Zeitenwende in Syrien

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
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Mi 4. Sep 2013, 20:06 - Beitrag #21

Die Vermutung, daß genausoschlecht Rebellen sie eingesetzt haben könnten, kam mir auch. Ist halt die Frage, wer zum betreffenden Zeitpunkt im Besitz der Depots war bzw. ob sich überhaupt die verschossenen Gasgranaten auffinden und einer bestimmten Quelle zuweisen lassen. Die Frage ist dann allerdings, ob sie kaltblütig genug sind, sie auf Zivilisten bzw. konkurrierende Rebellen abzufeuern, um ein internationales Eingreifen zu provozieren.

Die Existenz von Filmen in der von Ipsissimus verlangten Art ist allerdings eher unwahrscheinlich; für Fall b bräuchte man einen geeigneten Drehort und Wissen um den Zeitpunkt; für a hat die Assad-Seite hat so wenig Interesse an ihrer Entstehung, daß im Fall ihrer Existenz erst recht eine gestellte Fälschung seitens der Rebellen zu vermuten wäre.

Maglor
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Mi 4. Sep 2013, 21:12 - Beitrag #22

Beim Massaker von Hula, dem letztjährigen Eskalationsereignis, konnte die Täterschaft auch nie geklärt werden. Das war mit ein Grund, warum dann doch niemand eingegriffen hat. (Dabei hätte man ja nur "dazwischengehen" müssen, einfach gegen beide Seiten.) Die Wahrheit gibt es dann vielleicht in 5 oder 10 Jahren als kleine Fußnote. Das eigentlich schlimme ist jedoch, dass derartige Massaker, in denen mal 100 Syrer liquidiert werden, mittlerweilse kaum noch Aufsehen erregen. In ein paar Wochen wird man wahrscheinlich 1400 Tote achselzuckend hinnehmen.

2003 gab es ja auch Beweise für chemische Waffen m Irak, obwohl es da gar keine gab. Warum sollte es dann in Syrien nicht auch Beweise für deren Einsatz geben, unabhängig vom tatsächlich Ereignis?
Blut- und Bodenproben hat im Irak keiner genommen. Über die Täterschaft geben sie jedoch keine Auskunft. Dass die Opfer Syrer waren, ist zumindest unzweifelhaft.

Zwecks demokratischer Legitimation einer Intervention verlange mangels ernstzunehmder Parlamente einen Plebiszit in Syrien zur Frage der Luftangriffe. :crazy:

Ipsissimus
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Mi 4. Sep 2013, 22:28 - Beitrag #23

Lykurg, mit "Filmen" meinte ich natürlich Videoaufnahmen vom realen Geschehen

Padreic
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Do 5. Sep 2013, 03:45 - Beitrag #24

@Ipsi: Ich stimme Lykurg zu, dass die Beweislast, die du forderst, sehr unrealistisch zu erbringen scheint. Folge kann nur sein, dass andere Staaten eigentlich nie eingreifen bei mutmaßlichen Massakern/Kriegsverbrechen.

So oder so ist mir die Motivation Obamas nicht ganz klar. Bedenkt man die ablehnende Haltung der meisten US-Amerikaner kann es kaum innenpolitische Gründe haben. Und unterstellt man ihm wirklich die besten Absichten: wem ist genau mit so einem Luftschlag geholfen?

Lykurg
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Do 5. Sep 2013, 07:19 - Beitrag #25

Ipsissimus, das hatte ich schon so verstanden, meine Wortwahl ("Drehort") war vielleicht unglücklich; ich meinte damit einen Beobachtungspunkt, von dem aus der Abschußort, die gesamte Flugbahn und der Einschlagsort in einem Take gefilmt werden können - der müßte entsprechend hochgelegen sein, vielleicht ein Minarett oder die Zitadelle von Aleppo, das ist aber inmitten eines Bürgerkriegs ein äußerst gefährlicher Aufenthaltsort, um den man vermutlich mit Scharfschützen beider Seiten konkurriert, und an dem man nicht eben mal ein paar Monate wartet, bis unangekündigt Giftgasgranaten abgefeuert werden, und gerade dann die Kamera parat hat.

