. Daß beides regelmäßig erfolgt, macht es nicht besser. Krieg zielt auf einen bewaffneten Gegner, Terroranschläge töten absichtlich und weit überwiegend Zivilisten. Die systematische Ermordung durch ein Unrechtssystem bildet eine dritte Kategorie, für die wieder grundlegend anderes gilt.

009, das Nichtaufrechnendürfen ist als Machtprinzip nicht durchführbar. Wir hatten hier gelegentlich Gedankenspiele zu Entscheidungssituationen... (etwa den hier, oder den jüngeren über Menschenopfer, einen weiteren finde ich gerade nicht.) - Zur Fragwürdigkeit der Freude über den Tod bin ich deiner Meinung, Erleichterung vielleicht, wenn auch wohl wenig berechtigt, es sei denn über das Ende einer Projektion, wenn er tatsächlich in den letzten Jahren keine wesentliche Rolle mehr gespielt haben sollte.

janw
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Di 3. Mai 2011, 15:47 - Beitrag #28

Zitat von Malte279:Wenn es stimmt, dass Osama und die anderen bei ihm geschossen haben [...] was hätte getan werden sollen um ihn auf biegen und brechen lebendig zu fangen?
Denkt nicht, dass ich das amerikanische Vorgehen kritiklos gut heißen würde (und das tanzen auf dem nicht vorhandenen mit riesen Parties finde ich sehr geschmacklos), aber da es sonst niemand irgendwo tut möchte ich doch daran erinnern, dass die Amerika so oft vorgeworfene schwarz-weiß Sicht der Dinge auch denen zum Vorwurf gemacht werden kann die grundsätzlich alles verdammen was mit Amerika zu tun hat und fragen nach den alternativen bzw. nach den Taten der armen, armen Opfer dieses "Aktes amerikanisch-imperialistischer Willkür" vollkommen ausblenden.

Two wrongs don't make a right^^ bzw. wer auf das abstoßende Handeln eines abstoßenden Menschen in gleicher Weise reagiert, stellt sich mit ihm auf gleiche Stufe.
Die Anschläge mit den Flugzeugen auf die Hochhäuser waren ein furchtbarer Akt, und die Opfer und ihre Hinterbliebenen tun mir auch leid. Aber es ist nicht Aufgabe des Staates, Straf- und Rachebedürfnisse individueller Traumatisierter zu bedienen, sondern aufgrund seines Rechts Rechtsverstöße nach einem geordneten Verfahren zu verfolgen.
Die Sorge um das Wohlergehen der Opfer ist Sache strafrechtlich fixierter Entschädigungen und sonst staatlicher Fürsorge.
Dementsprechend liefen die RAF-Prozesse in Deutschland ja auch im Wesentlichen nach der Strafprozessordnung ab, auch wenn dem Volk nach "Rübe ab" war.

Meine amerikakritische Einstellung bezieht sich eben wesentlich darauf, daß dieses Land (Regierungen und gesellschaftlicher Grundkonsens) eben dieses Prinzip im Zweifel negiert, sich als natio sui generis versteht, die nach eigenem Gutdünken wider jedes Recht schaltet und waltet.

Es hätte eben alles mögliche getan werden müssen, ihn lebendig zu fangen, möglichst durch Kräfte des Staates.
Sicher nicht ganz einfach in Pakistan, wo der Geheimdienst eigene Politik neben der Regierung macht und interessierte Stellen bin Laden möglicherweise zur Flucht verholfen hätten.
Danach hätte er dann angeklagt werden müssen, IMHO am besten in Den Haag. Denn das bin Laden zugeschriebene rechtlich relevante Wirken ist letztlich international.

Zitat von Ipsissimus:na ja, der "wilde" Westen dürfte wohl eher ein Anwendungsfall der grundlegenden Überzeugung sein, dass man dann, wenn man mächtig genug ist, die Urbevölkerung eines Landes nach Belieben ausrotten darf, eine Ansicht, die verdächtig ähnlich wie jene wirkt, die ein paar Jahre früher ein paar nomadische mesopotamische Stämme hinsichtlich der von den Phöniziern besiedelten Städte und Gegenden um den Jordan an den Tag legten. "Yes, we can" bekommt da doch gleich eine ganz andere Deutungs-Dimension^^ und ein Terrorist oder Schurkenstaatler, wer dabei Ähnlichkeiten in der modernen amerikanischen Außenpolitik sieht^^ ich glaube nicht, dass das ein Talion ist, das ist schlichte besinnungslose Gier als ihr eigener Selbstzweck, in deren Rahmen die "pursuit of happiness" auch nichts anderes als ein weiteres wohklingendes Alibi ist.

