Gibt es Leute, die gern über "Anne Franks Tagebuch" reden würden?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
Mo 13. Feb 2012, 09:33 - Beitrag #1

Gibt es Leute, die gern über "Anne Franks Tagebuch" reden würden?

Da ich dieses Buch gerade lese und mich gern mit Leuten darüber austauschen möchte - dieses neue Thema. Ich möchte gern erfahren, ob es andere gibt, die sich in die Rolle eines Juden hineinzuversetzen versuchen. Wie es sich für diese Menschen angefühlt haben muss und vielleicht auch, warum mache Menschen das Thema gern verharmlosen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 13. Feb 2012, 10:40 - Beitrag #2

Zweifellos gibt es viele Möglichkeiten und Angebote, das Thema zu diskutieren. Ich möchte keine Links auf andere Foren setzen (das ist bei uns nicht üblich), aber da ich mit einer kurzen Google-Suche mehrere Foren gefunden habe, in denen es diese Diskussionen gibt, nehme ich an, daß auch du sie finden kannst, wenn du möchtest, kann aber nach erstem Augenschein jedenfalls bestätigen, daß es Leute gibt, die im Internet darüber diskutieren.

Ansonsten sah ich eine Vielzahl von Ankündigungen von Diskussionsabenden und Theaterstücken bzw. Filmvorführungen mit anschließendem Diskussionsangebot, wobei ich natürlich nicht weiß, in welchem Maße diese Angebote genutzt werden (allerdings könnte man mit etwas mehr Aufwand wohl auch dazu ein paar Zahlen finden, hier zum Beispiel ist von "mehr als 120 Besucher" einer Veranstaltung dazu die Rede). Es gibt sie also in jedem Fall, und sogar in deiner Stadt: Hier wird über die Vorbereitung einer Wanderausstellung berichtet, die im November 2012 nach Pirna kommt, und es wird sogar ausdrücklich gesagt, daß schon zur Vorbereitung der Ausstellung Leute zusammenkamen - das wird zur Ausstellung selbst also wahrscheinlich nicht anders sein. Ein bißchen mehr zum Konzept dieser Ausstellung erfährst du [url=http://www.toleranz-foerdern-kompetenz-staerken.de/313.html?&no_cache=1&tx_ttnews[backPid]=489&tx_ttnews[tt_news]=221]hier[/url].

Ob es hier im Forum Leute gibt, die darüber diskutieren wollen, kann ich so pauschal nicht sicher beantworten, es hängt sicher auch von der Eröffnung ab, wobei ich stark davon ausgehe, daß es ohnehin nicht bei der ursprünglichen Fragestellung bleiben wird, wenn man es tut. Gerade die Frage des Sichhineinversetzens ist ein spezieller Ansatz, den ich nicht als so selbstverständlich sehen würde - aber das führt hier vom Thema ab, scheint mir.

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
Mo 13. Feb 2012, 11:14 - Beitrag #3

Jeder Beitrag ist mir lieb

Oh, es muss doch keinesfalls bei der ausfühlrichen Fragestellung bleiben. Ich wünsche mir, hier Leute zu finden, die das Buch ebenfalls gelesen haben und mir vielleicht ihre Gedanken ( Kann auch per Mail passieren) erzählen möchten.
Ja, die Anne Frank - Ausstellung im Dezember in Pirna ist mir bereits bekannt ( trotzdem Danke fürs recherchieren).
Es dauer aber ziemlich lange bis Dezember. Jahrelang habe ich mich davor gescheut, das Buch zu lesen, denn ich sah als Kind Filme darüber und weiß wie traurig das war. Ich wusste aber auch die ganze Zeit, dass es für mich eine Wissenslücke bedeudet, es nicht zu lesen. So bin ich zufällig mit einem jetzigen Klassenkameraden ins Gespräch gekommen und er bot mir an, mir das Buch zu borgen. So kann ich es in meinen derzeitigen Ferien lesen.
Wenn ich dann nebenbei mit Ebenfalls- Lesern reden kann, ist es einfach toll.
Vielleicht gibt es Großeltern oder ander Verwandte von jemanden unter Euch, die dem Holocaust entkamen? Oder die Berichten konnten, was sie erlebten? Jede Geschichte interessiert mich.
Die Links sind sehr brauchbar für mich - ganz vielen Dank nochmal!

