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Europäische Menschenrechtspolitik

BeitragVerfasst: Do 5. Jan 2012, 16:39
von Ipsissimus
In Sachen Menschenrechte verfolgt Europa gegenüber China seit Jahren die Strategie der stillen Diplomatie. Die Politologin Katrin Kinzelbach hat den vertraulichen EU-Menschenrechtsdialog mit China erstmals einer systematischen Analyse unterzogen und dafür weltweit Interviews mit beteiligten Diplomaten geführt und bislang unerschlossene Quellen ausgewertet. In ihrer Arbeit legt Kinzelbach die Gründe für das Scheitern dieser »Hinterzimmerdiplomatie« offen und formuliert darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen, wie Europa seiner Menschenrechtspolitik gegenüber China in Zukunft mehr Nachdruck verleihen könnte.


http://www.koerber-stiftung.de/wissenschaft/deutscher-studienpreis/preistraeger/2011/katrin-kinzelbach.html

Eine ausführliche Darstellung der Arbeit findet sich hier.

BeitragVerfasst: Do 5. Jan 2012, 17:07
von Lykurg
Hmm, die Podiumsdiskussion mit ihr (und u.a. dem in China tätigen Architekten Meinhard von Gerkan, auch das könnte interessant werden) hier im KörberForum nächsten Mittwoch ist leider schon ausverkauft. Aber sie findet in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk, DRadio Wissen und der Süddeutschen statt, vielleicht übertragen die ja was davon. Klingt spannend und verdienstvoll.

BeitragVerfasst: Do 5. Jan 2012, 17:29
von janw
In dem Zusammenhang vielleicht auch ganz interessant, daß ende des letzten Jahres in einer Rücklicksendung des deutschlandfunks der Kulturstaatsminister Neumann bei der Erwähnung der Justizübergriffe gegen Ai Wei Wei kritisierte, daß man hingegen nichts mehr hört bezüglich des Nobelpreisträgers Liu Xiao Bo.

Unabhängig davon verabschiedet sich Europa jeden Tag von seinen Menschenrechtszielen, wenn es mit Frontex Flüchtlingsboote samt Insassen versenken lässt, die unsäglichen Bedingungen in südeuropäischen Flüchtlingslagern duldet und Ungarn weiter die Demokratie abschaffen lässt.

BeitragVerfasst: Do 5. Jan 2012, 17:40
von Ipsissimus
irgendwie gewusst hat man schon immer, dass das Menschenrechtsgejammere europäischer Politiker nur Show für die PR ist, jetzt weiß man es tatsächlich

BeitragVerfasst: Do 5. Jan 2012, 17:46
von Lykurg
Die Abschaffung der ungarischen Demokratie erfolgt leider auf ausdrücklichen Wunsch ebendieses Souveräns. Dagegen läßt sich wenig machen; wenn hierzulande einmal eine Zweidrittelmehrheit für eine radikale Partei zustandekäme, würden sich bei uns auch diverse Gesetze ändern, ohne daß die EU viel dagegen machen könnte.

Das Flüchtlingsproblem ist schlimm, ja, aber es würde wohl kaum besser, wenn man die Grenzen öffnete und mal guckte, was passiert. Die mE einzig sinnvolle Strategie ist logistisch-administrative und ökonomische Unterstützung einer positiven Entwicklung in den Herkunftsländern, verbunden mit Friedenspolitik und massiver Geburtenkontrolle. Jede Lockerung der Einwanderungsbestimmungen vergrößert den Zustrom und schafft damit auch großes Leid für die vielen Flüchtlinge, die unterwegs auf der Strecke bleiben, gelockt von völlig unrealistischen Erzählungen und Träumen von einem Europa, in dem Milch und Honig fließen.

Daß es bei uns nicht überall zum Besten steht, heißt nicht, daß wir ungeeignet dafür wären bzw. nicht versuchen sollten, andernorts Verbesserungen herbeizuführen. Natürlich auch bei uns selbst, ja - aber mit diesem Anspruch als Prinzip jeglichen Handelns würde man viele notwendige und grundsätzlich positive Entwicklungen aushebeln.

