Schavan und Plagiat: kleine Ehrenrettung

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
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Do 7. Feb 2013, 21:14 - Beitrag #41

Anlaßlos insofern, als sie keinerlei Rücktrittswille zeigt, die Kanzlerin demonstrativ hinter ihr steht und Weiterungen (nämlich die Frage des Ausgangs des Gerichstverfahrens) noch in eher ferner Zukunft liegen.
Das ein(e) Minister(in) nicht (mehr) bei allen beliebt ist, da könnte bspw. mit IMHO genausoviel Berechtigung auch über die Nachfolger von Schröder, von der Leyen oder Rösler debattiert werden.

Lykurg
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Do 7. Feb 2013, 23:22 - Beitrag #42

Die Anfeindungen werden zunehmen. Hinter zu Guttenberg und Wulff hat die Kanzlerin genauso gestanden... Frau Schavan hat kein Beliebtheitsdefizit (zumindest denke ich wie bei zu Guttenberg, daß der Sachverhalt beim Großteil der Wähler nicht ankommt), sondern einen schwerwiegenden Glaubwürdigkeitsverlust, der ihre Amtsführung beschädigt. Das kann nicht gutgehen - und ich denke nicht, daß das bis zur gerichtlichen Klärung warten kann.

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Do 7. Feb 2013, 23:53 - Beitrag #43

Just zu der Frage, wie "hilfreich" das volle Vertrauen der Kanzlerin ist, habe ich just bei der SZ erhellendes gefunden...
Annette Schavan hat jetzt 18,75 Tage Zeit für ihren Rücktritt. Also durchschnittlich. Aber weil Statistiken lügen, kann es auch morgen schon passieren, wenn sie von ihrer Reise aus Südafrika zurückkehrt. Dann wären es zwei Tage. Zwei Tage von dem Moment an, in dem Kanzlerin Angela Merkel ihrer angeschlagenen Ministerin ihr "volles Vertrauen" ausspricht. Das ist ja so etwas wie der politische Todesstoß der Kanzlerin.


Der Glaubwürdigkeitsaspekt bei Plagiatsfällen erscheint übrigens, wie wiederum die SZ zeigt, kein international einheitlicher Aspekt zu sein. In den USA zumindst ist das nichts, was Politiker automatisch in größere bedrängnis bringt
Der bekannteste Plagiator der USA sitzt derzeit im Weißen Haus. Barack Obama entlieh seinen berühmten Wahlspruch "Yes we can", mit dem er in den Präsidentschaftswahlkampf 2008 zog, der Landarbeiter-Bewegung der 70er Jahre. Auch die Zeichentrick-Figur Bob the Builder hatte "Yes we can" als Motto, lange bevor Obama ins höchste Amt des Landes strebte. Doch weder die Landarbeiter noch der patente Baumeister meldeten je Ansprüche an. Auch als Hillary Clinton ihm zwei Jahre später im parteiinternen Zweikampf um die Präsidentschaftsbewerbung vorwarf, in bedeutenden Reden abgekupfert zu haben, kam Obama glimpflich davon: Am Ende reichte der vermeintliche Plagiatsskandal nur zu einem lauen Lüftchen und nicht zum erhofften Gegenwind für den Amtsinhaber.


Aber dafür scheinen Plagiate in selbst nach Guttenberg unglaublichem Maßstab amerikanische Prüfer überzeugen zu können.
Weniger Glück hatte da einst Obamas Stellvertreter: 1988 bewarb sich Joe Biden selbst um das Präsidentenamt. Wurden dem damals 46-Jährigen wegen seines vergleichsweise jungen Alters und seinen guten rhetorischen Fähigkeiten anfangs noch gute Chancen ausgerechnet, stürzte er am Ende ausgerechnet über seine Wahlkampfansprachen. Journalisten deckten auf, dass Biden bei mehreren Gelegenheiten fast wortwörtlich eine Rede des damaligen britischen Labour-Chefs, Neil Kinnock, gehalten hatte. Zum Verhängnis wurde ihm jedoch nicht das Plagiat an sich, sondern die Tatsache, dass er im Zuge der abgekupferten Rede gelogen hatte. "Die noch größere Sünde war, dass er biographische Fakten von Kinnock entlehnte, die zwar auf Kinnock zutrafen, nicht aber auf Biden", schrieb 2008 Slate-Autor David Greenberg in Rückschau auf den damaligen Skandal. So behauptete der Präsidentschaftsanwärter beispielsweise, aus einer Familie von Minenarbeitern zu stammen und als erster Biden ein College besucht zu haben - wohl um seinem Arbeiterkind-Hintergrund noch mehr Zugkraft zu verleihen.


