Endlösung der Zigeunerfrage

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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Di 22. Okt 2013, 21:55 - Beitrag #21

mich hat da besonders aufgeregt, dass in einigen Zeitungen der Fall natürlich sofort in den Kontext des vor ein paar Jahren verschwundenen englischen Mädchens gestellt wurde

merke: alle Deutschen sind blauäugig und blond, alle Zigeuner dunkel und schwarzhaarig und Genwürfeleien sind was für Gotteslästerer und des Teufels

kann immer öfter nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte

Maglor
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Mi 23. Okt 2013, 21:12 - Beitrag #22

Eigentlich ist es eine ganz simple Geschichte.
Bettelarme Roma-Familien aus Bulgarien oder Rumänien geben ihre Kinder weg. Sie erhalten dafür Entgelt. Die Kinder werden von Schleppern nach Westeuropa gebracht. Dort gehen sie dann einem Erwerbsleben nach z. B. als Prostituierte, Bettler, Klau-Kids ... Das sind alles Berufe, die leider nicht von Erwachsenen ausgeübt werden.
Tatsächlich braucht es für solche Gewerbe möglichst Kinder und Jugendliche. :(
Wer würde schon einem erwachsenen Zigeuner ohne Balg einen Almosen geben, einen erwachsenen Ladendieb einfach laufen lassen oder sich mit einer bereits verwelkten Hure einlassen.
Sozialleistungen abkassieren, wie im Athener Fall angesprochen, kann natürlich auch ein Grund sein.
Von außen wird das als Menschenhandel betrachtet. Tatsächlich werden die Kinder aber gar nicht entführt. Häufig entstammen die Schlepper oder Menschenhändler sogar der gleichen Dorfgemeinschaft oder Familie und das im Ausland verdiente Geld wird brav an die echten Eltern geschickt. (Tatsächlich wurden ja stimmen aus dem Athener Zigeuner-Ghetto, dass dort vor gar nicht als zu langer Zeit eine bulgarische Roma-Familie Kinder gegen Entgelt anbot, was die Version des beschuldigten Zigeuner-Paares im Grunde bestätigt oder wenigstens plausibler erscheinen lässt.)

Diese Praxis wird auch in dem einst von mir verlinkten Filmbeitrag über die Strichjungen aus Berlin angerissen. Rosa von Praunheim bewertet jene Verschickung der rumänischen Dorfjugend nach Berlin allerdings nicht. Er lässt sie einfach nur erzählen. Wenn die Jungen dann von Bekannten aus ihrem Dorf als Straßenmusiker angeworben werden, dann aber in Berlin zum Anschaffen geschickt werden und brav ihr mühsam mit Hinterteil verdientes Geld der Mutti in Rumänien schicken, ist doch eigentlich alles klar, oder?

Aber das ist ja alles ganz egal. Es bleibt bei der Entführungsgeschichte.
Den Vogel hat vorerst der Focus seiner Schlagzeile "Kinder bei falschen Eltern. Blonde Mädchen tauchen bei Roma-Familien in ganz Europa auf" abgeschossen.
Neulich ist sogar ein Zigeunermädchen in einer Schulklasse während einer Klassenfahrt aufgetaucht. Die Polizei hat dann den Bus angehalten und das Mädchen zurück zu seiner Familie gebracht. Das ist auch gut so, weil braune Zigeunermädchen nicht nach Frankreich gehören. Das war auch eine schlimme Entführung. Die Lehrer wollten die Zigeunerin einfach mit auf Klassenfahrt nehmen. Das ist gerade so noch mal gut gegangen.

Zurück zu den 1920ern: Meine Nachbarin hatte mir mal erzählt, sie sei von ihren Eltern vor den Zigeunern gewarnt worden, weil sie damals blonde Haare hatte. Die Zigeuner würden nämlich blonde Mädchen entführen. Sie solle daher nicht zu den gerade im Ort lagernden Zigeunern gehen.