Ich hatte beim Wilden Westen mehr die Gesellschaft vor Augen, die sich nach der Ausrottung der Indianer angesiedelt hatte, die Händler, Goldgräber und Glücksritter, die Vergehen im Grunde nach "Aug um Auge" straften, weil es so in der Bibel stand, zumindest sagte Pfarrer bei der Beerdigung nichts dagegen.
Dieses Bild lebt IMHO fort, wie ja auch das Gerichtswesen das des Wilden Westens ist.

Ob Jefferson die Gier gesehen hat, die sich im pursuit of happiness manifestiert?

Zitat von Lykurg:9/11 war eine Singularität vom Organisationsgrad, der Skrupellosigkeit der Durchführung und Opferzahl her, dazu Symbolcharakter und Langzeitwirkung.

Naja, es sind 10 Tausende Menschen durch agent Orange und Napalm vergiftet und verbrannt worden, die Überlebenden danach verhungert, und noch heute ist das Gift da draußen, das Land und das Wasser nach unseren Maßstäben verseucht. Noch immer werden Mißgeburten erzeugt dadurch.
Organisiert, im Wissen, was das Zeug anrichten würde, wieviele Menschen es umbringen oder fürs Leben leiden lassen würde, einschließlich ihrer Kindeskinder.

Ipsissimus
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Di 3. Mai 2011, 16:16 - Beitrag #29

Aber genausowenig, wie man einen Terroranschlag dafür heranziehen sollte, einen Krieg zu rechtfertigen, kann man mit einem Krieg Terrorismus rechtfertigen.
ich rechtfertige diesen Terroranschlag nicht, Lykurg, diesen nicht und keinen anderen. ich halte es nur für Augenwischerei, so zu tun, als gäbe es keine über religiösen Fanatismus und persönliche Bösartigkeit hinausgehenden Zusammenhänge, die erklären, warum Menschen in Terrorismus eine Möglichkeit des Widerstands sehen. Diese Gründe sind aus meiner Sicht so rational oder irrational wie die Gründe eines Staates, Krieg zu führen oder nicht zu führen, und genau so legitim oder illegitim.

Ipsissimus
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Di 3. Mai 2011, 19:23 - Beitrag #30

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,760151,00.html

Jubelnde Amerikaner und erfreute deutsche Politiker: Offensichtlich soll man den Tod Osama Bin Ladens feiern. Aber wenn Menschen, die stets auf ihre zivilisatorische Überlegenheit pochen, auf der Straße tanzen, weil ihr Feind erschossen wurde, graust es Stefan Kuzmany ein wenig.

...

Es sind wohl letztlich leider nicht "die Kräfte des Friedens", die hier gesiegt haben, wie Merkel meint, sondern die Anhänger einer archaischen Blutrache-Moral. Dass sich die Spitzen unserer Regierungsparteien dieser Ideologie unterwerfen, bedeutet einen zivilisatorischen Rückfall. Die Erleichterung über den Tod Bin Ladens ist nachvollziehbar, der Applaus für seine Hinrichtung ist es nicht.

Ob die Welt mit seinem Abgang friedlicher wird? Das darf man bezweifeln.

janw
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Di 3. Mai 2011, 19:49 - Beitrag #31

Zitat von Malte279:Das der 11. September und sein Schrecken nicht mit denen des Holocausts vergleichbar sind wird wohl niemand bestreiten. Wenn dies aber in diesem Kontext angeführt wird, dass hierdurch die Entführung Eichmanns (was wenn er Widerstand geleistet hätte und ohne Prozess getötet worden wäre?) legitim, das Vorgehen gegen Osama aber absolut verwerflich war, dann muss auch die Frage erlaubt sein ab wie vielen Toten und ab wie viel Leiden denn die Grenze erreicht ist ab der dieses staatliche Vorgehen zu akzeptieren ist. Niemand wird diese Frage aber beantworten können.

Nun, juristisch wird die Grenze heute da gezogen, wo ein Fall nach Den Haag verwiesen wird. Übergroße Opferzahl, die für sich steht und eine sonst übliche individuelle Fallwürdigung methodisch unbewältigbar macht und dazu wesentliche Substanz aus dem Gesamthaften zieht, systematisches Vorgehen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, besondere Grausamkeit, über einen Staat hinaus reichende Dimension der Tat usw.
Wenn ich es richtig sehe, dann gab es zur Zeit des Eichmann-Prozesses Den Haag noch nicht, die Nürnberger Prozesse waren abgeschlossen. Man hätte also in jedem Falle etwas Nürnberg-analoges installieren müssen.

