Schavan und Plagiat: kleine Ehrenrettung

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Do 31. Jan 2013, 18:17 - Beitrag #21

Die Zeit berichtet ohne es (vorerst?) onloine zu publizieren über ein von ihr aktuell geführtes Interview mit Schavan:
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat die nachgewiesenen Fehler in ihrer Doktorarbeit als "nicht peinlich" bezeichnet. "Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich", sagte Schavan dem ZEITmagazin. Sie könne für sich zwar "nicht in Anspruch nehmen, keine Flüchtigkeitsfehler gemacht zu haben. Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht plagiiert oder gar getäuscht zu haben. Zu der "grundsätzlichen Diskussion" gehöre, "nicht andauernd den Eindruck zu erwecken, dass Plagiate und Fehler auf der gleichen Ebene liegen." Vor 33 Jahren "gab es noch keine technischen Möglichkeiten, einen Text noch einmal zu überprüfen. Man konnte nur selbst genau lesen und auf die Prüfer vertrauen."

Wenn dem so ist, und ich halte ihre Version des nicht plagiieren wollenden fahrlässig flüchtigkeitsfehlebehafteten Promovierens für durchaus möglich, wäre m.E. eine Rüge, ggf. eine nachträgliche Absenkung der Note, nicht aber die Zurückweisung der Arbeit und der damit verbundene Entzug des akademischen Grades angemessen.
Sie wäre dann sozusagen ein Dr. wie der eine der Klitschkos nach einem Kampf: derzeit etwas angeschlagen, aber sie erholt sich wohl wieder...

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 1. Feb 2013, 00:54 - Beitrag #22

@Lykurg: War nicht in diesem Fall der "externe Gutacher" an derselben Uni tätig? Und selbst wenn nicht darf meines Erachtens, wie auch in vielen anderen Bereichen (Großbauprojekte...) stark bezweifelt werden, inwiefern ein bestellter Gutachter wirklich unabhängig arbeitet. Dagegen helfen nur Gutachten und Gegengutachten, in Auftrag gegeben von getrennter Anklage und Verteidigung, beide getrennt vom Entscheidungsgremium. Aber damit wäre man schon eine juristische Eskalationsstufe weiter, äquivalent zu einem vollen Strafprozess. Beim hier diskutierten Gremium handelt es sich eigentlich um eine reine interne Prüfungskommission, und ich kann mich aus meinem Studium nicht erinnern, dass je ein Prof für eine Prüfung einen Gutachter beauftragt hätte...

@009: Ich habe deinen Beitrag von Guttenberg hierher verschoben, so war er eh gedacht, oder?
Selbst wenn es Flüchtigkeitsfehler wären, und davon nur wenige, wäre "Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich" schonmal peinlich. Dass es nicht wenige sind, legt jedoch den Verdacht der Systematik sehr nahe, und ein simples "menno, stimmt nicht" ist keine hinreichende Widerlegung. Wenigstens ein einigermaßen ernsthaftes Eingehen auf die Vorwürfe kann man von Schavan schon erwarten, ansonsten hat sie sich sehr bald, ähnlich wie Wulff, durch ihr unprofessionelles Reagieren untragbarer gemacht, als es jedes tatsächliche Vorvergehen könnte.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Fr 1. Feb 2013, 02:08 - Beitrag #23

Hups, alle meiner vorherigen hier sollten hier landen, da habe ich mich wohl vertan.
Ansonsten muß ich muß doch nochmal näher mit Schavans Diss. und Fehlerart/-anzahl beschäftigen. Denn, ich weiss selber nicht genau warum, vom Bauchgefühl stehe ich heir eher auf Schavans Seite, während das bei Guttenberg ja nun gerade nicht so war.
Gern würde ich auch das komplette Interview mit ihr oder ihre schon erfolgten und hoffentlich noch kommenden Stellungnahmen im Entzugsverfahren im Detail lesen können.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 1. Feb 2013, 11:12 - Beitrag #24

009, ihr wäre ja eigentlich zu wünschen, daß nicht mehr allzuviele Stellungnahmen in der Sache erforderlich sind. Ich habe allerdings so meine Zweifel, sie ist jedenfalls massiv beschädigt, und anders als bei Guttenberg, wo 'nur' die gründlich zerstörte persönliche Glaubwürdigkeit auch die Amtsführung beeinträchtigte, gehört bei ihr der Umgang mit Universitätspräsidenten etc. zum Alltagsgeschäft. Da sind auch kleinere Schatten schwerwiegend, meine ich.

