Reform der Praxisgebühr

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Ipsissimus
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Sa 10. Dez 2011, 12:46 - Beitrag #1

Reform der Praxisgebühr

zukünftig 5 Euro pro Besuch, statt 10 Euro pauschal pro Quartal und Arzt. Na ja. wenn das kommt, werden wir in der Zeitung lesen, dass die ärztliche Versorgung damit sichergestellt sei. In Wirklichkeit werden Leute, die es sich nicht leisten können, viele Rentner oder HartzIVer z.B., einfach nur selbst dann nicht mehr zum Arzt gehen, wenn es dringend notwendig ist. Zum Kotzen.

http://www.stern.de/gesundheit/fuenf-euro-pro-arztbesuch-im-gespraech-koalition-doktert-offenbar-an-praxisgebuehr-herum-1761126.html

janw
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Sa 10. Dez 2011, 13:18 - Beitrag #2

Vergiss nicht, welchem Laden der zuständige Minister angehört...
Tja, wir müssen uns verschlanken, sozialer Ballast wie Alte und Kranke muss eben abgeworfen werden. :rolleyes:

Katinka3
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Sa 10. Dez 2011, 13:41 - Beitrag #3

Es gibt auch Befreingskarten, die Harz 4 Leute Beantragen können, dann wird am Jahresanfang so um die 40€ gezahlt. Und danach sind Arztbesuche kostenlos bis zum Jahresende. Weiß allerdings nicht das alle Krankenkassen so machen. Und man muss eine Kronische Erkrankung vom Arzt bestätigen lassen. Dann bekommt man die Befreiung.

e-noon
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Sa 10. Dez 2011, 14:09 - Beitrag #4

Ich denke, der Sinn soll theoretisch sein, dass Leute ernste Erkrankungen nicht mehr bis zum nächsten Quartal hinausschieben, um sich die Praxisgebühren zu sparen.

Ich bin nicht persönlich betroffen, aber Sinn und Legitimation der Praxisgebühr konnte mir noch niemand erklären.

janw
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Sa 10. Dez 2011, 14:47 - Beitrag #5

Der Sinn der Praxisgebühr soll sein, die Nutzer des Gesundheitssystems bei Nutzung... man suche sich aus, an den Kosten der Nutzung zu beteiligen oder daran zu erinnern, daß durch die Nutzung Kosten entstehen und man es deshalb nicht über Bedarf nutzen sollte.

In meinen Augen ist es eine üble Verhohnepiepelei, denn man zahlt schließlich schon Krankenkassenbeiträge in erklecklicher Höhe, und wer krank ist, soll dafür nicht auch noch finanziell bestraft werden.
Zum anderen ist die Gebühr insofern absurd, als andernorts immer wieder darüber lamentiert wird, wie wenig doch ein Arzt für eine Behandlung bekomme.
Die Praxisgebühr liegt über diesen kolportierten Beträgen.

Letztlich dient das Ganze IMHO der Verschleierung dessen, daß das Gesundheitssystem einige grundlegende Schwächen hat, zu deren Behebung Politik und Beteiligte aber nicht in der Lage sind - bzw. durch deren Behebung die Politik bestimmte Wählerklientele belasten müsste.
Der in meinen Augen wesentliche Webfehler ist hier das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, wobei die gesetzliche KV tendenziell diejenigen Menschen umfasst, die ein größeres Risiko haben, öfter und schwerer zu erkranken, also Kosten zu verursachen.
Hinzu kommt die Beitragsbemessungsgrenze, durch die höhere Einkommen gegenüber niedrigeren entlastet werden, andererseits Selbständige mit niedrigem Einkommen uberpropoertional belastet werden, weil sie den Beitrag zahlen müssen, der dem Einkommen der Beitragsbemessungsgrenze entspricht.

Ein weiteres Problem sehe ich darin, daß nur Arbeitseinkommen für die Krankenversicherung erheblich sind, nicht aber Einnahmen aus Mieten und Pachtung sowie Kapitaleinkünfte.

Lykurg
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So 11. Dez 2011, 08:46 - Beitrag #6

Den Punkt der Nichtverschiebung von Arztbesuchen fände ich einigermaßen sinnvoll, denn dazu hat mich das bisherige System auch verführt, zwar in eher minder dringenden Fällen, aber die Tendenz ist klar.

Ansonsten ist es aber schlicht eine Kassengebührenerhöhung, die das Verursacherprinzip durchsetzen will - also den Versicherungsschutz aufweicht. Der Bürokratieaufwand für die Ärzte bzw. ihre Sprechstundenhilfe erhöht sich nur noch marginal, den Ärger mit der Anschaffung von Kassenwesen und Verwaltung hatten sie fürs alte System ja auch. Fallen Überweisungen etwa von Hausarzt zu Facharzt eigentlich damit weg?

Auf die Konkurrenz von privaten und gesetzlichen Krankenkassen würde ich das nicht in dem Maße zurückführen, ich vermute, ohne das Korrektiv der Privaten würden die Kosten, insbesondere Verwaltungskosten der Gesetzlichen ins Unermeßliche steigen.

Traitor
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So 11. Dez 2011, 13:25 - Beitrag #7

Wenn man an der grundlegenden Idee und der Zielsetzung der Minimierung unnötiger Arztbesuche festhalten will, die soziale Ungerechtigkeit nicht bekämpfen will, aber das Problem des Aufschiebens tatsächlich nötiger Besuche auf's nächste Quartal angehen möchte, dann gäbe es definitiv bessere Varianten als "5€ pro Besuch", denn die erhöhen die Ungerechtigkeit nochmals enorm. Am einfachsten wäre es, von quartalsweiser auf jährliche Gebühr umzusteigen, da dass die Aufschiebegelegenheiten reduziert. Besser noch wäre statt so einem großen Batzen, der dann wiederum enormen Abschreckungscharakter hat, eine kleine pro-Besuch-Gebühr mit jährlicher Deckelung.