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 13. Feb 2012, 11:52 - Beitrag #4

Nun ja, wir hatten das Buch damals im Deutschuntericht, oder hatten wir in Geschichte über die Geschichte gesprochen? Vielleicht wäre es mal ganz reizvoll, wieder einen Blick in das Buch zu tun, zu sehen, wie es jetzt wirkt.
Von daher, durchaus :-)

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
Mo 13. Feb 2012, 22:18 - Beitrag #5

Starten wir einfach

Zur Erinnerung:

Anne ist ein jüdisches 13jähriges Mädchen.
Als sie in Holland in ein Versteck flüchten muss, gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Schwester, sowie einer befreundeten Famile mit einem Sohn (Peter)der gerade 16 ist. Später kommt noch ein alter Herr dazu der Zahnarzt ist und Herr Dussel heißt.
Sie alle ziehen in ein altes Büro und verschanzen sich dort - also dürfen das Haus nicht verlassen, müssen ganz leise sein, wenn Nichteingeweihte in der Nähe sind.
Das Versteck ist abgesichert und unkennbar durch einen Schrank der wie eine Drehtür funktioniert - das Werk eines befreundeten Tischlers.
Anne und alle anderen beschäftigen sich mit Sprachen lernen, Unterhaltungen, Hausarbeit, Gymnastik, Matheaufgaben und vielem anderem um sich nicht zu langweilen und sich trotz der Umstände weiterzubilden. Sie lernen auch Stenographie.
Auf engem Raum müssen sie auskommen - alle 8 Personen - und sie vertragen sich, obwohl es ein paar kleine Reibereien vor allem um die Erziehung von Anne gibt, ganz gut.
Während sie sich verstecken hören sie die Geschichten, wie Ihre jüdischen Freunde, Bekannten und Verwandten abtransportiert werden und wie man mit ihnen umgeht. Außerdem wissen alle ganz genau, dass der Abtranport, für fast alle den Tod bedeudet.
Es ist auch bekannt, dass für einen Gesuchten fünf " Geiseln" sterben mussten, wenn der jenige nicht gefunden wird bzw. ermittelt wird, dass ihm geholfen wurde.
Welch riesigen Mutes bedarf es, in so einer Situation dennoch selbstlos zu helfen. Ich bewundere diese Menschen.
***Könnte Ihr Euch die Angst vorstellen, mit der diese Menschen gelebt haben müssen? Wenn ich das Buch lese, denke ich darüber nach, was ich alles habe und was alle Menschen haben - gerade bei uns in Deutschland. Es ist eine Art Sicherheit und ein Recht auf Menschenwürde. Dieses Recht ist damals jedem Juden ( nicht nur denen) abgesprochen wurden und noch viel mehr Rechte.
Ein Diktator - und so viele, die sich gezwungen sahen, sich ihm zu beugen und ein trauriger, erbärmlicher Haufen derer, die es mit Vergnügen taten.
Was war das für ein Phänomen - wie konnte ein einziger Irrer so großen Einfluss haben, dass Massen unmenschlich handelten ohne viel nachzudenken... es ist mir ein Rätsel.

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
Do 16. Feb 2012, 09:33 - Beitrag #6

Vergleich

Jetzt, da ich gerade dieses Buch lese, wird mir mehr und mehr bewusst, wie gut ich es habe und was alles selbstverständlich ist im Vergleich, worauf diese Menschen in ihren Verstecken und später erst recht in den Konzentrationslagern verzichten mussten. Ich habe wirklich keinen Grund unzufrieden zu sein mit meinem Leben.
Ich bin mir sicher, dass nur jemand der eingesperrt war, wirklich weiß was Freiheit wert ist.
Für mich ist es selbstverständlich, täglich, stündlich ein und aus zu gehen, sie mussten verharren und dazu kommt die stündliche Angst, entdeckt oder verraten zu werden - wie grausam das alles ist...

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
Sa 18. Feb 2012, 12:06 - Beitrag #7

... dann abschließend noch ein paar Worte

Vielleicht kennen fast alle das Buch, wollen aber über dieses traurige Thema nicht schreiben. So möchte ich abschließend - da ich fast am Ende des Buches bin, einige Empfindungen loswerden.
Es ist seltsam, so ein Buch zu lesen, von dem man weiß, dass die Autorin auf grausame Art und Weise umgekommen ist und mit ihr - viele, viele Leidensgefährten.
Alles was im Kopf des jungen Mädchens vor sich ging, gab sie in ihrem Tagebuch preis. Ja, sie ahnte auch, dass es veröffentlicht wird und wollte es auch, dass alle erfahren, wie das Leben in einem Versteck (Hinterhaus)so vor sich geht und womit man sich beschäftigte.
Ganz besonders kommt in diesem Buch zum Vorschein, wie sehr bei diesen Menschen trotz der Umstände, das Bedürfnis der Weiterentwicklung fast an erster Stelle stand. Sie lernten viele verschiedene Sprachen, lasen alles, was sie in die Finger bekommen konnten, beschäftigten sich mit Biographien und Stammbäumen, lernten selbst Steno in verschiedenen Sprachen und träumten von einer Zukunft in Freiheit - sie gaben niemals auf.
Je mehr Seiten ich gelesen hatte und je weniger übrig waren um so trauriger wurde ich, da es die letzen Seiten sein sollten, die dieses wunderbare Mädchen geschrieben hat in ihrem viel zu kurzem Leben...