Dafür, fast klischeehaft, gibt es andere karrieretechnisch echte No-Gos für amerikanische Politiker:
Denn es gibt durchaus Affären, die amerikanische Politiker regelmäßig zu Fall bringen: Immer wieder stolpern Staatsvertreter über Sexaffären, die Lewinsky-Affäre des damaligen Präsidenten Bill Clinton ist wohl das prominenste Beispiel. Wer weiß: Hätte Hillary Clinton Amtsinhaber Obama Ehebruch statt rhetorischen Betrug nachgewiesen - sie säße heute vielleicht schon im Oval Office. Denn moralische Verfehlungen werden in den USA gesellschaftlich weit stärker sanktioniert als wissenschaftliche. Das ist in Deutschland - noch - anders.
Und zumindest da hat die ledige Schavan wohl einen Vorteil...

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Sa 9. Feb 2013, 15:47 - Beitrag #44

Die Wankamutige hat heute "schweren Herzens" Schavans Rücktrittsangebot angenommen.

Traitor
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Sa 9. Feb 2013, 16:53 - Beitrag #45

Zitat von e-noon:Neinnnn Das war, glaube ich, nicht das Idealergebnis.
Mir wäre wie gesagt auch die Variante "(gerügte) Doktorin ja, Ministerin nein" lieber gewesen, also ist es bisher auch für mich genau das Gegenteil des Idealergebnisses. Deine Begründung, dass das bei ihr alles nicht so schlimm war, verwundert mich nach dem vorigen Diskussionsverlauf doch sehr.
[Nachtrag nach lesen der aktuellen Meldungen: na dann halt jetzt nein-nein, schonmal deutlich besser.]
Zitat von e-noon:warum beispielsweise Mediziner mit 10- oder 20-seitigen Doktorarbeiten einen Titel erhalten, für den andere 3 Jahre lang hunderte Seiten füllen müssen.
Das sowieso. Nachdem Dipl-Meds inzwischen halbwegs akzeptiert sein, sollte man allmählich so konsequent sein und die medizinische Promotion auf Forscher beschränken.

Zitat von 009:BLiebe allmählich zu thematisieren, wiesehr bei Schavans Job wirklich der rein wissenschaftliche Gedanke/Anteil eine Rolle spielt und wie stark sie einfach auch als ministeriale Verwaltungscheffin gefragt ist.
Natürlich ist/war sie selbst nicht wissenschaftlich tätig. Aber wie Nida-Rümelin und Lykurg ausführen, ist es einfach lächerlich, als Autoritätsperson in einem Bereich tätig zu sein, nach dessen Maßstäben man völlig unten durch ist. Ähnlich wie betrunken fahrende Verkehrsminister, steuerhinterziehende Finanzminister oder vorbestrafte Justizminister. Hat jeweils nichts mit ihrer eigenen Tätigkeit als Formularunterschreiber, Lobbyist und Redner zu tun, nimmt ihnen aber jede Glaubwürdigkeit nach innen und außen.

@009 zu den US-Verweisen: politische Slogans oder Reden abzukupfern, ist aber nicht formell verboten, sondern nur unfein. Völlig andere Ebene.

Zitat von Lykurg:McAllister wäre wohl keine schlechte Wahl, den Mac kann ihm keiner aberkennen, so groß wie er den plakatiert hat.^^ Aber auch sonst ein fähiger Mann, wäre schade, wenn er in der Versenkung verschwindet (wobei Niedersachsen wohl kaum auf Dauer rot wird...)
Hätet er irgendwelche fachlichen Qualifikationen vorzuweisen gehabt? Oder kam er dir einfach nur als ranghöchster (fast-schon-)Arbeitsloser mit CDU-Parteibuch in den Sinn?