Traitor, das erste Gutachten war intern erstellt, ja, allerdings immerhin von einem Fachfremden. Für eine Aberkennungsentscheidung wird aber wahrscheinlich ein externes Gutachten eingeholt - oder mehrere - ich weiß nicht, wie das Prozedere ist. Die Berufungsverfahren, an denen ich bisher in der einen oder anderen Form Anteil nahm, hatten in ihrer letzten Phase jeweils mehrere externe (vergleichende) Gutachten als Stütze und Entscheidungshilfe; wobei da schon sehr unterschiedliche Meinungen vorhanden waren, man kann ja auch die Gutachter danach aussuchen, was für einen Ruf sie in der Hinsicht haben.

Allerdings ist normalerweise die Entscheidung einer Berufungskommission deutlich schwerwiegender als die eines Promotionsausschusses, insofern würde mich nicht verwundern, wenn im Regelfall auf externe Gutachten auch verzichtet werden kann. Gutachten sind schließlich zeitaufwendig und teuer. Daß dieser Fall auf ungleich höheres Medieninteresse stößt, begründet an sich noch keine Verfahrensänderung.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
So 3. Feb 2013, 14:16 - Beitrag #25

Wie einem neuerlichen Spiegel-Artikel zu entnehmen könnte sie die Frage Aberkennung oder nicht darauf zuspitzen, was denn damals die tatsächlich wirksamen Regeln waren. IMHO logischerweise gibt es auch aus der damaligen Zeit schrifzliche Regelungen, die exaktes Arbeiten proklamieren, doch Papier ist geduldig. Und so gibt es weiterhin ettliche Stimmen, denen zu Folge eine ich sag mal "lässigere" Arbeitsweise de facto mind. in manchen Bereichen üblich udn akzeotiert war.
Ich wünsche allen und insbesoders Schavan, dass sich diese Frage möglichst eindeutig aufklären lässt, weil ich alles andere für die Öffentlichkeit unbefriedigend und für Schavan unzumutbar fände.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 3. Feb 2013, 14:59 - Beitrag #26

Dass die Regeln damals de jure schon feststanden, hat ja wohl hoffentlich niemand ernsthaft bezweifelt. Die Frage ist nur, wie üblich ihre Befolgung war.

Ich denke, der Hauptunterschied zu Guttenberg ist, dass Schavans Arbeit nach Entfernung der unbelegten Zitate vermutlich immer noch weitgehend den Anforderungen entspräche, während seine völlig in sich zusammengebrochen wäre. Daher geht es bei ihr auch um weichere, kaum nachweisbare Aspekte wie Absicht oder nicht und "übliche Praxis".

Schönes Zitat aus dem SpOn-Artikel, bezunehmend auf das Zeit-Zitat:
Zitat von Hartmut Steuber:Das heißt aber nicht, dass grobe Schludrigkeiten damit entschuldigt werden könnten und nicht einmal peinlich sind.


Meine persönliche, mäßig fundierte Empfehlung wäre derzeit: Schavan sollte ihren Doktortitel behalten, aber ihr Amt niederlegen. Ob die (für die Arbeit an sich wohl nicht wesentlichen) Fehler in der Arbeit absichtlich sind oder nicht, ist vermutlich kaum nachzuweisen, also im Zweifel für die Doktorandin. Aber ihr verharmlosender und uneinsichtiger Umgang damit macht sie für ihr konkretes Amt zunehmend untragbar (für ein anderes Amt wäre sie noch ok, auch da der Unterschied zu Guttenberg).

@Lykurg: Fachfremde sitzen ja schon in manchen regulären Promotionskomitees, Externe ebenso. Und in so einem außerordentlichen und daher auch größeren Überprüfungsgremium würde ich dann erwarten, dass beide einfach direkt in das Gremium gesetzt werden, anstatt sie als Gutachter anzufordern. Wie gesagt, wer in so einem Fall entscheiden soll, muss sich auch fundiert die Meinung bilden können, und wer sich fundiert die Meinung bilden kann, ist auch qualifiziert, zu entscheiden.
Berufungskommissionen sind eine Stufe höher angesiedelt und beschäftigen sich zudem noch meistens mit externen Bewerbern, weshalb sowohl mehr Verfahrensaufwand als auch mehr externe Information nur logisch ist.

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
So 3. Feb 2013, 18:08 - Beitrag #27

Ich muss Traitor recht geben, dass zwar nicht die Schwere der Anschuldigung, aber doch ihr spezifischer Inhalt ihr die Amtsausübung schwer machen dürfte. Zur Schwere der Anschuldigung kann man gerne mit Fischer vergleichen. Aber sein Umgang mit der ganzen Sache war natürlich ein ganz anderer: Er war bekannt als jemand, der (mindestens eine) Wende durchgemacht - Schavan lebt dafür eher von Konstanz. Die "Affäre" hätte sicherlich so oder so ihrem Ansehen einen Kratzer verpasst, aber ein anderes Auftreten a la "Ich habe damals Fehler gemacht und in Rezeptionen von Sekundärquellen teilweise schludrig gearbeitet, manchmal wohl sogar absichtlich etwas ungekennzeichnet fast wörtlich übernommen, damit nicht auffällt, dass ich nicht jede Sekundärquelle komplett gelesen habe - ich muss mich dafür in aller Form entschuldigen, aber ich muss auch sagen: das war damals nicht unüblich. Es stellt aber sicherlich kein gutes Beispiel da und die Ansprüche haben sich seit damals, Gott sei dank, gewandelt." hätte die ganze Sache im öffentlichen Ansehen wohl anders da stehen lassen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
So 3. Feb 2013, 18:12 - Beitrag #28

Padreic, dem kann ich nur zustimmen.
Spannend bleibt dann wohl vor allem, wie Merkel sich zu Schavan stellt. Bei Guttenberg ist sie ja nicht wirklich bemerklich abgerückt, entweder könnte sie, mit dem fachbereichsspezifischen Fehlverhalten Schavans deutlicher abrücken oder, möglicherweise um nicht noch vor der Wahl Unruhe ins Kabinett zu bringen, weiter sehr stark an ihrer Vertrauten festhalten.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mo 4. Feb 2013, 17:31 - Beitrag #29

Inzwischen ist etwas mehr von dem Zeit-Interview online, aber so wirklich erhellend ist das leider auch nicht:
Am Mittwoch vergangener Woche in ihrem Büro sagt sie, langsam redend und jedes Wort abwägend: »Die einen sagen: Wenn das einer Wissenschaftsministerin passiert, ist das für sie besonders peinlich. Und die anderen sagen: Wenn das einer Wissenschaftsministerin passiert, muss sie durchhalten, gerade weil sie Wissenschaftsministerin ist.« Wieso das? »Weil doch augenscheinlich längst über meinen Fall hinaus sich sehr grundsätzliche Fragen über den Umgang mit Plagiatsvorwürfen stellen. Die Wissenschaft muss souverän handeln können.« Aber sind die Wissenschaftsorganisationen, die sich jetzt in einer gemeinsamen Erklärung auf ihre Seite geschlagen haben und der Universität in Düsseldorf Verfahrensfehler vorgehalten haben, nicht abhängig von ihr als Wissenschaftsministerin?

Da schnellen sie wieder nach oben, die Augenbrauen. »Das ist...«, fängt sie an, stoppt, setzt noch einmal an: »Wenn Wissenschaftler darauf drängen, dass es in solchen Fällen Regeln gibt, die eingehalten werden müssen, kann man sie dafür doch nicht beschimpfen. Die Souveränität der Wissenschaft ist ein hohes Gut.«

Folgt man ihrer Logik und glaubt ihr, dass sie nicht bewusst getäuscht hat – sind ihr denn diese vielen Fehler nicht peinlich? »Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich.« Sind es nicht handwerkliche Fehler? Und wieder: ihre Augenbrauen. »Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich habe jetzt erst entdeckt, dass im Literaturverzeichnis eine Quelle zweimal genannt ist, eine andere dafür gar nicht. Vor 33 Jahren gab es noch keine technischen Möglichkeiten, einen Text noch einmal zu überprüfen. Man konnte nur selbst genau lesen und auf die Prüfer vertrauen.« Sie weiß, dass sie den Ruf der Musterministerin hatte, etwas bieder, aber seriös. Das Image von einst steht ihr jetzt im Weg. Sie fährt fort: »Ich kann für mich nicht in Anspruch nehmen, keine Flüchtigkeitsfehler gemacht zu haben. Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht plagiiert oder gar getäuscht zu haben. Zu der grundsätzlichen Diskussion gehört, nicht andauernd den Eindruck zu erwecken, dass Plagiate und Fehler auf der gleichen Ebene liegen.«

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Di 5. Feb 2013, 22:46 - Beitrag #30

Jetzt ging es dann doch flott, wie Tagesschau berichtet, hat die Uni den Doktorgrad nun entzogen.
Dazu, ob Schaven die binnen eines Monats mögliche Klagemöglichkeit nun wie vermutet/generell angekündigt nutzen wird, ist noch nichts belastbar konkretes zu finden.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Di 5. Feb 2013, 23:05 - Beitrag #31

Nochmal ging es schnell:
Pressemeldung der Uni
Kanzlei Redeker Sellner Dahs, die Schavan offensichtlich vertritt, kündigt Klage an und kritisiert das Verfahren.
Lesen und kommentieren mag ich die Texte - wenn dann später.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Di 5. Feb 2013, 23:08 - Beitrag #32

Neinnnn :( Das war, glaube ich, nicht das Idealergebnis. Man müsste erst einmal eine Stichprobe aller Arbeiten machen und sich fragen, ob das nicht die gängige Arbeitsweise in den Zeiten von Schreibmaschinen und Zettelwirtschaft war... und sich dann überlegen, ob man wirklich der Hälfte der in diesem Zeitraum entstandenen Doktoren ihren Titel aberkennen will. In einem Aufwasch könnte man sich dann noch fragen, warum beispielsweise Mediziner mit 10- oder 20-seitigen Doktorarbeiten einen Titel erhalten, für den andere 3 Jahre lang hunderte Seiten füllen müssen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Di 5. Feb 2013, 23:34 - Beitrag #33

Nun denn, es ist vor allem auch erstmal ein Zwischenergebnis, da und weil Klage nun klar ersichtlich ist. Insofern tippe ach auch daraif, dass Merkel Schavan vorerst nicht entalssen wird - die Vorwürfe sind schwacher als bei Guttenberg, sie steht zu ihr offensichtlich viel stärker und hat gewiss keinen Bedarf an erneuter Kabinettsumbildung.
Ob juristisch unter Gleichbehandlungssicht ein NIcht-Aberkennen des Doktorgrades oder andersherum von der Uni verlangt werden kann, durch zunöchst Stichproben zB sicherzustellen, dass andere Arbeiten aus dem Zeitraum in Ordnung sind, weiss ich nicht.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Di 5. Feb 2013, 23:36 - Beitrag #34

Weiß ich natürlich auch nicht. Aber es kommt mir ein wenig so vor, als würde man Eltern, die ihr Kind in den 50ern geohrfeigt haben (sicher nichts schönes und wünschenswertes!), nachträglich wegen Kindesmisshandlung anzeigen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Di 5. Feb 2013, 23:44 - Beitrag #35

Interessanter Aspekt insofern, als das wohl längst verjährt wäre - was zumind. bei uniinternem Entzug wohl nicht der Fall zu sein scheint. Auf jeden Fall wird nun, hoffentlich bald, ein wohl interessantes Gerichtsverfahren folgen.
Und nein, ich bin wohl nur schon zu müde als das ich über Matrix-Treffen im Zuschauerraum sinniere...

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mi 6. Feb 2013, 17:57 - Beitrag #36

Ich will dann mal den tendenziellen Input-Overflow in dieser Sache abarbeiten.

Irgendwo las (oder hörte?) ich heute, bei Schavan fänden sich die bemängelten Stellen (vor allem oder gar nur) im repetitiven Teil, dort wo sie selber etwas erarbeitet und dargestellt hat, sind anders als zB bei Guttenberg eben keine Plagiate zu finden. Wen dem so ist (das nachzuprüfen ist mir gerade zu lustbefreit), dann wäre das m.E. ein gewichtiger Grund, der nur für Rüge, ber Belassen des Doktorgrades spricht.

Wie bspw. in der Zeit zu lesen, will Schavan nicht zurücktreten und Merkel stärkt ihr den Rücken.
Kanzlerin Angela Merkel hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihr "volles Vertrauen" ausgesprochen. Nach der Rückkehr der Ministerin aus Südafrika werde "Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert als Reaktion auf die Aberkennung des Doktortitels.

Schavan hatte bereits erklärt, trotz des Entzugs ihres Doktortitels nicht als Ministerin zurückzutreten. "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen. Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde", sagte sie in der südafrikanischen Stadt Johannesburg.


Es finden sich zwei Kommentare, die einen Rücktritt wegen der aktuelle Affäre als falsch einstufen. Einmal in der SZ, bei der auch die Frage angewissen wird, ob nun auch andere Dissertationen anders zu beurteilen sind:
Die Entscheidung ist juristisch vertretbar, dennoch ist sie nicht richtig. Zum einen war die Causa Schavan ein Grenzfall, das zeigt schon die lange Prüfung durch die Universität. Und das zeigt der Streit, den die Vorwürfe unter Wissenschaftlern entfacht haben. Zum Zweiten lag das Fehlverhalten der jungen Annette Schavan mehr als 30 Jahre zurück. All das hätte man berücksichtigen, die Zitierfehler rügen - und es dabei belassen können.

Die Entscheidung gegen Schavan setzt strenge Maßstäbe, auch bei der Prüfung von Dissertationen, die in den Bibliotheken längst vor sich hingilben. Man darf gespannt sein, wie viele Titel diesen Maßstäben noch zum Opfer fallen werden.



Mit gleichem und doch letztlich anderen Tenor meldet sich die Zeit und vergleicht ein wenig auch Guttenberg und Schavan:
Fest steht: Die Uni Düsseldorf hatte keine andere Wahl, als den Titel abzuerkennen. Ihr Risiko war, künftig in dem Ruf zu stehen, man nehme es nicht so genau mit wissenschaftlichen Standards. Das kann sich keine Hochschule leisten.

Doch Schavan hat keine Straftat begangen. Sie hat ein paar Anführungszeichen ausgelassen, im schlimmsten Fall mit Absicht, um ihre Arbeit ein bisschen besser erscheinen zu lassen.

Schavan hat nicht das Parlament belogen

Bei Karl-Theodor zu Guttenberg lag der Fall anders. Der ehemalige Verteidigungsminister hat sich vor das Parlament gestellt und gelogen. Ihm konnte nachgewiesen werden, dass mehr als 90 Prozent seiner Doktorarbeit geklaut war. Das sind echte Rücktrittsgründe. Schavan hat weder im Bundestag die Unwahrheit gesagt noch mit der Chuzpe Guttenbergs abgeschrieben.

Die Kanzlerin sollte gelassen bleiben. So manche Doktorarbeit in Deutschland würde der Überprüfung durch Internetaktivisten und Kommissionen nicht standhalten. Ginge es gerecht im Sinne schavanscher Maßstäbe zu, müsste eine Aberkennungswelle durch die Republik rollen. Die Regierung muss zeigen, dass es einen Weg gibt, mit den Fünden der Plagiatsjäger souverän umzugehen.


Jedoch sieht die Zeit am Ende andere Gründe, die einen Rücktritt Schavans nahelegen könnten:
Es gibt einen viel besseren Grund, warum die CDU-Politikerin als Wissenschaftsministerin abtreten sollte: Ihre politische Arbeit. Schavans Bilanz darf man getrost als schwach bezeichnen. Ihr Prestigeprojekt, das Deutschlandstipendium, steht heftig in der Kritik. Und obwohl Schavan Studiengebühren für notwendig hält, schafften viele Länder sie ab. Darüber sollte man sprechen. Im kommenden Herbst gibt es wieder eine Gelegenheit, ihr den wichtigeren Titel abzuerkennen.


Irgendwie noch unsicher bin ich in der Beurteilung eines Interviews, das Wolöfgang Löwer, Bonner Jura-Professor, als Promotionsexperte bezeichnet und Sprecher des Gremiums "Ombudsman für die Wissenschaft" der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Zeit zum Thema Schavan und Promotion im allgemeinen gab.
Löwer: Nein, die Verantwortung liegt beim Täuscher, nicht beim Getäuschten. Jeder, der eine Dissertation einreicht, muss der Universität versichern, dass er die Arbeit selbst angefertigt und sich kein fremdes geistiges Eigentum angeeignet hat. Der Gutachter soll zwar prüfen, ob die Arbeit authentisch ist und die Ideen originell sind. Dazu muss er im Thema kundig sein und sich in der Literatur gut auskennen. Doch er ist keineswegs verpflichtet, sich wie die vroniplag-Mannschaft hinzusetzen und jede einzelne Fußnote nachzuschlagen. Wenn ein Kind der Oma Geld aus dem Portemonnaie klaut, würden Sie der Oma doch keine Teilschuld geben, weil sie ihr Portemonnaie auf dem Tisch hat liegen lassen, oder?


ZEIT ONLINE: Laut dem Statistischen Bundesamt sind im Jahr 2011 nur sechs von 26.987 Promovenden durchgefallen. Werden Promotionen einfach durchgedrückt?

Löwer: Die Zahl überrascht mich nicht, denn sie lässt die ganzen Abbrecher außer Acht: Ich schätze, dass mindestens ein Drittel der Doktoranden die Promotion nicht zu Ende führen – und das ist noch vorsichtig geschätzt. Das liegt unter anderem daran, dass Dissertationen intensiv betreut werden. Im Gegensatz zu etwa einer studentischen Hausarbeit bekommt der Doktorvater keine komplett unbekannte Arbeit auf den Tisch gelegt. Meist hat er schon während der Entstehungsphase eine recht genaue Vorstellung davon, woran der Promovend arbeitet und wie dessen Arbeitsfortschritte verlaufen. Wenn die Arbeit in die falsche Richtung zu gehen oder schlecht zu werden droht, kann das im Gespräch zwischen Doktorvater und Promovend geklärt werden.

ZEIT ONLINE: Besteht da nicht die Gefahr, dass der Gutachter bei der Bewertung der Dissertation befangen ist?

