Schavan und Plagiat: kleine Ehrenrettung

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So 20. Jan 2013, 00:54 - Beitrag #1

Schavan und Plagiat: kleine Ehrenrettung

So berichtet die Süddeutsche und führt aus:
Nach SZ-Informationen hat die zuständige Promotionskommission den Vorwurf gegen Schavan abgemildert. Die Runde aus Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und einer Studentenvertreterin werfen ihr nicht mehr vor, absichtlich getäuscht zu haben. Nach Diskussionen in der Kommission und einer Stellungnahme der CDU-Politikerin ist nun davon die Rede, Schavan habe in Kauf genommen, dass sie gegen gängige Zitierregeln verstoßen könnte. Juristen würden von bedingtem Vorsatz sprechen.

Das mag wie ein Detail klingen, für Schavan aber wiegt es schwer. Der Vorsitzende der Promotionskommission, Professor Stefan Rohrbacher, hatte ihr im Herbst eine "leitende Täuschungsabsicht" bescheinigt. Schavan, die Seriosität und wissenschaftliche Kompetenz verkörperte, empfindet das als ehrenrührig. "Es trifft mich im Kern", sagte sie - und wies den Vorwurf empört zurück.


Damit ist der Vorwurf der bewußt vorsätzlichen Täuschung wohl vom Tisch, der Titel aber noch nicht gerettet.

An ihrer Kandidatur für den nächsten deutschen Bundestag hält sie laut FAZ unabhängig vom weiteren Verlauf des Verfahrens bzgl. ihrer Dissertation fest.

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Mi 23. Jan 2013, 00:54 - Beitrag #2

Es gibt einen Dämpfer. Wie ua. die Tagsesschau berichtet, wird nun das Plagiatsverfahren eröffnet. Immerhin wird betont, das es ergebnisoffen verlaufe.

Ipsissimus
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Mi 23. Jan 2013, 11:53 - Beitrag #3

Natürlich^^ die Kommission, die die Plagiatsvorwürfe auch schon im Vorfeld untersucht hat, eröffnet ein Plagiatsverfahren, das sie selbst durchzieht, weil sie denkt, dass es ergebnisoffen ist^^

e-noon
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Mi 23. Jan 2013, 12:21 - Beitrag #4

Ich habe mir gerade etliche der durch rote Farbe als besonders gravierend eingestuften Gegenüberstellungen von Schavans Arbeit und ungenannten oder falsch genannten Quellen angesehen. Auf Schavanplag findet man eine vollständige Gegenüberstellung. Ich muss leider sagen, so weh es tut, dass für mich die betrachteten Stellen ein eindeutiges Plagiat darstellen. Teilweise wurde ein Satz wörtlich übernommen, ohne ihn als Zitat zu kennzeichnen oder überhaupt eine Quelle anzugeben. Diese Fälle sind Plagiat, da gibt es nichts zu deuteln.

Die Frage ist nun, ab welcher Anzahl solcher Plagiate auf einer über 300-seitigen Doktorarbeit man von einem bewussten Täuschungsversuch ausgehen kann, und wieviel "Plagiat" bei einem so umfassenden Werk als notwendiges übel angesehen wird. Die Frage ist auch, ob es vom Fach abhängt, wie stark man sich auf Schriften anderer stützen muss, während gleichzeitig der Zwang besteht, eigenes zu schaffen. Leider kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Überlegungen zu Antworten führen, die Schavan völlig vom Vorwurf des Plagiats entlasten.

Padreic
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Mi 23. Jan 2013, 22:20 - Beitrag #5

Wie e-noon halte ich es für wichtig, dass ganz differenziert zu betrachten. Dass Schavan in ihrer Doktorarbeit gegen die Regeln des richtigen Zitierens in einer Weise verstoßen hat, die ihre eigene Leistung als größer erscheinen lässt, als sie tatsächlich war, lässt sich wohl kaum bestreiten. Zum Teil mag das bloße Nachlässigkeit gewesen sein, aber ich halte es für höchstwahrscheinlich, dass es hier eine zumindest latente Täuschungsabsicht bestanden hat. Indem sie bestimmte Quellen, die sie offenbar benutzt, nicht einmal im Literaturverzeichnis erwähnt, verstößt sie wohl auch gegen die eidesstattliche Erklärung, keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen verwendet zu haben.