Dass nun mit Wanka eine der letzten Studiengebührenverfechter die Nachfolge antritt, ist natürlich seltsam. Vermutlich ist sie aber die profilierteste Bildungspolitikerin, die die CDU auf Abruf bereit hatte. Und ob sie selbst im Falle eines Wahlerfolges mehr als eine 8-Monats-Übergangslösung sein soll, ist angesichts ihres Alters eh fraglich.

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Sa 9. Feb 2013, 17:12 - Beitrag #46

Zitat von Traitor: Natürlich ist/war sie selbst nicht wissenschaftlich tätig. Aber wie Nida-Rümelin und Lykurg ausführen, ist es einfach lächerlich, als Autoritätsperson in einem Bereich tätig zu sein, nach dessen Maßstäben man völlig unten durch ist. Ähnlich wie betrunken fahrende Verkehrsminister, steuerhinterziehende Finanzminister oder vorbestrafte Justizminister. Hat jeweils nichts mit ihrer eigenen Tätigkeit als Formularunterschreiber, Lobbyist und Redner zu tun, nimmt ihnen aber jede Glaubwürdigkeit nach innen und außen.

@009 zu den US-Verweisen: politische Slogans oder Reden abzukupfern, ist aber nicht formell verboten, sondern nur unfein. Völlig andere Ebene.


Völlig bei allen unten durch ist Schavan ja gerade nicht, wie manche, auch weiter oben zitierte/erwähnte Stimmen zeigen. Spontan erinnere ich nicht mehr genau, was man Otto Graf Lambsdorf vorwarf und wie dies zu seiner durchaus dadurch nicht beendeten Karriere sich verhielt.
Positiv bei Schavan, anders zB als bei Guttenberg, das sie m.E. überzeugend das, was sie für ihre Fehler hielt einräumte und mind. auf mich insofern glaubwürdiggeläutert wirkte. Auch, wieder anders als bei Guttenberg, hat sie im Laufe der Affäre nicht etwa die Öffentlichkeit angelogen.
Als honorig erscheint mir der IMHO nicht ganz zwangsweise Schritt, Ihr Amt zur Verfügung zu stellen, um dies vor Schaden zu bewahren. Wohl weil ich (wir?) da zu elektronisch schnell bin (sind), kommt mir noch die Frage, wieso dies erst jetzt und nicht schon bei Bekanntgab des Entschlusses der Uni Düsseldorf erfolgte.

Formell verboten ist in den USA möglicherweise aber auch, einfach urheberrechtlich relevante Schöpfungshöhen erreichende Slogans/Reden abzukupfern. Und wirklich dum (bewusst mit einem m, zur Aussagegehaltsteigerung) ist es, auch das abzukupfern, was gar nicht auf de eigene Biographie passt.

Schade fand ich im Fall Schavan dann auch, dass es nicht zur medial als möglich dargestellten Konstallation kam, das Ministerium kommisarisch entwweder einem anderen Ressortchef zuzuschlagen oder von den beiden Staatssekretärten bis zur Wahl führen zu lassen.

Traitor
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Sa 9. Feb 2013, 18:28 - Beitrag #47

Dass manche ihr den Titel aus Mitleid, formellen Gründen oder "sonst müssten wir alle überprüfen" lassen wollten, heißt nicht, dass sie mit ihrer damaligen Leistung und ihren jetzigen Stellungnahmen einverstanden sind. Schavan wäre sicher von kaum einem Wissenschaftler noch als vollwertiger und ernstzunehmender Gesprächspartner angesehen worden.

Sie räumte Fehler ein, redete diese aber systematisch klein und weigerte sich, für diese gerade zu stehen. Das ist besser als direktes Leugnen, aber das hier bereits zitierte "Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich" ist völlig inakzeptabel. Verteidigung gegen den Vorwurf des Vorsatzes, meinetwegen. Aber dass ihr Fehler nicht peinlich sind, zeigt, dass sie keinerlei Beziehung zu Qualitätskriterien wissenschaftlicher Arbeit mehr hat und es ihr wohl doch immer nur um den Titel an sich ging, egal wie man ihn erlangt.

Urheberrechte können auch nachträglich noch abgegolten werden und sind bei Politikern üblicherweise Aufgabenbereich des Hintergrund-Teams, daher ein anderes Schlachtfeld.