BeitragVerfasst: Fr 6. Jan 2012, 11:25
von Ipsissimus
das bedeutet, wenn in Europa wieder mal eine faschistische Partei Mehrheiten bekommt, wird genauso tatenlos zugeschaut wie damals. Wenn die EU dagegen nichts machen kann haben sowohl die Nationalstaaten wie auch die EU nichts aus der Geschichte gelernt. Aus meiner Sicht darf es für den Partei gewordenen Sadismus keine demokratische Legitimation geben, derartige Parteien müssen von vornherein von Wahlen ausgeschlossen werden.

bzgl. europäischer Flüchtlingspolitik stehen wir wohl genauso im Dissens wie zu Fragen unserer Berechtigung, andere Länder und Kulturen am europäischen Wesen genesen zu lassen^^

BeitragVerfasst: Fr 6. Jan 2012, 11:54
von Lykurg
Das Problem ist wie immer: Wo zieht man die Grenzen? Warum ist die CSU in allen ihren Randbewegungen sauber, das BZÖ aber eher nicht? Wo liegt der qualitative Unterschied zwischen der Linken und den Republikanern, von der Mitgliederzahl und medialen Aufmerksamkeit einmal abgesehen? Bild
bzgl. europäischer Flüchtlingspolitik stehen wir wohl genauso im Dissens wie zu Fragen unserer Berechtigung, andere Länder und Kulturen am europäischen Wesen genesen zu lassen^^
Möglich... Allerdings wäre die Alternative, die Bewohner anderer Länder klinisch rein von europäischen Einflüssen zu halten, indem man einen umfassenden Handels- und Informationsboykott verhängt, vielleicht auch nicht in deinem Sinne? Sicher aber überaus wirkungsvoll, um dort autochthone Strukturen zu erhalten.

BeitragVerfasst: Fr 6. Jan 2012, 12:15
von Ipsissimus
nein, das wäre wohl nicht in meinem Sinne^^ wie wäre es damit, dass wir Europäer endlich mal unsere von deren Rohstoffen angefressenen Fettärsche hochbekommen und ein paar von den Privilegien, auf denen wir sitzen, an die abgeben, die ihrer wirklich bedürfen?


Die Frage ist natürlich, ob das Problem des exakten Grenzverlaufs so wichtig ist, dass wir dafür wieder mal einen Weltkrieg riskieren dürfen. Wer sich in den Graubereichen herumtreibt, darf sich nicht wirklich wundern, wenn er ob der damit verbundenen Undeutlichkeit falsch eingestuft wird.

BeitragVerfasst: Sa 7. Jan 2012, 12:22
von Traitor
Was China angeht, ist Hinterzimmerdiplomatie zwar immer noch besser als totales Desinteresse, wie es die USA wohl kommunizieren dürfte, aber ein entschlosseneres und offeneres Vorgehen wäre wirklich wünschenswert. Allerdings könnte man damit auch erstmal bei einigen kleineren Handelspartnern anfangen, bei denen die Durchsetzungsaussichten größer sein dürften. Erfolge dabei könnten dann auch die Glaubwürdigkeit und damit Erfolgsaussichten gegenüber China stärken.

Zu Ungarn:
Zitat von Ipsissimus:das bedeutet, wenn in Europa wieder mal eine faschistische Partei Mehrheiten bekommt, wird genauso tatenlos zugeschaut wie damals. Wenn die EU dagegen nichts machen kann haben sowohl die Nationalstaaten wie auch die EU nichts aus der Geschichte gelernt.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Eigentlich wurde die EU (bzw. ihre Vorvorgängerversion) trotz handfester ökonomischer Aspekte ja insbesondere gegründet, um auf dem Kontinent ein Wiedererstarken des Nationalismus zu verhindern. Dass ihre Existenz und ihr Ausbau ihn in den letzten Jahren plötzlich massiv befördert hat, ist ein Debakel. Und Quasi-Machtergreifungen wie die in Ungarn dürfte es eigentlich in einer modernen Demokratie nicht geben. Da jetzt noch etwas dagegen zu tun, ist schwierig, aber eigentlich müsste zu den europäischen Grundbedingungen an die politischen System der Mitgliedsländer auch eine Form der Machtbegrenzung einer Zweidrittelmehrheit gehören. Was aber im konkreten Fall dringend bekämpft werden müsste, sind konkrete Auswüchse der dortigen Neuregelungen, wie die bereits im entsprechenden Thread diskutierten Presse- und Minderheiten-Geschichten. Man kann nur hoffen, dass jetzt der wirtschaftliche Hebel dazu genutzt wird.

Die Flüchtlingsproblematik muss in den Herkunfts- oder Transitländern angegangen werden: wenn die Menschen im Boot sitzen, ist es zu spät. Was Frontex da genau anstellt, müsste aber definitiv untersucht werden.