Ich finde die Sache mit den Zigeunern gar nicht so schlimm. Immerhin lassen sie die blonden Kinder, anders als die Juden ja am leben.
Die entführen Kinder sollte man lieber in den Synagogen suchen. Es weiß doch jeder, was sie mit dem Blut von Christenkindern machen.

Wie kann sich jetzt noch über den jüngsten Brandanschlag aus ein Sinti und Roma Zentrum in Oldenburg wundern?
Zitat von taz:Auf ein Kulturzentrum für Sinti und Roma in Oldenburg ist in der Nacht zu Montag [21.10.2013] ein Brandanschlag verübt worden. Unbekannte zündeten die Fußmatte vor der Eingangstür mit Brandbeschleunigern an. Allerdings gebe es für die Polizei „zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund“. ... Der Pressesprecher der Polizei sagte am Montagnachmittag zur taz, dass ihm Drohungen gegen das Kulturzentrum nicht bekannt seien.


Es gibt ja so viele Zufälle. :fear:

Ipsissimus
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Mi 23. Okt 2013, 21:45 - Beitrag #23

es ist eigentlich unmöglich, dass damals der gesamt white trash nach Amerika umgesiedelt ist

Maglor
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Do 24. Okt 2013, 22:08 - Beitrag #24

Gerade bei den Iren wäre die Hoffnung ja berechtigt gewesen. ^-^
Immerhin haben die Zigeuner in Irland ihre von der Polizei entführten blonden Kinder zurückerhalten.
Die Eltern gaben eine Speichelprobe ab, anschließend wurde ihnen das Kind von irischen Polizisten weggenommen. Die 2 und 7 Jahren alten Kinder wurden der Familie nach ein oder zwei Tagen zurückgebracht. Zwischenzeitlich hatte ein Gen-Test nachgewiesen, dass die dreckigen Zigeuner tatsächlich die leiblichen Eltern der blonden Kinder waren. Die kurzzeitigen Kindesentführungen durch die Ordnungskräfte stehen immerhin in der Kritik. abc

Lykurg
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Fr 25. Okt 2013, 18:47 - Beitrag #25

Zitat von Maglor:Tatsächlich werden die Kinder aber gar nicht entführt. Häufig entstammen die Schlepper oder Menschenhändler sogar der gleichen Dorfgemeinschaft oder Familie und das im Ausland verdiente Geld wird brav an die echten Eltern geschickt. (Tatsächlich wurden ja stimmen aus dem Athener Zigeuner-Ghetto, dass dort vor gar nicht als zu langer Zeit eine bulgarische Roma-Familie Kinder gegen Entgelt anbot, was die Version des beschuldigten Zigeuner-Paares im Grunde bestätigt oder wenigstens plausibler erscheinen lässt.)
In der Tat hat sich die leibliche Kindsmutter als Roma herausgestellt. Richtigstellungen oder Entschuldigungen für die geäußerten Insinuierungen und ihre Folgen wird man wohl kaum irgendwo lesen können.

Maglor
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Sa 26. Okt 2013, 13:15 - Beitrag #26

Zumal die Kinder mehrere Tage von der Familie getrennt wurden und der Gen-Test einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre bedeutet. Man hätte z. B. ungewollt Kuckuckskinder enttarnen können und so aus einer rassistischen Laune heraus Familien zerstört.

Lykurg
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Sa 26. Okt 2013, 15:12 - Beitrag #27

Die Zeit über (bzw. gegen) die gängigen Vorstellungen von alles beherrschenden und organisierenden Clans.

Maglor
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Sa 26. Okt 2013, 17:50 - Beitrag #28

Es ist keinesfalls so, dass die Realität wesentlich besser ist als das Märchen. Wenn das blonde Mädchen nun erwiesenermaßen nicht entführt wurde, sondern von seiner bulgarischen Mutter der Familie in Athen übereignet wurde, ist das weder harmlos noch unbedenklich.