Andererseits: Die eindeutigsten ungekennzeichneten Übernahmen (oder Plagiate, wie man es wohl heute nennt) gibt es bei der Rezeption Werke klassischer Autoren. Ich denke, bei einer Paraphrasierung eines solchen Werks von einem dritten Autor unkennzeichnet wörtlich zu übernehmen, ist zwar nicht in Ordnung, wirkt aber weniger schwer, als wenn es im inhaltlichen Hauptteil geschieht.

Vor allem muss man dabei die Verhältnismäßigkeit wahren. Es finden sich ohne Zweifel genug Gründe, Frau Schavan ihren Titel abzuerkennen. Wenn aber ebenso strenge Maßstäbe dazu führen würden, dass man 20% der Doktortitel aus diesem Fachbereich in dieser Zeit aberkennen müsste, ist es meines Erachtens nicht mehr fair, ihr den Titel abzuerkennen, nur weil sie als Person öffentlichen Interesses mehr überprüft wird. Und ich muss sagen, dass ich davon ausgehe, dass mindestens 20% der fraglichen Doktorarbeiten entweder im selben Maße gegen Zitier- und Plagiatsregeln verstoßen oder aber vielleicht da sauber arbeiten, aber keineswegs die nötigen wissenschaftlichen Neuerungen bringen, die einen Doktortitel rechtfertigen.

Zum Vergleich kann ich ein paar Kommentare des in der Mathematik üblichen Zitierverhaltens äußern: Es wird als vollkommen in Ordnung angesehen, "wohlbekanntes" Material ohne Nennung von Quellen wiederzugeben. Neueres oder spezielleres Material sollte mit einer Quelle versehen werden, die aber häufig keine genaue Seitenspezifizierung hat und auch nicht die Originalquelle sein muss. Wörtliche Übernahmen werden nicht anders behandelt als inhaltliche; eine wörtliche Übernahme eines mathematischen Statements in Anführungszeichen zu setzen, würde als albern gelten - Anführungszeichen werden nur bei persönlich oder "philosophisch" gehaltenen Statements verwendet.
Wenn man sich an diese Regeln hält, würde man es in der Mathematik als komisch ansehen, eines Plagiats beschuldigt zu werden. Bei den Maßstäben der üblichen Plagiatsseiten würde man aber häufig des Plagiats beschuldigt werden.
Deswegen halte ich es für entscheidend, das Übliche in einem Fachbereich mit in eine solche Diskussion einzubeziehen. [In der Mathematik (und wohl ebenso in Physik etc.) dürften die Regeln des Zitierens lascher sein, weil der Inhalt mehr von der sprachlichen Form getrennt wird und auch Neuerungen leichter von Altem zu unterscheiden sind.]

Maglor
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Mi 23. Jan 2013, 23:51 - Beitrag #6

Nicht zu verachten ist, dass die Arbeit 1980 veröffentlicht wurde, also noch im vor-digitalen Zeitalter entstand. Einfaches Copypaste war ihr daher anders als dem bayrischen Freiherrn sicher nicht möglich.
Ich habe schon Doktor-Arbeiten gelesen, die mit der Schreibmaschine geschrieben. Keine Ahnung, irgend kann ich es mir diese ganze Arbeit ohne Korrekturfunktion kaum vorstellen.

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Do 24. Jan 2013, 08:37 - Beitrag #7

Ich bin gespannt, wie mit den von Padreic gesehenen Aspekten umgegangen wird. Was aus heutiger Sicht klar unwissenschaftliche Arbeitsweise war damals wohl teilweise derart üblich, das Schavan gerade mit dem nicht alles zitieren zeigte, die wissenschaftliche Arbeitsweise ihres Faches zur damaligen Zeit zu beherrschen.

Unklar ist mir die epische Dauer des Verfahrens.

Klar sollte wohl auch sein, das inzwischen jedes "vergessene" Zitat zu einem Problem in jedweder wissenschaftlicher Arbeit werden kann und eigentlich muß. Wobei nicht jedes vermuetet Unterlassen eines sinngemäßen Zitates ein Plagiat sein muß - so hatte ich in meiner Diplomarbeit zwei Schlüsse, die ich aus zuvor gesichtetem Material zwingend und logisch fand. Das ging jeweils noch wem so, da ich jeweils, zum Glück vor Abgabe, herausfand, dass die von mir selber gadachten Gedanken auch schon wo schriftlich niedergelegt waren.