Löwer: Es sind immer Menschen, die die Noten geben. Vor allem bei der mündlichen Promotionsprüfung ist es schwierig, sich für seinen Doktoranden nicht persönlich verantwortlich zu fühlen. Wenn er es in der Prüfung nicht gepackt hat, muss sich der Doktorvater danach eingestehen: Ich habe es auch nicht gepackt. Denn man hat seinen Doktoranden schließlich die ganze Zeit begleitet und womöglich etwas falsch gemacht. Bei den Arbeiten selbst haben die guten Noten noch einen anderen Hintergrund: Die Gutachter wollen sie veröffentlicht sehen – denn sie sollen ja nicht als Kellerdissertationen verstauben. Und die Verlage nehmen nur Summa- oder Magna-Arbeiten. So tendieren viele Gutachter dazu, im Zweifel die bessere – und vielleicht zu gute – Note zu geben. Meine Fakultät hat sich diesem Problem schon angenommen: Wir haben die neue Notenstufe satis bene zwischen cum laude und rite eingeführt.


Aus meinem Bauchgefühl kriegt er keine klare Position hin, ob Promotionsbetrug jetzt nur ein Problem des betrügend promovierenden ist oder ob da nicht auch die Rolle der betreuenden doch gravierend mit hineinspielt.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mi 6. Feb 2013, 19:47 - Beitrag #37

Ex-Kulturstaatsminister Nida-Rümelin, seines Zeichens Professor für Philosophie in München, hat in einem Deutschlandfunk-Interview seinerseits Stellung bezogen, und zwar klar auf einen Rücktritt hin, den er als völlig alternativlos^^ hinstellt. Dabei kommt er auch auf die im Parallelthread angesprochene Yale-Aktion zu sprechen...
Und man kann ja da Mitleid und Mitgefühl haben und trotzdem ganz konsequent sagen, jemand, der keinen Doktortitel mehr hat, dem der Doktortitel aberkannt worden ist, der eigentlich auch nicht mehr an Universitäten vortragen kann - siehe Guttenberg in den USA, wo die Studierenden das verhindern -, der kann doch auf keinen Fall weiterhin Wissenschaftsministerin bleiben, und in dem Fall ist es ganz extrem, weil Frau Schavan sich ja über den Fall Guttenberg besonders deutlich und besonders kritisch geäußert hat.
Zudem stellt er klar, daß es sich bei der Promotion um ihren einzigen akademischen Abschluß handle und sie damit auch die Berliner Honorarprofessur verliere.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mi 6. Feb 2013, 19:57 - Beitrag #38

BLiebe allmählich zu thematisieren, wiesehr bei Schavans Job wirklich der rein wissenschaftliche Gedanke/Anteil eine Rolle spielt und wie stark sie einfach auch als ministeriale Verwaltungscheffin gefragt ist.
Je mehr letzteres, desto weniger Rücktrittsgedanke m.E.

Bedingt Honorarprofessur tatsächlich irgendeinen akademischen Abschluß? Ich meine in Köln Honorarprofessoren erlebt zu haben, die Ausbildung aber kein Studium abschlossen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Do 7. Feb 2013, 20:24 - Beitrag #39

Diverse Medien, wie auch die SZ sind sich natürlich nicht zu schade, schon jetzt um IMHO ohne wirklichen Anlaß über mögliche Nachfolger zu spekulieren.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 7. Feb 2013, 20:56 - Beitrag #40

Finde ich ganz und gar nicht anlaßlos. Angesichts der Entscheidung ihrer Uni ist sie meines Erachtens unhaltbar geworden, daran würde jetzt auch eine gerichtliche Revision kaum mehr was ändern. Sie beschädigt meines Erachtens das Ansehen des Wissenschaftsstandorts Deutschland, und ist nicht mehr geeignet, ihr Ressort auszuüben (schlechter übrigens, als wenn sie nie studiert hätte, finde ich). Darüber hinaus wäre aber auch persönlich ein Weiterwursteln falsch angesichts ihrer Stellungnahme zu Guttenberg damals.

McAllister wäre wohl keine schlechte Wahl, den Mac kann ihm keiner aberkennen, so groß wie er den plakatiert hat.^^ Aber auch sonst ein fähiger Mann, wäre schade, wenn er in der Versenkung verschwindet (wobei Niedersachsen wohl kaum auf Dauer rot wird...)

VorherigeNächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 14 Gäste