Wie kann man sich solche Phänomene wie die Spezialisierung jenes rumänische Roma-Dorfs der Strichjungen in Rosa von Praunheims Film erklären ohne irgendwelche Schubladen aufzumachen?
Es gibt ja durchaus noch andere Zuwanderer aus Rumänien oder Bulgarien. Diese werden dann z. B. als Saisonarbeiter in Landwirtschaft oder als Bauhelfer ausgebetet. Wie kann es aber so ein Phänomen wie bei den "Jungs vom Bahnhof Zoo". Das Gros der Strichjungen bilden Roma, ganz egal ob aus Rumänien, Bulgarien oder dem ehemaligen Jugoslawien.

Maglor
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Sa 7. Jun 2014, 22:12 - Beitrag #29

Deutschland macht die Schotten dicht. Das Boot ist viel. Da man jetzt die bulgarischen und rumänischen Roma nicht mehr los wird, muss man wenigstens was gegen die aus Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina machen.

Das Mittelmeer und neuerdings auch die Türkei sichern Europa mit zunehmender Sicherheit vor unerwünschten Menschen. Nur noch aus dem Balkan konnten Flüchtlinge ungehindert trockenen Fußes den Weg nach Deutschland finden und Asyl beantragen.
Serbien, Bosnien Herzegowina und Mazedonien gelten nun mehr als sichere Herkunftsländer. Asylanträge sollen dementsprechend von vornherein als unbegründet geltend.

Die Bundesregierung begründet dies damit, man habe die Behörden hätten dann mehr Zeit und Geld, um sich um die echten Flüchtlige zu kümmern, wenn die Simulanten zu Hause bleiben. (Tatsächlich ist es jedoch so, dass diese anderen Flüchtlinge entweder im Mittelmeer ersaufen oder wenn sie Italien erreichen, dort zu bleiben haben. Wer in Lampedusa ankommt und dann nach Deutschland einreist, soll nach dem Dublin-Vertragswerk nach Italien abgeschoben werden.)

Der wahre Hintergrund ist wohl der, dass es sich bei den jetzigen Flüchtlingen aus den oben genannten Balkanstaaten, größtenteils um Zigeuner handelt. Dass die Roma und anderen Zigeunergruppen am Balkan meist keine Chance auf Bildung und Arbeit haben und diskriminiert werden, ist bekannt.
2009 zerstörte die (bereits der Demokratie anheimgefallene) serbische Regierung den bedeutenden Roma-Slum Beograd Gazela und vertrieb mittels Zwangsssiedlung die Zigeuner aus der Hauptstadt.

Weniger bekannt ist aber, wie die jetzigen Container-Siedlungen und Slums der Zigeuner um Belgrad entstanden sind.
1998/1999 wurde die Zigeuner aus ihren Dörfern im Kosovo von der kosovo-albanischen UÇK nach Restserbien vertrieben. Die meisten Zigeuner im heutigen Serbien sind Flüchtlinge aus dem Kosovo. Der Empfang in der Hauptstadt ihres Vaterlandes war alles andere als rosig und wenn die Serben gewollt nur gewollt hätten, hätten sie die Roma-Flüchtlinge genauso integrieren können wie die serbischen Flüchtlinge. Die Elendsquartiere in Serbien werden auch durch jene Menschen verstärkt, die aus Deutschland und Westeuropa zurück (teilweise nach jahrelangem Aufenthalt) nach Serbien abgeschoben werden und dort mittellos als Angehörige einer offenbar weltweit unerwünschten Minderheit ankommen.
Die Schuld Deutschlands und der NATO an der Misere ist keineswegs gering, denn der Westen leistete bei der Vertreibung der Zigeuner aus dem Kosovo mit seinen Luftangriffen - wissentlich oder unwissentlich - Schützenhilfe.

Der Einfall der wilden Zigeunerhorden ist aber nur aufgehoben, da ja Serbien bereits EU-Beitrittskandidat ist.
Serbien passt auch gut zum Klub dazu. ;)
Aber es ist ja auch egal. Nennen wir die Geschmacksverirrung einfach Balkanschnitzel und wir sind auf der richtigen Seite und keine blöden Rassisten. Zigeunersauce, was kommt als nächstes ... Judenkirsche? :crazy:

Traitor
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Mo 9. Jun 2014, 09:50 - Beitrag #30

Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat ist immerhin nicht ganz so schlimm, wie von dir dargestellt - es ist kein "von vornherein als unbegründet", sondern "nur" ein "Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird." (GG16a) - also keine Automatik, "nur" eine Beweislastumkehr (bzw. Umkehrumkehr zur "gnadenhalber" üblicherweise zugestandenen Umkehr, wenn auch das vermutlich fast immer nur auf dem Papier). Da Asylsuchende im Allgemeinen kaum die Möglichkeit haben, einen Rechtsstreit durchzufechten, kann die praktische Differenz da aber erschreckend klein werden.
Wäre die Differenz real, sähe ich die Änderung durchaus als vernünftig an; die Balkanstaaten dürfen als einigermaßen stabil gelten, da ist nicht vom flächendeckenden Vorliegen politischer Vertreibungsgründe auszugehen, sondern von vorherrschenden wirtschaftlichen Gründen, wenn auch sicher mit politischen Diskriminierungskomponenten bei den Gründen der wirtschaftlichen Probleme. Letztere sind aber eben noch keine direkte "politische Verfolgung" und somit kein direkter Asylgrund.
Aber die praktische Diskrepanz ist eben ein großes Problem - ähnlich wie bei Hartz4 hätten wir Gesetze, die auf dem Papier ganz ok ausehen, aber von den zuständigen Ämtern in asozialster Weise ausgelegt werden.

Ähnlich wie bei den Afrikaflüchtlingen läuft es darauf hinaus, dass zwischen "guten politisch Verfolgten" und "bösen Wirtschaftsflüchtlingen" eine Kategorie fehlt: "humanitäres Asyl" für Leute, deren "Wirtschaftsflucht" nicht aus "ich will mehr verdienen" resultiert, sondern aus "ich kann zuhause nicht genug zum Leben verdienen". Wie streng man die abgrenzt, und an Auflagen knüpft, wäre genau auszuarbeiten, da die von den Rechten gerne betonte Gefahr des "dann kommen alle zig Milliarden zu uns" ja zumindest theoretisch durchaus bestünde; aber der prinzipielle Bedarf für so eine Kategorie ist kaum zu leugnen.

(Was für eine sprachliche Abartigkeit ist eigentlich dieses "durch Gesetz"? Schämt euch, Verfassungsschreiber!)

Im Sinne des Threadtitels wäre es vielleicht gewesen, bei den guten Gelegenheiten anno 1998 Serbien oder später den Kosovo komplett zu entvölkern und dort einen "Zigeunerstaat" zu errichten... Darauf scheint zum Glück niemand gekommen zu sein.

Den Begriff Judenkirschen kannte ich gar nicht, scheint in der Öffentlichkeit auch nicht mehr üblich zu sein, da ist wohl kaum noch Zensur nötig.

Maglor
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Mo 9. Jun 2014, 11:10 - Beitrag #31

Der Hintergrund ist der, dass Serben, Mazedonier u. a. seit Ende 2009 keine Visa mehr bruachen, um in den Schengen-Raum einzudringen. Urplötzlich ergab sich den Zigeuner so also die Möglichkeit, anders als z. B. Syrern, Somalis, Afghanen und Erirtreern, völlig legal in die Festung Europa einzumarschieren und dort Asyl zumindest zu beantragen.
So war plötzlich ein Nadelöhr geschaffen, durch das unerwünschte Menschen ganz legal in den Westen fliehen konnten.
Auslöser des des Exodus war also nicht die erneute Verfolgung am Balkan, sondern das geänderte Einreiserecht.

Die Zigeuner hatten plötzlich das Recht ihre Elendsquartiere zu verlassen. Die serbische Regierung richtet mit Zwangsumsiedlungen regelrechte Reservationen ein. Serbien ist ein Land, in dem es aktuell Zwangsumsiedlungen von Zigeunern gibt.
Schwerer zu beantworten, ist die Frage, ob Deutschland überhaupt ein sicheres Ankunftsland für Roma ist.

Der eigentliche Skandal ist aber meines Erachtens der, dass der sogenannte Westen nie ein Interesse daran gehabt hat, an der Situation der Zigeuner am Balkan etwas zu verbessern. Die Vertreibung der Zigeuner aus dem Kosovo durch die kosovarische Befreiunngsarmee fand unter den Augen der NATO statt, als das Kosovo bereits durch westliche Bodentruppen besetzt war. Um ein Rückkehrrecht der Zigeuner hat man sich nie gesorgt, während z. B. Serbien teilweise ein Rückkehrrecht der vertriebenen Serben durchsetzen konnte. Sogesehen muss sich Deutschland auch die Frage stellen, inwiefern die eigenen Balkanpolitik der letzten Jahren nicht einen entscheidenden Beitrag zur Misere der Zigeuner darstellt.
Der Umgang Serbiens und Mazedoniens mit den Zigeunern im eigenen Land scheint auch den EU-Beitrittsverhandlungen nicht im Wege zu stehen., aber Ungarn, Rumänien usw. sind ja auch im Klub.

Nach Schließung jener Lücke ist die Festung Europa wieder sicher. Afghanen, Syrern u. a. haben keine Möglichkeit legal nach Europa einzureisen. Die Serben, Mazedonier und Bosnier können einfach ganz legal in den nächsten Zug oder Bus einsteigen und westwärts reisen. Sie konnten dort auch Asyl beantragen und bildeten infolge dessen die größte Gruppe der Asylbewerber, ganz einfach weil sie es konnten. Claudia Roth hat völlig Recht, wenn sie die einen "schlimmen Anschlag auf die Reste unseres Asylrechts" bezeichnet.

janw
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Mo 9. Jun 2014, 13:21 - Beitrag #32

Zitat von Traitor:die Balkanstaaten dürfen als einigermaßen stabil gelten, da ist nicht vom flächendeckenden Vorliegen politischer Vertreibungsgründe auszugehen, sondern von vorherrschenden wirtschaftlichen Gründen, wenn auch sicher mit politischen Diskriminierungskomponenten bei den Gründen der wirtschaftlichen Probleme. Letztere sind aber eben noch keine direkte "politische Verfolgung" und somit kein direkter Asylgrund.

Nun gibt es aber europäische Fördertöpfe, die gezielt für Verbesserungen der Situation der Roma in den Ländern - auch Bulgarien, Rumänien, Ungarn - gedacht sind. Diese werden aber von den Regierungen nicht abgerufen und es werden keine Maßnahmen durchgeführt.
IMHO ist das politische Verfolgung durch Vernachlässigung.

Bei alldem darf aber auch nicht unbeachtet bleiben, daß die Roma-Community hierzulande auch nicht entschlossen für die Roma vom Balkan in die Bresche springt; innerhalb der Gemeinschaft gibt es verschiedene Gruppierungen mit eigenen Präferenzen und Zielen.

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Mo 9. Jun 2014, 14:01 - Beitrag #33

da die von den Rechten gerne betonte Gefahr des "dann kommen alle zig Milliarden zu uns" ja zumindest theoretisch durchaus bestünde

ich sehe das eher vor dem Hintergrund von solchen Fakten, wie dass der reiche Libanon einfach so eine Millionen Syrien-Flüchtlinge aufnehmen kann, selbst wenn er dadurch an den Rand des Kollaps gerät, während das arme Deutschland gern den Humanitätsnobelpreis haben möchte, weil es sich darüber streitet, ob es statt 10000 Syrern auch 20000 sein dürfen.

sprich: das Problem ist unsere Hartherzigkeit, nicht die Ströme der Parasiten, die da kommen


die Roma sind europaweit das, was die Palästinenser im Vorderen Orient sind

Ipsissimus
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Mo 9. Jun 2014, 14:04 - Beitrag #34

Bei alldem darf aber auch nicht unbeachtet bleiben, daß die Roma-Community hierzulande auch nicht entschlossen für die Roma vom Balkan in die Bresche springt; innerhalb der Gemeinschaft gibt es verschiedene Gruppierungen mit eigenen Präferenzen und Zielen.


Das ist m.E. nach ehe unter "gruppeninternen Konflikten" zu verbuchen. Möglicherweise erkennt man daran auch, dass die Roma Menschen wie alle anderen sind. Kennst du auch nur eine einzige größere Gruppe mit homogenen Zielen und Vorstellungen? Unsere Modelle darüber, wie "Verfolgte" oder "Flüchtlinge" oder "Vertriebene" u.dgl. zu sein haben, verlangen das vielleicht. Die Wirklichkeit von Menschen sieht anders aus.

janw
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Mo 9. Jun 2014, 15:47 - Beitrag #35

Ipsi, schon klar.
Ich wollte darauf hinaus, daß die Roma vom Balkan doppelt gekniffen sind, da sie auch aus ihrer eigenen Bezugsgruppe wenig bis keine Unterstützung erfahren. Und die Politik tut das, was sie in solchen Fällen immer tut, sie nützt es aus.

Im Grunde ziemlich ähnlich, wie bei Hartz IV: Abgesehen von einigen Sonntagsreden, haben die Gewerkschaften die Langzeit-Arbeitslosen im Regen stehen lassen.


Wahrscheinlich ist das Geschehen aber im merkelschen Sinne alternativlos: Es steckt zu viel Gewinn im Verrecken der gesellschaftlich Randständigen.

Maglor
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Mo 9. Jun 2014, 16:15 - Beitrag #36

Immerhin denkt man zumindest in Duisburg ernsthaft über eine Endlösung nach.

Bild

Es handelt sich um ein Wahlkampfplakat für die Kommunalwahlen 2014 in Duisburg.
Abgebildet ist das von mutmaßlichen Roma bewohnte sogenannte "Problemhaus".

janw
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Mo 9. Jun 2014, 18:56 - Beitrag #37

Wenn die CDU in Duisburg nicht mal Hochdeutsch kann... :rolleyes:

Ipsissimus
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Mo 9. Jun 2014, 19:28 - Beitrag #38

Das ist ein interessantes Poster, weil es mit den Annahmen und Grundüberzeugungen vieler Menschen spielt. Wenn ich so eine Botschaft - in besserem Deutsch natürlich^^ - unter die Leute bringen würde, wäre die zu lesende Botschaft: "Wir werden diesen Menschen bessere Wohnungen und angemessene Lebensbedingungen beschaffen, und das so schnell wie möglich."

Politiker meinen damit, sie werden die Menschen verschwinden lassen, indem sie die Bedingungen ihres Lebens so verschärfen, dass sie freiwillig gehen. Und wenn sie nicht freiwillig gehen, müssen sie halt in den Dreck. Dann wird das Ganze abgerissen und danach macht sich zumindest diese Stelle auch wieder besser im Stadtbild und lässt sich vielleicht als Baugrundstück an Vermögende teuer verscherbeln.