@Padreic: Ein Luftschlag hilft der öffentlichen Meinung: es wird etwas getan. Eventuell hat er Auswirkungen auf spätere analoge Fälle, abschreckend oder zumindest die Verhaltensweisen ändernd. Gäbe es diese und andere Interventionsmöglichkeiten gar nicht, hätte Assad vielleicht schon vor längerer Zeit auf chemische Waffen zurückgegriffen. Würde man grundsätzlich keine Intervention erwägen, entspräche das einer Nichtmöglichkeit. Außerdem hilft er den eigenen Interessen im Sinne einer Stärkung der eigenen Position in der Nachkriegsordnung, so dürfte derzeit das Ansehen Frankreichs und der USA in Libyen deutlich höher sein als das Deutschlands; inwieweit sich das dann auch auf geschlossene Verträge auswirkt, ist dann eine andere Frage.

Ipsissimus
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Do 5. Sep 2013, 10:35 - Beitrag #26

dass die Beweislast, die du forderst, sehr unrealistisch zu erbringen scheint


Das mag so sein, Padreic, andererseits: jeder Dreck wird heute gefilmt, fotografiert und online gestellt, es gibt kaum noch Leute, die ohne Handy mit Kamera rausgehen. So hoch scheint mir die Beweislast damit wiederum nicht zu sein, zumal ich ja vernünftige Zeugenaussagen auch für akzeptabel halte. Und die Frage der Plausibilität wäre auch noch zu klären: Warum sollte Assad das riskieren?

Folge kann nur sein, dass andere Staaten eigentlich nie eingreifen bei mutmaßlichen Massakern/Kriegsverbrechen.
auch das mag so sein, Lykurg, aber was wäre denn die Alternative? Dass wir unsere Bomben werfen, wenn immer jemand "Giftgas" schreit?

Putin spricht z.B. von einem verifizierten Giftgaseinsatz der Rebellen im März diesen Jahres. Mag sein, mag nicht sein, aber die Beweishaltigkeit der Behauptung ist auch nicht geringer als bei den "Beweisen" von Kerry. Hat jemand das Eingreifen der USA gegen die Rebellen gefordert? Würde überhaupt irgendjemand irgendetwas fordern, wenn auch der jetzige Einsatz auf die Rebellen zurückführbar wäre? Oder ist die Gelegenheit einfach zu günstig, Assad beiseite zu räumen, die ganze Region endgültig zu destabilisieren und endlich den ersehnten Grund für einen Angriff auf den Iran zu bekommen? Syrien ist hinter den Kulissen nämlich nur von äußerst rudimentärem Interesse, das Ziel ist der Iran.

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Do 5. Sep 2013, 13:48 - Beitrag #27

dieses Interview mit Jan van Aken, einem ehemaligen UN-Biowaffen-Kontrolleur, zeigt ein bisschen, wie problematisch das alles ist

Maglor
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Do 5. Sep 2013, 18:43 - Beitrag #28

Jan van Aken hat ja niedliche Vorstellungen. Dass die Genfer Konvention den Einsatz chemischer Waffen verbietet, trifft vielleicht zu, dass sie eine Art "Gewohnheitsvölkerrecht" darstelle wahrscheinlich auch, aber die Genfer Konvention gilt nicht im syrischen Bürgerkrieg. Die syrischen Rebellen sind keine Subjekte des Völkerrechts, sie sind ungesetzliche Kombattanten. Die Genfer Konvention regelt nur einen Krieg zwischen Staaten und rechtmäßigen Kombattanten.
Die syrische Innenpolitik unterliegt nicht dem Völkerrecht.
Etwaige Kriegstote im Libanon und Türkei spielen keine Rolle, weil es ja keine richtigen Menschen sind, sondern nur so eine orientalische Vorstufe.

Was damals im März passiert ist, interessiert ja auch keinen mehr. Was Putin da jetzt wieder vorhielt, sollte eigentlich alt bekannt sein, ist aber schon vergessen. Eigentlich kamen die Inspektoren wegen der Vorfälle im März oder bereits im Dezember 2012. Zum Glück kann man aufgrund der jüngsten Nachrichtenschwemme danach auch nicht mehr nach der Vergangenheit ordentlich googlen. So bleibt die Vergangenheit hinter uns. Was auch immer in Chan al Assal passiert, egal - die Losung ist bekannt.