Zuschlagen zu einem anderen Ministerium wäre eine inakzeptable Degradierung des Aufgabenbereichs gewesen, die im schlimmsten Fall in der Öffentlichkeit so angekommen wäre, dass durch Schavans Entehrung die Wissenschaft und BIldung an sich am Ende sei... Fortführung durch Staatssekretäre wäre für die Verwaltungsaufgaben hinreichend, für die dringend nötige Öffentlichkeitsarbeit aber nicht. Da braucht man ein Gesicht, das man hinstellen kann.

Padreic
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Sa 9. Feb 2013, 19:34 - Beitrag #48

Zustimmung zu Traitors letzten Absatz.

Dass manche ihr den Titel aus Mitleid, formellen Gründen oder "sonst müssten wir alle überprüfen" lassen wollten, heißt nicht, dass sie mit ihrer damaligen Leistung und ihren jetzigen Stellungnahmen einverstanden sind. Schavan wäre sicher von kaum einem Wissenschaftler noch als vollwertiger und ernstzunehmender Gesprächspartner angesehen worden.
Wie viele Wissenschaftler kennst du, die einen Politiker (im Normalfall) als vollwertigen und ernstzunehmenden Gesprächspartner ansehen würden?
Wenn dieser Politiker aber über finanzielle und anderweitige Ressourcen verfügt, ist er aber immer ein gefragter und nützlicher Gesprächspartner. Nur wenn seine Stellung so angegriffen ist, dass er nicht über diese verfügt - dann hört er auf, ein gefragter Gesprächspartner zu sein.

Nachtrag: Btw, wäre es nicht am coolsten, wenn sie sich ein paar Monate hinsetzt, ihre Dissertation überarbeitet und nochmal einreicht? Vorausgesetzt, sie findet eine Uni, die ihr die Promotion ohne vorhergehenden Studienabschluss erlaubt...

Traitor
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Sa 9. Feb 2013, 23:03 - Beitrag #49

In Sachen Normalfall hast du wohl auch durchaus Recht. Nur müssen sie im Normalfall versuchen, ihre Geringschätzung zu verstecken, während sie sie gegenüber Schavan offen zeigen dürften und damit der Dialog weiter erschwert würde. ;)

Ja, Dissertationskorrektur wäre eine angemessene Reaktion. Wenn auch bei ihm schon den Umfang eines Komplettneuschriebs annehmend, wäre das auch von Guttenberg eigentlich zu erhoffen gewesen, wenn er Format zu zeigen hätte.

Welchen Sonderumständen verdankte sich eigentlich ihre Promotion ohne Diplom? Oder war das damals noch ein Regelweg?

Ihre Aussagen verwirren mich übrigens aktuell wieder - hier wird sie zitiert mit "Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht". Ich dachte, sie hätte die Tatsachen (also das Abschreiben) zugestanden, nur die Absicht bestritten und den Umfang für geringfügig erklärt? Oder ist das jetzt geschickte Wortklauberei im Prozess-Vorfeld, dass sie also "ungekennzeichnetes Zitieren" eben nicht als Sonderfall von "Abschreiben" zu verstehen behauptet?

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Sa 9. Feb 2013, 23:09 - Beitrag #50

Wenn sich Unis frei von Verjährungsfristen gebaren und nach belieben Ehrendoktoren ernenne können, sollte sie ausnahmsweise auch nachgebesserte Werke vielversprechender Wissenschaftlerinnen annehmen können IMHO.

Nachdem ich die Pressekonferenz als Aufzeichnung sah finde ich es schon bemerkenswert, wie im Vergleich zB zu Guttenberg und Röttgen der Rücktritt abgewickelt wurde. ESIT: Guttennberg zB erklärte sich selber alleine in seinem Ministerium, bei Röttgen IIRC verkündete es die Kanzlerin so, nun bei Schavan trat sie gemeinsam mit ihr vor die Presse. Sehr lange, sehr persönliche, sehr würdigende, sehr bedauernde Worte der Bundeskanzlerin und eine auf mich angenehmerweise mehr gefasst als agressiv verbissen kämpferisch oder lethargisch wirkende ab kommenden Do (ich mag den Gauck ja auch, weil der das ganze Gedöns erst um 11 und nicht zu unchristlich frühen Zeiten macht) ehem. Bundesministerin.