Lykurg
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Do 24. Jan 2013, 10:05 - Beitrag #8

Padreic, da sind die gegenwärtigen Prinzipien in den Geisteswissenschaften, soweit ich sie und es überblicke, aber tatsächlich sehr viel strikter. Auch 'wohlbekanntes' Zitatgut muß nachgewiesen werden (abgesehen vielleicht von Klassikerzitaten, die aber im Zweifel eher schmückendes Beiwerk als argumentationsdienlich sind). Indirektes Zitieren ist zwar möglich, aber unerwünscht, und genaue Stellenangaben sind erforderlich. Das kann in den 70ern teilweise laxer gehandhabt worden sein, sauber war es aber schon damals nicht, der entsprechende Passus in der Promotionsordnung gilt nach wie vor. Hinsichtlich der Qualitätsstandards wissenschaftlicher Arbeiten im Allgemeinen und der Ungerechtigkeit, da einen Einzelfall herauszugreifen, weil prominent, gebe ich dir zwar im Prinzip recht, trotzdem ist es meines Erachtens nicht angemessen, deswegen einen als schwerwiegend erkannten Plagiarismusfall - wenn die Kommission denn zu diesem Ergebnis kommt - ungeahndet zu lassen. Das Signal für die derzeitige Forschergeneration wäre verheerend - und gerade das sollte die Wissenschaftsministerin nicht zu verantworten haben.

Nach dem, was ich gesehen habe, sind die Übernahmen deutlich weniger brisant als bei Guttenberg - viel kürzere Stellen, paraphrasierend statt copy-paste, und weniger das Gesamtbild einer Verschleierung einbezogenen Fremdmaterials ergebend. Eine gewisse Täuschungsabsicht war meines Erachtens ebenfalls vorhanden, immer wiederkehrende Verwendung einzelner, nicht genannter Quellen legt das nahe. Der Eindruck eines großflächig aus verdeckten Fremdzitaten collagierten Textes entsteht daraus aber bei weitem noch nicht. Vielleicht sollte man stichprobenhaft ein paar Arbeiten an ihrem Fachbereich im betreffenden Zeitraum prüfen und das weitere Vorgehen am Ergebnis orientieren. Allerdings dauert das natürlich seine Zeit.

e-noon
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Do 24. Jan 2013, 11:46 - Beitrag #9

Ah, richtig, das wollte ich auch noch betont haben: Kein Vergleich zu Guttenberg. Was Schavan gemacht hat, dürften gut und gerne nicht 20%, sondern meiner völlig haltlosen Schätzung nach bis zu 50% der Doktoranden damals praktiziert haben.

Traitor
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Do 24. Jan 2013, 22:18 - Beitrag #10

Mir mangelt es an Motivation, mir die Arbeit selbst anzusehen, daher verlasse ich mich mal auf Padreics und e-noons Kurzanalysen - die schonmal fundierter klingen als die meisten Presseerzeugnisse zum Thema. ;)

Dass der Fall nicht so einfach liegt wie bei Guttenberg, ist klar; dass er aber so viel weniger schwerwiegend wäre, dass die öffentliche Meinung so einseitig auf Schavans Seite sein sollte, leuchtet mir nicht ein. Liegt da einfach eine gewisse Müdigkeit gegenüber Plagiatsgeschichten vor, ein "die schlimmsten wurden abgeurteilt, jetzt lasst uns mit eurem Wissenschaftsgetue in Ruhe"?

Zitat von e-noon:Die Frage ist nun, ab welcher Anzahl solcher Plagiate auf einer über 300-seitigen Doktorarbeit man von einem bewussten Täuschungsversuch ausgehen kann, und wieviel "Plagiat" bei einem so umfassenden Werk als notwendiges übel angesehen wird.
Die bloße Anzahl hat meines Erachtens wenig bis nichts mit einer bewussten Absicht zu tun, und da bewusste Absicht ein rein inneres Phänomen ist, ist sie auch kaum nachweisbar (es sei denn, jemand war so blöd, die irgendwo zu Protokoll zu geben). Klar ist aber auch, dass ein reines Absprechen der Qualität kein Titelentzugskriterium sein kann, sonst wären rückwirkende Verfahren in voller Willkür möglich. Also muss es leider doch irgendwie darauf hinauslaufen, aus Indizien eine böse Absicht herzuleiten, und daraus erklärt sich der Beigeschmack solcher Verfahren. Wichtiger als das reine Auszählen sollte dabei hoffentlich Padreics Unterscheidung von als originell dargestellten vs. rein deskriptiven Übernahmen genommen werden. Unzureichende Deklaration von "Standardaussagen" würde ich, wenn auch wohl ebenfalls durch die naturwissenschaftliche Brille, lediglich als qualitativen technischen Mangel und somit keinesfalls rückwirkend ungültigmachend ansehen, echtes missbräuchliches Erwecken des Eindrucks, komplexere synthetische und/oder neue Gedanken selbst hervorgebracht zu haben, aber als hinreichend übles Vergehen, auch, wenn die inhärente böse Absicht dabei nicht nachgewiesen werden kann.
Ach ja, "notwendiges Übel" gibt es da für mich gar keines, worin sollte die Notwendigkeit liegen?

