Seite 1 von 1

1968 - 1989 - 2011

BeitragVerfasst: Mi 19. Okt 2011, 21:46
von Maglor
Die Welt im Feuer.
Eine brennende Jugend.
Feurige Jahre.

1968

China - auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution
CSSR - "Prager Frühling"
Studenten-Unruhen in Polen, BRD, Frankreich usw.
Bürgerrechtsbewegung in den USA.
01.09.1969 Oberst Gaddafi führt die Islamische Revolution in Libyen

1989 - 1991 - Wendejahre
Wiedervereinigung der Deutschländer
"Singende Revolution" im Baltikum
Auflösung der Sowjet-Union
Zerfall Jugoslawiens
Golfkrieg
Wiedervereinigung beider Jemen

2011
Regime-Wechsel in Ägypten und Tunesien (auf Monate soll's nicht ankommen)
Libyen, Jemen und Syrien in einer Art Revolutionskrieg
Soziale Unruhen in England
Jugendprotest in Spanien
Griechenland im Dauerstreik
Sozial-Proteste in Israel
Wer okkupiert die Wallstreet und wo? Brennende Speerspitze bilden offensichtlich die Italiener, die USA jedoch mal wieder die Ideengeber (siehe 1968).

Wird der arabische Frühling zum börsianischen Herbst?
Klar ist nur eines: Die Rädelsführer im Westen wie im Osten beziehen sich direkt auf den arabischen Frühling - am deutlichsten in Spanien und Israel.
Thematisch ähnlich - wenn nicht im Grunde identisch - sind die Motive: Jugendarbeitslosigkeit, soziale Ungerechtkeit, akute Zweifel am politischen System.
Für 2011 ist es für einen Jahreswechsel wohl noch zu früh. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Wird 2011 das Jahr der Revolution?

BeitragVerfasst: Do 20. Okt 2011, 21:06
von Traitor
Größere Jugendbrände aus den Wendejahren sind mir eigentlich nicht im Bewusstsein, wurde die DDR-Bürgerrechtsbewegung nicht eher von Bürgerlichen getragen, und die Jugend stürzte sich nach der Wende eher auf westlichen Konsum als auf politische Freiheiten?

Die aktuellen westlichen Protestbewegungen kranken vor allem am Mangel eines Gegenentwurfs. Kommunen, love not war und andere Aspekte des Hippie-Modells waren natürlich naiv, aber immerhin war es ein geschlossenes Gegenmodell. Was statt Banken und Schulden kommen soll, kann dagegen niemand so richtig darlegen, nichtmal "zurück zur Natur" propagiert irgendwer ernsthaft.

Und die nahöstlichen Aufstände trennt von den 68ern, dass sie nicht ideologie- und teleologiegeleitet sind, sondern in erster Linie ein "weg damit" sind, mit, wie schon in einigen Fällen zu beobachten, einsetzendem Vakuum danach. Diese Folge und den Umbau einer ganzen Weltregion (obwohl dessen Dauerhaftigkeit noch abzuwarten bleibt) teilen sie mit den 91er-Genossendämmerungen, die Veränderung kommt aber diesmal von unten nach oben, auch wieder ein großer Unterschied also.

Zwischen den drei Ereigniskorrelaten gibt es also einige Verbindungen, aber auch ebenso große Unterschiede. Wie eigentlich immer bei historischen Parallelisierungsbemühungen. ;)

BeitragVerfasst: Sa 22. Okt 2011, 14:16
von Maglor
Als nicht unwesentliche Vorstufe aller Ereignisse von 1989 bis 1991 bleibt der (am Ende von Panzern überrollte) chinesische Studentenprotest am Platz des himmlischen Friedens, den ich in obiger Auflistung vergessen habe.

Die Ereignisse in Osteuropa mögen von Gorbatschows Politik ausgelöst worden sein, sind aber letztlich dem Diktat des Generalsekretärs entglitten. Die Auflösung der Sowjet-Union hat er nie gewollt, sondern wurde eben von Demonstranten erzwungen.
(Zu Bedenken ist auch, dass sich die DDR und Rumänien der Reformpolitik Gorbatschows verweigert. Jugoslawien und Albanien standen sogar völlig außerhalb der sowjetischen Krake.)
Dass sich das ganze auch die sozialistische Hemisphäre beschränkte, ist nicht ganz richtig. 1990 endete das Apartsheid-Regime in Südafrika.