Die Entführung Eichmanns war IMHO rechtlich nicht legitim - wobei es für mich eine offene Frage ist, warum er dies nicht entsprechend geltend gemacht hat. Für mich war aber ebenso seine Belangung notwendig, auch wegen der dabei zu erhaltenden Einblicke in die Funktionsweise des NS-Systems und ist der formale Mangel durch Nichtbeklagung und den letztlich grundsätzlich korrekten Prozess geheilt.

Heute haben wir aber ein funktionierendes internationales Gericht für Fälle entsprechenden Ausmaßes, und so ist die "Find -to kill"-Mission von vorneherein inakzeptabel.
Pacta sunt servanda ist übrigens eine urkonservative Forderung^^

Und beim Vergleich dieser beiden Fälle sollte auch nicht übersehen werden, dass Osama eine Symbolfigur und (in mittlerweile weit geringerem Maße) ein Organisator von einer verbrecherischen, terroristischen Organisation war während von Eichmann (dessen Verhaftung und Aburteilung ich trotzdem gutheiße) keine wirkliche Gefahr weiterer Verbrechen ausging.
Gilt dies auch wenn der der Unschuld zu verdächtigende seine Taten wiederholt zugegeben und sich damit gebrüstet hat? Gilt dies auch bei einer Reihe von Verbrechen von denen der 11. September lediglich das spektakulärste darstellt?

Ein Geständnis steht im Strafprozess gleichrangig neben allen anderen Beweismitteln. Es ist stets zu prüfen, ob das Geständnis wahr ist oder ob es nicht unter Druck oder zum Schutz wirklicher Täter fälschlich erfolgt ist.

Zitat von Lykurg:Nicht schlimmer, sondern etwas grundlegend anderes. Aber genausowenig, wie man einen Terroranschlag dafür heranziehen sollte, einen Krieg zu rechtfertigen, kann man mit einem Krieg Terrorismus rechtfertigen. Daß beides regelmäßig erfolgt, macht es nicht besser. Krieg zielt auf einen bewaffneten Gegner, Terroranschläge töten absichtlich und weit überwiegend Zivilisten. Die systematische Ermordung durch ein Unrechtssystem bildet eine dritte Kategorie, für die wieder grundlegend anderes gilt.

Siehe Ipsis Beitrag; ich würde dabei ergänzen, daß das amerikanische Vorgehen darauf hinaus läuft, jedes widerständige Verhalten nach Belieben als Terrorismus qualifizieren zu können - siehe die Beispiele der Musikindustrie und der Gentech-Multis - andererseits, welche Möglichkeit hat mensch, wenn dollarstrotzende Übermacht mit Anwälten im Rücken einfällt, die Hütten abfackelt, die Felder plattwalzt, um Gensoja anzubauen oder Ölpalmen oder Erdöl zu fördern?
Aber das ist auch eine andere Geschichte, Osama war kein Sachwalter von Kleinbauern.

Malte279
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Di 3. Mai 2011, 20:53 - Beitrag #32