@e-noon und Lykurg: Ist die Zitierpraxis in den Geisteswissenschaften tatsächlich im Laufe der Zeit schärfer geworden? Quantitative Studien werden vermutlich, wie auch in den Naturwissenschaften, eindeutig "ja" zu "mehr Zitate" sagen, aber ob das wirklich eine Aussagekraft darüber hat, wie gewissenhaft gearbeitet wird, oder nur darüber, dass die typische Arbeit heute derivativer ist?

@Lykurg: Ich bezweifle, dass die "derzeitige Forschergeneration" irgendwelche Signale aus Politikerverfahren braucht - wenn schon, dann die derzeitige Titeljägergeneration. ;)

@Ipsissimus: Warum das Verfahren diese zwei Stufen in gleicher Instanz hat, leuchtet mir auch nicht ein. Mir würde aber eine Stufe reichen, als externe zweite gibt es ja immer noch die gerichtliche Nachbereitung. Für jedes solche Verfahren von vornherein externe Kommissionen einzusetzen, wäre eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Schon warum es in dieser Sache überhaupt bestellte Gutachter geben muss, ist mir nicht klar, die Kommissionsmitglieder sollten alle qualifiziert genug sein, sich ihre eigene Meinung zu bilden.

@Maglor: Man mag es kaum glauben, aber sogar schon vor Erfindung der Schreibmaschine wurden schon Dissertationen geschrieben. ;)

e-noon
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Fr 25. Jan 2013, 00:27 - Beitrag #11

@e-noon und Lykurg: Ist die Zitierpraxis in den Geisteswissenschaften tatsächlich im Laufe der Zeit schärfer geworden? Quantitative Studien werden vermutlich, wie auch in den Naturwissenschaften, eindeutig "ja" zu "mehr Zitate" sagen, aber ob das wirklich eine Aussagekraft darüber hat, wie gewissenhaft gearbeitet wird, oder nur darüber, dass die typische Arbeit heute derivativer ist?

Ich habe ganz, ganz stark den Eindruck. Beweisen kann ich es natürlich nicht. Aber es gibt mittlerweile sehr viele Seminare zum wissenschaftlichen Schreiben, Zitierweisen, Entwürfen, Plagiaten etc. - ich meine, das gab es früher nicht in dem Umfang und nicht innerhalb des Studienganges. Auch wird es einem in jeder Vorlesung von der Kanzel gepredigt, dass man bei einem Plagiat den Rausschmiss zu erwarten hat. Ich glaube irgendwie nicht, dass dieses Bewusstsein auch früher so stark war... und natürlich war, wie gesagt, die Situation vor dem Internet eine ganz andere, was Quellenerreichbarkeit und -überprüfbarkeit angeht.

Traitor
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Fr 25. Jan 2013, 00:38 - Beitrag #12

Zumindest die Kanzelpredigten dürften dann aber erst postguttenbergisch spontan und massiv aufgetreten sein und nicht schon vorher eine langfristige Steigerung erfahren haben, oder? Dass in aktuellen Arbeiten das saubere Zitieren bis auf Fetischniveau durchexerziert wird, daran zweifle ich kaum; spannender fände ich, ob Arbeiten aus den 90ern und 2000ern tatsächlich in Zitathinsicht auf breiter Front "besser" sind als solche aus den 80ern und früher.

und natürlich war, wie gesagt, die Situation vor dem Internet eine ganz andere, was Quellenerreichbarkeit und -überprüfbarkeit angeht.
Dafür ist aber auch die Gefahr größer, einen Artikel nur irgendwo mal anzuklicken, durchzublättern, gar nicht zu speichern oder zu notieren und dann halbbewusst doch zu plagiieren, während man früher die Quellen, die man mühsam aufgetrieben hatte, (eigentlich) auch stets halbweg sorgfältig dokumentiert haben dürfte. Insofern ist die Inkompetenz-Verteidigung für rezente Arbeiten eher glaubwürdiger als für Altbestände. Zumindest, wenn man zusätzlich auch noch zugibt, zu faul gewesen zu sein, die Endversion nochmal selbst zu überprüfen.

