HartzIV und Zwangsprostitution

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Ipsissimus
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Fr 8. Feb 2013, 13:55 - Beitrag #1

HartzIV und Zwangsprostitution

Eine 19-Jährige bekommt ein unmoralisches Angebot vom Arbeitsamt, sie solle sich in einem Bordell bewerben und dort nachts und am Wochende arbeiten ...

...

Hartz IV erlaubt es Arbeitsagenturen Erwerbslose als Prostituierte zu vermitteln, siehe die Info in der linken Spalte. In der Regel fragen die Vermittler die Betroffenen, ob sie im Rotlichbereich arbeiten wollen, das kann aber auch schon mal vergessen werden. Bei Ablehnung können die üblichen Sanktionen zum Zuge kommen.


https://www.freitag.de/autoren/mopperkopp/zwangsprostitution-durch-hartz-iv

weiß jemand Genaueres dazu?

009
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Fr 8. Feb 2013, 21:34 - Beitrag #2

Da muß doch bitte irgendwo ein ganz massiver Haken sein. Ablehung kann doch IMHO/IIRC nur folgen haben, wenne szumutbare Arbeit ist. Prostitution sollte da doch mit breitem gesellschaftlichen Konsens nicht sazu gehören.
In dem Sinne, dass dies eben kein "Job" ist, den man einer Vielzahl Arbeitssuchernder einfach so zumuten könnte, davon zu trennen ist die inzwischen durch Gesetzesänderung ja auch weitgehend vollzogene gesellschaftliche Sicht, dass Prostitution eine legale Berufsmöglichkeit ist.

Maglor
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Fr 8. Feb 2013, 22:25 - Beitrag #3

In etwas weniger tendenziösen Zeitungen - z. B. Spiegel - war immer davon die Rede, der 19-jährigen wäre eine Stelle als Service-Kraft in einem Bordell angeboten worden, d. h. hinter der Theke, nicht als Prostuierte.

Von Zwangsprostitution durch Hartz IV kann auch kaum die Rede sein. Ein eigenständiger Anspruch auf sogenanntes Arbeitslosengeld II existiert erst am 25. Das 19-Jährige Mädchen hätte daher auch nicht mit Leistungskürzugen rechnen müssen, da sie aufgrund ihres Alters keinen Leistungsanspruch hat. :rolleyes:

Ganz davon ab, ist das natürlich nur die logische Konsequenz der Legalisierung der Prositution.
Arbeitsagenturen wären eigentlich dazu genötigt, alle Stellengesuche von Bordellen aufzunehmen. In den letzten Jahren haben dies mehrere Ämter erfolgreich verweigert für Prostiuierten Stellen oder Stellungen zu vermitteln.
[INDENT]2009 schaffte das Bundessozialgericht in einem Fall Klarheit, wo ein Bordellbetreiber zweier Etablissements in Speyer und Karlsruhe von einer Arbeitsagentur verlangt hatte, zwölf Stellen für Prostituierte aus Deutschland und der Europäischen Union auszuschreiben. ...
Das Gericht hielt ihm entgegen: "Ein aktives Fördern der Prostitution durch Träger öffentlicher Gewalt lässt sich nicht mit der Wertordnung des Grundgesetzes® vereinbaren." Spiegel [/INDENT]
Daraus folgt: Die sogenannte "Agentur für Arbeit" vermittelt keine Arbeitslosen in die Prostitution, obwohl die sogenannten Hartz-Gesetze eigentlich keine absoluten Grenzen der Zumutbarkeit von Arbeit mehr vorsehen. (Nachts und am Wochenende zu arbeiten galt in diesem Fall wahrscheinlich schon als zu zumutbar.)

Alles in allem ist das ein typischen Beispiel dafür, wie nicht nur an Freitagen Polemik Recherche wunderbar ersetzen kann. ;)

009
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Fr 8. Feb 2013, 22:30 - Beitrag #4

Ich habe eine weitere, offizielle Quelle, die den Gedanken der Zwangsprostitution von HartzIV-Empfängern ausschließt beim Allgemeinministerium, äh dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefunden:
An sich kann das Verbot der Vermittlung in sittenwidrige Tätigkeit nach § 36 I SGB III mit Inkrafttreten des ProstG für Tätigkeiten in der Prostitution nicht mehr zur Anwendung kommen, mit der Konsequenz, dass die Arbeitsvermittlung in Beschäftigungsverhältnisse in der Prostitution nicht mehr abgelehnt werden kann. Dementsprechend könnten Prostituierte und Stellenanbieter die Vermittlungsdienste der Agenturen für Arbeit bezüglich eines derartigen Beschäftigungsverhältnisses in Anspruch nehmen.

Die Agenturen für Arbeit vermitteln jedoch aufgrund einer geschäftspolitischen Entscheidung nicht im Bereich Prostitution. Zur Begründung verweist das BMWA darauf, dass die Agenturen für Arbeit aus allgemein geltenden Verwaltungsgrundsätzen und der sich daraus ergebenden Fürsorgepflicht Wertvorstellungen, über die gesellschaftlicher Konsens besteht, bei der Vermittlungsarbeit zu berücksichtigen haben. Dementsprechend werden derartige Stellenangebote oder Angebote von Bewerberinnen bzw. Bewerbern von den Agenturen für Arbeit nicht entgegengenommen. Durch diese grundsätzliche Entscheidung wurde sichergestellt, dass Arbeitslose nicht ungewollt Stellenangebote aus diesem Bereich erhalten und die individuellen Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. Deshalb stellt sich auch nicht die Frage leistungsrechtlicher Konsequenzen wegen Arbeitsablehnung.

Traitor
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Fr 8. Feb 2013, 23:00 - Beitrag #5

In den meisten Bereichen handeln die Ämter per interner Anweisungen ja deutlich asozialer, als es der Gesetzestext eigentlich vorgibt. Dies scheint einer der seltenen Fälle zu sein, in dem sie sich eine vernünftige Selbstbeschränkung über den Gesetzestext hinaus auferlegt haben.
Dass der Gesetzestext inkludierend lautet, ist an sich eine logische Folgerung aus der Legalisierung, ja. Per Grundrechtsklage auf Würde und so könnte man aber vermutlich auch einen Ausschluss hineinklagen. Wäre vielleicht auch gar nicht so schlecht, interne Anweisungen sind schließlich nicht gerade für ihre Unumstößlichkeit bekannt.


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