Die Erinnerung soll nie vergehen wünsche ich mir von Herzen und das Menschen immer und überall glauben dürfen, was sie möchten, ohne dafür bestraft zu werden.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Sa 18. Feb 2012, 22:50 - Beitrag #8

Vor vielen, vielen Jahren habe ich in der Schule mal Auszüge aus Anne Franks Tagebuch gelesen. Ich kann mich noch an die merkwürdige Briefform der Einträge erinnern.
Nachhaltig beeindruckt war ich allerdings nicht.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Sa 18. Feb 2012, 22:56 - Beitrag #9

Komplett gelesen habe ich es nie, wie Maglor nur Ausschnitte, und mindestens eine Verfilmung gesehen, beides lange her. Sehr eindrücklich war beides schon. Allerdings stört mich beim Thema Anne Frank immer etwas, dass sie so herausgehoben wird, ihr Schicksal wichtiger erscheint als das Millionen anderer.
Fast schon eine Heldenverehrung. Werke, die die Mechanismen des Holocausts beleuchten, beeindrucken mich meist eher als Opfergeschichten, da sie nicht nur den tragischen EInzelfall darstellen, sondern die Gesamtheit des Grauens deutlicher machen.
Vermutlich braucht man aber beides, da reine Systemdarstellungen ohne menschliche Perspektive wiederum nicht erfassen können, was die Qualität dieser Ereignisse war.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 18. Feb 2012, 23:42 - Beitrag #10

Geht mir ähnlich, ich habe auch nur Ausschnitte gelesen, allerdings nicht in der Schule, sondern als es mir später irgendwann in die Hände fiel; allerdings hat es mich auch nicht genügend gefesselt, um größere Teile zu lesen. Die von Traitor beschriebene quasi-'Heldenverehrung' irritiert mich auch, außerdem mag ich den Wanderausstellungszirkus, den ich mit meinen Links anriß, die Schultheater- und sonstigen Nutzungen nicht. Ärgerlich, wenn derartiges nötig ist; und ich bezweifle irgendwo auch den Erfolg.

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
So 19. Feb 2012, 10:24 - Beitrag #11

Ich bezweifle den Erfolg nicht, denn er ist auch bestätigt. Ich weiß, dass es etwas bringt, Jugendlichen die Geschichte des Holocaust nahe zu bringen. Es verhindert rechtes Gedankengut und fördert den Sinn für Demokratie.
Ich habe als Kind schon sehr viele Kriegsfilme mit angesehen und in der Schule Bücher gelesen wie " Ede und Unku" welches die Liebe eines Jungen zu einem sehr hübschen Zigeunermädchen beschrieb, die dann ebenfalls im KZ getötet wurde.
" Wie der Stahl gehärtet wurde" und ander Bücher aus der Zeit waren Pflichtlektüre in unseren Schulen. Es hat uns nicht geschadet.
Ich fühle mich so verbunden mit diesen Menschen - die für nichts Böses und ohne Schuld ins Jenseits befördert wurden von " Menschen" die sich einbildeten die Weltherrschaft übernehmen zu können - wie dumm.
Und wieder frage ich mich - Wie konnte ein einziger Gehirnkranker Mann so viele Menschen zu unmenschlichen Handlungen anstiften und zwingen. Weshalb hat ihn nicht einfach jemand kalt gemacht um größeres Leid zu verhindern?
Klingt vielleicht naiv - aber die Frage dürfte verständlich sein.
Immer und immer wieder muss man diese Geschichte vor Augen halten, damit so ein Massenmord nie mehr passiert und auch - damit Leute nicht wegschauen, wenn Minderheiten angegriffen, verletzt oder beleidigt/erniedrigt werden.
Es empört mich auch ein wenig, wie gleichgültig es Dir ist und wie wenig Sinn Du darin siehst, diesen Menschen ein Denkmal zu setzen und ihrer zu gedenken. Ich hoffe sehr, dass die Mehrheit nicht so denkt.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 19. Feb 2012, 11:04 - Beitrag #12