So lange in Syrien noch ganze Dorfbevölkerungen mit simple Gewehren ausgelöscht werden, mache ich mir aber um "Massenvernichtungswaffen" keine Sorgen.

Ipsissimus
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Fr 6. Sep 2013, 09:48 - Beitrag #29

zumindest beweist van Aken, dass ein nichtselektives Problembewusstsein immer noch möglich ist, und dass einer von der UNO Vorschriften der UNO ernstzunehmen versucht, kann ihm auch nicht wirklich vorgehalten werden^^ dass sich deswegen auch nur ein Deut an der Realpolitik ändern wird, braucht selbstverständlich nicht befürchtet zu werden

Lykurg
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Sa 14. Sep 2013, 17:41 - Beitrag #30

Ein italienischer Journalist hat die Rebellen intensiver kennengelernt, als man es sich wünschen kann.

Maglor
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So 13. Okt 2013, 22:39 - Beitrag #31

Die taz berichtet die die interne Front der syrischen Rebellion.
Gelegentlich kommt es bereits zu Kämpfen rivalisierender Rebellengruppen und auch zu Kämpfen rivalisierender Al-Kaida-Splittergruppen.
Das klingt wie Afghanistan in den 90ern.
Sich ausbreitete Vernichtungsphantasien sunnitischer Rebellen sprechen eigentlich dafür, dass das Regime bis zum letzten Mann kämpfen muss. Es gibt keine Alternative - außer vielleicht Lampedusa. Vielleicht muss Assad II. ja auch nach Russland. Aber weltpolitisch hat sich ja das Blatt inzwischen gewendet, vielleicht kann er den Feind jetzt in aller Ruhe konventionell ausradieren.

Ipsissimus
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So 13. Okt 2013, 23:02 - Beitrag #32

ich bezweifele nach wie vor und immer mehr, dass er Chemiewaffen eingesetzt hat

Maglor
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Mo 14. Okt 2013, 20:23 - Beitrag #33

Der Einsatz vom Chemiewaffen nachdem sich Assad II. ja schon mit der Beobachtermission eingelassen hat, ergibt keinen Sinn. Aber absolut irre Milizen gibt es in Syrien zur Genüge.
Wenn es im tatsächlich gelingt mit ausländischer Hilfe glaubhaft seine Chemiewaffen zu vernichten (ohne sie einzusetzen), dürfte sich die Sache mit der "Rote Linie" langfristig erledigt haben und über kleinere oder größere Gemetzel mit konventionellen Waffen, wird sich niemand mehr aufregen.

Maglor
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Di 17. Jun 2014, 21:18 - Beitrag #34

Angeblich bestehen die syrischen Rebellenarmeen zu 10 % aus Europäern - einschließlich Balkan. Allein über 300 Deutsche (und Ausländer aus Deutschland) sollen im Bürgerkrieg auf seiten der Rebellion kämpfen. Ca. 20 von ihnen sollen gefallen sein.
Die freiwilligen Kämpfer dringen ungehindert über die syrisch-türkische Grenze. Die deutsche Regierung sieht sich offenbar nicht in der Lage etwas dagegen zu tun, dass ihre ihre Bürger und Nichtbürger in das Bürgerkriegsland eindringen. Die einzige Sorge ist die, dass die Jihadisten irgendwann nach Europa zurückkehren und eben nicht in Syrien draufgehen.
Würde man sich ebenso bemühen, die Ausreise der Jihadisten nach Syrien zu verhindern, wie man sich über die Verhinderung der Einreise von syrischen Flüchtlinge bemüht, so wären ISIS und Co. vielleicht schon längst das Kanonfutter ausgegangen.
Hat aber die deutsche Regierung überhaupt ein Interesse daran?

Stattdessen verbreitet man gezielt Fehleinschätzungen.