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Fr 25. Jan 2013, 01:32 - Beitrag #13

Nein, deutlich vor Guttenberg. Ich hatte 2009 eine Dozentin, die drohte, uns "zu jagen und zur Strecke zu bringen", auch noch Jahre nach einer abgegebenen Arbeit, wenn ihr ein Plagiat vor Augen käme. Selbige Dozentin hat allerdings auch einmal festgestellt, dass eine Kollegin ein Buch komplett übersetzt und als ihre Arbeit ausgegeben hatte - und nichts getan (außer sie darauf anzusprechen). Ziemlich ungerecht.

Dafür ist aber auch die Gefahr größer, einen Artikel nur irgendwo mal anzuklicken, durchzublättern, gar nicht zu speichern oder zu notieren und dann halbbewusst doch zu plagiieren, während man früher die Quellen, die man mühsam aufgetrieben hatte, (eigentlich) auch stets halbweg sorgfältig dokumentiert haben dürfte. Insofern ist die Inkompetenz-Verteidigung für rezente Arbeiten eher glaubwürdiger als für Altbestände. Zumindest, wenn man zusätzlich auch noch zugibt, zu faul gewesen zu sein, die Endversion nochmal selbst zu überprüfen.

Ja, natürlich. Ich weiß auch nicht genau, wie ich das meinte. :crazy:

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Fr 25. Jan 2013, 08:23 - Beitrag #14

Ua. der Gedanke der fehlenden einheitlichen Prüfverfahren wird auch in diesem Zeitartikel durchdrungen. So haben erwischte Palgiatoren es da gut beipspielsweise, wo bezüglich der Kenntlichmachung der Hilfsmittel nur eine ehrenwörtliche, aber keine eidesstattliche Erklärung gefordert iwrd - mit entsprechender Konsequenz für eine mögliche strafrechtliche Aufarbeitung.
Das der Präsident der Humboldt-Uni eine besonders gründliche neutrale Aufklärung wünscht, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Honorarprofessorin A.S. dort theologisch doziert.

Malte279
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Fr 25. Jan 2013, 12:35 - Beitrag #15

Als ich 2004 an der Ruhruni angefangen habe war das Thema Plagiat auch schon gleich eines der ersten und für den Rest meines Studiums gab es kaum eine Veranstaltung in der eine schriftliche Arbeit abzugeben war in der nicht eingangs mit den grausamsten Konsequenzen gedroht wurde wenn der Dozent oder die Dozentin den Eindruck gewänne, dass jemand die Gedanken eines anderen ungekenzeichnet zu Papier brachte. Die Antiplagiats Rede zu Beginn von Veranstaltungen wurde so sehr zur Routine, dass spätestens ab dem dritten Semester ein kollektives genervtes Stöhnen durch die Reihen ging wenn ein(e) Dozent(in) wieder damit anfing. Bei längeren Arbeiten ist ja auch jeweils die vorformulierte Erklärung zur Selbstständigkeit der Arbeit zu unterschreiben und ich vermute, dass bei der doppelten Abgabe in gedruckter Form bzw. als PDF auf einer CD die letzetere vor allem der Vereinfachung der suche nach Plagiaten dient. Persönlich habe ich nie die Notwendigkeit für Plagiate für irgendjemanden verstanden, denn wenn man in anderen Materialien etwas brauchbares gefunden hatte, dann war damit die Hauptarbeit getan und die Fußnote mit dem Verweis auf die entsprechende Quelle war dann auch wirklich kein Aufwand mehr. Vermutlich wurden im Fach Geschichte zu selten sensationelle Neuentdeckungen / Interpretationen gemacht oder erwartet um hier für eine Plagiatsmotivation zu sorgen die wirklich dem Griff nach anderer Leute Lorbeer entsprang statt schlicht und einfach der Faulheit der betreffenden Person.

Traitor
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Fr 25. Jan 2013, 21:09 - Beitrag #16

@009: Dass es tatsächlich Ordnungen gibt, die keine eidesstattliche Erklärung verlangen, finde ich überraschend und schon fast schockierend.