Aus der Abteilung 009s Synapsen und ihre Zuckungen: beim (ua.) Verteidigungsminister gibt es den Zapfestreich der Truppe mit Rumtata usw. In der Wissenschaft etablieren sich neuerdings Feiern für Doktoren, teils schon für Absolventen, in Talar und seltsamen Kopfbedeckungen. Könnte man da nicht beim Abschied aus dem Amt von akademisch geprägten Amtinhabern so etwas wie den großen Hutwurf arrangieren? Auch mit Musik, statt Gewehre der Ehrenkompanie zu präsentieren werfen ausgesuchte promovierte und habilitierte im Spalier ihre Kopfbedeckung ehrerbietend in die Höhe.

Er :hat: hat leider zuwenig Schwung als das ich sagen könnte, die Matrix hat das schon antizipiert und einen passenden Smiley parat.

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So 10. Feb 2013, 14:33 - Beitrag #51

Ich finde Frau Schavans Rücktritt ebenfalls sehr konsequent und begrüßenswert. Daß sie es nicht gleich bei Verkündung des Entscheids tat, finde ich auch nachvollziehbar, sie hat erst die Kanzlerin konsultiert und ihre Entscheidung noch einmal überschlafen, das ist meines Erachtens guter Stil, soviel Zeit muß sein. Die genannten Gründe, vielleicht mit etwas viel Pathos formuliert, das Land und das Amt müsse ihrer Person voranstehen, sind zutreffend, entsprechend hat sie auch die umfassende Würdigung durch Merkel verdient.

@009: Ja, schon eine auffallende Hierarchisierung - Wulff und Guttenberg gehen allein (modulo Ehefrau^^) vor die Presse, Röttgen wird von Merkel in einer Erklärung ihrerseits gefeuert, Schavan dagegen im gemeinsamen Auftritt aus dem Amt ehrengeleitet. Den Doktorhut zu nehmen und ggf. werfen wäre immerhin in diesem spezifischen Fall eine kuriose Geste, ich finde aber schon das Ritual für Verteidigungsminister und Bundeskanzler eher mäßig notwendig, Präsident würde mir genügen.
Zitat von Traitor: Hätet er irgendwelche fachlichen Qualifikationen vorzuweisen gehabt? Oder kam er dir einfach nur als ranghöchster (fast-schon-)Arbeitsloser mit CDU-Parteibuch in den Sinn?
Da hast du mich erwischt ]Welchen Sonderumständen verdankte sich eigentlich ihre Promotion ohne Diplom? Oder war das damals noch ein Regelweg?[/QUOTE]Ja, und ich glaube, daß es das in Ausnahmefällen mancherorts immer noch gibt, ich kenne es allerdings nur noch aus dem Ausland (z.B. Schweiz, per Volksentscheid bewilligt).

@Wortwahl: Ich meine, sie sieht es als aus Flüchtigkeit nicht nachgewiesene Zitate an, zur Unterscheidung von vorsätzlich verdecktem Abschreiben, vulgo Plagiieren. Ich hätte es genauso unterschieden und auf die Wortwahl dabei Wert gelegt.
Zitat von 009:Schade fand ich im Fall Schavan dann auch, dass es nicht zur medial als möglich dargestellten Konstallation kam, das Ministerium kommisarisch entwweder einem anderen Ressortchef zuzuschlagen oder von den beiden Staatssekretärten bis zur Wahl führen zu lassen.
Im Spiegel wurde ja auch die Hinfälligkeit des Ressorts angesichts landespolitischer Hauptentscheidungslast dargestellt, quasi eine verpaßte Gelegenheit, es überhaupt neu zu besetzen. Allerdings wäre das meines Erachtens ein sehr schlechtes Zeichen für den Stellenwert und letztlich die Zukunftsfähigkeit der Wissenschaft hierzulande gewesen]Wie viele Wissenschaftler kennst du, die einen Politiker (im Normalfall) als vollwertigen und ernstzunehmenden Gesprächspartner ansehen würden?
Wenn dieser Politiker aber über finanzielle und anderweitige Ressourcen verfügt, ist er aber immer ein gefragter und nützlicher Gesprächspartner.[/QUOTE] Sicher nicht in fachlicher Hinsicht, es geht um den Ehrverlust. Ich halte, wie weiter oben erwähnt, eine entzogene Promotion für weitaus schädlicher als wenn Frau Schavan gar nicht promoviert bzw. nicht studiert hätte. Wie viele Manager und Verwaltungsfachkräfte arbeiten im heutigen Wissenschaftsbetrieb, die nicht studiert haben, an zentralen Stellen? Entgegen verbreiteten Ansichten meine ich nicht, daß alle ihre Sache schlecht machen (bzw. daß gestandene Professoren für die entsprechenden Verwaltungsaufgaben besser qualifiziert wären). Bild
Ich habe ja auch wenig Zweifel daran, daß die klammen Universitäten weiterhin das Gespräch mit ihr gesucht hätten, es hätte die Zusammenarbeit aber nicht erleichtert, insbesondere nicht im Sinne einer Vorbildfunktion.