So etwa der Chef des auswärtigen Ausschusses gegenüber dem Focus. Er weist Russland den Schwarzen Peter zu. Russland und der Iran seien schuld daran, dass Jihadisten der ISIS nun im Irak eine Offensive starten und die Köpfe rollen lassen.
Zitat von Norbert Röttgen:Eine der Brutstätten des Terrors und der Gewalt in der Region ist der Konflikt in Syrien. Wenn es diesen Stellvertreterkrieg nicht gäbe, gäbe es auch Isis und dessen Gräueltaten nicht. Deshalb muss abseits aller Differenzen mit Russland in Osteuropa auf Moskau eingewirkt werden, seine militärische Unterstützung des Assad-Regimes einzustellen. Auch der Iran sollte an dieser Stelle einen Kurswechsel vornehmen. Also: Der erste Schritt ist die Zurückdrängung der akuten Gefahr durch Isis. Aber ein zweiter Schritt sollte sein, auch wieder über die Ursachen für den Terror in der Region ins Gespräch zu kommen – und diese Ursachen endlich anzugehen.

Einen gröberen Unfug muss man sich erst einmal ausdenken. Was sollen den der Iran und Russland bitte tun: Assad fallen lassen, dass der muntere Haufen aus Tschetschenen, Deutsche, Bosniaken, Türken, Libyern, Saudis usw. zurück ins syrische Schneckenhaus flüchten kann?
Vielleicht sollte man sich erstmal überlegen, wo die Kämpfer ursprünglich herkommen und wie sie eingeschleust werden.

Vielleicht sollte man englich zugeben, dass Putin doch recht hatte, genau im Irak, in Libyen, der Urkaine und überall sonst. :crazy:

janw
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Do 19. Jun 2014, 10:53 - Beitrag #35

Nun, Röttgen ist ein politischer Generalist, von dem man nicht eigene intime Kenntnisse der ideologischen Strömungen und politischen Gemengelage im Nahen Osten erwarten muss. Ganz falsch scheint mir seine Darstellung aber auch nicht zu sein:
ISIS ist im Zuge des Konfliktes in Syrien entstanden, an dem Russland nicht ganz unbeteiligt ist durch seine Protektion für Assad, und Iran ist mit Syrien verbündet.

Allerdings übersieht Röttgen die zeitliche Dimension: ISIS ist erst im Zuge des Konflikts entstanden, und würde insofern nicht in sich zusammenfallen, wenn der Konflikt in Syrien heute beendet würde.
Maßgeblichen Anteil an der Entstehung von ISIS haben Saudis und Katarer durch finanzielle und andere Unterstützung, das ist das eigentliche Problem.

Was die vielen ausländischen Kämpfer in Syrien betrifft, hat sich auch diese Situation im Laufe der Zeit entwickelt. Es gibt eben aus den früheren Konflikten im Kaukasus und anderswo jede Menge Kämpfer, die die längste Zeit ihres Lebens nichts anderes gewesen sind und in ihren Ländern wohl auch nicht mehr Fuß fassen können, und die zudem weltanschaulich festgelegt sind, den Rest macht der Sold.
Und ebenso gibt es unter den jungen Muslimen in Europa und anderswo viele, die für sich keine Perspektive sehen als eine des Glaubens (Thema Bildungsproblematik in Europa, Demographie in den arabischen Ländern) und die entsprechend für radikale Ansichten anfällig sind.
Das ist nichts Neues.

Zitat von Maglor:Würde man sich ebenso bemühen, die Ausreise der Jihadisten nach Syrien zu verhindern, wie man sich über die Verhinderung der Einreise von syrischen Flüchtlinge bemüht, so wären ISIS und Co. vielleicht schon längst das Kanonfutter ausgegangen.

Wie stellst Du Dir das vor?
Es gibt keine Jihadisten-Uniform, keine Anstecker oder ähnliches, an denen man sie am Flughafen erkennen könnte.
Sie fliegen nach Istanbul oder Antalya oder sonst wo hin, oder fahren in drei Tagen dorthin, und dann finden sie Kontakte, die sie weiter bringen.
Wer besonders trickreich agieren will, fliegt vielleicht über unverdächtige Drittstaaten.