Aufgrund der angesprochenen Ungerechtigkeit, dass solche fixen Gebühren stets die Ärmsten am stärksten belasten (oder, bei Existenz von Befreiungen für die Allerärmsten, eben die Nächstärmsten, die gerade so eben keine Befreiung mehr bekommen), wäre ich aber auch für eine ersatzlose Streichung, ebenso wie bei Zusatzbeiträgen. Zusatzfinanzierung der Krankenkassen muss über reguläre Beitragserhöhungen oder Querfinanzierung aus anderen Staatseinnahmen laufen. Und die Reduzierung unnötiger Arztbesuche über Aufklärung der Patienten, Unterbinden unlauterer Bedürfnisweckung durch die Pharmabranche und finanziell-regulatorisches Anhalten der Ärzte zum Abweisen, wenn kein echter Behandlungsbedarf erkennbar ist.

Wie sehen eigentlich derzeit die Härtefallregelungen aus, wenn jemand die Gebühren nicht zahlen kann? Werden sie nur gestundet, oder erlassen?

aimless
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So 11. Dez 2011, 16:28 - Beitrag #8

Zitat von Traitor:Wie sehen eigentlich derzeit die Härtefallregelungen aus, wenn jemand die Gebühren nicht zahlen kann? Werden sie nur gestundet, oder erlassen?


Wie Katinka schon anmerkte, gibt es die Möglichkeit eine Befreiung bei der Krankenkassen zu beantragen, sofern man denn chronisch krank ist (wenn dies erst festgestellt werden muss, hat man Pech gehabt..). Der Eigenanteil der dann noch selbst gezahlt werden muss, hängt von Einkommen ab, beläuft sich aber bei meiner Krankenkasse aber "nur" auf 1% des Jahreseinkommen.

Wenn man weder eine Befreiung noch Geld hat, aber unbedingt Medikamente braucht, die ja auch eine Zuzahlung erfordern, sitzt man ziemlich in der Patsche. Als Sozialhilfeempfänger oder als Hartz4 Empfänger kann man sich eventuell beim Amt melden oder bei gemeinnützigen medizinischen Einrichtungen, die Medikamente ohne Zuzahlungen ausgeben. Einige Ärzte geben in solchen Fällen auch die Muster aus.

Davon mal ab, wer geht denn bitte ohne es nötig zu haben aus Jux und Dollerei zum Arzt?! Politische Polemik oder Wirklichkeit?

Ipsissimus
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Di 13. Dez 2011, 14:12 - Beitrag #9

Wenn es denn wirklich darum ginge, die Zahl der Arztbesuche zu reduzieren, wäre es als Anfangsmaßnahme sinnvoll, chronisch Kranke mit einem Jahresrezept auszustatten, statt sie mindestens einmal pro Quartal wegen eines neuen Rezepts zum Arztbesuch zu zwingen. Von dem ganzen Überweisungsdedöns ganz zu schweigen.

Das eigentliche Problem ist nicht die Anzahl der Arztbesuche. Auch die privaten Krankenkassen spüren längst die Auswirkungen einer auf dem Kopf stehenden Alterspyramide. Wenn diese Kassen weiter Gewinne machen wollen, wird ihnen über kurz oder lang gar keine Wahl bleiben, als die Beiträge auch bei jungen Versicherten saftig anzuheben.

Da die FDP aber eine Klientel bedienen muss, wird die GKV schrittweise ähnlich teuer wie die PKV gemacht. Somit wird ein junger, gesunder, gutverdienender Mensch sich trotz der erhöhten Beiträge wieder fragen, warum er in der GKV bleiben und die damit einhergehenden Benachteiligungen in Kauf nehmen soll. Wird schon schiefgehen und wenn im Alter doch nicht, nach mir die Sintflut, die Solidargemeinschaft wird es schon richten.

Wenn unser Gesundheitssystem keine anderen Probleme als ungesund lebende Hartz IV Empfänger und sich beim Arzt bespaßen lassende alte Leutchen hätte, dann hätte es überhaupt keine.

Maglor
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Di 13. Dez 2011, 22:54 - Beitrag #10

Ich sehe da jetzt keine Verbesserung.
Nun 5 € pro Arztbesuch, das dürfte für eine 5-Minuten Konsultation durchaus angemessen sein. ;)
Ärzte werden dazu verpflichtet Kleinbeträge einzusammeln und an die Krankenkasse weiterzugeben. Das ist vor allem ein unnötiger Verwaltungsaufwand und vor allem unfair gegenüber den Ärzten, die auf einmal Inkasso für die Krankenkasse spielen müssen und trotzdem noch bei Nicht-Zahlung Abhilfe leisten müssen.

Krankenkassenbeiträge um 5,00 Euro erhöhen, wäre auch zu einfach.

Das einzige Praxisgebühr-System, das mal ein wenig Sinn ergeben hat, war das Hausarztmodell. Damals waren Patienten entsprechender Krankenkassen von der Praxisgebühr befreit, solange sie nur mit Überweisung vom Hausarzt zum Facharzt gingen.
Das System wurde mittlerweile abgeschafft.
Quartalsmäßige Überweisung ergaben ohnehin in den seltensten Fällen Sinn.
Sobald als Krankheit anerkannt wurde, ist es mit dem Kassengeklingel ohnehin vorbei. :crazy:


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