Der Meinung das die "Find to kill" Mission sehr problematisch (und das ist noch euphemistisch ausgedrückt) ist schließe ich mich an. Fraglich ist aber ob es überhaupt eine Möglichkeit gab Osama bin Laden lebend zu fangen.
Ich gebe zu, dass ich ihm jetzt etwas unterstelle auf der Grundlage von Medienberichten statt auf persönliche Gespräche oder so, aber ich glaube doch, dass er sich im Zweifelsfall lieber töten als gefangennehmen ließ (wie das mit einiger Wahrscheinlichkeit ja auch geschehen ist). Selbst wenn die amerikanischen Soldaten mit dem ausdrücklichen Auftrag losgeschickt worden wären ihn lebendig zu fangen wäre er wahrscheinlich trotzdem (ob durch Selbstmord oder auf Grund der Tatsache dass Soldaten normalerweise zurückschießen wenn auf sie geschossen wird) nicht lebend in ihre Hände gefallen. Wenn dann jetzt amerikanische offizielle in noch so ehrlicher Absicht beteuern würden, dass sie bedauern würden, dass er ihnen nicht lebend in die Hände gefallen sei und nicht mehr vor ein Gericht gebracht werden könnte (oder wenn irgendwer in der aktuellen Situation sich so äußern würde), würde dann nicht sofort und Einstimmig der Vorwurf der Heuchelei erhoben werden?
Ich kann nur wiederholen, dass es nicht meine Absicht ist, dass Vorgehen der Amerikaner völlig zu rechtfertigen, aber es wäre angesichts der Umstände zu einfach in den vielfachen Kanon einzustimmen der jetzt Amerika / Obama uneingeschränkt verdammt. Ich glaube wenn man alle Faktoren berücksichtigt gab es keine Handlungsweise für die die Amerikaner / ihr Präsident jetzt nicht verdammt wurden. Von all den Übeln zwischen denen er zu wählen hatte hat er dass gewählt das zu hause nicht als übel aufgefasst würde und ich muss gestehen, dass ich ihm keinen Strick daraus drehen kann.
Gerne würde ich vollkommen vorbehaltlos der Sicht der Dinge zustimmen, dass ein Übel kein anderes rechtfertigen darf, aber wenn ich dass uneingeschränkt täte, dann würde damit kein angegriffenes Land und keine angegriffene Person das Recht haben sich gegen Angriffe zu verteidigen. In der scheußlichen Situation eines Krieges (und auch wenn ich den Begriff "Krieg gegen den Terror" nicht leiden kann, da dies nichts ist bei dem man irgendwann ein Ende absehen kann, muss man doch zugeben, dass die bewaffneten Kämpfe doch als Krieg bezeichnet werden können (und im Interesse der nicht verharmlosung vielleicht sogar müssen)) ist dieses kaum bestrittene Recht auf Selbstverteidigung leider nicht das einzig tragende Element. Ein gegnerischer Anführer muss nicht im Begriff sein einem eigenen Soldaten die Kehle durch zu schneiden um in einem Krieg als Ziel angesehen zu werden (Beispiele dafür gibt es jede Menge).
In einem "normalen Krieg" würde also ein feindlicher General ohne dass moralische Einwände erhoben würden ohne zu zögern getötet werden wenn sich die Gelegenheit ergibt. Wenn der Mensch aber keine offiziel anerkannte Uniform trägt, wenn er sich offen zu Verbrechen bekennt deren Ziel nicht oder nicht ausschließlich Soldaten, sondern auch völlig unbeteiligte waren, dann steht diesem Mensch also das Recht zu nicht als "Teil des Krieges" betrachtet sondern unter allen umständen Lebend gefangen und vor ein Gericht gestellt zu werden?
Die Moral der Amerikaner ist fragwürdig (und der hier erwähnte Thomas Jefferson ist ja DAS Paradebeispiel moralischer Fragwürdigkeit) aber ein Monopol auf moralische Fragwürdigkeit haben sie sicherlich nicht sondern auch wir sollten unsere Sichtweisen untersuchen.
Wer einen realistischen Vorschlag hat was Obama hätte tun sollen und können und für den er nicht verdammt worden wäre, der trete vor.

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Di 3. Mai 2011, 22:33 - Beitrag #33

janw, während des Vietnamkriegs war das Bewußtsein für dauerhafte Umweltverseuchung und Folgen von erbgutschädigenden Giftstoffen noch lange nicht so ausgeprägt wie heute. Zweifellos ist jener Krieg auf schreckliche Weise geführt worden, aber welches Opfer von 9/11 kann etwas dafür? Krieg und Terror sind zwei grundverschiedene Dinge mit der Tendenz, sich einander anzunähern. Zu den inhärenten Bestandteilen von Terror und Antiterrorkampf gehört, daß Terroristen Erfolg haben, wann immer ihr Feind, der Staat, seine ethischen Prinzipien verletzt.
Zitat von Ipsissimus:ich rechtfertige diesen Terroranschlag nicht, Lykurg, diesen nicht und keinen anderen. ich halte es nur für Augenwischerei, so zu tun, als gäbe es keine über religiösen Fanatismus und persönliche Bösartigkeit hinausgehenden Zusammenhänge, die erklären, warum Menschen in Terrorismus eine Möglichkeit des Widerstands sehen. Diese Gründe sind aus meiner Sicht so rational oder irrational wie die Gründe eines Staates, Krieg zu führen oder nicht zu führen, und genau so legitim oder illegitim.
Ich sehe durchaus Zusammenhänge außerhalb des religiösen Fanatismus, etwa panarabische, antisemitische und antiamerikanische Ideologien, außerdem natürlich Perspektivlosigkeit und gebrochene Biographien, insbesondere in Afghanistan, das trotz intensiver Bemühungen nicht besser dasteht als viele zentralafrikanische Staaten.
Ihre Bürger vor Gefahren zu schützen, ist die unmittelbare Aufgabe westlicher Staaten. Terrorismus bedroht Leben und Sicherheit der Bürger, ihn zu bekämpfen, ist also Staatsziel.