Ob Putin recht hatte? Kommt darauf an, worauf man das bezieht: Ihm geht es um Stabilität, Bewahrung der herrschenden Verhältnisse, und mit ihrer Regierung unzufriedene Bürger haben in seiner Vorstellungswelt ein Problem, nämlich daß sie unzufrieden sind. Sollten sie sich abgewöhnen, oder eben die schmerzhaften Folgen ertragen.
Aus diesem Blickwinkel Putins war Assad im Recht, da er nun mal im Amt war, für Stabilität stand und was Putin in Tschetschenien darf, wird er Assad nicht verwehren.
Außerdem hatte Syrien einen wichtigen russischen Militärstützpunkt.

Nach diesen Maßstäben spielen aber die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger keine Rolle.

Und es gab nunmal Regionen und Gruppen, die von Assad deutlich vernachlässigt wurden.

Maglor
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Do 19. Jun 2014, 20:59 - Beitrag #36

Zitat von janw:
Zitat von Maglor:Würde man sich ebenso bemühen, die Ausreise der Jihadisten nach Syrien zu verhindern, wie man sich über die Verhinderung der Einreise von syrischen Flüchtlinge bemüht, so wären ISIS und Co. vielleicht schon längst das Kanonfutter ausgegangen.

Wie stellst Du Dir das vor?
Es gibt keine Jihadisten-Uniform, keine Anstecker oder ähnliches, an denen man sie am Flughafen erkennen könnte.
Sie fliegen nach Istanbul oder Antalya oder sonst wo hin, oder fahren in drei Tagen dorthin, und dann finden sie Kontakte, die sie weiter bringen.
Wer besonders trickreich agieren will, fliegt vielleicht über unverdächtige Drittstaaten.

Die Grenzen der Türkei sind durchlässig. Die Türkei sit NATO-Mitglied. Wenn die NATO irgendetwas wert wäre, so würde man die Bodentruppen der Mitgliedsstaaten an der türkisch-syrischen Grenzen konzentrieren und den Grenzverkehr. Da die NATO aber de facto gar kein Verteidigungsbündnis ist, scheint sie nicht einmal auf syrisch-türkische Geplänkel zu reagieren. Es gibt ja wichtigeres wie z. B. Bedrohungsszenarien gegenüber Russland. ;)
Syrien grenzt an Israel, Jordanien, den Irak und die Türkei. Der einzige unverdächtige Drittstaat ist die Türkei. Die Türkei ist das einzige dieser Länder, in das eine Jihadist aus Europa einfach mal eben einreisen kann.
Der Mauerbau der Türkei zur Absicherung der syrisch-türkischen Grenze dient aber natürlich in erster Linie zur Abwehr illegaler Einwanderer, die sind ja auch das eigentlich Problem - genau wie in Europa.

Zitat von janw:ISIS ist im Zuge des Konfliktes in Syrien entstanden, an dem Russland nicht ganz unbeteiligt ist durch seine Protektion für Assad, und Iran ist mit Syrien verbündet.

Der erste Punkt ist schonmal falsch. Zumindest die Vorgängerorganisation der ISIS entstand 2003 im Irak. Ihr Gründer war der jordanische Afghanistan-Veteran al Zarkawi. Der Name "Islamischer Staat im Irak" ISI wurde dann 2013 anlässlich des syrischen Krieges einfach erweitert auf "Islamischer Staat im Irak undGroßsyrien/Levante". Originär syrische Kämpfe scheinen keine nennenswerte Rollen zu spielen.
Bzgl. des Einflusses des konkreten Einflusses des Irans und Russlands auf das Assad-Regime fehlen schlicht und ergreifend die Informationen. Ich hätte es gern mal schriftlich, dass in Syrien mehr Iraner als Deutsche kämpfen. In der ISIS gibt es spezielle Abteilungen für russisch-sprachiger Kämpfer, neben Tschetschenen und Tataren, wahrscheinlich auch Kämpfer aus den zentralasiatischen GUS-Ländern.
Ich erkenne keine Kausalität zwischen der russischen und iranischen Syrienpolitik und der Offensive der ISIS im Irak.

Selbst wenn die ISIS einen großen Teil ihrer Waffen von Saudi-Arabien und Katar erhält, so sind es in letzter Konsequenz deutsche oder amerikanische Waffen.

Die Crux mit der ISIS ist die, dass sie im Irak Terroristen sind und in Syrien Freiheitskämpfer. Dem einzelnen Kämpfer wird es wohl egal sein, ob er die Opiumfelder paschtunischer Warlords verteidigt, den Rachefeldzug irakischer Baath-Kader ausführt oder den Aufstand gegen das syrische Baath-Regime anführt. Es ist völlig gleich.

Interessant ist vielleicht noch, dass der Vernichtungskrieg gegen Schiiten und arabischen Christen nicht Teil der Al-Kaida-Ideologie 1.0 von Osama bin Laden war. Hier hat man es mit einer Erweiterung durch Sarkawi zu tun. Hintergrund ist hier vielleicht der Libanon-Krieg. Ein Übergreifen des Krieges des ISIS auf Jordanien, die Türkei und Israel zumindest ideologisch vorgesehen.

Maglor
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Fr 15. Aug 2014, 15:59 - Beitrag #37

"As of early December 2013, the Russian media estimate for Russian citizens fighting for the rebels was increased to 400." Wikipedia

Wann hört Russland endlich auf Soldaten in dieses Land zu schicken? Das ist doch eine verdeckte Invasion. Jeder weiß doch, dass der russische Geheimdienst und Putin dahinter stecken und dieses Land ins Verderben stürzen wollen. :crazy:

Der rotbärtige Tschetschene "Omar", der jüngst zum dschihadistischen C-Promi aufstieg, ist übrigens kein Russe, sondern Georgier, aber das ist ja auch egal. :naja:

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Sa 16. Aug 2014, 16:04 - Beitrag #38

Maglor, nun vermische mal Bananen nicht mit Äpfeln^^ in Syrien und Ukraine geht es um verschiedenes.

Ein russischer Dschihadist wäre sowieso seltsam.

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Mo 18. Aug 2014, 19:47 - Beitrag #39

Zitat von janw:Ein russischer Dschihadist wäre sowieso seltsam.

Was heißt denn hier "wäre"?
Russische Dhischadisten sind triviale Realität. Bei der ISIS gibt es ganze russisch-sprachige Abteilungen. Zusätzlich zu den 400 Russen kommt noch jede Menge andere Tschetschenen, Tataren, Turkmenen usw., die keinen russischen Pass besitzen. Es handelt sich hierbei um Dschihadisten aus den ehemaligen Sowjet-Republiken im Kaukasus und Zentralasien. Ihnen allen dient russisch und eben nicht arabisch als lingua franca.

Den Vergleich halte ich keineswegs für Banane. Syrien ist nur ein paar Schritte weiter als die Ukraine. :crazy:
Ist das, was die Türkei an ihrer Grenze gemacht oder nicht gemacht hat, etwas anderes, als das, was die Russische Föderation an ihrer Außengrenze jetzt macht oder nicht macht?

Maglor
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Mi 24. Sep 2014, 21:42 - Beitrag #40

Die rote Linie wurde in Syrien wohl nun überschritten. Die USA und ihre arabischen Verbündeten flogen Luftangriffe auf die Rebellen der IS in Syrien. Der Assad-Regierung hat man netterweise noch vorher Bescheid gegeben, dass man nun auf ihrer Seite steht. Die syrische Regierung begrüßt den Einsatz.

Auch an der syrisch-türkischen Grenze wird endlich gehandelt. Die türkischen Sicherheitskräfte haben die Grenze abgeriegelt, um die Einreise türkisch-kurdischer Kämpfer der PKK zu verhindern, die die syrischen Kurden im Kampf gegen ISIS unterstützen wollen.
Gleichzeitig werden kurdische Separatisten von mehreren NATO-Staaten mit Waffen beliefert. (Waffenmangel war schon im das größte Problem im Nahen Osten.)
Die NATO ist eben ein Klub der nicht funktioniert.

Ein Plan für die Zukunft Syrien hat scheinbar niemand. Es scheint so, als stünden nur Assad-Regime und IS-Kalifat zur Ausfall.
Die Wahrheit ist kompliziert. Alle tun so, als würde von einer Schwächung der IS, nur Assad oder die Kurden profitieren. Dabei ist doch die Al-Nusra-Front der schärfste Konkurrent der IS.
Während IS in den Irak expandiert, hat die Al-Nusra-Front offenbar die Golan-Höhen und die Grenzen Israels ins Visier genommen.

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