Edit: Inzwischen las ich hier (an so gesehen wenig überraschender Stelle) eine sehr kritische Darstellung des Verfahrens als präjudizierend bzw. gebunden an frühzeitige und einseitige Äußerungen; die Nichteinbindung von Frau Schavans Doktorvater sowie eben fehlende externe Gutachten werden bemängelt und eine Pflicht der Universität, ihre Absolventen zu schützen, eingefordert.

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So 10. Feb 2013, 18:21 - Beitrag #52

Auch abzüglich Pathos fände ich die genannten Gründe nicht hinreichend. Es ist wieder ein Rücktritt, bei dem keinerlei eigenes Fehlverhalten anerkannt wird. Selbst wenn sie dieses weiterhin als geringfügig ansieht, sollte sie es zumindest erwähnen - "Ich sehe, dass ich durch meine Fehler nicht mehr geeignet für mein Amt bin. Ich stehe dazu, sie gemacht zu haben, aber auch dazu, dass sie die Integrität meiner Arbeit nicht wesentlich beeinflussen, und werde daher weiterhin für meine persönliche Rehabilitierung kämpfen." Hier übrigens der tatsächliche Wortlaut in längerer Fassung als in anderen Artikeln; entsprechendes finde ich da nicht, sondern allein die juristischen und medialen Folgen macht sie verantwortlich für den nötigen Schutz des Amtes durch ihren Rücktritt.

Gegen Wanka als Verlegenheits- oder Interimslösung spricht ihre Reputation (sagte ich ja auch im Vorbeitrag: "die profilierteste Bildungspolitikerin, die die CDU auf Abruf bereit hatte" - da mir auch weiterhin keine auf nicht-Abruf einfällt, kann man wohl guten Gewissens das "profilierteste" statt dem "auf Abruf" betonen), dafür ihr Alter und ihre inhaltliche Auslaufmodellhaftigkeit (sofern sie sich nicht von den Studiengebühren lösen kann, oder gar wieder eine Konterrevolution einleitet (hoffen will ich letzteres nicht)).

Ja, und ich glaube, daß es das in Ausnahmefällen mancherorts immer noch gibt, ich kenne es allerdings nur noch aus dem Ausland (z.B. Schweiz, per Volksentscheid bewilligt).
Gibt es noch, ja, aber eben als Ausnahmefall, der in Biographien sicher ausführlich erwähnt und begründet würde. Mal sehen, ob sich da bei Schavan nicht was finden lässt.

@Wortwahl: Ich meine, sie sieht es als aus Flüchtigkeit nicht nachgewiesene Zitate an, zur Unterscheidung von vorsätzlich verdecktem Abschreiben, vulgo Plagiieren. Ich hätte es genauso unterschieden und auf die Wortwahl dabei Wert gelegt.
Für mich ist ein nichtgekennzeichnetes Zitat faktisch ein Abschrieb, und ich sehe nicht, wie Formulierungen das ändern können. "Ich wollte nicht abschreiben" gestehe ich ihr zu (das Recht, die Behauptung zu machen; was letztlich stimmt, kann ich nicht beurteilen), "ich habe nicht abgeschrieben" halte ich für eine Lüge. Und zusammen mit dem "ist mir nicht peinlich" für schlimmer als das eigentliche "Vergehen".

Dass das Bundesbildungsministerium Relevanzprobleme hat, ist kein Grund, es aufzulösen, sondern einer, ihm diese Relevanz ganz dringend zurückzugeben.