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Di 3. Mai 2011, 22:34 - Beitrag #34

Mittlerweile heißt es in den Berichten, dass Bin Laden selbst nicht bewaffnet war und nicht geschossen hat, was natürlich das Szenario einer Verhaftung wesentlich realistischer gemacht hätte, während die Behauptung er sei wärend des Gefechtes unbeabsichtigt getroffen worden kaum glaubhaft erscheint.
Die vorherige Frage warum er eine bessere Behandlung verdienen würde als reguläre militärische Anführer in einem Krieg bleibt allerdings bestehen.

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Di 3. Mai 2011, 22:57 - Beitrag #35

Ich sehe durchaus Zusammenhänge außerhalb des religiösen Fanatismus, etwa panarabische, antisemitische und antiamerikanische Ideologien, außerdem natürlich Perspektivlosigkeit und gebrochene Biographien, insbesondere in Afghanistan, das trotz intensiver Bemühungen nicht besser dasteht als viele zentralafrikanische Staaten.
du siehst, mit anderen Worten, die Schuld für das Entstehen von Terrorismus ausschließlich auf Seiten der Terroristen bzw. der Staaten, aus denen sie schwerpunktmäßig hervorgehen. Das nenne ich wiederum, keine Zusammenhänge zu sehen, oder auch Selbstfreispruch des Westens aka der ehemaligen Kolonialmächte.

janw
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Di 3. Mai 2011, 23:54 - Beitrag #36

Zitat von Malte279:Der Meinung das die "Find to kill" Mission sehr problematisch (und das ist noch euphemistisch ausgedrückt) ist schließe ich mich an. Fraglich ist aber ob es überhaupt eine Möglichkeit gab Osama bin Laden lebend zu fangen.
Ich gebe zu, dass ich ihm jetzt etwas unterstelle auf der Grundlage von Medienberichten statt auf persönliche Gespräche oder so, aber ich glaube doch, dass er sich im Zweifelsfall lieber töten als gefangennehmen ließ (wie das mit einiger Wahrscheinlichkeit ja auch geschehen ist). Selbst wenn die amerikanischen Soldaten mit dem ausdrücklichen Auftrag losgeschickt worden wären ihn lebendig zu fangen wäre er wahrscheinlich trotzdem (ob durch Selbstmord oder auf Grund der Tatsache dass Soldaten normalerweise zurückschießen wenn auf sie geschossen wird) nicht lebend in ihre Hände gefallen. Wenn dann jetzt amerikanische offizielle in noch so ehrlicher Absicht beteuern würden, dass sie bedauern würden, dass er ihnen nicht lebend in die Hände gefallen sei und nicht mehr vor ein Gericht gebracht werden könnte (oder wenn irgendwer in der aktuellen Situation sich so äußern würde), würde dann nicht sofort und Einstimmig der Vorwurf der Heuchelei erhoben werden?

Gut möglich, daß er sich einer Gefangennahme durch Selbstmord entzogen hätte. Das wäre dann so, bliebe noch die Frage, ob er auch bei Gefangennahme durch eine Abordnung aus Den Haag so gehandelt hätte.
Gut möglich, daß er in einem Gefecht durch einen sich verteidigenden Soldaten umgekommen wäre. Das wäre dann eben ein Fall von Notwehr.
Aber es wäre eben immer noch etwas anderes, als eine von vorneherein aufs Töten ausgerichtete Mission, für die ein Zielen auf Beine oder andere weniger kritische Bereiche gar nicht zur Debatte stand.

Ich kann nur wiederholen, dass es nicht meine Absicht ist, dass Vorgehen der Amerikaner völlig zu rechtfertigen, aber es wäre angesichts der Umstände zu einfach in den vielfachen Kanon einzustimmen der jetzt Amerika / Obama uneingeschränkt verdammt. Ich glaube wenn man alle Faktoren berücksichtigt gab es keine Handlungsweise für die die Amerikaner / ihr Präsident jetzt nicht verdammt wurden. Von all den Übeln zwischen denen er zu wählen hatte hat er dass gewählt das zu hause nicht als übel aufgefasst würde und ich muss gestehen, dass ich ihm keinen Strick daraus drehen kann.