Bestätigt wodurch? Eine vergleichende Untersuchung dazu ist mir unbekannt; ich bin mir auch über deren Aussagekraft recht unsicher, schon weil man keine gleichen Bedingungen schaffen kann, aber auch, weil die direkte Wirkung eines einzelnen Buches auf das Individuum, um so mehr aber auf ein Kollektiv (und damit einen wesentlichen Nährboden rechter Gesinnung) schwer zu ermitteln sein wird und entsprechend hochgradig spekulativ sein dürfte.
" Wie der Stahl gehärtet wurde" und ander Bücher aus der Zeit waren Pflichtlektüre in unseren Schulen. Es hat uns nicht geschadet.
Ich habe einigen Zweifel daran (ohne allerdings diesen Titel zu kennen). Sicherlich handelt es sich dabei um das kleinere Übel, wenn man Unwissenheit als einzige Alternative dazu sieht. Mein Weg der Auseinandersetzung mit dem Holocaust, der Schuld und den Verbrechen des 3. Reiches besteht allerdings weniger in einer Einfühlung in das Bewußtsein der Opfer - das ist für mich zu stark, zu niederziehend, das nähme mir vollends die Kraft, meinen Alltag zu bestehen. Ich versuche die Zusammenhänge zu verstehen, die Abläufe, die dorthin führten und die Mentalität der blinden Masse, die sehr wenig oder nichts dagegen tat, wenn nicht gar direkt ihre Beiträge dazu leistete, dieses ungeheure Geschehen möglich werden zu lassen. Ich lese über diese Menschen, und ich finde sie erschreckend normal und gegenwärtig.

Von daher sehe ich auch erhebliche Risiken darin, Hitler und seine Mittäter als geisteskrank abzutun. Es steckt viel irrationales Handeln in seinen Taten, aber tatsächlich wahnsinnig war er wohl erst in der letzten Phase seines Kontrollverlusts. Für mich ist eher irritierend, daß ein kollektiver Rausch so lang anhalten und ein so unmenschliches Geschehen einfach ausblenden konnte; daß diese Verbrechen möglich waren in einer Gesellschaft, deren Wertvorstellungen von den unsrigen nicht so verschieden sind, wie man es bequemerweise gern hätte.
Es empört mich auch ein wenig, wie gleichgültig es Dir ist und wie wenig Sinn Du darin siehst, diesen Menschen ein Denkmal zu setzen und ihrer zu gedenken. Ich hoffe sehr, dass die Mehrheit nicht so denkt.
Darin irrst du dich allerdings. Ich halte viel vom Gedenken, leiste regelmäßig meinen Beitrag zu verschiedenen Formen davon, es ist mir ganz und gar nicht gleichgültig; allerdings suche ich dabei nicht nach Identifikationsfiguren und sehe gerade in Heldenverehrung nicht den richtigen Weg. Potentielle 'Helden' wie Elser, Stauffenberg oder Gersdorff verdienen es zwar, etwa durch Benennungen öffentlicher Orte hochgehalten zu werden, allerdings liegt in ihrem Scheitern etwas Zeichenhaftes. Zentrales und allgemeines Opfergedenken ist notwendig für das kollektive Bewußtsein, ebenso wie die Auseinandersetzung mit der Schuld, allerdings kann es dafür keine verbindliche Form geben, und gerade die Kanonisierung eines Textes wie dieses Tagebuchs ist nur ein möglicher und zumindest in meinen Augen nicht der richtige Weg. Denkmäler wie etwa die "Stolpersteine" als gleichberechtigtes Zeugnis für jedes Individuum finde ich einen sehr guten Ansatz (und achte darauf, wenn ich einen von ihnen passiere), ein kollektives Denkmal wie das Berliner Holocaustmahnmal ebenfalls (wobei ich bedaure, daß es nicht allen Opfern gilt); die Herausstellung der Anne Frank finde ich allerdings schwer nachvollziehbar. Manchen Menschen mag das helfen, ich sehe darin aber keine Allgemeinverbindlichkeit.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 19. Feb 2012, 12:57 - Beitrag #13

Wenn du auch viele andere Bücher über Opferschicksale gelesen hast, ist das ja ein möglicher Weg, der einseitigen Konzentration auf dieses eine zu entgehen und ein recht umfassendes Bild zu bekommen. Schule und Öffentlichkeit neigen aber leider oft dazu, aus Zeitmangel Anne Frank einzeln herauszustellen.