@e-noon und Malte: Ok, dann habe ich die frühere Entwicklung "bei euch" unterschätzt. Gab es in den 90ern schonmal besonders prominente Fälle, die dieses Bewusstsein geschärft haben?
So starkes Herumreiten auf "academic honesty" und den möglichen Folgen des Gegenteils kannte ich bisher nur aus den USA. Das dürfte aber vermutlich daran liegen, dass dort die Unis stärker fächerübergreifend durchorganisiert sind, also das Belehrungsbedürfnis der Geisteswissenschaften stärker auch in den naturwissenschaftlichen Studiengängen ankommt.

e-noon
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Sa 26. Jan 2013, 03:01 - Beitrag #17

Traitor, ich denke, dass, wie einer von uns beiden (ich habe mich gerade etwas im Diskurs verloren) schon bemerkte, mit dem Aufkommen des Internets auch die Angst vor Plagiaten stieg. Früher kannte vermutlich der/die Prof oft die einschlägigen Werke der heimischen Bibliothek, mit denen die meisten Studenten aus Faulheit wohl arbeiteten; in der unüberschaubaren Menge der jetzigen Quellenfülle gelingt eher mal ein Copy&Paste, ohne dass es jemand bemerkt, der nicht spezifisch danach sucht.

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Sa 26. Jan 2013, 09:40 - Beitrag #18

Wobei ich bei der eidesstattlichen Erklärung auch erst nochmal einen wirklich kundigen Juristen zu Rate ziehen würde, denn IMHO entwickelt diese ihre besondere Bindungs- sowie Strafwirkung nur, wenn sie gegenüber bestimmten Organen (gewiss Gericht, ob Unibehörde auch geht weiss ich eben nicht) abgegeben wird.

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Di 29. Jan 2013, 15:17 - Beitrag #19

In einem Gastbeitrag in der SZ wirft Stephan Rixen, Professor für öffentliches Recht an der Uni Bayreuth, der die Untersuchungskommission im Falle Guttenberg leitete und der Mitglied österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (dort prüfen nur Ausländer die möglichen Verstöße der Inländer) ein Blick, darauf, wie in Deutschland generell mit Plagiatsverdachtsfällen umgegangen wird und was vielleicht an besseren Vorgehensweisen möglich wäre bzw. von Nachbarländern übernommen werden könnte.

Interessanter Nebenfund: in diesem SZ-Artikel lese ich:
"Plagiate verjähren in Deutschland nicht", sagt Wolfgang Löwer. Der Rechtsprofessor ist Fachmann für Wissenschaftsrecht an der Universität Bonn und Ombudsmann der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für wissenschaftliches Fehlverhalten. Zwar gebe es darüber in der Wissenschaft kontroverse Diskussionen, doch bislang kann ein Plagiat geltend gemacht werden bis zum Tod. "Es sind Fälle bekannt, da wurde emeritierten Professoren der Titel entzogen."
Da scheint mir, da ansonsten IIRC nur Mord niemals verjährt, wohl aber Totschlag und auch schwere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, doch einiges im Vergleich nicht ganz so verständlich geregelt zu sein.

Lykurg
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Di 29. Jan 2013, 16:27 - Beitrag #20

Da 009 mich gerade indirekt daran erinnert hat, ein überfälliger Einwurf...
Zitat von Traitor:@Ipsissimus: Warum das Verfahren diese zwei Stufen in gleicher Instanz hat, leuchtet mir auch nicht ein. Mir würde aber eine Stufe reichen, als externe zweite gibt es ja immer noch die gerichtliche Nachbereitung. Für jedes solche Verfahren von vornherein externe Kommissionen einzusetzen, wäre eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Schon warum es in dieser Sache überhaupt bestellte Gutachter geben muss, ist mir nicht klar, die Kommissionsmitglieder sollten alle qualifiziert genug sein, sich ihre eigene Meinung zu bilden.
Für ersteres kenne ich das Prozedere nicht gut genug; letzteres ist aber ganz klar dazu da, sich eine unabhängige Stellungnahme zu verschaffen. Das dient sowohl dem Verfahren (wie handhabt man derartiges anderswo?) als auch dem Integritätsanspruch des Gremiums. Viel zu leicht könnte sonst die Gefahr von Nestbeschmutzung Sanktionen verhindern.

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