Mag sein, daß anderswo choral gepostet wird, hier schreibt aber wohl jeder seine Meinung, und wenn die Welt gegen ihn wäre^^
Sicher wäre Obama für jede Lösung kritisiert worden, aber das ist eben der Preis seiner Entscheidungsgewalt. Ein Präsident hat zu allererst und vor allem nach dem Recht zu handeln, nicht danach, welche Gruppe zu Hause am lautesten schreit.

Gerne würde ich vollkommen vorbehaltlos der Sicht der Dinge zustimmen, dass ein Übel kein anderes rechtfertigen darf, aber wenn ich dass uneingeschränkt täte, dann würde damit kein angegriffenes Land und keine angegriffene Person das Recht haben sich gegen Angriffe zu verteidigen

Natürlich ist Verteidigung erlaubt.
Die Frage ist nur, wo ist der Angriff, bzw. worauf ist er erfolgt? Der eine kriegerische Reaktion rechtfertigende Angriff auf den Staat usa durch die Attentäter vom 11. September ist eine Konstruktion des Pentagon, da wurde ein Kriminalfall zur militärischen causa umgemünzt.

In der scheußlichen Situation eines Krieges [...] ist dieses kaum bestrittene Recht auf Selbstverteidigung leider nicht das einzig tragende Element. Ein gegnerischer Anführer muss nicht im Begriff sein einem eigenen Soldaten die Kehle durch zu schneiden um in einem Krieg als Ziel angesehen zu werden (Beispiele dafür gibt es jede Menge).
In einem "normalen Krieg" würde also ein feindlicher General ohne dass moralische Einwände erhoben würden ohne zu zögern getötet werden wenn sich die Gelegenheit ergibt. Wenn der Mensch aber keine offiziel anerkannte Uniform trägt, wenn er sich offen zu Verbrechen bekennt deren Ziel nicht oder nicht ausschließlich Soldaten, sondern auch völlig unbeteiligte waren, dann steht diesem Mensch also das Recht zu nicht als "Teil des Krieges" betrachtet sondern unter allen umständen Lebend gefangen und vor ein Gericht gestellt zu werden?

Da sind wir an des Pudels Kern^^ Krieg ist ein Geschehen zwischen Staaten, das durch das Kriegsvölkerrecht geregelt ist. Wesentlicher Bestandteil ist, daß sich zwei durch Uniformen gekennzeichnete Kampfgruppen gegenüber stehen, von denen gefordert wird, die Zivilbevölkerung weitestgehend zu schonen und Gefangene der Gegenseite in genau spezifizierter Weise zu behandeln.
Der "asymmetrische Krieg" ist eine Erfindung von Rumsfeld und Cheney und keine Rechtskategorie, insofern ist das Geschehen in Afghanistan rechtlich selbst in einer Grauzone nur schlecht plaziert.
Wobei ich Dir in praktischer Hinsicht allerdings zustimme, daß zumindest für die deutsche Seite, die sich meines Wissens kriegsvölkerrechtskonform gegenüber Bevälkerung un Gefangenen verhält, das Wort Krieg eine ehrliche Beschreibung ist.

Ein gegnerischer Anführer muss dann nicht im Begriff sein..., wenn er als Mitglied einer kämpfenden Truppe erkennbar ist. Sonst ist er zu stellen und festzusetzen.

Wer nicht uniformiert ist, der ist nicht als Teil des Kriegsgeschehens anzusehen, sondern möglichst gewaltarm festzusetzen und einer ordentlichen Strafverfolgung zuzuführen, hilfsweise bei entsprechender Schwere des Vergehens bis zu deren Wiedereinsetzung festzuhalten.
Daß in vielen Kriegen anders verfahren wurde und wird, es sei nur an Partisanen erinnert, ist eben Kriegsverbrechen.

Wer einen realistischen Vorschlag hat was Obama hätte tun sollen und können und für den er nicht verdammt worden wäre, der trete vor.

Er hätte sagen müssen, daß ihre Verfassung und ihr Recht die Grundfesten von usa seien und er der oberste Verteidiger derselben.
Und daß er deshalb auch mit jenen, die mit usa und Amerikanern nach anderen Rechtsvorstellungen umgehen wollen, so umzugehen gedenkt, wie es dem Inhalt und dem Geist der amerikanischen Verfassung und Gesetze entspricht.
Daß sich von daher nur die zwei Alternativen stellten, ihn in usa oder in Den Haag vor Gericht zu stellen.