Und für andere ist eben der von Lykurg dargestellte Weg, die Zusammenhänge zu betrachten, eindrucksvoller. Und er umgeht das Problem, die Täter als externe, quasi naturgewaltliche Dämonen zu betrachten, wie es aus reiner Opferperspektive passieren kann, hilft somit dabei, zu erkennen, dass es kein "es kann nie mehr passieren", sondern nur ein "es darf nie mehr passieren" ist.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 19. Feb 2012, 14:43 - Beitrag #14

Lykurg, ich sehe Deine Position nicht ganz so im Widerspruch zu jener Amelys, wenn man sich auf altersmäßige Zielgruppen bezieht.
Anne Frank war iirc 12/13, und das Buch wurde zu meiner Zeit als, wenn auch nicht leichtes, Jugendbuch gehandelt und in der Schule behandelt.
Auf dem Niveau wirkt es, weil Anne Frank durch Altersähnlichkeit zur Identifikationsfigur wird, und die Tatsache, daß die Gefahr nicht als von "ein paar Verrückten in Berlin", sondern von normalen Menschen aus der Gesellschaft ausgehend wahrgenommen wird, die auch für ihre Helfer Miep Gies und andere gefährlich sind, lässt das Geschehen als das gesamtgesellschaftliche Geschehen erscheinen, das es war.
Das Buch wirkt hier - zitierfähige soziologische Studie hin oder her -, es macht betroffen, regt zum Fragen an, sensibilisiert für die Thematik der sozialen Ausgrenzung.
Dein Weg der Auseinandersetzung ist der eines jungen Erwachsenen - ganz klar, auch auf mich würde das Buch heute anders wirken, als es mit 12-14 auf mich gewirkt hat.
An der gewissen "Dominanz" des Buches im Bereich vergleichbarer Literatur kann ich nichts finden, außer Bedauern - es ist eben schlicht das einzige derart umfassende Zeugnis des Erlebens dieser grausamen Zeit aus erster Hand.

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
So 19. Feb 2012, 22:51 - Beitrag #15

Ja, so ist es. Besonders hervorheben möchte ich wirklich die Helfer, die in meinen Augen sehr große Helden waren, weil sie selbstlos handelten und in ständiger Lebensgefahr. Es war ihnen wichtiger diese acht Leute durchzubringen, als an ihre eigene Sicherheit zu denken.
Traurig, dass nur einer dieser acht Personen überlebt hat - der Vater von Anne Frank.
Anne und ihre Schwester sind aus Grund mangelnder hygienischer Bedingungen an Typhus gestorben, ihre Mutter vor Schwäche und Hunger - dabei war die Befreiung so nah...

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 19. Feb 2012, 23:57 - Beitrag #16

Das kommt mir als Entgegnung auf meine Stellungnahme etwas knapp vor... aber vielleicht kommt die ja noch.

Amely67
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 162
Registriert: 07.01.2012
Mo 20. Feb 2012, 01:25 - Beitrag #17

Lieber Lykorg, Helden sind sozusagen Vorbilder. Ich sehe sie als Vorreiter beispielhafter Zivilcourage. In der heutigen Zeit heißt das - Einmischen, wenn Unrecht geschieht oder wenigstens Hilfe herbei holen ( man muss sich nicht zum Krüppel schlagen lassen).
Es heißt, sich Vereinen anschließen, die etwas tun gegen Antisemitismus, Rassismus und Kriegsverherrlichung.
Ich versetze mich nicht absichtlich in die Lage jener, die gelitten haben - es passiert und mein Kopfkino ist so groß und gewaltig, dass ich es nicht löschen kann. Kann es denn schaden, wenn wir uns bewusst werden, was wir haben und worauf die Ausgestoßenen verzichten mussten?
So wissen wir doch, was wir verhindern müssen - mit allen Mitteln, die wir haben.
Wir - unser Verein z.B. bringt den Leuten ihrer Umgebung und denen darüber hinaus bei, wie interessant und vielseitig andere Kulturen sind. Die AG " Die Sächsische Schweiz ist Bunt" lässt die Bürger die es noch nicht wissen umdenken und die AZ( Aktion Zivilcourge) klärt auf und zeigt Pädagogen Wege zur Aufklärung und zur Argumentation mit verhetzten Jugendlichen.
Es wird viel getan und - ja - es gibt Fakten welche Ziele erreicht wurden. Schau einfach mal auf unsere Seite : http://www.az-pirna.de. Ich bin stolz dabei zu sein. Allein in Dresden wurde duch Demonstationen und Menschenketten erreicht, dass Nazis die Bürger und Angehörigen der Opfer nicht mehr mit ihren Lügen verhöhnen dürfen und auch keinen Marsch am 13. 02. durch Dresden führen dürfen.
Jeder ist ein Tropfen - "viele Tropfen ergeben ein Meer" Oder wie E.Thälmann feststellte " Ein Streichholz läßt sich zerbrechen - ein Bündel nicht."


Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste