Mir mangelt es an Motivation, mir die Arbeit selbst anzusehen, daher verlasse ich mich mal auf Padreics und e-noons Kurzanalysen - die schonmal fundierter klingen als die meisten Presseerzeugnisse zum Thema.
Dass der Fall nicht so einfach liegt wie bei Guttenberg, ist klar; dass er aber so viel weniger schwerwiegend wäre, dass die öffentliche Meinung so einseitig auf Schavans Seite sein sollte, leuchtet mir nicht ein. Liegt da einfach eine gewisse Müdigkeit gegenüber Plagiatsgeschichten vor, ein "die schlimmsten wurden abgeurteilt, jetzt lasst uns mit eurem Wissenschaftsgetue in Ruhe"?
Zitat von e-noon:Die Frage ist nun, ab welcher Anzahl solcher Plagiate auf einer über 300-seitigen Doktorarbeit man von einem bewussten Täuschungsversuch ausgehen kann, und wieviel "Plagiat" bei einem so umfassenden Werk als notwendiges übel angesehen wird.
Die bloße Anzahl hat meines Erachtens wenig bis nichts mit einer bewussten Absicht zu tun, und da bewusste Absicht ein rein inneres Phänomen ist, ist sie auch kaum nachweisbar (es sei denn, jemand war so blöd, die irgendwo zu Protokoll zu geben). Klar ist aber auch, dass ein reines Absprechen der Qualität kein Titelentzugskriterium sein kann, sonst wären rückwirkende Verfahren in voller Willkür möglich. Also muss es leider doch irgendwie darauf hinauslaufen, aus Indizien eine böse Absicht herzuleiten, und daraus erklärt sich der Beigeschmack solcher Verfahren. Wichtiger als das reine Auszählen sollte dabei hoffentlich Padreics Unterscheidung von als originell dargestellten vs. rein deskriptiven Übernahmen genommen werden. Unzureichende Deklaration von "Standardaussagen" würde ich, wenn auch wohl ebenfalls durch die naturwissenschaftliche Brille, lediglich als qualitativen technischen Mangel und somit keinesfalls rückwirkend ungültigmachend ansehen, echtes missbräuchliches Erwecken des Eindrucks, komplexere synthetische und/oder neue Gedanken selbst hervorgebracht zu haben, aber als hinreichend übles Vergehen, auch, wenn die inhärente böse Absicht dabei nicht nachgewiesen werden kann.
Ach ja, "notwendiges Übel" gibt es da für mich gar keines, worin sollte die Notwendigkeit liegen?
@e-noon und Lykurg: Ist die Zitierpraxis in den Geisteswissenschaften tatsächlich im Laufe der Zeit schärfer geworden? Quantitative Studien werden vermutlich, wie auch in den Naturwissenschaften, eindeutig "ja" zu "mehr Zitate" sagen, aber ob das wirklich eine Aussagekraft darüber hat, wie gewissenhaft gearbeitet wird, oder nur darüber, dass die typische Arbeit heute derivativer ist?
@Lykurg: Ich bezweifle, dass die "derzeitige Forschergeneration" irgendwelche Signale aus Politikerverfahren braucht - wenn schon, dann die derzeitige Titeljägergeneration.
@Ipsissimus: Warum das Verfahren diese zwei Stufen in gleicher Instanz hat, leuchtet mir auch nicht ein. Mir würde aber eine Stufe reichen, als externe zweite gibt es ja immer noch die gerichtliche Nachbereitung. Für jedes solche Verfahren von vornherein externe Kommissionen einzusetzen, wäre eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Schon warum es in dieser Sache überhaupt bestellte Gutachter geben muss, ist mir nicht klar, die Kommissionsmitglieder sollten alle qualifiziert genug sein, sich ihre eigene Meinung zu bilden.
@Maglor: Man mag es kaum glauben, aber sogar schon vor Erfindung der Schreibmaschine wurden schon Dissertationen geschrieben.