Allerdings hätte er schon mit den Guantanamo-Insassen entsprechend verfahren müssen.

Natürlich wäre er von den Republikanern verdammt worden, aber von denen verdammt zu werden, sollte als Ehre aufgefasst werden^^

janw
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Mi 4. Mai 2011, 00:31 - Beitrag #37

Zitat von Lykurg:janw, während des Vietnamkriegs war das Bewußtsein für dauerhafte Umweltverseuchung und Folgen von erbgutschädigenden Giftstoffen noch lange nicht so ausgeprägt wie heute. Zweifellos ist jener Krieg auf schreckliche Weise geführt worden, aber welches Opfer von 9/11 kann etwas dafür? Krieg und Terror sind zwei grundverschiedene Dinge mit der Tendenz, sich einander anzunähern. Zu den inhärenten Bestandteilen von Terror und Antiterrorkampf gehört, daß Terroristen Erfolg haben, wann immer ihr Feind, der Staat, seine ethischen Prinzipien verletzt.

Dann wurde agent orange und Napalm also gegen feindliche Truppen eingesetzt? Die Menschen im Mekong-Delta alles uniformierte Kämpfer? Die nackte napalmverbrannte Frau aus MyLai, konnte sie etwas dafür?

Krieg und Terror nähern sich aneinander an, weil Bush und Rumsfeld und Cheney die Grenzen begrifflich und dann faktisch aufgeweicht haben.
Die Folgen sind einige Hundertausend zivile Opfer in Irak und ein dort nicht wirklich erfolgreicher Krieg, ein Grauzonen-Krieg in Afghanistan mit ungewissem Ausgang, eine Diversifizierung von al kaida etc.
Außerdem eine massive Vernachlässigung innerer Probleme gegenüber Militärausgaben in usa einschließlich stark gestiegener Staatsverschuldung.
Die Opfer von 9/11 macht es nicht lebendig, ob es den Hinterbliebenen irgend etwas bringt, halte ich für fraglich.

Ihre Bürger vor Gefahren zu schützen, ist die unmittelbare Aufgabe westlicher Staaten. Terrorismus bedroht Leben und Sicherheit der Bürger, ihn zu bekämpfen, ist also Staatsziel.

Auf ihrem eigenen Grund und Boden, mit den dafür geltenden gesetzlichen Regeln und Mitteln.

usa versteht sich als ein Staat, dessen Verteidigung nicht auf eigener Grundfläche erfolgt, sondern nach eigenem Gutdünken weltweit.
Bald auch in Hamburg?^^

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Mi 4. Mai 2011, 03:42 - Beitrag #38

Zitat von Malte279:Vielleicht, habe ich was missverstanden, aber wenn Du der Ansicht bist, dass die Opfer so nicht aufgerechnet werden können, dann müsstest Du doch eigentlich Lykurgs Meinung sein? In dem Fall müsste Deine Meinung über das Vorgehen im Fall Eichmann vom Prinzip her dem über das Vorgehen im Fall Osama identisch oder doch sehr ähnlich sein? Ich will Dir keine Meinung zuschreiben, ich glaube nur, dass ich den Kommentar nicht richtig verstanden habe.


Mit BLick auf die Uhr wage ich es dennoch was zu schrieben. Welche(n Teil der) Position von Lykurg Du meinst, kriege ich gerade nicht mehr auf die Reihe, Mit einem googlen/Wiki kann ich nur sagen, dass ich auch die Entführung Eichmanns nicht gutheißen kann, aber den Prozeß gegen ihn gut finde (ohne gerade sagen zu können, ob da aus rechtsstaatlicher Sicht Israel der richtige oder/und gesetzliche Richter war).
Meine Meinung ist - um es so nochmal erklären zu versuchen - in der Hinsicht eine strikt juristische, die zugegeben mir selber manchmal schon auch Nachdenkprobleme macht, weil sie eben eher Recht als immer Gerechtigkeit ergibt.
In dieser Sicht schwingt auch die Haltung wieder, eine strikte Abgrenzung von gerade solchen Straftätern bzw. Tatverdächtigen zu erreichen, in dem man/der Rechtsstaat sich eben nicht aif deren "Niveaus" begibt und grundsätzlich immer nur eher sach- als Rachegeleitet strikt nur im legalen Rahman handelt.

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Mi 4. Mai 2011, 03:56 - Beitrag #39

Zitat von Lykurg:Ihre Bürger vor Gefahren zu schützen, ist die unmittelbare Aufgabe westlicher Staaten. Terrorismus bedroht Leben und Sicherheit der Bürger, ihn zu bekämpfen, ist also Staatsziel.