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Fr 15. Feb 2013, 00:26 - Beitrag #53

In der Zeit findet sich ein Gastbeitrag von
Ernst-Ludwig Winnacker, 71, lehrte mehrere Jahrzehnte Biochemie an der Universität München. Er war Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und später erster Generalsekretär des Europäischen Forschungsrates.
, in dem dieser sich kritisch mit dem Gebahren der Uni Düsseldorf auseinendergesetzt:
Natürlich müssen Zitierregeln beachtet werden. Wer aber auf solch starre Regeln vertraut, kommt dann auch schnell und fast automatisch zu Schlüssen, wie zuletzt im Falle Düsseldorf/Schavan, wonach alles, was diesen Regeln nicht entspricht, vorsätzlich und in unredlicher Absicht geschehen sein muss.

Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Auf der einen Seite stehen echte Plagiate, wie wir sie von der Arbeit Guttenbergs kennen, wo ein großer Teil des Textes abgeschrieben wurde. Auf der anderen Seite das Zitiergebaren, das nun im Fall Schavan diskutiert wird. Dabei geht es nicht nur ums Zitieren, sondern um die Frage, warum an bestimmten Stellen Hinweise auf die Quellen korrekt gegeben werden und warum sie an anderen Stellen fehlen.

Dieser Frage nach dem "Warum" ist die Düsseldorfer Fakultät ganz offensichtlich nicht nachgegangen. Wo und wann beispielsweise grenzt eine Paraphrase, also der Versuch, einen bestimmten Sachverhalt mit eigenen Worten darzustellen, an ein Plagiat? Wo reicht eine indirekte Rede, um klarzustellen, dass es sich nicht um eigene Gedanken handelt? Wer diese und andere Fragen nicht stellt, gründet seine Recherchen auf reinem Misstrauen, und stellt damit das ganze System infrage.


Im konkreten Fall hat die Düsseldorfer Fakultät es sich sehr einfach gemacht. Sie hat ihre Verantwortung in vollem Umfang an das schwächste Glied in der Reihe, nämlich die damals 25-jährige Kandidatin, weitergegeben, statt zu fragen, warum man nicht selbst vor gut dreißig Jahren die Arbeit gelesen und die angeblichen Fehler beim Zitieren bemängelt und korrigiert hat.

Konnte, ja musste nicht die Kandidatin davon ausgehen, dass jemand die Arbeit liest und mit ihr darüber diskutiert?

Traitor
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Sa 16. Feb 2013, 19:58 - Beitrag #54

Über das "warum" scheint die Kommission durchaus nachgedacht zu haben, sonst hätte sie nicht mit dem internen "warum" der "Täuschungsabsicht" argumentiert, sondern nur mit den faktischen Fehlern. Ob sie dieses interne "warum" beurteilen kann, darf durchaus bezweifelt werden, es war halt ein reiner Indizienprozess. Das könnten aber auch ein Gutachter oder ein Gericht nicht anders machen.

"gründet seine Recherchen auf reinem Misstrauen" trifft nicht zu, denn es wurde ja eben nicht einfach mal so aus persönlicher Abneigung gegen Schavan ein Verfahren eröffnet, sondern es lagen faktische Beweise von Fehlern vor und es ging nur noch um deren Bewertung.

Das Argument im letzten Zitat wurde ja schon von zahlreichen Debattenbeiträgen in ebensovielen Medien widerlegt - es war nie die Aufgabe von Promotionsprüfern, derart kleinteilig Zitate nachzuverfolgen. Bei guttenbergschen Dimensionen muss jeder Prof(i), der so eine Arbeit liest, den Betrug bemerken. Bei Feinheiten wie bei Schavan aber eben nicht.

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Do 21. Feb 2013, 04:01 - Beitrag #55

Wie zB in derSZ, nicht aber auf den Seiten der Anwälte zu lesen ist, hat Schavan nun die angekündigte Klage eingereicht (und somit wenn ich das richtig sehe doch etwas vor Ablauf der 4 wöchigen Klagefrist). Möge nun das Gericht flott und weise entscheiden...

Maglor
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Do 10. Apr 2014, 21:16 - Beitrag #56

Als kleines Dankeschön dafür, dass Schavan kein Rechtsmittel gegen den Entuzg ihres Doktortitels eigelegt hat, hat die Universität Lübeck der Schavan den Ehrendoktertitel verliehen. Nun heißt sie wieder Dr. Schavan.
Vielleicht war das aber auch ein verspäteter Aprilscherz. :crazy:

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