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Mo 9. Jun 2014, 22:00 - Beitrag #39

@Maglor: Der Fall, dass man aus einem Land frei einreisen kann, in dem gültige Asylgründe vorliegen, ist im rechtlichen Gesamtkonzept einfach nicht vorgesehen. Wenn ein Land politisch sicher ist, muss man von dort nicht fliehen. Ist es politisch unsicher, darf es nicht Teil der EU oder ihrer assoziierten Räume sein. Der derzeitige Status der Balkanländer ist also eine widersprüchliche Abnormalität. Und dann entscheidet man sich wohl lieber, der Minderheit den Ausweg zu nehmen, anstat der Mehrheit die Bonbons vorzuenthalten. Anstatt den unbequemen Weg zu gehen, mit Entzug der Bonbons zu drohen, um dortige Reformen durchzusetzen. Vermutlich, weil man an den Bonbons selbst gut verdient...

@Ipsissimus: Der Vorteil von Flüchtlingsunterbringung in Nachbarstaaten ist, dass die Flüchtlinge nicht so extrem aus ihrer gewohnten Umwelt gerissen werden. Der Nachteil sicherlich, dass die menschenwürdige Unterbringung und Behandlung dort kaum zu leisten ist, zumindest nicht bei diesen Massen. Ideal wäre natürlich Hilfe direkt im Heimatland. Für alle drei Varianten müssten wir mehr tun.

Jan, ist das mit der "eigenen Bezugsgruppe" nicht rassistisch? Sind "deutsche Roma" den "Balkan-Roma" wirklich automatisch näher als "Nicht-Roma-Deutsche" oder "Nicht-Roma-Balkanesen"? [hier und im folgenden "Roma" als, wenn auch nicht ganz korrekte, Kurzform für "XY und Roma", "Roma und XY", "Zigeuner", ...]

Duisburg scheint dem Plakat nach ja eigentlich einfach nur eine bessere Müllabfuhr zu brauchen... Ipsis Interpretation ist aber vermutlich die gewollte.

Maglor
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Mo 9. Jun 2014, 22:48 - Beitrag #40

Zitat von Traitor:@Maglor: Der Fall, dass man aus einem Land frei einreisen kann, in dem gültige Asylgründe vorliegen, ist im rechtlichen Gesamtkonzept einfach nicht vorgesehen.

Dann ist der Tag zu fürchten, an dem der Libanon zum Rechtsstaat wird. ;)

Zitat von Traitor:@Ipsissimus: Der Vorteil von Flüchtlingsunterbringung in Nachbarstaaten ist, dass die Flüchtlinge nicht so extrem aus ihrer gewohnten Umwelt gerissen werden.

Die Flüchtlinge aus dem Irak fühlen sich zwischen Häuserkampf und Bombenhagel sicher sofort heimisch. Auch im Libanon werden sie sofort alte Bekannte wie Schmalhans Küchenmeister oder die alten Feinde aus der Nachbarschaft. :crazy:
Die Unterbringung von Flüchtlingen in der Nachbarschaft hat bisher immer zu einer Migration und Ausbreitung der Konflikte geführt. Die bekanntesten Beispiele sind Palästina und der Libanon bzw. Jordanien, Ruanda und der Kongo, Pakistan und Afghanistan, Kosovo und Mazedonien, Libyen und Mali ...

Zum Wahlkampfplakat:
Die Zweideutigkeit des Spruches ist schon genial und sicher beabsichtigt. Im Kontext der CSU-Parole "Wer betrügt, der fliegt." ist aber meiner Ansicht nach eigentlich nur eine Lesart gemeint, die andere kann noch als Verteidigung gegen den Vorwurf des offenen Antiziganismus verwendet werden. Vielleicht sind die Müllsäcke auch nur im übertragenen Sinne alss menschenverachtende rhetorischen Figur gemeint.
Im Grunde unterscheidet sich die Situation von Duisburg und Belgrad nur geringgfügig. Auf die unkontrollierte Zuwanderung der Roma in die Ballungsgebiete reagiert die Verwaltung mit der Zwangsumsiedlung der Roma. Ziel ist, dass die Roma aus dem Stadtbild verschwinden und sich nicht dort niederlassen, wo sie wollen.

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