Wie wir hier erörterten, ist die Sicherheit kein unmittelbarer Staatsziel rechtsstaatlicher Demokratien wie Deutschland. Daraus folgt auch, dass die Terrorismusbkämpfung nicht so ein starkes Ziel sein kann und darf wie manche meinen.

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Mi 4. Mai 2011, 20:55 - Beitrag #40

Der "Krieg" gegen den Terror, den die USA seit 2001 betreibt, findet definitiv im rechtsfreien statt. Diesen rechtsfreien Raum haben sie selbst erfunden. Es soll sich weder um einen Krieg im völkerrechtlichen Sinne noch um eine polizeiliche Maßnahme. Die Terroristen, Taliban usw. sind nach herrschender Doktrin weder Soldaten mit Anspruch auf Genfer Konvention noch Verbrecher im herkömmlichen Sinne mit Anspruch auf ein Verfahren. (Ein ähnliches Problem gibt z. B. auch bei somalischen Piraten, nur versucht man im Falle der Piraterie hierfür einen rechtlichen Status zu schaffen und nutzt die Rechtlosigkeit nicht schamlos aus.)
Ob der Kopfschuss bin Ladens notwendig war, wage ich zu bezweifeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Osama unbewaffnet besonders wertvoll ist. Möglich, dass er den lächerlichen Versuch wagte, die Navy-Seals mit dem Spazierstock zu verprügeln. Der Staatsfeind Nummer 1 war schwer krank. Der 54-Jährige war schwer krank, er ging nicht nur aufgrund alter Kriegsverletzung am Stock, sondern hatte ein schweres Nierenleiden, musste sich regelmäßig einer Blutwäsche unterziehen. Peter Scholl-Latour wies schon vor langer Zeit daraufhin, dass solche aufwendigen medizinischen Behandlungen wohl kaum in einem Höhle im Hindukusch stattfinden könnten, sondern eher in einer zivilisierten Gegend Pakistans und er meinte die Ehre des Gastgebers allein würde diesen schon davon abhalten bin Laden für 50 Mio. $ zu verraten.

Ansonsten war der Kopfschuss nicht die unrechtmäßigstee Aktion im Anti-Terror-Krieg. Dass die gezielte Tötung durch die Infanterie dem Bombardement durch Drohnen (übliche Taktik) vorgezogen, hat sicher schlimmere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindern. Da wäre bin Laden 14-Jährige Tochter nicht nur Zeugin der Tötung ihres Vaters geworden, sondern ebenfalls pulverisiert und verbrannt. Die USA entschieden sich aber nicht für den Einsatz des Navy-Seals außer Menschlichkeit um Zivilisten zu schonen, sondern um sicher zu sein, dass sie Osama bin Laden wirklich erwischt haben. Sie wollte Beweise für das "got him", eine Leiche, keine ausgebrannte Villa.
Ansonsten daef man gern Vergleiche mit Saddam Hussein ziehen, der ja quasi George W. Bushs Ersatztrophäe war. Er wurde nicht mit Kopfschuss ausgeschaltet, ihm wurde nach irakischem "Recht" der Prozess gemacht, er wurde zum Tode verurteilt und gehängt.

Es gibt um dutzende Beispiele für schlimmere Verbrechen der USA in den letzten 10 Jahren. Ich denke da z. B. an minderjährige Gefangene in Guantanmo, das Massaker von Mazar-i-Sharif, die Verschleppung des unschuldigen deutschen Staatsbürgers Khaled al-Masris in Mazedonien und des Misshandlung in Afghanistan ...
Die Tötung bin Ladens ist sie wahrlich die geringste Sünde. Man muss darauf nicht so lange herumreiten, nur weil Osama b. L. ein A-Promi war, ist und sein wird. (Seine Prominenz ist wahrscheinlich auch sein schwersten Verbrechen. Es ist äußerst schwer im mehr bzgl. internationaler Terrorismus in die Schuhe zu schieben als eine Rädelsführerschaft.)
Lauter Jubel ist natürlich trotzdem geschmacklos. Merkels Worte über Sühne wenigstens politisch unkorrekt.

"Operation Geronimo":
Bizarr ist sicher noch der Name der Operation: Geronimo
Der Name des Indianers lässt sich Platz für Verwörungstheorien, man denke nur an die bizarre Geschichte, um den Raub seiner Kopfes durch den Patriarchen des Bush-Familie.

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