BeitragVerfasst: Sa 22. Okt 2011, 16:36
von Ipsissimus
nicht zu vergessen das Pinochet-Regime in Chile

was 2011 angeht, warten wir es ab, ob sich was ändert, oder ob nur etwas ausgetauscht wurde

BeitragVerfasst: Sa 22. Okt 2011, 21:55
von Traitor
Was den Einfluss der Demonstrationen beim Sowjetzerfall angeht, scheine ich eine Bildungslücke zu haben, bisher schienen mir stets Hinterzimmerpolitik und interner Machtkampf die entscheidenden Triebfedern zu sein, aber anscheinend war das Volk durchaus recht stark beteiligt.

BeitragVerfasst: Sa 22. Okt 2011, 23:00
von Lykurg
Traitor, "Wir sind das Volk"?^^ Das Ausscheren der DDR als wirtschaftsstärkster Warschauer-Pakt-Staat spielte schon eine deutliche Rolle. Noch vorher aber war ja in Polen mit Solidarnosz ebenfalls eine Art von Massenbewegung wirksam geworden, dort gab es dann ja schon 1989 demokratische Wahlen. Auch in Ungarn (Ende der VR) und der Tschechoslowakei standen durchaus Volksbewegungen hinter der Wende. Maglor verwies auf die "Singende Revolution" im Baltikum, das waren ja auch teilweise Massenveranstaltungen, auf denen die verbotenen/verpönten alten Hymnen und Volkslieder zur nationalen Identität zurückverhalfen.

BeitragVerfasst: So 23. Okt 2011, 20:26
von Traitor
Aus DDR, Polen etc. sind mir die Volksbewegungen natürlich bekannt, und ihre Bedeutung für den Wandel ist nicht zu unterschätzen. Ähnliches aus der Sowjetunion wird hierzulande aber eher wenig rezipiert. Und nach dem, was ich bisher gefunden habe, war dort auch zumindest die Reihenfolge anders - erst von oben kommende Reformen und Stabilitätsverluste (natürlich mitausgelöst durch die Unruhen in den Satellitenstaaten), erst in das beginnende Vakuum hinein und insbesondere als Gegengegenrevolution zum Augustputsch dann auch Volksbewegungen. Einen gewissen Vorabdruck scheinen sibirische Streiks erzeugt zu haben, aber im Kernland scheint erst der Putsch die Massen auf die Straßen gebracht zu haben. Oder übersehe ich weitere wichtige Bewegungen?

BeitragVerfasst: So 23. Okt 2011, 20:43
von Maglor
Fast alle diese Bewegungen in Osteuropa standen unter patriotischen bis nationalistischen Vorzeichen. Ziel war die Unabhängigkeit bzw. Wiedervereinigung und die Abschüttelung eines sowjetischen oder russisches Joches. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Bewegung "Kernland" nicht entstehen kann.
In Sowjet-Republiken mit eigenständiger nationaler Tradition (gemeint Lettland, Estland, Litauen) war ds natürlich anders als in solchen Kunst-Republiken wie Moldawien.

An der kaukasischen Peripherie gibt es aber durchaus noch nennenswerte Ereignisse, deren Folgenschwere im Westen erst Jahre später erkannt wurden.
3. September 1991 - Bergkarabach erklärt seine Unabhänigkeit von Aserbadschan
1. November 1991 - Tschetschenien erklärt einseitig seine Unabhängigkeit von der Russischen Föderation.

Unbekannte Länder wie Transnistrien, Abchasien, Südossetien - quasi als pro-russische Gegenbewegungen und separatistische Antiseparatismen.

Vielleicht ist das auch ein kleiner Ausblick für 2012. Aus Libyen lassen sich leicht 2 oder 3 Staaten machen. Syrien oder der Jemen können ohne weiteres geviertelt oder gesiebtelt werden und eine Koptische Republik wäre auch mal etwas neues.
Gleichzeitig dazu verstärken sich jedoch Vorzeichen einer Wiedervereinigung der verfeindeten Palästinenser-Gebiete Westjordanland und Gaza-Streifen.